So kommen wir nicht zu einer intensiven Aufklärung, dass Diktaturen den Menschen nichts Gutes bringen – dass sie im Falle der DDR nicht einmal wirtschaftlich erfolgreich war –, sondern dass sie menschenverachtenden Charakter haben und dass sie nicht das andere, die Dissidenz, die andere Meinung, keine Pressefreiheit und Meinungsfreiheit zulassen, alles das, was unsere Gesellschaft auszeichnet, nicht haben. Das muss auch den jun
gen Menschen gesagt werden. Die DDR war nicht das bessere Deutschland, sondern die DDR war eine Diktatur, die zu Recht untergegangen ist. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! DDR-Diktatur und Totalitarismus – was wissen Hamburgs Schüler, fragt unser Koalitionspartner – eine wichtige Frage. Wir haben seit ein paar Wochen volljährige junge Menschen in Deutschland, die keinen einzigen Tag ihres Lebens in den Zeiten der deutschdeutschen Teilung verbracht haben. Nächstes Jahr, 2009, jährt sich die friedliche Revolution in der DDR zum zwanzigsten Mal und noch einmal ein bisschen mehr als zwanzig Jahre und die DDR wird länger Geschichte sein, als sie überhaupt Raum auf der Zeitleiste unserer deutschen Geschichte einnimmt. Die Zeit verrinnt schnell und wir können nicht mehr selbstverständlich davon ausgehen – das wurde schon mehrmals betont –, dass junge Menschen heute noch etwas mit der DDR und ihrer Geschichte anfangen können. Die Umfrage des Forschungsverbunds SED-Staat hat das exemplarisch aufgezeigt und Frau Oldenburg hat viele falsche Vorstellungen über die DDR erwähnt.
Was wissen wir über das Wissen der Schülerinnen und Schüler Hamburgs nach der Großen Anfrage? Offen gesagt leider nicht viel. Wir wissen immerhin, was sie wissen könnten. Ob sie es wissen und verinnerlicht haben, bleibt offen. Aber immerhin: Allen Unkenrufen zum Trotz ist die Behandlung der jüngeren Vergangenheit in den neuen deutschen Bundesländern längst Bestandteil der Rahmenpläne. Gerade ein Punkt wie die Auseinandersetzung mit den Lebenswelten Jugendlicher in den beiden deutschen Staaten, wie ihn der Rahmenplan für die Hauptschule vorsieht, kann ein idealer Anknüpfungspunkt sein, einen eigenen Bezug auch für die jungen Menschen zum Thema zu entwickeln. Und es ist ein idealer Aspekt, um mit Zeitzeugen zu arbeiten, Zeitzeugen, die schlicht glaubwürdig berichten können, wie es war, im jeweiligen Deutschland jung gewesen zu sein. Was waren die Hoffnungen, Ängste, Zukunftsperspektiven in der damaligen Vergangenheit?
2009 feiern wir 60 Jahre Grundgesetz und 20 Jahre friedliche Revolution in der DDR – zwei Gedenkjahre, die wir zum Anlass nehmen sollten, nicht allein in den üblichen Leuchtturmveranstaltungen – auch hier im Haus – und Geschichtsevents zu ruhen. Gerade für uns in Hamburg gilt es
bei der Erinnerung an diese Jahre etwas zu berücksichtigen, auf das der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten jüngst hingewiesen hat. Deutschland ist ein Einwanderungsland und das bedeutet: Unsere plurale Gesellschaft differenziert sich immer weiter aus und das wiederum bleibt nicht ohne Auswirkungen auch auf die Erinnerungskultur und die historisch-politische Bildungsarbeit gerade zu den Themen Nationalsozialismus und DDR.
Was wir also berücksichtigen müssen, ist die hohe Anzahl der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt. Die Teilung Deutschlands ist für viele kein überliefertes Wissen in der Familie. Die Verwandten von drüben, Zwangsumtausch, Helmstedt, Weihnachtspäckchen, Ost-Berlin-Klassenreise – unter solchen Aspekten kann in vielen Familien gar nicht berichtet werden.
Erst vor kurzem bin ich Zeuge eines Gesprächs zwischen Auszubildenden mit Migrationshintergrund und einem DDR-Zeitzeugen geworden, der 1988 geflohen ist, und was die Frage ausgelöst hat, was die DDR überhaupt gewesen ist. Es ist ein spannender Prozess, wenn man sieht, wie diese Jugendlichen versuchen, das Land, in dem sie leben, zu begreifen und auch noch feststellen, dass sie dieses Land noch um die Facette erweitern müssen, dass es in diesem Land noch ein anderes Land gab, das gar nicht mehr existiert, und auch Teil dieser Geschichte ist.
Worauf ich mit diesem Exkurs hinweisen möchte, ist Folgendes: So erfreulich die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist, die zum Beispiel die Gedenkstätte Hohenschönhausen besuchen, die "Das Leben der Anderen" sehen, können wir angesichts der Zusammensetzung unserer Schülerschaft aber nicht davon ausgehen, dass alle Schülerinnen und Schüler diese Besuche von allein verstehen und einordnen können.
Gerade die Erinnerung an die Geschichte der DDR in den Schulen bietet ohnehin eine besondere Chance, die die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus in naher Zukunft nicht mehr bieten kann – die Begegnung mit Zeitzeugen, die berichten können, was das Leben in einer Diktatur bedeutet. Auch wenn es eine ganz andere Form der Diktatur war als die faschistische, so war es doch eine Diktatur, deren Folgen für die Individuen den Wert unserer Demokratie erst richtig lebendig machen können. Zugleich sollten wir uns bei der Frage, was Leben in der Diktatur bedeutet, jedoch nicht allein auf den Erfahrungsschatz von DDR-Zeitzeugen verlassen. Ein wichtiger Aspekt aus dem Wissen, dass wir ein Einwanderungsland sind, ist, die Diktaturerfahrung zu erschließen, die in der Geschichte vieler Migrantinnen und Migranten ruht. Das Leben in der DDR, genauso wie das Leben in Afghanistan, im Iran, in Spanien, bis in die Siebzigerjahre in Portugal, die Militärdiktatur in Griechenland, alles sind Dikaturerfahrungen, die
unsere Migrantinnen und Migranten mitgebracht haben nach Hamburg und die Erfahrung ist teilweise gegenwärtiger als die Erinnerung an die deutsch-deutsche Teilung. An diese anzuknüpfen und die Gefährdungen der Demokratie an diesen Erfahrungen deutlich zu machen, ist die zentrale Aufgabe, der wir uns in der schulischen wie außerschulischen Bildungsarbeit stellen müssen.
Das Einzigartige an der DDR-Wende, die gewaltfreie Überwindung eines bis an die Zähne bewaffneten Polizei- und Spitzelstaates ist derjenige Teil der DDR-Biografien, der für die politische Bildung am wertvollsten ist und jungen Menschen Mut machen kann, Mut, den Kampf um Bürgerrechte und Demokratie auch dann zu wagen, wenn er mit einem persönlichen Risiko verbunden ist. Auch das ist eine Brücke zwischen den Bürgerrechtlern von 1989 und den Menschen, die zu uns gekommen sind und in den Diktaturen ihrer Heimatländer für die Freiheit gekämpft haben. Diese gemeinsame Erfahrung, Mut für den Kampf um Demokratie gezeigt zu haben und diese durch persönliches Zeugnis den Schülern von heute zu vermitteln, ist der beste Weg, den Schulen Demokratiekompetenz und Geschichtsbewusstsein zu vermitteln. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU macht sich Gedanken um den Geschichtsunterricht an unseren Schulen.
Ausgangspunkt ist eine Schülerbefragung vom 9. November 2007 in Berlin, Brandenburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Hamburg hätte daran auch teilnehmen können. Das hätten Sie auch fordern können, das haben Sie aber nicht getan. Stattdessen hinterfragen Sie die Bildungspläne in einer Großen Anfrage und der Senat hat geduldig und ausführlich geantwortet. Wir von der Opposition sind es gewohnt, kurz und knapp abgefertigt zu werden.
Zu erwarten wäre bei diesen Fragen gewesen, dass da gestanden hätte: Siehe Hamburger Bildungsserver, vielleicht noch mit einer Internetadresse. Das hätten wir wahrscheinlich eingefangen.
Dabei hätte ein Blick in die Lehrpläne genügt. Ich habe es getan und das ist wirklich sehr interessant. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass
Geschichtsunterricht mehr ist als nur das dürre Aufzählen von Fakten und Zahlen. Wenn die Schülerinnen nicht wissen, wann die Mauer gebaut wurde, dann kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass sie keine Ahnung von der geschichtlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg haben. Die Ziele für Geschichte – ich habe sie mir angesehen – für die Haupt- und Realschulen in Hamburg konzentrieren sich auf vier Fähigkeiten. Die Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg möchten erreichen, dass die Schüler, die die Haupt- und Realschule verlassen, diese vier Fähigkeiten für die Verwendung von Geschichtsunterricht ins Leben mitnehmen. Das Erste ist die Demokratiekompetenz. Es geht um die Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Normen, um Wertvorstellung und Überprüfung an eigenen Wertorientierungen im Rahmen der humanen Grundsätze unseres Gemeinwesens, das heißt Menschenrechte und Grundgesetz.
Der erste Teil der Umfrage beschäftigte sich mit der Frage, was die Schülerinnen über die DDR und die BRD denken.
Eine Frage war zum Beispiel, dass eingeschätzt werden sollte, ob jeder in der DDR schreiben und sagen konnte, was er wollte. Im Durchschnitt wurde von 84,1 Prozent der Jugendlichen mit Nein geantwortet. Die waren der Auffassung, dass man dort nicht sagen und schreiben konnte, was man wollte. In den alten Bundesländern waren es 86,1 Prozent und in den neuen Bundesländern waren es 82,8 Prozent. Nur 5 Prozent beziehungsweise 5,2 Prozent haben die Frage bejaht. Da kann mir keiner sagen, dass das eine verfehlte Wertorientierung bei Jugendlichen ist.
Die zweite Fähigkeit, die man nach dem Geschichtsunterricht in den Hamburger Schulen haben sollte, ist das Geschichtsbewusstsein. Da geht es um Sinnbildung, über Zeiterfahrung und Fragen, die die Gegenwart an die Vergangenheit stellt. Darauf hat Herr Roock schon sehr erfreulich abgehoben. Die Jugendlichen sollten sich mit Ja, Nein oder weiß nicht zu der Frage äußern, ob Solidarität und Nachbarschaftshilfe in der DDR eine Folge von Mangel und Not war. Diese Fragen tragen natürlich in sich eine Bewertung und werden dem Fragenkomplex, wie sich Schüler in der DDR und in der Bundesrepublik im Systemvergleich finden, nicht gerecht, weil das Unterstellungen sind. Über große Strecken geht es dem Forschungsverbund – und ich habe alle Fragen durchgelesen – offenkundig nicht darum herauszufinden, was Jugendliche in diesen vier Bundesländern denken, sondern es geht bei einem großen Teil der Fragen vorrangig darum, dass unterschwellig die politische Sicht der Fragesteller geteilt werde und das ist das
Die dritte Fähigkeit, die Schüler im Geschichtsunterricht in Hamburg erwerben sollten, ist das Orientierungswissen. Grundlegendes Sach-, Problemund Strukturwissen ist dort gefragt. Wenn man sich die gesamten Fragen der Umfrage anguckt, dann stellt man fest, dass häufig Meinungen und nur wenige Fakten abgefragt werden. Und wenn Fakten, dann solche wie unter Teil III: Zuordnungen von Politikern zur Bundesrepublik und zur DDR. Es wird gefragt nach Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Erich Honecker, Willi Stoph und Egon Krenz. Bezeichnenderweise ist natürlich keine Frau dabei. Der Punkt ist, dass allein mit Personen eine Übersicht über Sachverhältnisse, Strukturen und Kontexte sicherlich nicht herzustellen ist. Befragt wurden Jugendliche im Alter von 15 und 17 Jahren. Ich denke, dass auch Sie Kinder haben oder im Bekanntenkreis Jugendliche kennen, die 15 und 17 Jahre alt sind und dass bei denen bestimmte Namen nicht angekommen sind,
Ich finde, es ist überhaupt kein Wunder, wenn über ein Viertel der Befragten bei Erhard, Schmidt, Pieck und Ulbricht sagten, die kennen sie nicht. Das kann ich gut verstehen, ich kenne junge Leute. Bei Stoph und Krenz ist es sogar über die Hälfte.
Aber – und das ist das Interessante – die Jugendlichen wussten über Adenauer, Brandt, Kohl und Honecker sehr gut Bescheid. Wenn man sich die Rolle von diesen vier Männern in der Nachkriegspolitik anguckt, dann muss man sagen, dass das doch für einen Geschichtsunterricht im Kontext spricht. Das waren sehr zentrale Figuren.
Ich habe mich gefragt, wie wohl die Ergebnisse gewesen wären, wenn Erwachsene gefragt worden wären. Ich glaube nicht, dass die Ergebnisse zielsicherer gewesen wären. Ich finde diese Ergebnisse – ich kann sie Ihnen gerne zur Verfügung stellen – auch nicht erschreckend. Ich finde es völlig realistisch, dass junge Menschen so viel beziehungsweise so wenig über diese Dinge wissen.
esse und Mitgefühl haben, ist auch völlig normal. Da muss man natürlich gegensteuern und die Frage ist natürlich wie.
Die vierte Qualität, die Schüler haben müssen, ist die Urteilskraft. Da geht es um den Perspektivwechsel und das kritische Selbstbewusstsein, das gefördert werden soll. Das ist eines der originären pädagogischen Ziele, das man als Lehrerin und Lehrer haben sollte, nämlich das Kritikbewusstsein schärfen und diesem Anspruch wird diese Befragung überhaupt nicht gerecht.
Die CDU führt in ihrer Großen Anfrage die Gedenkstätte Hohenschönhausen und den Film "Das Leben der Anderen" an. In der Antwort bekommt sie mitgeteilt, wie viel Hamburger Lehrerinnen und Lehrer sich da eingesetzt haben und da teile ich die Auffassung von Frau Oldenburg auch nicht. Wenn von 73 Hamburger Schulen mitgeteilt wird, dass 63 Klassen in den Gedenkstätten waren – ich weiß nicht, woher Sie nehmen, dass das KZ-Gedenkstätten sein sollen, weil das ausdrücklich in der Anfrage genannt ist –, und dass an 50 Schulen im Rahmen des Unterrichts der Film "Das Leben der Anderen" gezeigt wurde und wenn viele Schülerinnen und Schüler, was auch in der Anfrage steht, im Klassenverband nachmittags und abends ins Kino gegangen sind, um sich diesen Film anzugucken, dann kann ich daraus nicht ableiten, dass das Interesse der Hamburger Schulen, der Hamburger Lehrerinnen und Lehrer und der Hamburger Schüler daran zu gering ist. Das kann ich nicht daran ablesen.
Wenn ich dagegen lese, dass 10,2 Prozent der Westberliner Jugendlichen noch nie im Ostteil der Stadt waren, dann finde ich allerdings, dass an dieser Stelle wirklich etwas getan werden muss und wenn in diesen vier Bundesländern über ein Fünftel angibt, dass das Thema DDR im Unterricht noch nie behandelt wurde, dann ist das erschreckend.
Nun weiß ich natürlich nicht, wie groß die Diskrepanz zwischen Rahmenplan und realer Unterrichtssituation in Hamburg ist. Ich könnte mir vorstellen, dass sie ähnlich ist. Ich denke, dass es auch an unseren Schulen Klassen gibt, wo die Schüler aus der 10., 11., 12. oder 13. Klasse rausgehen und vielleicht auch nichts über die Geschichte der DDR erfahren haben. Insofern muss man das auch im Rahmen sehen.
Trotz aller Methodenvielfalt im Unterricht ist das Hauptmedium im Geschichtsunterricht immer noch das Geschichtsbuch. Ulrich Arnswald vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main hält vor allem die Schulbücher zur deutschen Geschichte für problematisch. Er hat parallel zu dieser Schülerbefragung der FU Berlin 63 Geschichtsbücher analysiert und
fand heraus, dass gerade die Bücher aus der Zeit direkt nach der Vereinigung die DDR mehr oder weniger unter "ferner liefen" behandeln. Das ist ein großes Manko in diesen Geschichtsbüchern.