Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden und das werde ich nicht wiederholen. Ich möchte allerdings Herrn Klooß korrigieren und erst recht Frau Spethmann. Der Datenschutzbeauftragte hat in einer Sitzung im September oder Oktober auf meine Frage, wie viel Stellen er denn benötigt, gesagt, drei Stellen. Er hat also nicht von zwei, sondern von drei Stellen gesprochen. Ansonsten stimme ich Ihren Ausführungen zu.
Das Thema heißt Daten schützen – Datenklau verhindern. Zu dem Datenmissbrauch von Privaten ist eine Menge gesagt worden, aber ich möchte in diese Debatte auch einbringen, dass die staatlichen Institutionen wirklich mit schlechtem Beispiel vorangehen. Wenn es heißt, Daten schützen, meine ich, dass sie gerade gegenüber staatlichen Institutionen geschützt werden müssen. Ich erinnere an einen Fall in Hamburg, den Sie alle kennen und mitbekommen haben. Im Oktober war das Landesamt für Verfassungsschutz dazu übergegangen, sich die Daten von Menschen, die Info-Stände anmelden, zuschicken zu lassen. Auf diese Weise sind 164 Anmelder und Anmelderinnen von InfoStänden beim Landesamt für Verfassungsschutz gelandet und das Schlimme daran war, dass das Landesamt, nachdem das durch eine Kleine Anfrage von uns aufgeflogen war, nicht die geringste Sensibilität gezeigt hat, sondern gesagt hat, wir entscheiden, was für uns von Belang ist und was nicht, wird vernichtet. Gott sei Dank kann das Landesamt diese Praxis nicht fortsetzen. Da bedanke ich mich natürlich herzlich, dass es gelungen ist, diese Praxis zu beenden.
Das zweite Beispiel, das ich nennen möchte, ist, dass in dem Koalitionsvertrag vereinbart ist, dass die Polizeigesetze novelliert werden und dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in Hamburg zur Geltung kommen soll. Das ist bisher noch nicht geschehen. Stattdessen hört man – ich weiß nicht, wieweit das jetzt gediehen ist – in der Öffentlichkeit die ständigen Vorstöße von Herrn Ahlhaus, dass die Online-Durchsuchung vorangetrieben werden soll. Wir wissen, dass es Krach gibt, aber gegen diese Art von Datenklau müssen wir uns schützen und darin wird die LINKE
auch eine ihrer wesentlichen Aufgaben sehen. Bei der Novellierung der Polizeigesetze werden wir dann mit unseren Vorschlägen und Forderungen kommen. – Danke.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde. Bevor wir in die weitere Tagesordnung einsteigen, darf ich darum bitten, die Nebengeräusche wieder herunterzufahren, weil sonst im Präsidium hier oben nicht alles ankommen und verstanden werden kann.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Hamburg braucht eine qualitativ hochwertige Betreuung und Bildung für Krippen-, Kita- und Hortkinder – Entwicklungen im Kita-Gutscheinsystem III.
[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Hamburg braucht eine qualitativ hochwertige Betreuung und Bildung für Krippen-, Kita- und Hortkinder – Entwicklungen im Kita-Gutscheinsystem (III) – Drs 19/1122 –]
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum dritten Mal legt die SPD-Fraktion mit einer Großen Anfrage eine detaillierte Bestandsaufnahme der Hamburger KitaLandschaft vor und zwingt die zuständige Behörde damit, Daten zu ordnen, Akten zu sortieren, Bedarfe zu ermitteln und Planungen offenzulegen. Regelmäßig werden durch unsere Analysen der Wirklichkeit in Hamburgs Kitas Erkenntnisse gewonnen und es gibt immer wieder Aha-Erlebnisse, auch in der Hamburger Straße. Damit leisten wir die Arbeit, die eigentlich Aufgabe der Fachbehörde und des Fachsenators wäre.
"Es wäre eigentlich Aufgabe der Behörde gewesen, sich über diese Zahlen einmal Auskunft zu verschaffen."
Frau Blömeke fand es bedauerlich, dass wir allein durch die SPD-Anfragen überhaupt Zahlen besitzen. Wie sieht es in den sozialen Brennpunkten aus, fragte sie.
Meine Damen und Herren, Herr Senator Wersich! Ich bin gern bereit einzuräumen, dass die Planung von Kita-Plätzen ein schwieriges Geschäft ist. Mal bekommen die Leute Kinder, dann mal wieder
nicht, mal haben sie Arbeit und suchen Betreuungsplätze, dann werden sie wieder arbeitslos und bleiben zu Hause. Da kann man schon mal die Übersicht verlieren.
Die Tatsache, dass allein für dieses Haushaltsjahr 2008 zwei Nachforderungen des Senats in Höhe von 26 und 27 Millionen Euro notwendig waren, belegt deutlich, dass der Senat – und nicht zum ersten Mal auch das – die Zahl der Eltern weit unterschätzt, die zum Beispiel Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen. Um es deutlich zu sagen: Wir haben diesen Nachforderungen gern zugestimmt, denn wir haben nicht nur unser Kinderbetreuungsgesetz samt seinen Rechtsansprüchen auf den Weg gebracht und vor vier Jahren der CDU abgerungen, wir von der SPD-Fraktion haben auch mit zwei großen wissenschaftlichen Kita-Befragungen – 2005 und 2006 – gemeinsam mit der GEW und der HAW Transparenz über die Wirklichkeit in Hamburgs Kitas hergestellt. Transparenz und Druck für notwendige Nachbesserungen schaffen wir auch mit unseren Großen Anfragen. Die Kindertageseinrichtungen in dieser Stadt liegen uns am Herzen.
Sie von der CDU haben sich hinsichtlich Übersicht und Planung bisher damit aus der Affäre gezogen, dass Sie behaupten, der Markt werde es schon richten. Die Nachfrage bestimme, wo Plätze eingerichtet und vorgehalten werden. Verantwortung und Risiko übernehmen Freie Träger. Freie Träger, die irgendwo Kitas eröffnen und dann hoffen müssen, dass genügend Kinder mit den richtigen Gutscheinen kommen und die Plätze nachfragen. Das funktioniert auch meistens, aber nicht überall und da wären dann Sie gefordert, Herr Wersich. Aber Sie können keine vernünftige Planung für die einzelnen Stadtteile vorlegen. Das ist bedauerlich.
Aber das ist nur ein Aspekt. In diesem Jahr feiert das Hamburger Kita-Gutscheinsystem seinen fünften Geburtstag. Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Bilanz einer Umsetzung unseres fortschrittlichen Kinderbetreuungsgesetzes durch einen CDU-Senat, der nach wie vor zu wenig das Wohl und die Bedarfe der Kinder im Auge hat.
Bei der Einführung des Kita-Gutscheinsystems legten wir alle gemeinsam viel betriebswirtschaftlichen Jargon an den Tag. Es ging um die Nachfragemacht der Eltern, die Suche nach ineffizient verwendeten Ressourcen, Flexibilisierung der Angebote und positive Wirkung von Konkurrenz. Darüber haben wir ganz viel gesprochen. Das war auch nicht alles falsch, das sage ich ganz ausdrücklich, aber es ist eben nur eine Seite der Medaille.
Damals haben Mahnerinnen und Mahner befürchtet, es würde qualitative Einbußen in der Betreuung und unsichere Beschäftigungsverhältnisse und den Ausschluss von sozial benachteiligten Kindern geben. Das hat sich – das wissen wir schon länger – durch Ihre Ausgestaltung des Systems leider bestätigt. Kinder von Arbeitslosen erhalten – außer in ganz eng definierten Ausnahmen – keinen Gutschein über den Grundanspruch von fünf Stunden mit Mittagessen hinaus. Das Gleiche gilt für Kinder mit Migrationshintergrund, wenn – was häufig der Fall ist – ihre Mütter nicht erwerbstätig sind. Dahinter steckt die Philosophie, dass Kinder, deren Eltern zu Hause und nicht erwerbstätig sind, genauso gut zu Hause betreut werden können. Betreut werden, ja, aber es geht doch auch um Bildung. Gerade in den letzten Jahren haben sich unsere Kitas zu Bildungseinrichtungen weiterentwickelt. Sie bieten Lernanlässe und Lerngelegenheiten für Kinder, die weit über das hinausgehen, was Familien leisten können. Sie ersetzen nicht die Familie, aber sie ergänzen sie mit ihren Bildungsangeboten und das gilt gerade für die Familien, bei denen unsere Schulpolitiker dann später von Risikoschülern sprechen. Aber das blenden Sie nach wie vor aus, was unsere Große Anfrage belegt, und damit komme ich zu den Zahlen.
Zunächst ist natürlich festzuhalten, dass die Zahl der betreuten Kinder weiter steigt. Die treibende Kraft dabei sind allerdings Hamburgs Eltern, die ihre Rechtsansprüche wahrnehmen. Wir haben natürlich erhebliche Steigerungen im sogenannten Versorgungsgrad, also bei der Anzahl der Kinder, die gemessen an allen Kindern in den Kitas sind. Aber diese Versorgung stellt sich in Hamburg sehr unterschiedlich dar. Der Zugang zu Bildung und Betreuung ist nach wie vor ungleich verteilt und die Daten zeigen dies deutlich.
Wir haben schon vor zwei Jahren festgestellt, dass sich die Kitas in den Hamburger Stadtteilen mit besonderen sozialen Problemlagen, die der CDU-Senat selbst identifiziert hat, hinsichtlich der Anzahl der betreuten Kinder und der Wertigkeit der Gutscheine, die die Kinder bekommen, schlechter entwickeln als die Kitas in den übrigen Stadtteilen Hamburgs. Da ging die Schere auseinander und damit einher ging eine erkennbar unterschiedliche Entwicklung der Qualitätsaspekte in den Kitas und auch der Personalentwicklung und der Arbeitsplatzsicherheit. Die schlechte Nachricht ist: Daran hat sich nichts geändert.
Die Steigerung des Krippenversorgungsgrades in den Stadtteilen mit sozialen Problemlagen ist stark unterdurchschnittlich. Während sie in den Stadtteilen ohne soziale Problemlagen um 67 Prozent stieg, ist sie in den Stadtteilen mit sozialen Problemlagen gerade mal um 12 Prozent gestiegen.
Auch für die im Elementarbereich betreuten Kinder, also die Drei- bis Sechsjährigen, ist die Steigerung des Versorgungsgrades stagnierend bis leicht unterdurchschnittlich. Besonders gravierend ist hier die Entwicklung der Ganztagsbetreuung. Der Anteil der im Elementarbereich ganztags betreuten Kinder ist seit 2002 in den Stadtteilen mit besonderen Problemlagen um ein gutes Drittel gesunken; das ist leider die Wahrheit. Insbesondere in sozialen Brennpunkten wurden Ganztagsplätze abgebaut und Betreuungsstunden gekürzt, wenn zum Beispiel ein Elternteil nicht mehr erwerbstätig war.
Hinzu kam die Absenkung der Standards im Jahre 2005, die bis heute fortwirkt, womit wir beim Personal wären. Dem Personal hatte der damalige CDUSenat zunächst einen kräftigen Motivationsschub verpasst, indem er stadtweit die Gruppen vergrößert und die Eltern-Kind-Relation verringert hat. Das ist übrigens auch so ein Stück in dieser KitaMogelpackung. Man nehme vorhandene Kitas mit vorhandenen Räumen und vorhandenen Erziehern, packe dann bis zu fünf Kinder mehr in jede Gruppe und schon hat man eine Erhöhung der Zahl der Kita-Plätze um 20 Prozent zum Nulltarif; klasse Leistung.
In den Kitas mit besonders vielen Kindern mit besonderem Förderbedarf zeigen sich diese Qualitätseinbußen in besonderem Maße, denn hier geht es nicht nur darum, dass der Nudeltopf montags gerne doppelt so groß sein darf. Es geht auch darum, dass individuelle Zuwendung und Förderung noch regelhafter vonnöten sind. Die pädagogischen Teams der Kitas in den privilegierteren Stadtteilen erfahren häufig Entlastung, weil die Eltern zusätzliche Angebote für musikalische Früherziehung, für Sprachen und besondere Bewegungsangebote finanzieren. Für all dies gibt es keinen Ausgleich im System und das ist schlecht.
In der Schule hat die SPD mit den Sozialindizes diesen Ausgleich längst eingeführt. Dort haben wir den KESS-Index, der den Schulen je nach soziokulturellem Hintergrund ihrer Schülerschaft Ressourcen zuweist. Es wird höchste Zeit, dass wir das für die Kitas nachvollziehen.
Meine Damen und Herren! Angestoßen und hinsichtlich der Investitionen weitgehend finanziert aus Berlin kommt jetzt der Ausbau der Krippenplätze auf uns zu, eigentlich ist er schon im Gange. In den nächsten Jahren sollen in Hamburg ungefähr 5000 Plätze entstehen. Aber wo werden sie gebraucht, wer soll sie einrichten, auf welchen Grundstücken und auf welcher planungsrechtlichen Grundlage? Das sind alles Fragen, auf die man mit der Achsel zucken und sagen kann, das wird sich schon finden, das regelt der Markt. Aber
Ich nehme als Beispiel einmal nicht Billstedt, wo übrigens seit Jahren Wartelisten geführt werden, weil die Versorgung nicht klappt, ich nehme auch nicht Steilshoop oder den Osdorfer Born, sondern einen Stadtteil mit wenig sozialen Problemen und vielen überdurchschnittlich verdienenden Menschen, nämlich Othmarschen. Dort hat ein freier Träger eine Einrichtung angeboten, für die in null Komma nichts 60 Kinder angemeldet wurden, weil es im Stadtteil nämlich einen riesigen Bedarf gibt. Noch während über die Baugenehmigung für die Einrichtung gestritten wurde, hat die Behörde bereits die Betriebserlaubnis erteilt, weil denen die Not der Eltern bewusst war. Aufgrund nachbarrechtlicher Probleme ist der Kindergarten bis heute nicht nutzbar; im Ergebnis gibt es keine neuen Kita-Plätze.
Und wo ist nun die Fachplanung Ihrer Fachbehörde, um in einer solchen verfahrenen Notsituation, wie zum Beispiel in Othmarschen, für die Eltern Abhilfe zu schaffen? Da kommt gar nichts.
Ich weiß nicht, ob sich irgendjemand hier im Haus vorstellen möchte, was geschieht, wenn überall in den Hamburger Wohngebieten demnächst 5000 neue Krippenplätze entstehen sollen. Sie haben keine regionale Bedarfsplanung, Sie haben keine Idee, wie es laufen soll. Verlässliche Bedarfs- und Flächenplanungen und die Einleitung einer entschlossenen Durchführung einer ernsthaften Qualitätsoffensive sind die beiden Dinge, für die der Kita-Bereich Ihre Hilfe benötigt.
Meine Damen und Herren, Herr Senator Wersich! Es ist Zeit. Es gibt keinen Anlass zur Selbstzufriedenheit. Lassen Sie uns auf der Basis unserer Daten das Kita-Gutscheinsystem gemeinsam weiter verbessern. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Schade, Frau Veit, das war wenig weihnachtlich, ich hätte mir mehr dort gewünscht.
(Thomas Völsch SPD: Setzen Sie sich doch eine Weihnachtsmannmütze auf! – Michael Neumann SPD: Sie hätten eine noch viel größere Rute verdient!)