Deshalb ist es für uns unverständlich, sachlich völlig unangemessen und lebensfremd, dass Sie diese Berufsorientierung nur an den Stadtteilschulen stärken wollen und darüber sollten wir – und deswegen beantragen wir die Überweisung – im Schulausschuss genauer und intensiver diskutieren. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Buss, Sie rennen offene Türen ein. Das liegt daran, dass Sie natürlich nicht wissen, in welcher Reihenfolge wir unsere gemeinsame Arbeit koordinieren in der Koalition. Wir haben uns erst einmal hingesetzt und gesagt: Die Stadtteilschule ist eine neue Schulform, die kommen wird. Da müssen wir den Hamburgerinnen und Hamburgern möglichst frühzeitig zeigen, was es alles an diesen Schulen geben wird, an den Stadtteilschulen.
Natürlich ist Berufsorientierung auch ein Thema für Gymnasien, das ist eine Frage der Berufsorientierung an Gymnasien, die wir gerade zusammen erarbeiten. Da wird natürlich auch etwas nachkommen. Denn völlig klar ist: Es brauchen genauso Schüler auf dem Gymnasium Berufsorientierung,
egal ob sie nun vorzeitig abgehen oder ob sie Abitur machen werden. Fakt ist aber auch: Die Schulen, die sich jetzt auf den Weg machen Stadtteilschule zu werden, bringen anderes Potenzial in der Frage Berufsorientierung mit, deswegen muss man an dieser Stelle bei den Stadtteilschulen auch ein bisschen anders arbeiten als bei der Frage der Intensivierung der Berufsorientierung an den Gymnasien.
Das ist natürlich Semantik, aber wenn Sie in den Antrag schauen, dann steht nicht darin, Stadtteilschulen seien die berufsorientierten Schulen, sondern der Antrag heißt einfach nur Intensivierung der Berufsorientierung an der Stadtteilschule, was natürlich nicht ausschließt, dass es in anderen Schulformen auch so etwas geben wird.
Deswegen, weil wir eben erst einmal über die Stadtteilschulen nachgedacht haben, begründe ich noch einmal den Antrag aus unserer Sicht. Wir wissen, dass es ein wenig übersichtliches Übergangssystem in ganz Hamburg gibt, und das gilt in besonderem Maße für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oder sozial benachteiligte Jugendliche, die entweder gar keinen oder nur einen unzureichenden Schulabschluss haben. Übergangssystemen wurde immer eine große Bedeutung zugemessen, es sind etliche Ressourcen in diesen Übergangssystemen bereitgestellt und vielerlei Kooperationen eingegangen worden. Allerdings bleibt festzuhalten, dass viele Maßnahmen offenbar nicht dazu geeignet sind, Jugendlichen den Übergang von Schule in den Beruf zu erleichtern. Wir alle bedauern seit Jahren, dass sich zu viele Jugendliche zu lange in Warteschleifen befinden.
Der Nationale Bildungsbericht 2008 hat festgestellt, dass die Gründe hierfür unter anderem darin liegen, dass die kooperierenden Institutionen, nämlich Bildungssystem und Arbeitsmarkt, vollkommen unterschiedliche Systeme sind, die völlig unterschiedlichen Prinzipien folgen. Schule und überbetriebliche Ausbildung unterliegen der staatlichen Politik, während ausbildende Unternehmen vom Markt abhängig sind. Deswegen ist das Übergangssystem so unübersichtlich und häufig ineffektiv, weil diese beiden Logiken schwierig miteinander in Einklang zu bringen sind. Dabei entstehen Abstimmungsprobleme, die endlich aus dem Weg geräumt werden müssen.
Was wir brauchen, ist passgenau auf die Bedürfnisse der Jugendlichen ausgerichtete Beratung und Betreuung letzten Endes an beiden Schulformen. Hamburg braucht eine zielgruppengerechte Gesamtstrategie. Eine enge Verzahnung der abgebenden und der aufnehmenden Systeme ist dringend notwendig, alle tragen die Verantwortung für die Zukunft der Jugendlichen im Übergangsprozess. Die Aufgaben und Ziele des Übergangssys
tems und damit aller Beteiligten sind: Jugendliche sollen lernen, eigene Stärken, Potenziale, Bedürfnisse und Kompetenzen aktiv zu entwickeln und eigenverantwortlich auch vertreten zu können. Diese müssen dann in Einklang mit dem tatsächlichen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gebracht werden. Das ist die entscheidende Aufgabe, die wir gemeinsam haben. Hierzu ist natürlich die Vermittlung diesbezüglicher Erkenntnisse dringend notwendig. Deswegen ist auch wichtig, sich immer wieder zu erinnern, dass Berufsorientierung weitaus mehr ist als das, was bislang an Wissensvermittlung und Bewerbungstraining stattfindet an den Schulen.
Dabei sind alle Institutionen und Systeme gefragt, um die Warteschleifen zu verhindern beziehungsweise die Aufenthaltsdauer dort zu verringern. Qualifizierungsmaßnahmen nach Beenden der Schule reichen dazu nicht aus. Die Kompetenzen und Kenntnisse müssen schon in der Schule vermittelt werden. Was wir auch wissen, ist, dass die Prozesse sozialer Selektion im allgemeinbildenden Schulsystem sich auch später bei der Berufsfindung auswirken. Das Ergebnis sind Jugendliche, die von Maßnahme zu Maßnahme gereicht werden. Je länger ein solcher Zustand, von Maßnahme zu Maßnahme zu wandern, dauert, umso weniger motiviert sind die Jugendlichen und umso größer wird die Gefahr, nie mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen ins Arbeitsleben einzusteigen und es erfolgreich meistern zu können. Deswegen brauchen wir neben einer neuen Kultur der Zusammenarbeit von Betrieben, Berufsschulen und Schulen eine viel höhere Durchlässigkeit zwischen Schule und Berufssystem, als sie momentan noch gegeben ist.
In der letzten Bürgerschaftssitzung haben wir über die Hürden des Hamburger Schulsystems diskutiert. Wir waren uns einig, dass die Durchlässigkeit der Schulsysteme zu gering ist beziehungsweise nur in eine Richtung besteht, nämlich nach unten. Um die Durchlässigkeit zwischen Schule und berufsbildenden Institutionen ist es auch nicht gut bestellt. Wir brauchen diese Durchlässigkeit zwischen unterschiedlich weit führenden Bildungswegen aber. Wir müssen außerschulische Lernorte installieren. Das würde die Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler erheblich erhöhen, eigenes Interesse zu entwickeln, sich ein präzises Bild davon zu machen, was auf sie im Berufsleben zukommt, welche Wünsche realisierbar sind und welche Kompetenzen und Stärken jeweils gefragt sind.
Ein weiterer Vorteil einer solchen Durchlässigkeit liegt auch darin, dass eventuelle Irrtümer bei der Berufswahl nicht den zukünftigen Berufsweg schon zu einem frühen Zeitpunkt verbauen. Die Möglichkeit einer Umorientierung und Korrektur dieser Irrtümer muss auch auf dem Wege der Berufsorientierung ausgebaut werden. Zudem ist die Berufswahl heute kein einmaliger Vorgang mehr, der mit
der Wahl des Einstiegsberufs schon abgeschlossen ist. Deswegen ist Berufsorientierung auch ein längerer Prozess. Die Stadtteilschule als neue Schulform muss nun in der Lage sein, die Herausforderungen zu meistern und allen Schülerinnen und Schülern die Fähigkeiten zu vermitteln, die man braucht, um dem Übergang von Schule in die Berufsausbildung gewachsen zu sein.
Wir möchten – und das macht dieser Antrag deutlich – Kooperationen zwischen Stadtteilschulen und Berufsschulen. Im Idealfall wird jede Stadtteilschule in einer Kooperation mit einer Berufsschule sein, wobei die Angebote jeweils an den individuellen Bedarfen der Jungendlichen ausgerichtet sind und einen hohen Praxisbezug haben werden. Dazu genügt es eben nicht, ein paar mehr Unterrichtsstunden der Berufsorientierung zu widmen, der hauptsächlich geltende Erfolg für die Integration eines Übergangssystems kann eigentlich nur einer sein, der möglichst reibungslose Weg in die Berufsausbildung.
Die von uns geforderte Intensivierung der Berufsorientierung an Stadtteilschulen sieht vor, dass den Schülerinnen und Schülern das entsprechende Beratungsund Unterstützungsangebot zur Verfügung gestellt wird und bestehende Angebote auch wirklich abgestimmt sind. Die Stadtteilschule ist dabei nicht allein und kann auf die Kooperationen mit vielen externen Partnern vertrauen, der Agentur für Arbeit, Unternehmen, Verbänden, Kammern, Trägern der Jugendhilfe, Institutionen und vor allem auch Eltern. Jeder der beteiligten Partner wird Aufgaben haben und stellt unterschiedliche Angebote zur Verfügung, die koordiniert und abgestimmt sein müssen. Damit die Schülerinnen und Schüler die Berufswelt rechtzeitig kennen lernen und realistische Vorstellungen von den Anforderungen in der Berufswelt entwickeln, werden Stadtteilschulen, Unternehmen, Berufliche Schulen und die weiteren Partner zusammenarbeiten und ein strukturiertes Angebot, das zum individuellen Beratungs- und Unterstützungsbedarf passt, entwickeln. Es muss von Anfang an schon beim Einstieg in das Berufsleben gelingen, auf den jeweiligen Stärken aufbauend den eigenen Weg gestalten zu können. Deshalb ist der Start so wichtig, die richtige Wahl so bedeutend und die Intensivierung der Berufsorientierung so notwendig. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Intensivierung der Berufsorientierung an der Stadtteilschule – als ich diesen
Da ist keine einzige konkrete Zahl drin, keine einzige konkrete Maßnahme, nur Prosa und Philosophie. Damit kommen wir überhaupt keinen Schritt weiter. Dann habe ich an Herrn Beuß gedacht, der leider nicht da ist. Herr Beuß hat uns vor 14 Tagen einen Nachhilfeunterricht in ungelegten Eiern gegeben. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir haben noch nicht einmal eine Stadtteilschule und jetzt haben wir schon solch einen Antrag, dass wir die berufliche Orientierung in Stadtteilschulen erhöhen wollen. Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, noch in der Schule zu bleiben.
Ich weiß gar nicht, ob Sie überhaupt wissen, was in der Schule los ist. Wenn ich diesen tollen Satz lese:
"Da die Wahl des richtigen Berufs für jeden Schulabgänger eine Entscheidung mit sehr großer Tragweite ist, erscheint es notwendig, die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler zu intensivieren."
Mein Gott, das wissen die Schüler auch, dass das wichtig ist. Das Problem ist nur, es gibt nicht genug Ausbildungsplätze. Die können Training machen, so viel sie wollen.
16 Prozent der Hamburger Firmen, die ausbilden könnten, bilden aus und hier wird ein Bild gezeichnet, als wären die Jugendlichen selbst dafür verantwortlich, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommen und die Firmen stehen hilfestellend zur Seite. Nein, sie haben die Verantwortung einzustellen und wir als Politik haben auch die Verantwortung dafür, dass jeder, der aus der Schule kommt, auch einen Beruf bekommt. Bei der BA ist es so: Wenn dort Jugendliche hingehen, bevor Sie mit der Schule fertig sind, und sagen, sie möchten gerne einen Ausbildungsplatz haben, dann wird ein Drittel in die Liste aufgenommen. Die anderen beiden Drittel werden aufgeteilt in ausbildungsunfähig und ausbildungsunwillig. Diese Spielchen finden wir absolut daneben. Und wenn Sie dann noch sagen, Herr Gwosdz, dass es Warteschleifen gibt und ein Übergangssystem und in diesem Übergangssystem sind überwiegend Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und man muss aufpassen, dass die Warteschleifen nicht so lang sind: Das Mindeste, was man doch wohl erwarten kann, ist, dass man eine Analyse für Hamburg bekommt, was hier eigentlich los ist. Warum sind denn die Warteschleifen so unergiebig?
Da waren wir doch im Schulausschuss schon viel weiter. Im Schulausschuss haben wir bei der Haushaltsdebatte darüber diskutiert, dass man mit diesen ganzen Übergangsmaßnahmen, wie sie jetzt vorhanden sind, gar nicht arbeiten kann, dass man sie zusammenfassen muss, dass man sie effizienter gestalten muss und dass man das zusammen mit Berufsschulen, mit den Kammern, mit der BA und zusammen mit den Schulen machen muss. Aber jetzt zu sagen, wir wollen die Übergangssysteme reduzieren – was ist denn das für eine Aussage? Wir wollen sie völlig anders gestalten, damit die jungen Leute auch eine Chance haben, wirklich in einen Beruf hineinzukommen.
Wenn ich mir diesen ersten Kuller ansehe – Berufsorientierung: In der siebten Klasse fangen die Schüler schon an, Bewerbungen zu schreiben. Das machen sie in der achten und das machen sie in der neunten Klasse. Und die Schüler wissen viel mehr als alle anderen, dass sie das noch ein paar Jahre machen können, weil sie keinen Ausbildungsplatz bekommen. Insofern ist dieses ganze Bewerbungstraining nur Frust, Frust hoch drei. Was her muss, sind Ausbildungsplätze.
Zu den Stadtteilschulen hat Herr Buss schon eine ganze Menge gesagt, das finde ich auch völlig richtig. Ich will Ihnen nur noch einmal sagen, wo bei mir wirklich der Kamm schwillt – wenn ich lese:
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich darf Sie bitten, Ihre Gespräche einzustellen oder draußen zu führen. – Danke.
Wissen Sie eigentlich, unter welcher zeitlichen und psychischen Belastung Lehrer in Hamburg arbeiten? Wissen Sie das eigentlich? Wissen Sie eigentlich, dass wir eine zunehmende Zahl von Lehrern und Lehrerinnen haben, die an dem berühmten Burn-out-Syndrom kranken, dass sie in die Behörde gehen. Und nun wollen Sie wahrscheinlich auch noch, dass die Lehrer in den Ferien in die Unternehmen gehen,
um sich einmal anzusehen, wie es im Betrieb aussieht. Ich sage Ihnen einmal, was ich meine. Es müsste genau umgekehrt sein. Es müsste so sein, dass die Personalchefs der Firmen einmal eine Woche lang einen Hauptschullehrer begleiten. Dann würden sie nämlich ganz anders denken und dann würden sie diese ganzen Sprüche, dass die Schüler nicht ausbildungsfähig und nicht ausbildungswillig sind, lassen, weil die Jugendlichen wissen, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommen. Das ist das A und O, dass wir als Gesellschaft die Verantwortung für die jungen Leute übernehmen und dass wir diese Prosa lassen und wirkliche Hilfe anbieten. Das ist nicht mit Bewerbungstraining gemacht und mit Vorbereitungen auf irgendwelche Berufe, die sie nie ergreifen können. Wir müssen viel mehr Anstrengungen unternehmen, dass es auch mehr Ausbildungsberufe gibt und dass die Jugendlichen auch einmal eine Wahl hätten zwischen zwei Ausbildungsplätzen. Das wäre sensationell.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Wer möchte den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU und GAL aus Drucksache 19/1644 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Drucksache 19/1644 mit einigen Gegenstimmen angenommen worden.
Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache nachträglich an den Schulausschuss überweisen. Wer stimmt dem Überweisungsbegehren zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Drucksache 19/1644 einstimmig an den Schulausschuss überwiesen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf, Drucksache 19/1298, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Für einen starken Wirtschaftsstandort Hamburg – Umsetzung zentraler Infrastrukturmaßnahmen.