Protocol of the Session on April 1, 2009

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Was Sie bringen respektive nicht bringen und Ihre Begründung, den Antrag nicht überweisen zu wollen, ist alles andere als überzeugend. Die SPDFraktion wird selbstverständlich dem Überweisungsbegehren zustimmen. – Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Müller.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute über den Strafvollzug in Hamburg sprechen können. Meine Vorredner haben schon sehr viele Details genannt. Man sollte nach elf Monaten auch einmal festhalten – das ist beim letzten Mal auch im Plenum geschehen –, dass schon sehr viel im Justizressort passiert ist. Ein neues schwarz-grünes Strafvollzugsgesetz liegt vor. Wir werden am 16. April eine Expertenanhörung haben und selbstverständlich ist es jedem Abgeordneten freigestellt, diese Anfrage dabei zu haben, wenn es notwendig ist, das mit dem Gesetzesentwurf zu verbinden.

Wir waren letzte Woche als Rechtsausschuss in der neuen, selbstständigen Sozialtherapeutischen Anstalt. Wir haben uns dort erkundigt und als Abgeordnete einen Rundgang gemacht. Auch das zeigt, dass schon in diesen Monaten sehr viel passiert ist. Ich kann Ihre Ungeduld verstehen, aber nehmen Sie zur Kenntnis – das haben Sie eigentlich auch schon –, dass in regelmäßigen Abständen etwas passiert. Sie brauchen deshalb nicht darauf zu hoffen, dass sich die CDU und die GAL darin nicht einig sind und deswegen eine Überweisung nicht zustande kommt.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Ein weiterer Punkt – hier sagen Sie auch, dass etwas passieren müsse –, ist, wie wir mit den sinkenden Gefangenenzahlen in dieser Stadt und mit den Haftplatzkapazitäten umgehen. Man kann dieses auch einen Monat früher durchführen, aber wir haben uns darauf verständigt, bei so einem Projekt…

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Müller, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich würde gern weitersprechen.

Dieses Projekt wirft einerseits die Frage auf, wie wir mit den Justizvollzugsanstalten umgehen, wo wir freie Haftplatzkapazitäten haben. Andererseits besteht die Frage, wie wir Kosten einsparen kön

(Stefan Schmitt)

nen und trotzdem den offenen Vollzug verbessern können.

All diese Fragen benötigen eine sorgfältige Planung, weswegen hier auch eine Lenkungsgruppe eingesetzt wurde, die die Realisierbarkeit solcher Lösungen in dieser Stadt überprüfen soll.

Ich bin mir der Probleme und der Fragen um die Berechnung bewusst und weiß deshalb warum wir soviel Zeit benötigen. Mir ist ein solides Konzept wichtiger als ein Schnellschuss, nur um die Sache schnell vom Tisch zu haben. Sie haben bisher auch noch keine konstruktiven Vorschläge in diesem Bereich gemacht. Ich bitte, darauf zu vertrauen, dass, wie in den anderen Bereichen, ein sehr guter Vorschlag vom Senat kommen wird. Ich bin ganz sicher, dass wir in diesem Hause darüber ausführlich debattieren werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ein weiterer wichtiger Punkt der Großen Anfrage betraf die Frage nach der Entlassungsvorbereitung sowie -nachbereitung. Sie hatten wahrscheinlich den Koalitionsvertrag vorliegen, als Sie die Große Anfrage geschrieben haben. Um den Bereich wollen wir uns kümmern, den wollen wir weiter entwickeln, denn wir wissen, dass diese Frage auch eine Sicherheitsfrage ist. Je besser wir die Vorund Nachbereitung der Gefangenen durchführen, umso höher ist die Sicherheit, wenn der Gefangene wieder in die Freiheit kommt.

Auch hier hat der Senat gesagt, dass im zweiten Quartal die Planung aufgenommen werden soll. Wir werden uns sehr intensiv damit beschäftigen, da können Sie sich sicher sein. Hier wird auch nichts zwischen CDU und GAL treten, sondern hier werden wir an einem Strang ziehen, denn unser gemeinsames, erklärtes Ziel ist die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger. Da gibt es überhaupt keine Debatte.

Den angeblichen Widerspruch, Herr Schmidt, weil Sie sagten, die Beantwortung zum Punkt Verschuldung wäre Unfug, gibt es nicht. Nur weil der Senat die durchschnittliche oder die einzelne Höhe der Verschuldung der Gefangenen nicht kennt und hinterher sagt, er sehe zurzeit keinen Bedarf, hier konzeptionell neu zu arbeiten, zu sagen, das wäre Unfug, weil man die Zahlen vorher nicht gehabt hätte, ist Unsinn. Wenn Sie ein bisschen Ahnung hätten von der Frage der Entschuldung, dann würden Sie sehen, dass es um die erfolgreichen Vorgänge geht und wie man sie nach vorne bringt und nicht so sehr darum, ob man nun 30 000 oder 20 000 entschuldet. Es geht darum, ob eine erfolgreiche Entschuldung stattfindet. Diese Erkenntnis muss der Senat schon aus dem Grunde haben, weil er diese Organisation dafür bezahlt, dass sie diese Aufgabe im Namen der Stadt übernimmt. Das wissen Sie auch, das ist im Sozialetat mit er

heblichem Geld abgesichert und wurde gerade erneut aufgestockt.

Bei der Frage der Haftvorbereitung und Haftnachbereitung und gerade bei den Ersatzfreiheitsstrafen bin ich auch auf den Punkt aufmerksam geworden, wie wir Obdachlosigkeit verhindern können, wenn die Wohnung bei Ersatz-Freiheitsstrafen nicht länger als sechs Monate bezahlt wird. Deswegen werden wir uns mit diesem Punkt noch einmal genauer beschäftigen, denn eines ist doch politisch fraktionsübergreifend klar: Obdachlosigkeit soll nicht das Ergebnis der Verbüßung von ErsatzFreiheitsstrafen in dieser Stadt sein. Deswegen werden wir uns das noch einmal genau ansehen. Ich bin mir sicher, dass wir hierbei zu einem guten Ergebnis kommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Senator Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Solche Großen Anfragen sind natürlich ein sehr gutes Mittel, damit das Parlament sich einen Überblick verschafft über einen Themenbereich, den es für interessant hält. Sie sind ein sehr gutes Mittel, um eine Bestandsaufnahme herbeizuführen. Es liegt natürlich dann in der Hand der Fragenden, wie verlässlich, wie aussagekräftig eine solche Bestandsaufnahme wird. Es hängt auch sehr stark davon ab, wonach gefragt wird, wonach nicht und in welcher Weise gefragt wird. Wie der Senat antworten muss, das richtet sich nach dem Gesetz. Frei sind die Abgeordneten aber in der Formulierung der Fragen.

Natürlich richtet die Fraktion der LINKEN auf bestimmte Bereiche, in denen sie Schatten vermutet, das Licht und in anderen Bereichen fragt sie nicht so detailliert nach; das ist ihr gutes Recht. Ich will nicht in Abrede stellen, es so zu machen. Aber es bedeutet natürlich auch, dass im Ergebnis eine Anfrage kein umfassendes und ausgewogenes Bild über den Hamburger Strafvollzug ergeben kann.

Die Mitarbeiter im Hamburger Strafvollzug sind überwiegend beschäftigt mit der Betreuung der Gefangenen und nicht überwiegend damit, präventiv Statistiken zu führen. Das ist ein wichtiger Punkt. Natürlich geben wir alle Daten heraus, die erfragt werden, wenn sie bei uns sowieso für die Arbeit benötigt und deswegen erhoben werden. Aber wir führen natürlich keine umfangreichen, detaillierten Statistiken, die für die tägliche Arbeit im Hamburger Strafvollzug nicht benötigt werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es ist auch mitnichten so, dass man immer die eigentlichen Erkenntnisse aus rein statistischen Betrachtungen ziehen könnte. In vielen Fällen ist es

(Farid Müller)

unbedingt erforderlich, qualitative Betrachtungen für eine Problemanalyse zugrunde zu legen, die kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befragen, welche Erfahrungen sie gemacht haben, wo die Schwierigkeiten liegen, woran zum Beispiel eine Entschuldung scheitert, wo hier die Schwierigkeiten sind. Dieses qualitativ bei den Mitarbeitern abzufragen, ist viel hilfreicher, als sich nur in Statistiken zu verlieren. Ich persönlich halte es auch für ausgesprochen wichtig und aufschlussreich, das kann ich Ihnen aus neun Monaten Erfahrung berichten, das direkte Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu suchen. Das ist häufig viel interessanter, als sich Statistiken vorlegen zu lassen. Die Wirklichkeit ist viel differenzierter und deswegen auch viel eher zu erfassen, wenn man sich direkt mit den Leuten unterhält, die die Betreuung der Gefangenen im Hamburger Strafvollzug übernehmen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Anfragen sind nicht unbedingt das optimale Medium, um eine Diskussion über Konzepte zu führen. Deswegen sind natürlich auch manche Fragen ein bisschen verunglückt, weil Sie Ihre konzeptionellen Vorstellungen in die Frage hineinschreiben. Auf diese suggestive Frage, ob denn der Senat vielleicht vorhätte, ein bestimmtes Konzept, so wie Sie es sich vorstellen, umzusetzen, wird der Senat dann mit Nein antworten, weil eine andere Konzeption beim Senat verfolgt wird. Ich glaube, das richtige Medium, um über Konzepte zu diskutieren, sind Anträge, mit denen der Senat und die Fraktionen in der Bürgerschaft agieren können. Aber es ist klar, dass wir Handlungsbedarf im Hamburger Strafvollzug haben.

Es gibt, grob gesagt, drei Baustellen. Die erste Frage ist, welche gesetzliche Grundlage wir für die Arbeit im Hamburger Strafvollzug haben. Dafür haben wir das Gesetz eingebracht, durch das das Hamburger Strafvollzugsgesetz abgelöst wird durch zwei Gesetze: ein Strafvollzugsgesetz für die erwachsenen Gefangenen und ein Jugendstrafvollzugsgesetz. Das liegt der Bürgerschaft vor. Es liegt bei Ihnen, hier für den letzten Schritt zu sorgen und das dann auch in Kraft treten zu lassen.

Die zweite, sehr schwierige Baustelle ist die Frage der Umstrukturierung. Hier gilt grundsätzlich, dass es keinen Sinn macht, ein Konzept übers Knie zu brechen. Wir brauchen ein sorgfältig entwickeltes Konzept, das stimmig ist und das funktioniert. Da nehme ich es eher in Kauf, dass wir etwas länger brauchen, als dass ich Ihnen ein nicht durchdachtes Konzept vorlege, das lediglich getragen wird von Vorurteilen oder Überzeugungen. Das ist sicherlich kein guter Weg für die Weiterentwicklung des Hamburger Strafvollzugs. Wir brauchen ein sehr gut durchdachtes und ganz klar abgewogenes Konzept und das werden Sie bekommen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich bin mir sicher, dass dieses Konzept auch ausreichend mit den Bediensteten diskutiert wird und wir tatsächlich an dieser Stelle zu einem sehr guten Ergebnis kommen werden.

Wir müssen im Rahmen dieser Entscheidungen schwierige Fragen beantworten. Wenn man in einer Struktur eine Einschränkung, eine Reduzierung der Kapazitäten vornehmen muss, dann bedeutet das natürlich, dass sich auch Einzelne, die betroffen sind von den Entscheidungen, von bestimmten gewohnten und vielleicht auch lieb gewonnenen Arbeitsabläufen verabschieden müssen. Das ist keine angenehme Entscheidung, das ist im Ergebnis nicht nur eine positive Botschaft.

Wir müssen aber auch ganz reale Probleme lösen. Wir müssen die Frage beantworten – ich habe es letztens schon erwähnt –, ob es wirklich klug ist, die Gefangenen aus einem ganz geschlossenen Vollzug in einen vollständig offenen Vollzug übergangslos wechseln zu lassen. Darauf müssen wir konzeptionell antworten, ich halte das für riskant. Ich halte das für nicht sinnvoll und an der Stelle müssen wir konzeptionell antworten im Rahmen dieses Umstrukturierungskonzepts.

Wir müssen antworten auf Entwicklungen, die sich, wahrscheinlich zufällig, in mehreren Punkten im Bundesland Nordrhein-Westfalen abgespielt haben, der sehr erschreckende Vorfall in der Haftanstalt in Siegburg vor einigen Jahren, bei dem ein Gefangener, der zunächst – das muss man auch beachten – der Zusammenlegung mit anderen Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle zugestimmt hatte, am Ende von anderen Gefangenen umgebracht wurde, die ein sadistisches Spiel mit ihm getrieben hatten.

Es gab einen ähnlichen Vorfall im letzten Jahr in einer anderen Haftanstalt in Nordrhein-Westfalen, bei dem es zum Glück – ich sage das in Anführungszeichen – nicht zu einem Todesfall gekommen ist, sondern lediglich zu einer schweren Misshandlung. Es zeigt sich also, dass es ein strukturelles Problem mit Gemeinschaftszellen gibt und darauf müssen wir antworten.

Wir müssen auch antworten auf eine neuere Rechtsprechung, die sich in dem Fall konkret auf Gemeinschaftszellen bezog, des Oberlandesgerichts Hamm, das gesagt hat, fünf Quadratmeter pro Gefangenen seien zu wenig, das sei nicht menschenwürdig. Wir müssen antworten im Hinblick auf Zellen in Hamburg, die in ähnlicher Dimension sind.

Die dritte Baustelle ist das Thema Entlassungsvorbereitung, die konzeptionelle Arbeit im Vollzug. Das gehen wir systematisch an. Das gehe ich zusammen mit meinem Kollegen Wersich an, der für viele Belange zuständig ist, die nach der Haft ansetzen müssen, was Gefangene zum Beispiel nach der Entlassung machen. Da müssen wir uns viel

(Senator Dr. Till Steffen)

enger verzahnen, das haben wir uns gemeinsam vorgenommen. Wir werden die Zusammenarbeit mit Freien Trägern suchen und an der Stelle gibt es konzeptionell viel zu entwickeln.

Aber, das will ich sehr deutlich sagen auch im Hinblick auf Lernprozesse, die ich persönlich habe machen dürfen im Rahmen der letzten Monate: Wir fangen bei vielen Dingen tatsächlich nicht bei Null an. Auch einiges, was heute hier gesagt wurde, ist insoweit nicht richtig, als Qualitäten des Hamburger Strafvollzugs nicht zutreffend beschrieben werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das trifft zum Beispiel auf die Frage der schulischen und beruflichen Qualifizierung und der Beschäftigung im Vollzug zu. Wir haben die Situation, dass jedem Gefangenen in Hamburg Arbeit oder Ausbildung und Qualifizierung angeboten werden können. Das ist eine ausgesprochen positive Situation und darauf können wir aufbauen. Wir haben eine veränderte Situation, wir haben andere Gefangene, auch wenn immer die Frage gestellt wird, wie sich das mit den Schulabschlüssen entwickelt. Wir haben Gefangene, bei denen erst einmal überhaupt nicht an das Erreichen eines Abschlusses zu denken ist, sondern bei denen es darum geht, mit der Qualifizierung erst einmal anzufangen. In den letzten Jahren haben wir passende Konzepte entwickelt, insbesondere im Jugendvollzug, mit Lernwerkstätten, die sehr einfach anfangen. Sie nehmen diese Gefangenen, die große Schwierigkeiten mit dem Lernen haben, erst einmal mit. Das ist eine Qualität, auf der wir aufbauen müssen und auf der wir auch aufbauen werden.

Wir haben in Hamburg die beste Relation zwischen Gefangenen und Mitarbeitern in der gesamten Bundesrepublik. Darauf können andere tatsächlich nur neidisch sein. Das ist auch eine Qualität, die wir versuchen müssen zu erhalten.

Wir hatten in den letzten Jahren eine Entwicklung, die zu einer Konzentration der Anstalten geführt hat. Gerade durch diese Konzentration, die Schließung vieler kleiner Haftanstalten – was ich persönlich in einigen Fällen auch kritisch begleitet habe –, ist ein ausgesprochen positiver Effekt erzielt worden für die Wirtschaftlichkeit der Haftanstalten, natürlich auch für die Steuerbarkeit und damit auch die Sicherheit der Haftanstalten, aber auch für die Möglichkeiten, überhaupt ein solches differenziertes Konzept an Qualifikation und Arbeit anbieten zu können. Das ist eine Qualität, die im Hamburger Strafvollzug in den letzten Jahren entwickelt worden ist, auf der wir auch im Rahmen der Umstrukturierung aufbauen müssen.

Manche Dinge muten so schlicht und als Notwendigkeit an; aber man muss auch sagen, dass in Fuhlsbüttel in Haus II sehr viel saniert worden ist. In der Untersuchungshaftanstalt ist mit der Sanie