Protocol of the Session on January 22, 2009

Mit Frau Schneider sind wir uns in der Frage ziemlich einig, was die Volksrepublik China angeht.

Aber es bringt uns doch nicht weiter, wenn wir feststellen, dass seit Jahrzehnten eine Politik der Entkoppelung des Finanzüberbaus gemacht worden

ist und in den letzten Jahren beschleunigt eine kreditfinanzierte Kapitalentwicklung und Wirtschaftsentwicklung generiert wurde. Das heißt nicht, dass es keine Täter dafür gibt, das habe ich vorhin genannt. Was da greifen kann, ist beispielsweise eine Steuersenkungspolitik. Dass man die Standards bei den Eigenkapitalrichtlinien aufgelöst hat, dass man sich Schattenbilanzen zugelegt hat, ist alles hinreichend bekannt. Der Senator muss mir schon gestatten, das zu sagen. Er kennt Attac, die hat er wahrscheinlich immer für völlig überflüssig erachtet.

(Ingo Egloff SPD: Attac macht er selber!)

Aber Attac macht das seit fast 20 Jahren und rennt sich die Hacken ab, was wir jetzt demnächst auch in Hamburg machen mit der Losung: Schließt das Kasino. Wenn Sie jetzt so tun, Herr Kerstan, als lägen keine konkreten Vorschläge auf dem Tisch, dann kommen Sie mit. Herr Rose und ich erläutern Ihnen die Vorschläge,

(Jens Kerstan GAL: Aber hier im Raum!)

die hinter der Formel stehen, das Kasino zu schließen; das nur noch einmal zur Dramatik der Entwicklung.

Herr Senator Freytag hat die sogenannte Schirmlogik vorgestellt. Wir brauchen einen Schirm für die Finanzinstitute, dagegen bin ich nicht. Ich würde Ihnen aber gerne mit Roosevelt antworten, der 1933 schon mal so eine Situation hatte, und das wäre auch meine kritische Anmerkung an die Positionsbestimmung von Helmut Schmidt. Allein mit Schirmen über maroden Finanzinstituten bekommt man das nicht gewuppt. Es ist viel zu viel Wucht in dem System und deswegen hoffe ich, dass Herr Obama die Kraft hat, diese Sache umzusetzen.

(Wolfgang Beuß CDU: Yes, we can!)

Yes, we can, da haben Sie völlig recht.

Ich sage nicht, dass wir das nicht können, aber Sie müssen von den Schirmen für die Finanzinstitute weggehen und einen Schirm über Lohnabhängige und Ausgegrenzte breiten.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das ist der entscheidende Punkt, denn sonst bekommen Sie die Verteilungsverhältnisse und die dahinter liegende Kaufkraftentwicklung nicht weg und das ist, jedenfalls für einen Teil der Experten, eine ganz wichtige Ursache. Darum geht es, wenn wir über Schirme diskutieren.

Ich will noch einmal auf das zurückkommen, was man wirklich tun kann, auch Schirme über Finanzinstitute. Ich will gar nicht die ganzen Argumente, die der Senator noch einmal vorgebracht hat, durchgehen,

(Jens Kerstan)

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ich hab' keine ge- hört!)

sondern nur einen einzigen Punkt: Citigroup. Er hat zu Recht darauf verwiesen, dass Lehman ein Schock war und die Sache beschleunigt hat. Dann ging es um die Citigroup und wenn sie pleite gegangen wäre, dann würden wir heute über ganz andere Dinge reden. Für mich war das spannend, die mussten dann, als sie diese Riesensummen vom US-Staat bekommen haben, wenigstens einmal das machen, was wir vielleicht im Februar vom KPMG-Bericht auch sehen werden. Die Citigroup musste sagen, wie es denn mit ihren Schattenbanken ist. Das müssen Sie sich einmal vorstellen, da ist eine Bank und drumherum, wie im Planetensystem, zirkulieren Schattenbanken, die für die Eigenkapitalquote und die Aufsicht nicht relevant sind. Irgendwann im November kam heraus, dass die Citigroup 1,23 Billionen US-Dollar in Schattenbanken hat. Jetzt können Sie sagen, das sind die USA, aber auch für ein Institut in den USA sind 1,2 Billionen Dollar keine Peanuts.

Das ist zwar ein anderes Beispiel, aber genauso reden wir jetzt – Herr Tschentscher hat das vorhin gesagt – über ein kleines Institut, das Etliches versenkt hat und wir reden darüber, wie das von der Hansestadt zu wuppen ist, denn wir sind Miteigentümer dieses Instituts.

Was kann noch getan werden? Ich will ausdrücklich sagen, dass ich es total gut finde, dass sich Frau Merkel und Herr Steinbrück unter der Führung von Herrn Steinbrück zu einem Gesetz durchgerungen haben und ich hoffe, dass das durch den Bundestag geht. Ich würde es so überschreiben: Schließung der Steueroasen. Da geht es nicht nur um die Cayman Islands oder Guernsey, sondern es geht auch um die Schweiz und Liechtenstein und das ist nicht neu und überraschend. Herr Goldberg ist weg, trotzdem sage ich es noch einmal. Wir haben leider mit systematischer Steuerhinterziehung das noch verschärft, Zumwinkel sei es geklagt, was sowieso an Entkopplung in der Finanzsphäre gegenüber der Realökonomie vorhanden war; das ist das Problem.

Ich habe drei Punkte aufgegriffen. Das eine ist die Schließung der Steueroasen, Veränderung der Eigenkapitalquoten, Verbot bestimmter Börsengeschäfte, also zum Beispiel Swaps und CDOs; darüber kann man diskutieren, dann braucht man auch keinen Finanz-TÜV mehr. Wenn man diesen ganzen Kreditzirkel rückbaut, dann wird das nur funktionieren, wenn wir die Realwirtschaft in Gang bekommen. Und das werden wir nicht hinbekommen, wenn wir die Automobilindustrie, die sowieso schon gigantische Überkapazitäten hat, weiter am Leben erhalten. Das heißt, wir haben, wie Roosevelt 1933 sagte, ein reelles Problem der Umgestaltung der Gesellschaft.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Die Frage ist, ob Sie da mitgehen. Das ist nicht nur ein Finanzproblem, sondern hier geht es meines Erachtens um ein paar andere Dinge.

Jetzt komme ich noch einmal darauf zurück – das war von Herrn Freytag eine der gewohnten schwachen Übungen, von der eigenen Verantwortung abzulenken –, ob man irgendetwas hätte machen können. Der Aufsichtsrat ist schon ein Drama. Man kann immer sagen, ich habe zwar meine Rechte und Pflichten im Aufsichtsrat nicht wahrgenommen, aber alle anderen Dösbaddel genauso wenig; das finde ich kein gutes Argument.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte Ihnen empfehlen, weil wir über den Bericht des Haushaltsausschusses reden, sich zwei Sachen noch einmal anzuschauen. Ich habe im Oktober die Frage gestellt, warum sich die HSH Nordbank – Herr Kerstan, das war ernst gemeint, weil es konkrete Fälle gab – nicht von ihren toxischen Werten trennt; heute sind noch Risikopapiere dazugekommen. Dass man die nicht zum Nominalwert los wird, ist klar.

(Jens Kerstan GAL: Kauft keiner mehr!)

Ich weiß, dass die keiner kauft.

Ich habe Ihnen damals im Ausschuss vorgehalten, dass andere Banken das gemacht haben. Natürlich ist mir, war es noch Herr Berger, entgegengehalten worden, das könnten wir doch nicht machen wie die anderen Banken, so ein Kreditinvestment von 30 Milliarden Euro für 80 Prozent weniger zu verkaufen. Das ist aber gemacht worden und dann stellen Sie sich hierhin und sagen, das machen wir nicht. Ich breite das nur aus, weil ich mit Ihnen eine Abrechnung mache. Wenn wir das damals gemacht hätten, wären wir billiger dabei weggekommen, als wenn wir es so weitermachen wie jetzt.

(Uwe Grund SPD: Grober Unsinn!)

Das sehen Sie anders, aber so ist meine Einschätzung. Ich verweise auf den Bericht, Herr Grund, das können wir gerne noch einmal diskutieren. Ich muss mich ja mit dem Argument auseinandersetzen, es wären keine konkreten Alternativen in der Diskussion gewesen. Darüber hätte man diskutieren können und nicht eine Politik des Abmeierns machen. Ich hoffe, dass da eine Veränderung eingetreten ist.

Jetzt möchte ich noch einen Punkt zu der Bad Bank sagen; ich bin wiederum bei Herrn Steinbrück. In der Bad Bank sind bei uns laut Umfrage unter 20 Kreditinstituten 300 Milliarden Euro toxische Papiere, von denen gerade einmal 75 Milliarden Euro abgeschrieben sind. Risikopapiere – ich bin nicht dabei gewesen und weiß nicht, wie seriös das erfasst wurde, aus meinen Erkenntnissen heraus ist das zutreffend – der Finanzinstitute belaufen sich auf 1 Billion Euro. Wenn Herr Steinbrück dann in den Bundestag geht und sagt, dafür ma

chen wir eine Bad Bank und später das dem Wahlkreis erklärt, dann muss man nicht nur das entscheidende Gegenargument der LINKEN hören. Sondern das bekommen Sie in der Bevölkerung momentan nirgendwo verklickert. Das muss man ganz eindeutig sagen. Insofern ist das mit der Bad Bank eine ziemlich schwierige Sache. Und glauben Sie bloß nicht, Sie werden das zum Nominalwert los, sondern alle, die Sie jetzt anführen, Schweden oder Japan, die mussten erhebliche Abschläge hinnehmen. So einfach kommen Sie meines Erachtens aus diesem Ding nicht heraus.

Was ist also zu tun in dieser Situation? So, wie es jetzt aussieht, sind wir darauf angewiesen, endlich den Bericht zu bekommen. Das Erscheinen verschiebt sich laufend, der Bericht muss im Februar vorgelegt werden. Darin soll es einen Vorschlag geben über die möglichen Geschäftsmodelle.

(Vizepräsident Wolfgang Joithe-von Krosigk übernimmt den Vorsitz.)

Herr Nordemann hat gesagt, er weiß heute schon, dass die HSH Nordbank um 50 Prozent zurückgebaut wird. In diesem Papier lesen Sie noch, dass Herr Berger von 25 Prozent gesprochen hat. Das heißt, wir werden noch eine Quote des Rückbaus sehen, die wesentlich tiefer ist. Da bin ich ganz gespannt, da bin ich auch bereit, auch die Fraktion, zu schauen, was für Vorschläge auf den Tisch kommen und wie das ganze Desaster der Risikopapiere aussieht. Und dann können wir sehen, wie wir Lösungen zustande bekommen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Grund.

Mein Respekt vor dem Amt des Finanzsenators ist hoch. Finanzsenatoren der Freien und Hansestadt Hamburg haben eine wichtige Funktion, bei allem Respekt, Herr Freytag. Anzunehmen, Herr Bischoff, dass Herr Freytag für die Krise der Weltwirtschaft verantwortlich zeichnen würde, solche Mutmaßungen hatte ich nie und ich glaube, wenige in diesem Hause hatten das. Dazu ist er nicht die richtige Nummer. Das brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.

Herr Goldberg, die Frage ist doch, wenn ich sie ansprechen darf: Was ist denn die Aufgabe des Parlaments und speziell der Opposition in solchen Situationen? Unser Job ist doch im Parlament nicht, den Vorstand der Bank zu ersetzen oder den Aufsichtsrat zu stellen. Sondern wir haben eine klare nach der Verfassung diktierte Aufgabe, nämlich die Kontrolle der Handlung der Regierung. Und wie sieht die Lage da aus? Herr Freytag vertritt die Interessen des Eigentümers Hamburg in der HSH Nordbank. Herr Wiegard, Finanzminister von

Schleswig-Holstein, tut das für Schleswig-Holstein und dann insgesamt für die Mehrheit der Eigentümer. Wir halten die Mehrheit an dieser Bank als öffentliche Hand. Und Herr Peiner ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Unser Job ist es – und nichts anderes tun wir die ganze Zeit –, zu fragen, was diese Regierung in ihrer Verantwortung macht.

Da, muss ich Ihnen sagen, ist die Kritik doch augenfällig und berechtigt. Wenn man die letzten 14 bis 16 Monate genau anschaut, dann kann man doch sehen, was passiert ist. Als wir Ende 2007 auf die gefährliche Entwicklung im Parlament aufmerksam gemacht haben, ist das geleugnet worden. Es ist richtig geleugnet worden. Es ist später verschwiegen worden, dann wurde es verniedlicht und so setzte sich das fort. Im September vergangenen Jahres war Lehman schon passiert. Der Vorstand der HSH Nordbank hat einen Bericht vorgelegt und gesagt, der erste Sanierungsplan bedeutet, wir reduzieren erstens unsere Geschäftstätigkeit und zweitens vernichten wir 750 Arbeitsplätze. Und wissen Sie, was Herr Freytag gesagt hat? Das ist alles nicht so schlimm, wir bekommen noch Dividende. Da hatte sein Amtskollege in Schleswig-Holstein solche Pläne längst aufgegeben. Das nenne ich Traumtänzerei. Da wurde Verantwortung für die Stadt, für die Beschäftigten des Unternehmens und für die Bank nicht mehr wahrgenommen. Das ist der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Deshalb ist es nicht akzeptabel, wenn so getan wird, als sei das ein Weltereignis – das tropft auf die Stadt herunter und anschließend ist es egal, was passiert. So ist es nicht, Herr Bischoff.

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich finde, die haben Verantwortung dafür, was in den letzten Monaten passiert ist. Es nützt auch nichts, Herr Bischoff, dann große Sprüche zu machen. Der Bürgermeister geht anschließend zu Ihnen und setzt sich auf Ihre Lehne und lässt sich von der Zeitung mit Ihnen gemeinsam fotografieren – toller Trick.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das ist doch al- bern!)

Herr Bischoff, Sie werden doch gerade missbraucht. Haben Sie es gemerkt? Ich habe es jedenfalls gemerkt, dass Sie missbraucht werden.

Es geht darum, genau hinzuschauen, was dieser Senat in seiner Verantwortung getan hat. Das reicht nicht aus. Herrn Freytag haben die Beschäftigten dieses Unternehmens – das ist meine feste Überzeugung – niemals interessiert. Jetzt kommt zum Schluss das große Argument. Nachdem alle zuständig und verantwortlich sind außer der CDU – das haben wir gerade gehört, die sind nicht zu

(Dr. Joachim Bischoff)

ständig, alle anderen sind verantwortlich –, nachdem der Karren richtig in den Dreck gefahren ist, redet Herr Freytag davon, dass wir gemeinsame Lösungen brauchen. Das habe ich in der Vergangenheit gelernt: Immer dann, wenn alles schiefgegangen ist, dann ruft dieser Senat nach gemeinsamen Lösungen und fordert zu Verantwortung auf. Wir reden über Ihre Verantwortung und die wird …

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE – Wolfgang Beuß CDU: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung!)