Protocol of the Session on February 11, 2009

Herr Pradel, die Bürgerschaft hat Sie soeben zum vertretenden Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts gewählt. Dazu darf ich Ihnen die Glückwünsche des Hauses aussprechen. Ich frage Sie nun, ob Sie die Wahl annehmen.

Herr Joachim Pradel: Ja.

Nach Paragraf 7 des Gesetzes über das Hamburgische Verfassungsgericht haben die Mitglieder des Verfassungsgerichts vor Antritt ihres Amtes vor der Bürgerschaft einen Eid zu leisten. Ich lese Ihnen den Wortlaut des Eides vor und bitte Sie, bei erhobener rechter Hand die Beteuerungsformel "Ich schwöre es" oder "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" nachzusprechen.

Der Eid hat folgenden Wortlaut:

"Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter allezeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Verfassung und die Gesetze getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde."

Herr Joachim Pradel: Ich schwöre es.

Sie haben damit den erforderlichen Eid vor der Bürgerschaft geleistet. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich Ihnen nun als vertretendes Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts eine glückliche Hand in der Amtsführung, alles Gute, Glück und auch Befriedigung für Ihre Aufgabe. Herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Regierungserklärung.

Der Präsident des Senats hat mich gebeten, ihm gemäß Paragraf 12 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung die Gelegenheit zu geben, eine Regierungserklärung abzugeben. Die Fraktionen haben einvernehmlich vereinbart, dass hierzu eine Beratung stattfinden soll. Dabei soll jeder Fraktion und dem Senat eine Redezeit von 30 Minuten zur Verfügung stehen.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

Herr Bürgermeister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir stehen nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und vermutlich in den meisten Teilen der Welt vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wie sie seit Jahrzehnten noch nicht da gewesen sind.

Bislang kündigen sich auch in unserer Stadt mehr die Vorboten als die Realisierung der Krise an, wie sie eingeschätzt wird. Aber auch die Vorboten zeigen, dass es nicht einfach werden wird. Die Vorboten sind eine Zunahme der Kurzarbeit seit der letzten Zählung, eine Zunahme der Arbeitslosigkeit auch in Hamburg auf jetzt wieder über 9 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, ein Rückgang statt laufenden Wachstums beim Hafenumschlag. Und auch, dass viele bislang als sicher und bedeutend und als wirtschaftliche Autorität eingeschätzte Namen und Firmen zu straucheln beginnen oder schon Insolvenz angemeldet haben, zeigt, wie schwierig die Situation ist. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass solche Schwierigkeiten auftreten können bei der Commerzbank, bei großen Autoherstellern,

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

bei Eisenbahnherstellern, bei Wäscheherstellern, dass bei der Firma Still Kurzarbeit angemeldet wird und, und, und – alles Namen, die noch vor einem Jahr als zuverlässig und nicht krisenanfällig bewertet worden sind.

Trotzdem ist bislang, obwohl wir auch in Hamburg die Vorboten der Krise spüren, die Krise noch irgendwie virtuell, natürlich nicht für diejenigen, die schon direkt davon betroffen sind. Aber ich glaube, viele lesen davon und lesen teilweise von Namen, die weit weg sind und fassen noch gar nicht, was auf uns zukommen kann. Für diese Virtualität spricht auch, dass das Weihnachtsgeschäft relativ gut gelaufen ist, obwohl schon deutlich war, dass es schwierig werden wird, dass die sogenannte Abwrackprämie ein großer Erfolg ist und viele Leute Tausende und Zehntausende Euro für neue Autos hinlegen. Dafür spricht, dass die Reisebuchungen in diesem Jahr bisher recht gut laufen und die Menschen nicht sagen, es könnte schwierig werden, ich lege etwas zurück, sondern munter am Konsum teilhaben, was eigentlich gut ist für die Wirtschaft. Natürlich gibt es Impulse, dies zeigt aber, dass die Krise, so nah sie ist, von vielen immer noch als relativ fern empfunden wird. Ich glaube, die Lage wird in den nächsten Monaten nicht nur in Hamburg, sondern generell bedrohlich und sehr schwierig werden und über die Vorboten, die ich Ihnen genannt habe, hinaus gibt es natürlich Zeichen, die das Ausmaß der möglichen Schwierigkeiten deutlich machen. Wer hat sich noch vor einem Jahr träumen lassen, dass ein Staat wie Is

land zahlungsunfähig wird und die letzten Untersuchungen sagen, dass es nicht nur Island ist, sondern auch andere europäische Staaten, die gar nicht weit weg scheinen, von Zahlungsunfähigkeit bedroht sind. Lettland, Großbritannien und Griechenland haben enorme Schwierigkeiten, die Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und sind bedroht.

Die industrielle Herstellungsquote in Deutschland ist im letzten Jahr um 15 Prozent gesunken. Das heißt, die Dinge werden immer bedrohlicher und kommen immer näher. Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor, es wird auch für Hamburg eine schwierige Zeit werden, weil natürlich unsere Stadt in den letzten zehn Jahren Gewinnerin der Globalisierung war. Wir haben den Fokus gemeinsam auf Wirtschaftsfelder gerichtet, die in der Globalisierung erfolgreich sind, und sind dann, wenn diese Felder schwächeln, besonders gefährdet. Ich denke an den Bereich der Logistik, der in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs an Arbeitsplätzen und auch an Wachstumsraten hatte. Wenn die Weltwirtschaft schwächelt, merkt man es natürlich im Außenhandel in allen Bereichen der Logistik, vom Hafen bis zum Transport.

Ich denke an die maritime Wirtschaft. Wenn weniger Schiffe gebaut werden, sind nicht nur in unserer Region, sondern natürlich weltweit Firmen betroffen, die als Zulieferer für die Werften tätig sind und gerade Norddeutschland hatte bislang hier hervorragende Ergebnisse. Firmen mit neuen Arbeitsplätzen, mit engagierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben Schwierigkeiten, wenn weltweit keine Schiffe mehr gebaut werden.

Die Medien beklagen, dass gerade wichtige, große und Geld einbringende Anzeigen zurückgehen, weil Markenartikler Imageanzeigen stornieren – gerade diese bringen aber den Verlagen das Geld – und natürlich in schwierigen Zeiten auch Markenartikler alles tun, um zunächst den Absatz zu erhöhen und sich vielleicht weniger um das Image kümmern.

Wir hatten ein großes Arbeitsplatzwachstum bei Airbus, aber es besteht natürlich das Risiko, dass eine schwächelnde Weltwirtschaft zur Stornierung von Flugzeugbestellungen führen kann und auch schon geführt hat. Trotzdem glaube ich, dass wir, wenn wir den richtigen Weg gehen und die Kraft und den Idealismus haben, die Chance haben werden, soweit es irgend geht, Hamburg in dieser Krise immer noch gut dastehen zu lassen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben natürlich strategische Vorteile in unserer Stadt, die uns positiv von anderen Standorten abheben. Glücklicherweise sind wir in der Wirtschaft nicht abhängig von einem Hersteller oder einem Zulieferer wie manch andere Städte, die eine fast

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

monokausale Abhängigkeit von einem großen Industriewerk haben.

Zum zweiten haben wir in Hamburg einen sehr starken Mittelstand. Wir haben einige Großunternehmen, aber die hamburgische Industrie und Wirtschaft, der Handel sind mittelständisch geprägt, was eine höhere Flexibilität bedeutet.

Drittens haben natürlich die guten letzten Jahre dazu geführt, dass viele Firmen ein Polster und Reserven anlegen konnten, um schwierige Zeiten besser überstehen zu können, als wenn es vorher schwierige Jahre gewesen wären, und gutes Wirtschaften hat dazu geführt, dass es gute Jahre in dieser Stadt gewesen sind.

Aber diese Standortvorteile alleine reichen nicht, sondern wir müssen auch in der Politik, soweit wir es können, alles tun, um Impulse auszulösen, damit lokal und regional eine Nachfrage ausgelöst wird, die die Hamburger Wirtschaft in dieser Krise möglichst krisenungefährdet macht. Das ist unsere politische Aufgabe in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das ist der Sinn und Zweck dessen, was wir mit dem Konjunkturprogramm auf Hamburger Ebene und in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung erarbeitet haben und anbieten. Ich sage nicht, dass es eine Garantie gibt, dass ein solches Konjunkturprogramm auch wirkt, aber wer es nicht macht, der versündigt sich am Standort und darum werden und müssen wir es machen für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Dieses Programm hat zwei Säulen, eine hamburgische Säule, indem wir geplante Investitionen – in der mittelfristigen Finanzplanung auch finanziert – der Jahre 2011, 2012 und 2013 vorziehen, soweit es geht und soweit diese vorbereitet sind und thematisch zu den Schwerpunkten passen, die zu unseren politischen Schwerpunkten gehören. Es werden immerhin Investitionen im Umfang von rund 250 Millionen Euro vorgezogen.

Das zweite Programm wird überwiegend von der Bundesregierung, kompensatorisch aber auch von den Ländern finanziert. Seitens des Bundes werden rund 230 Millionen Euro für zwei Jahre gegeben und kompensatorisch gibt Hamburg 76 Millionen Euro dazu. Beide Programme zusammen haben für zwei Jahre ein Volumen von rund 550 Millionen Euro an Investitionen, um Nachfrage in der Region zu schaffen und Arbeitsplätze zu sichern, denn wir wollen jeden einzelnen Arbeitsplatz sichern.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Beides zusammen soll aber kein inhaltliches Strohfeuer sein. Es gibt aus der Vergangenheit Erfah

rungen mit Konjunkturprogrammen – nebenbei gesagt: querbeet –, wo man aus dem Wunsch heraus, etwas zu machen, auf Deubel komm raus investiert hat. Sowohl wir als auch der Bund haben gemeinsam Felder definiert, in denen diese Investitionen stattfinden sollen, allen voran der Bereich Bildung von der Kindertagesstätte über Schulen bis hin zur Universität. Der Bereich Klimaschutz und energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden wird eine wichtige Rolle spielen und es wird auch Hilfen für Private geben, die ihre Gebäude sanieren wollen. Es geht um Sanierung, Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere auch der Verkehrsinfrastruktur im Hafen, und es geht um den Standard unserer Krankenhäuser.

Lassen Sie mich ein Wort zum Wort Hafen sagen. Wenn ich zu Beginn gesagt habe, dass die Umschläge zurückgehen und vermutlich auch das nächste Jahr nicht das glanzvollste Jahr des Hafens sein wird, dann nicht, weil der Hafen nicht funktioniert, sondern weil die Weltwirtschaft schwächer wird. Es ist richtig und wichtig, notwendige Investitionen im Hafen vorzuziehen, damit dann, wenn die Weltkonjunktur wieder anzieht, Hamburg wieder ganz vorne steht. Wenn die Weltkonjunktur schwächelt, darf dies nicht dazu führen, dass wir schwächeln, sondern wir müssen uns wieder auf stärkere Jahre vorbereiten und das wollen wir mit diesen Investitionen machen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL und der SPD)

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Bildung, das ist eine strategische Frage, unabhängig von konjunkturellen Schwierigkeiten. In Rahmenbedingungen der Bildung zu investieren, schafft für jeden, der gut ausgebildet ist, auch in Zukunft die Chance, von zukünftigen konjunkturellen Schwankungen weniger betroffen zu sein. Wer gut ausgebildet ist, der hat weniger persönliche Risiken und auch das wollen wir erreichen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das komplette Programm wird Ihnen in Kürze in der Drucksache vorgestellt werden, die wir dann im Detail beraten werden, und jede Maßnahme wird aufgezählt und begründet. Natürlich kosten die Krise und die Konjunkturmaßnahmen Geld. Wir haben vor einem Jahr als Koalition und auch vor den Wahlen gesagt, dass wir möchten, dass unsere Stadt ohne neue Schulden durch diese Legislaturperiode kommt; das ist unser politisches Ziel gewesen. Es war damals aber nicht erkennbar, welche Schwierigkeiten auf unser Land und damit auch auf unsere Stadt zukommen würden. Ich will Ihnen sagen, was das konkret für das Jahr 2009 bedeutet beziehungsweise welche Schwierigkeiten es gibt.

Erstens geht es darum – das ist ein kleinerer Beitrag –, zusätzlich das zu finanzieren, was der Bund

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

als ergänzende Leistung unserer Stadt erwartet, also für zwei Jahre rund 75 Millionen Euro.

Zweitens führt zum Beispiel das Gerichtsurteil über die Pendlerpauschale dazu, dass wir im Jahre 2009 ein weiteres Haushaltsrisiko von rund 30 bis 40 Millionen Euro Mindereinnahmen haben.

Drittens hat der Bund beschlossen, im Zuge seines Konjunkturprogramms Steuersenkungen vorzunehmen. Sie wissen, dass der Grundfreibetrag erhöht wird und sich das bis zum höchsten Einkommen durchwächst. Diese natürlich für jeden Steuerzahler erfreuliche Maßnahme, die dazu führen soll, dass durch weniger Steuern mehr Geld in der Tasche verbleibt und so der Konsum angekurbelt werden soll, ist ein Gedanke, den ich nachvollziehen kann. Er führt aber für unseren Haushalt dazu, dass wir jährlich rund 100 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen haben werden allein aufgrund dieses Beschlusses auf Bundesebene. Das heißt, die 230 Millionen Euro an Investitionshilfen, die wir vom Bund freundlicherweise für zwei Jahre bekommen, verlieren wir auf der anderen Seite an Steuermindereinnahmen durch die Beschlüsse der Bundesregierung. Das heißt, das, was wir einmalig für Investitionen für zwei Jahre bekommen, verlieren wir vermutlich auf Dauer in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich. Auch das sind Risiken, die man sehen muss.

Dann müssen wir schauen, wie sich die konjunkturelle Entwicklung steuermäßig auf Hamburg auswirkt, denn ein möglicher Rückgang des Wachstums oder eine Rezession bedeuten natürlich weniger Steuereinnahmen. Wir werden vermutlich erst mit der Steuerschätzung im Mai 2009 zuverlässig wissen, was das für unsere Stadt bedeutet.

Allein diese Punkte führen unter dem Strich zu dreistelligen Millionenbeträgen an Steuermindereinnahmen und -risiken für diese Stadt, die man vorher nicht sehen konnte. Vor diesem Hintergrund wird auch diskutiert, ob eine Haushaltsberatung stattfinden soll oder wie auch immer. Es ist nur deshalb sinnvoll, trotz dieser Unwägbarkeiten diese Haushaltsberatungen zu machen, weil wir eine gesetzliche Grundlage für die Ausgaben brauchen. Dieses Konjunkturprogramm entbindet den Senat nicht von der Pflicht, noch vor der Sommerpause aufgrund der dann genauen Zahlen der Steuerschätzung einen Nachtragshaushalt vorzulegen, über den dann beschlossen und beraten werden muss; beides gehört zusammen.

Ich sage es noch einmal: Keiner hatte als Ziel, neue Schulden zu machen. Keiner will neue Schulden machen und wir werden die notwendigen Maßnahmen, die sich aus der konjunkturellen Entwicklung ergeben, im Haushalt in einem – ich nenne es einmal volkstümlich – Extratopf zusammenfassen und bündeln und mit dem Beschluss versehen, dann, wenn die Wirtschaft wieder wächst und Steuermehreinnahmen kommen, diese Schulden

sofort wieder zurückzuzahlen. Wir wollen diese bedauerlichen, aber notwendigen Schulden nicht über Jahrzehnte oder Generationen mit uns herumschleppen, sondern dann, wenn die Wirtschaft wieder angesprungen ist, sofort wieder zurückzahlen. Dafür stehen wir gemeinsam ein.