Protocol of the Session on February 11, 2009

Natürlich ist es völlig falsch, wenn man so wie Sie, Herr Neumann, versucht darzustellen, dass die ganze Krise dieser Welt nur durch diesen Senat hervorgerufen wurde und die Beseitigung dieses Senats die Krise beenden würde. Was ich allerdings auch ganz klar sagen muss: Wir werden alleine diese Krise nicht stoppen und wenn nicht alle ihren Teil dazu beitragen, dann wird das nicht gelingen. Die Voraussetzung dafür ist, dass auch wir unseren Teil dazu beitragen und dies auch mit einer Verantwortung für die nachfolgenden Generationen tun. Das ist genau das, was wir heute tun. Wir legen ein Konjunkturprogramm mit Weitsicht vor. Dieses Programm ist geeignet, unseren Beitrag am Gesamtbeitrag in Deutschland zu leisten. Es wäre schön, wenn Sie uns darin unterstützen würden. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Kerstan.

(Michael Neumann SPD: Der will noch Mit- glied bei der CDU werden!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es mag Sie irritieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass wir jetzt, wenn es um die Konjunkturkrise und die Maßnahmen geht, die wir dort ergreifen, mehr darüber reden, welche Maßnahmen wir ergreifen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt, um die Zukunftschancen der Stadt zu verbessern, und nicht so sehr darüber reden, welche Partei man in der politischen Auseinandersetzung voranbringen kann.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann können Sie dem Konjunkturpaket ja zustimmen!)

Ich merke, dass Sie das irritiert, aber vielleicht kommen wir zu unserem Leitbild, das auch aussagen soll, was für eine Stadt wir uns eigentlich wünschen, und zwar nicht nur eine Stadt für die SPDoder für die Grünen- und CDU-Wähler.

Sie haben etwas despektierlich über dieses Leitbild "Wachsen mit Weitsicht" gesprochen. Wenn man das einmal auf diese Krise bezieht, die wir jetzt gehabt haben, die eindeutig im Finanzsektor ihren Ursprung hatte – einem Finanzsystem, in dem Renditen von 25 Prozent der Maßstab aller Dinge waren –, dann muss man eines sagen: Wenn jemand sagt, alle Anlagen in dieser Gesellschaft, in der Wirtschaft oder im Finanzsystem müssen

(Rüdiger Kruse)

25 Prozent erbringen, ist das mit Sicherheit kein Wachstum mit Weitsicht. Wenn man ein solches Leitbild zugrunde gelegt hätte, dann wäre ein solches Handeln gar nicht mehr möglich gewesen.

Auch wenn man sagt "Wachsen mit Weitsicht", dann kommt man ganz schnell zu dem Thema, dass es nicht nur um ökonomisches Wachstum geht. Was soll denn wachsen in dieser Stadt? Gerechtigkeit, Wissen, Chancen für Menschen, Lebensqualität – das ist alles in diesem Leitbild enthalten. Es ist auch eine wichtige Botschaft aus dieser Krise, die wir erleben, dass es nicht nur um ökonomisches Wachstum geht, nicht nur um den schnellen Euro und nicht nur um die größte Rendite. Auch wenn es im Moment einfach ist, auf die Banker einzuprügeln, die viel falsch gemacht haben, muss man auch feststellen, dass auch viele Bürgerinnen und Bürger diesem Wahn verfallen sind und bei ihren privaten Anlagen hohe Renditen haben wollten und sich dann auch haben falsch beraten lassen.

Wenn diese Krise dazu führt, das, was man in der Vergangenheit getan und gedacht hat, kritisch zu hinterfragen, dann wäre viel gewonnen. Es hilft wenig, aus Leitbildern oder Grundsatzprogrammen von vor ein paar Jahren zu zitieren, sondern man sollte schlichtweg sagen, welche Konsequenzen man jetzt zieht. Das ist ein wichtiger Punkt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Nach der Rede des Bürgermeisters und auch dem neuen gemeinsam verabschiedeten Leitbild "Wachsen mit Weitsicht" finde ich es ein bisschen unlauter, aus irgendwelchen CDU-Grundsatzprogrammen von vor ein paar Jahren zu zitieren,

(Michael Neumann SPD: Warum müssen Sie eigentlich immer die CDU verteidigen? – Ingo Egloff SPD: 14 Monate ist das her!)

weil dieser Senat jetzt schon eine Linie eingeschlagen hat, die das nicht mehr so, wie es dort steht, unterstützt. Ich hätte mir im Grunde genommen bei Ihnen auch gewünscht,

(Ingo Egloff SPD: Es geht nur darum, dar- über einmal nachzudenken, wer uns diesen Scheiß-Neoliberalismus eingebrockt hat!)

dass Sie einmal Ihre Oppositionsstrategie der letzten Monate und Jahre überprüfen und sagen, welche Konsequenzen Sie jetzt aus der Krise ziehen, um diese Stadt voranzubringen.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Westerwelle, Merz und wie sie alle heißen!)

Eines will ich Ihnen auch ganz ehrlich sagen. Die HSH Nordbank ist ein wichtiges Thema, Sie sprechen sie wieder an. Auch dort wird man den Maßstab "Wachsen mit Weitsicht" anlegen müssen und natürlich werden für eine öffentlich-rechtlich beein

flusste Bank andere Maßstäbe gelten als für die Ackermänner dieser Stadt, die diese Welt an den Rand des Abgrunds gefahren haben. Aber auch das ist die Absicht dieses Senats und ich weiß nicht, warum Sie an diesen Punkten Ihre Kritik ansetzen. Treten Sie doch einfach ein in den Wettstreit der Ideen, kommen Sie selber einmal mit Vorschlägen und sagen, wo wir zu kurz greifen.

Wir werden eine der nächsten Debatten zum sozialen Wohnungsbau haben. Das haben Sie in dieser Debatte gar nicht angesprochen. Warum bringen Sie eigentlich keine Alternativen, um im Streit von unterschiedlichen Positionen ein besseres Konzept zu erreichen?

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das ist manchmal ein bisschen anstrengend, wir erleben das in unserer Koalition auch. Wir kommen von sehr unterschiedlichen Ansätzen und müssen dann inhaltlich ringen.

(Michael Neumann SPD: Merkt man gar nicht mehr!)

Wie ich finde, kommen dann manchmal auch Maßnahmen heraus, die sehr sinnvoll sind.

(Glocke)

Warum nutzen Sie diese Chance nicht? Das habe ich an dem heutigen Tag immer noch nicht begriffen.

(Beifall bei Frank Schira CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Herr Kerstan, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Böwer zu?

– Gerne.

Herr Kerstan, würden Sie uns im Zusammenhang mit der HSH Nordbank die Zahlen heute im Plenum nennen, die Ihnen bekannt gegeben worden sind bezüglich einer Kapitalaufstockung und dem zu erwartenden Stellenabbau?

Herr Böwer, das würde ich gerne tun, wenn ich diese Zahlen hätte. Der Zeitplan sieht vor, dass das auf einer Sitzung an diesem Freitag passieren soll. Die genauen Zahlen, die Eckpunkte aus dem KPMG-Gutachten, werden uns am Freitag zur Kenntnis gegeben. An diesem Dienstag haben wir diese Zahlen noch nicht vorliegen gehabt und konnten deshalb auch noch nicht darüber reden.

(Michael Neumann SPD: Freitag ist eine Haushaltsausschusssitzung, oder was?)

Nein, Freitag ist keine Sitzung des Haushaltsausschusses, sondern es wird eine gemeinsame Sit

zung der öffentlichen Anteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein geben, auf der sie sich gemeinsam über die Zukunft ihrer gemeinsamen Bank beraten. Ich hoffe, dass dann diese Zahlen vorliegen und dann werden wir darüber beraten. Deshalb finde ich es auch so verquer, dass Sie diese Debatte ganz gerne in eine HSH-Nordbank-Debatte umfunktionieren wollen, denn eines ist doch klar. Selbst wenn wir die Risiken bei der HSH Nordbank jetzt nicht hätten, hätten wir in der Wirtschaftspolitik und im Finanzmarkt immer noch ein Problem, das dieser Senat und auch diese Stadt bewältigen müssen. Wir haben Pakete vorgelegt und ich hoffe, dass wir mit Ihnen noch inhaltlich eine Debatte darüber führen können, wo wir diese Stadt hinbringen wollen und ob diese Maßnahmen, die wir vorschlagen, wichtige Schritte auf diesem Weg sind. Sie haben auch in der zweiten Runde diese Chance nicht genutzt, aber vielleicht kommt es noch dazu. Es würde dieser Stadt und auch dem Ansehen der Politik in dieser Stadt nutzen, wenn wir diese Chance irgendwann einmal ergreifen würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck – die Debatte zeigt das deutlich –, dass diese Krise, die wir gegenwärtig haben, von den meisten Menschen in dieser Stadt, aber auch in diesem Parlament, noch unterschätzt wird. Wir diskutieren gegenwärtig das Konjunkturprogramm. Alles, was in dieser Stadt, in diesem Staat und weltwirtschaftlich schon gemacht worden ist, hat bisher, obwohl es angekündigt worden ist, ökonomisch noch nicht gewirkt, um die gegenwärtige Krise abzuschwächen. Alle Voraussagen gehen weiter von einem dramatischen Absturz aus und dementsprechend haben wir dort eine riesige Schwierigkeit.

Und wir haben immer noch zwei Momente, nicht nur, dass wir weltweit gemeinsam eine Konjunkturkrise oder eine Strukturkrise haben, sondern dass immer noch nicht die Situation der Finanzkrise gelöst ist. Das sind zwei unabhängige Momente. Immer noch ist die Situation so, dass die Banken untereinander kein Vertrauen haben. Immer noch ist es so, dass sich trotz der Milliarden, die dort hineingepackt worden sind, diese Situationen nicht aufgelöst haben. Von daher wird diese Krise uns noch lange beschäftigen und wir müssen uns damit auseinandersetzen, was das eigentlich genau bedeutet.

Ich finde, der Bürgermeister hat zwei gute Ansätze gemacht. Der eine ist, wenig über die Ursachen zu diskutieren. Eines hatte er richtig gut genannt, und zwar die Frage der Deregulierung, der mangelnden

Regulierung der Finanzmärkte. Das ist politisch auch gewollt worden, da nehme ich die Selbstkritik in gewisser Weise auch wahr. Es sind politisch viele Dinge abgebaut worden an Regulierungen, die weltweit innerhalb des Finanzmarkts zu katastrophalen Auswirkungen geführt haben.

Die zweite Sache, die wir gemeinsam feststellen sollten, ist, dass damit auch eine gewisse Ideologie gestorben ist, und zwar die Ideologie, die uns jahrzehntelang begleitet hat, dass es gut sei, wenn die Reichen reicher werden, wenn die Betriebe gut verdienen und wenn die Mächtigen reicher werden, weil das irgendwann nach unten durchlaufen werde, das sogenannte Triple Down, das in der Ökonomie dargestellt worden ist. Diese Krise zeigt eindeutig, dass es erstens nicht funktioniert und zweites sogar katastrophale Auswirkungen hat, wenn die Reichen dieser Welt zu reich werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sollte man sich in allen Konsequenzen noch einmal genau überlegen, auch was das gegenwärtig bedeutet und wo die Politik ansetzen sollte.

Das Zweite, was mir gut gefallen hat beim Bürgermeister, war der Satz, den ich noch einmal unterstreichen will,

(Andy Grote SPD: Gibt es auch etwas, was Ihnen nicht gefallen hat?)

dass er gesagt hat, große Teile der Eliten dieser Gesellschaft hätten versagt. Das kann ich vollkommen unterstreichen. Ich finde, dass wir in der Art und Weise die ganze Diskussion führen sollten. Die Schwierigkeit beim Bürgermeister ist leider, dass ich ein bisschen den Eindruck habe, dass er selber nicht sehr konsequent ist in dem Augenblick, in dem er das weiterdenkt.

Ich möchte zwei Punkte nennen. Der eine Punkt ist: Wie kann man als CDU eine politische Perspektive entwickeln mit einer Partei, der FDP, die die absoluten Hasardeure der Deregulierung des Finanzmarkts sind, die absolut nicht gelernt haben, wie man mit so etwas gegenwärtig umgehen kann und Steuersenkungsprogramme auf weiter Flur fordern, wie kann man mit denen ein politisches Bündnis eingehen. Dann kann man die Konsequenzen aus dieser Krise nicht richtig gezogen haben und daher glaube ich Ihnen die Kritik der Elite nicht.

Das Zweite ist – und da ist das Argument im Zusammenhang mit der HSH Nordbank nach meiner Meinung durchaus wichtig – das Argument von Herrn Freytag – ich glaube, Herr Goldberg hat das auch einmal vorgetragen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Dann war es rich- tig!)