Protocol of the Session on January 22, 2009

Wo wir schon bei Mitarbeitern sind – hören Sie genau zu: Seit wir privatisiert haben, hat die Zahl der Mitarbeiter im Maßregelvollzug um 16 Prozent zugenommen. Das heißt, der private Träger hat 16 Prozent mehr Mitarbeiter eingesetzt und gleichzeitig die Kosten, die von der Stadt Hamburg ge

tragen werden, also vom Steuerzahler, reduzieren können.

(Michael Neumann SPD: Super! Weniger Geld und mehr Personal! Mindestlöhne!)

16 Prozent mehr, Herr Neumann, hören Sie zu, 16 Prozent mehr Mitarbeiter. Das ist nicht wahr, Herr Neumann, Mindestlohn. Sie wissen: Der LBK zahlt Tariflöhne. Das wird Ihnen Ihr Kollege Rose zwei Reihen hinter Ihnen sicherlich bestätigen.

Der privatisierte Maßregelvollzug bedeutet für Hamburg: Mehr Personal, bessere Betreuung, bessere therapeutische Bedingungen und zudem geringere Kosten.

Aber noch einmal zurück zur juristischen Frage. Das Grundgesetz verbietet in keiner Weise die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Privatpersonen. Das sagt übrigens auch der Niedersächsische Staatsgerichtshof, lesen Sie das Urteil noch einmal richtig nach. Das sagen zum Beispiel auch die Kollegen aus Schleswig-Holstein im Jahre 2005.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ne, ne, ne! Das stimmt nicht!)

Trotzdem werden CDU und GAL sehr intensiv prüfen – OLG Schleswig 2005, Frau Schneider, lesen Sie es nach –, ob und wie der Maßregelvollzug …

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ne! Das "Ob" ist da gerade nicht vorgesehen!)

… und insbesondere der Eingriff in die Rechte der Patienten wieder in staatlicher Zuständigkeit wahrgenommen werden kann. Aber angesichts der offensichtlich sehr hohen Sicherheitsstandards und der ebenso offensichtlich erfolgreichen Therapien in dieser Einrichtung besteht kein Anlass für ungeprüftes hektisches Vorgehen. CDU und GAL werden dieses Thema mit gebotener Gründlichkeit prüfen …

(Michael Neumann SPD: Ihnen kann man ja auch alles vorlegen!)

… und Ihnen einen Lösungsvorschlag machen, der anschließend gerne in den betroffenen Ausschüssen diskutiert werden kann. Heute wird Ihr Antrag, der wirklich sehr nach Aktionismus klingt, von uns allerdings nicht angenommen werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dann bekommt jetzt Frau Heitmann das Wort, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe SPD, ich muss zugeben, dass ich die Debatte in diesem Punkt ein bisschen skurril finde. Ich habe bis vor zwei Monaten Politikwissenschaften studiert …

(Michael Neumann SPD: Ist nicht schlimm, ich auch!)

… und bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass sich die Opposition um Alternativen zu der Regierungsarbeit bemüht. Stattdessen erleben wir seit Monaten, dass die SPD sich zum obersten Hüter unseres Koalitionsvertrags aufschwingt, anstatt tragfähige Alternativen zu unserem Regierungsprogramm zu entwickeln.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir freuen uns, dass wir scheinbar in so vielen Punkten mit Ihnen übereinstimmen, dass Sie eigene Standpunkte gar nicht mehr entwickeln müssen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir sehr genau darauf achten, dass unser Koalitionsvertrag auch umgesetzt wird. Denn wir sind es, die sich in drei Jahren wieder vor unseren Wählern dafür verantworten wollen.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Wolf- gang Beuß CDU: Wir auch!)

Im vorliegenden Fall haben Sie, Frau Schiedek, es selber zitiert. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich nicht darüber freuen, dass in unserem Koalitionsvertrag steht "wie" und nicht "ob".

(Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Krüger hat gerade noch einmal das "Ob" zitiert!)

In unserem Koalitionsvertrag steht, um das zu zitieren:

"Es wird geprüft, wie der Maßregelvollzug wieder als staatliche Maßnahme wahrgenommen werden kann."

Der Maßregelvollzug ist ein Bereich, in dem grundlegende Rechte der dortigen Patienten eingeschränkt werden.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das niedersächsische Verfassungsgericht hat das ausgeführt. Zum Beispiel geht es um die Beschränkung der Verfügung über Taschengeld, um das Vorenthalten von Eigentum, es geht um die Überwachung und Beschränkung von Schriftverkehr und Telefongesprächen, um nur einiges exemplarisch zu nennen. Die entscheidende Frage, mit der sich das Gericht jedoch auseinandergesetzt hat, ist, ob die Beleihung der im Maßregelvollzug anfallenden Aufgaben und Entscheidungen auch auf Beschäftigte eines privaten Trägers mit den Anforderungen des Demokratieprinzips vereinbar ist.

Ich kann heute dem "Hamburger Abendblatt" entnehmen, dass Herr Dressel sich von diesem Urteil verspricht, dass sich in Hamburg die Vorgänge nunmehr beschleunigen würden. Ich frage mich: Haben Sie das Urteil in Niedersachsen eigentlich gelesen? Abgesehen davon, dass – wie Herr Krü

(Harald Krüger)

ger schon gesagt hat – es gar nicht feststeht, ob auch das hiesige Gesetz verfassungswidrig ist, hat das niedersächsische Verfassungsgericht – wie Herr Krüger außerdem erwähnt hat – der Landesregierung eine Frist bis Dezember 2010 eingeräumt, um bestimmte leitende Funktionen wieder zu öffentlichen Stellen zu machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: In Niedersach- sen haben sie sich zusammengetan!)

Aber Dezember 2010, Herr Dressel. In Ihrem SPD-Antrag fordern Sie die Umsetzung bis Ende April 2009 und das ist in drei Monaten.

Ich würde sagen, das ist utopisch und kaum angemessen für eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung.

(Zurufe von der SPD)

Unser Koalitionsvertrag ist auf vier Jahre ausgelegt und die darin festgehaltenen Prüfungen und Ziele setzen wir auch um. Aber was das Tempo und die Ausgestaltung angeht, möchten wir uns von Ihnen nichts vorschreiben lassen. Deshalb lehnen wir die Überweisung dieses Antrags heute auch ab.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Das ist erbärmlich, wie Sie mit Verfassungsrecht umgehen! Und das von den Grünen!)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Schneider.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Wir unterstützen den Antrag der SPD, und zwar in dem Sinne, dass wir ihn für eine Minimalanforderung halten. Das will ich im Folgenden ausführen. Artikel 33 Absatz 4 Grundgesetz schreibt vor – ich zitiere:

"Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen."

(Harald Krüger CDU: In der Regel!)

Ja, ja, darauf kann ich gerne eingehen. Wir können uns gleich einmal unterhalten.

Beim Maßregelvollzug handelt es sich von der Sache her um einen Kernbereich staatlicher Eingriffsverwaltung – keine Mischverwaltung, sondern Eingriffsverwaltung –, in dem der Staat mit Zwang und Befehl tätig wird und in dem sich das staatliche Gewaltmonopol verwirklicht. Wir kennen, jedenfalls im rechtsstaatlichen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland, keinen stärkeren Eingriff in die Grundrechte als den, Menschen mit Gewalt ihre Freiheit zu nehmen. Da auch die Aufgaben des Maßregelvollzugs zum Teil mit physischer Gewalt erledigt werden – auch werden müssen –, ist die

Privatisierung ein Eingriff in den hoheitlichen Kernbereich des Staats. Für sie gab und gibt es keinen einzigen sachlichen Grund, der eine Abweichung von der Regel des Artikels 33 Absatz 4 Grundgesetz rechtfertigt, beziehungsweise einen Ausnahmefall begründet.

Sie haben das Urteil aus Schleswig-Holstein angeführt.

(Zuruf: Aus Niedersachsen!)

Nein, aus Schleswig-Holstein.

Das haben Sie fälschlich angeführt. Es gab nämlich 2005 ein Urteil des Amtsgerichts und des Landgerichts in Flensburg, das die Verfassungswidrigkeit festgestellt hat. Das Oberlandesgericht hat lediglich geurteilt, dass das Amtsgericht und das Landgericht nicht befugt sind,

(Glocke)

die Verfassungswidrigkeit festzustellen. Das war das Urteil, von dem Sie reden.

(Glocke)

Haben Sie den Ton der Glocke vernommen, Frau Abgeordnete? – Danke.