Protocol of the Session on February 11, 2009

Das ist die Programmpartei SPD zu Beginn des 20. Jahrhunderts in dieser Finanzmarktkrise.

(Beifall bei der SPD – Frank Schira CDU: Warum hat Ihr Fraktionsvorsitzender das ei- gentlich nicht gesagt? – Zuruf von Jens Ker- stan GAL)

Zum Vergleich, Herr Schira, darf ich jetzt aus Ihrem Grundsatzprogramm zitieren. Das ist Ihr Koalitionspartner hier in Hamburg, Herr Kerstan, hören Sie sich dieses Zitat aus dem Grundsatzprogramm der CDU an, beschlossen auf dem 21. Parteitag im Dezember 2007, die Finanzmarktkrise hatte begonnen. Grundsatz 158:

"Der globale Finanzmarkt trägt zur Erhöhung des Wohlstands in der Welt bei … Offene Märkte und freie Wettbewerber sichern Attraktivität und Liquidität des deutschen Kapitalmarktes. Fonds auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten, wie die Private-EquityFonds, können auch in Deutschland dazu beitragen, Unternehmen wettbewerbs- und innovationsfähiger zu machen."

(Frank Schira CDU: Das haben wir doch ge- sagt!)

Herr Schira, das sind Sätze zum internationalen Finanzmarkt, die Sie schleunigst aus Ihrem Grundsatzprogramm streichen sollten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Frank Schira CDU: Wir diskutieren das doch!)

Denn solche Sätze, Herr von Beust – der Parteivorsitzende, Herr Freytag, ist schon weg –, sind Gift für eine soziale Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik. Sie sind Gift in den Köpfen der Politiker, Manager und Banker, die uns in diese Krise hineingeritten haben, für die wir alle,

(Wolfgang Beuß CDU: Haben Sie eigentlich nicht zugehört?)

die Menschen in Hamburg, die Zeche zahlen müssen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Kruse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war sicherlich nur ein Versprecher, Herr Tschentscher, dass Sie sich auf das SPD-Parteiprogramm von zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezogen haben,

(Zurufe: Oh, oh!)

obwohl es einem manchmal doch so vorkommt.

Die Kritik, die Sie am Schluss vorgetragen haben, hätte ein Anstoß sein können. Aber offensichtlich haben Sie dem Bürgermeister nicht zugehört, denn er hat genau an diesem Punkt die entscheidenden Worte gesagt.

(Dr. Peter Tschentscher)

(Beifall bei der CDU und der GAL – Ingo Egloff SPD: Das hat Herr Schira alles wieder relativiert in seiner Rede!)

Vielleicht können Sie nicht damit umgehen, dass wir einen ebenso tatkräftigen wie auch nachdenklichen Bürgermeister haben. Das mag nicht das Übliche sein, aber es ist eine sehr gute Konstellation für diese Stadt in dieser Zeit. Es passt zu Hamburg und darum geht es. Es geht nicht darum, ob eine Partei gut dasteht, sondern es geht darum, ob die Stadt gut dasteht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

In Zeiten wie diesen kann man – wir hatten den Namen Schmidt heute schon häufiger – sagen: Es gab einmal den Begriff "Guter Mann in der falschen Partei". Das dürfen Sie gerne bei unserem Bürgermeister sagen. Aber Sie dürfen sich dann auch mit uns freuen, dass er in dieser Stunde dort ist, wo er ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Tschentscher, Sie analysieren Dinge und sagen dann: mit ein bisschen Pech.

(Michael Neumann SPD: Kruse steht allein im Wald!)

Besser als Sie allein im Sumpf.

(Lachen bei Wolfgang Beuß CDU)

Ein bisschen Pech, das ist der Blickwinkel, den Sie und auch Ihr Kollege Neumann auf den Senat haben. Das ist das, was Sie wünschen. Es ist die Frage, ob es ein guter Wunsch ist in dieser Zeit, dass der Senat ein bisschen Pech haben möge, damit er mit seiner Politik scheitert. Was Sie uns wünschen müssen, ist, dass wir Fortune haben, weil es um die Stadt geht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das haben aber nur Fleißi- ge!)

Sie haben recht, Herr Neumann, Glück ist nur mit den Tüchtigen. Das ist ein schweres Problem für Sie.

(Ingo Egloff SPD: Das Glück ist mit den Doofen!)

Herr Neumann, wenn ich mir den Aufbau Ihrer Reden anschaue, dann fällt mir ein schönes Beispiel meines Vaters ein. Er sagte: Es ist immer schön, wenn man ein Thema hat, es ist nur ein bisschen wenig. Das machte er daran fest, dass er einen jungen Mann kannte, der Zoologie studierte und dessen Lieblingsthema der Regenwurm war. Über den Regenwurm wusste er alles. In der mündlichen Prüfung hatte er das Pech, dass der Professor etwas über einen Elefanten hören wollte, und er konnte nur sagen: Der Elefant ist ein großes Tier, lebt auf der Erde und hat einen langen regen

wurmförmigen Rüssel. Der Regenwurm lebt unter der Erde.

Was Sie machen, mündet immer darin, den Rücktritt von Herrn Freytag zu fordern, den gesamten Senat zum Rücktritt aufzufordern, und Sie haben eigentlich zurzeit auch gar kein anderes Thema als die HSH Nordbank. Das ist zwar ein sehr wichtiges Thema, nur steht gerade das Konjunkturprogramm an. Schauen Sie doch einmal auf Ihren Sprechzettel. Bekommen Sie keinen, werden Sie nicht unterstützt? Informiert man Sie nicht, wenn Sie vielleicht ein bisschen zu spät in die Sitzung kommen und nicht genau sehen, was gerade dran ist? Es ist das Konjunkturprogramm. Wenn Sie nächste Woche in den Haushaltsausschuss kommen, reden wir dort über die HSH Nordbank; Sie sind herzlich willkommen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dort einmal hereinschauen würden.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie doch mal et- was Inhaltliches, Herr Kruse!)

Sehr gerne, ich weiß, dass Sie das bei den Beiträgen Ihrer Fraktion vermisst haben.

Wen ich einmal loben möchte, ist Frau Heyenn. Frau Heyenn hat immerhin andere Vorschläge gemacht, Herr Egloff. Sie als Wirtschaftsexperte haben gar nichts gesagt. Das ist ein Konjunkturprogramm, aber Sie haben nichts gesagt. Frau Heyenn hat immerhin gesagt, sie wolle mehr; das ist doch eine Aussage. Darüber könnte man auch diskutieren. Zu Recht hat Herr Kerstan angemahnt, dass Sie das nicht tun und hier nicht über unser Programm diskutieren, sondern nur allgemeine Anwürfe machen.

Richtig ist, dass wir dieses Programm nutzen. Sie haben gesagt, wir würden eine schwarz-grüne Wunschliste abarbeiten. Ganz oben auf der schwarz-grünen Wunschliste steht: Mehr Bildung für alle. Das arbeiten wir auch in diesem Zusammenhang ab. Wenn Sie das falsch finden, dann müssen Sie das sagen. Auch da gibt es einen Spruch und das haben die Generationen vor uns auch aus Not gelernt: Was man im Kopf hat, kann man einem nicht wegnehmen. Deswegen ist Bildung gerade in der Krise ein sehr hohes Gut. Das heißt, wenn wir heute in Bildung noch mehr investieren, wissen wir, dass wir alle Menschen in dieser Stadt fitter machen für die Zukunft.

(Zuruf von Wilfried Buss SPD)

Jetzt kritisieren Sie, wir würden in Schulgebäude investieren.

(Dirk Kienscherf SPD: Das wurde abge- senkt, Herr Kruse!)

Es geht darum, ein Konjunkturprogramm zu machen, und wir verbinden dieses Konjunkturprogramm auch mit bildungspolitischen Inhalten. Dazu gehört natürlich auch, dass man Schulen wieder zu besseren Orten macht, indem man dort konzen

trierter und besser arbeiten und lernen kann. Für mich spricht überhaupt nichts dagegen, Schulen energetisch zu sanieren. Für mich spricht überhaupt nichts dagegen, Schulen zu einem freundlicheren Ort zu machen. Ich bin zum Beispiel auch durch das sozialdemokratische Schulsystem gegangen, insofern kann es nicht ganz so schlecht gewesen sein.

(Michael Neumann SPD: Spätestens das macht deutlich, dass wir viele Fehler ge- macht haben, wenn ich Sie reden höre!)

Wenn Sie das als Fehler sehen.

Aber auch ich hätte mir gewünscht, dass die Schulen – die sind ja in einer Gesellschaft, die einmal bildungsorientierter war, als Bildungstempel gebaut worden – danach nicht jahrzehntelang vernachlässigt worden wären. Wir nutzen dieses Konjunkturprogramm, um auch hier anzusetzen und bessere Arbeitsbedingungen für unsere Kinder zu schaffen.

Vielleicht ist ein Grund, warum wir in diese Krise geschlittert sind, das, was der Bürgermeister auch angedeutet hat, dass es uns nämlich 50, 60 Jahre lang eigentlich immer sehr gut gegangen ist. Die Generation, Herr Neumann, vor Ihnen konnte nicht nur zuhören, sondern sie hat natürlich auch ganz andere Lebenserfahrungen gemacht. Wenn wir heute Mittag Hannelore Schmidt ausgezeichnet haben, dann ist das ein Lebensweg mit so vielen massiven Einbrüchen, wie wir ihn Gott sei Dank nicht erleben mussten. Aber diese Menschen hatten natürlich auch eine ganz andere Einschätzung und ein ganz anderes Gefühl für Krise und für Dinge, die richtig sind, und für Dinge, die gefährlich sind. Wenn 40, 50 Jahre lang alles sehr glatt läuft, dann ist es normal, dass vielleicht gewisse Kreise übermütig werden und das Ganze überziehen und wir es alle nicht rechtzeitig gesehen haben. Das ist der Punkt, an dem wir jetzt sehen müssen, wie wir gemeinschaftlich aus dieser Krise wieder heraussteuern.

Wenn der Bürgermeister und mit ihm die Koalitionsfraktionen sagen, dass Hamburg eine gute Chance habe herauszukommen, dann ist das doch auch begründet. Ich will einmal darauf eingehen, was wir in der Vergangenheit vorgefunden haben. Natürlich war diese Stadt immer sehr stark exportorientiert und dementsprechend wächst und fällt sie auch mit der globalen Wirtschaft. Aber wir haben gleichzeitig, nicht, weil wir gewusst haben, dass diese Krise kommen würde, differenziert und Neues aufgebaut.

Zum Beispiel ein Sektor, der von dieser Krise nicht betroffen ist, ist die Gesundheitswirtschaft. Das ist für Hamburg ein Feld, das wir früher nicht hatten und wo es früher auch so war, dass man, wenn man ernsthaft krank wurde, versucht hat, mit letzter Kraft in eine andere Stadt zu kommen. Das ist

heute vorbei. Heute sind wir auch weltweit ein interessanter Anbieter in der Gesundheitswirtschaft. Das heißt, diese Investition hat sich mit Sicherheit gelohnt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Natürlich ist es völlig falsch, wenn man so wie Sie, Herr Neumann, versucht darzustellen, dass die ganze Krise dieser Welt nur durch diesen Senat hervorgerufen wurde und die Beseitigung dieses Senats die Krise beenden würde. Was ich allerdings auch ganz klar sagen muss: Wir werden alleine diese Krise nicht stoppen und wenn nicht alle ihren Teil dazu beitragen, dann wird das nicht gelingen. Die Voraussetzung dafür ist, dass auch wir unseren Teil dazu beitragen und dies auch mit einer Verantwortung für die nachfolgenden Generationen tun. Das ist genau das, was wir heute tun. Wir legen ein Konjunkturprogramm mit Weitsicht vor. Dieses Programm ist geeignet, unseren Beitrag am Gesamtbeitrag in Deutschland zu leisten. Es wäre schön, wenn Sie uns darin unterstützen würden. – Danke.