Protocol of the Session on December 10, 2008

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf, Drucksache 19/1298, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Für einen starken Wirtschaftsstandort Hamburg – Umsetzung zentraler Infrastrukturmaßnahmen.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Für einen starken Wirtschaftsstandort Hamburg – Umsetzung zentraler Infrastrukturmaßnahmen – Drs 19/1298 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Wirtschaftssausschuss überweisen.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/1298 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Drucksache 19/1298 einstimmig an den Wirtschaftsausschuss überwiesen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 38 auf, Drucksache 19/1660, Bericht des Wirtschaftsausschusses: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes.

[Bericht des Wirtschaftausschusses über die Drucksache 19/1516: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes (Senatsan- trag) – Drs 19/1660 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 19/1739, 19/1740 und 19/1749 drei Anträge der Fraktion DIE LINKE, sowie als Drucksache 19/1743 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ökologische Kriterien im Hamburger Vergabegesetz – Drs 19/1739 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Vergabebericht im Hamburger Vergabegesetz – Drs 19/1740 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe an Maßnahmen der Frauenförderung – Drs 19/1749 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes – Drs 19/1743 –]

Die CDU-Fraktion hat eine Überweisung der Drucksache 19/1743 an den Wirtschaftsausschuss beantragt. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Herr Kerstan hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Hamburgische Vergabegesetz und die Diskussion über ein Korruptionsregister haben eine bewegte Geschichte in diesem Haus allein in den letzten Jahren gehabt. Das wird aus der Drucksache nicht ganz ersichtlich, weil der Prozess, ein solches Vergabegesetz inklusive eines Korruptionsregisters überhaupt zu verabschieden, noch in die vorletzte Legislatur zurückreicht. Manche mögen sich daran vielleicht nicht mehr so gerne erinnern. Es war in der Zeit, als damals eine Regierungskoalition auseinandergebrochen ist und sich eine ehemalige Regierungspartei in zwei Parteien gespaltet hatte,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wo gibt es denn so etwas?)

dass dann in einer späten Nachtstunde auf einmal eine überraschende Koalition aus SPD, Grünen – und den Namen der abgespalteten Fraktion habe ich schon wieder vergessen – auf jeden Fall das

Vergabegesetz inklusive eines Korruptionsregisters verabschiedet hatten. In der nächsten Legislaturperiode wurde dann dieses Vergabegesetz geändert und die Änderungen wurden mit einer Befristung versehen, ganz offenkundig mit dem Hinweis, man wolle jetzt erst einmal überprüfen, ob das Ganze von Erfolg gekrönt ist, ob es die gewünschten Effekte erzielt und ob die Wirtschaft damit gut zurande kommt.

Die Umfrage unter den Wirtschaftsverbänden aber auch bei den öffentlichen Auftraggebern hat ergeben, dass dieses Gesetz in der alten Ausprägung sehr positiv gesehen wurde – 97 Prozent Zustimmung bei den Unternehmen –, sodass man feststellen musste, dass letztendlich dieses Gesetz auf eine hohe Zustimmung stieß und einer Entfristung nichts mehr im Wege stand. Insofern wäre es heute relativ einfach gewesen – ich glaube, wir hätten einen großen Konsens gefunden –, die Befristung aufzuheben. Aber so sehr man heutzutage Europäer ist und die Europäische Union mit den vielen sinnvollen und segensreichen Wirkungen hat, gibt es manchmal auch Situationen, in denen man sich mit der einen oder anderen Entscheidung nicht so sehr zufrieden gibt. Das war ganz eindeutig in Bezug auf Vergabegesetze das EuGH-Urteil, das sogenannte Rüffert-Urteil, das die Regelung im niedersächsischen Tariftreuegesetz nicht mit europäischen Standards für vereinbar erklärt hatte. Deshalb hatten wir alle gemeinsam die Aufgabe zu überlegen, wie wir damit umgehen, weil der überwiegende Konsens in diesem Hause ist, die Tariftreueregelung im Kern so, wie sie auch in dem alten Gesetz verankert war, zu sichern.

Insofern ist es, glaube ich, heute eine gute Nachricht, wenn wir verkünden können, dass wir mit dieser Überarbeitung des Vergabegesetzes diese Zielsetzung erreicht haben. Wir werden, soweit es das europäische Gerichtsurteil zulässt, die Tariftreueregelung sicherstellen und wir haben in diesem Bereich weitere Verbesserungen erzielt, die wichtig sind und durchaus für Deutschland wichtige Aspekte beinhalten. Aber lassen Sie mich zuerst zum Kern der Tariftreueregelung etwas sagen: Wir hatten eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss, dort waren die Sachverständigen nicht ganz einig, aber nach unserer Auffassung schöpft die Regelung, die wir vorschlagen, den rechtlichen Rahmen voll aus. Eventuell darüber hinaus zu gehen, würde nach der überwiegenden Einschätzung eine sehr große rechtliche Unsicherheit und ein Risiko bedeuten. Denn die andere Hälfte der Sachverständigen hatte in dieser Anhörung zu bedenken gegeben, dass dann damit zu rechnen wäre, dass man in diesem Bereich rechtliche Unsicherheiten eröffnen würde.

Was auch wichtig ist, ist, dass wir mit diesem Vergabegesetz auch im sozialen Bereich wichtige Standards setzen. In Deutschland ist das meiner Kenntnis nach bisher einmalig. Die Vereinbarung

(Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk)

der ILO-Kernarbeitsnormen in einem Vergabegesetz ist ein wichtiges Signal, dass Hamburg seiner sozialen Verantwortung gerecht wird und gerade auch als internationale Handels- und Hafenstadt bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, denn – diese Debatte hatten wir in der letzten Legislatur geführt –, wenn es um die chinesischen Arbeitslager, die Laogai-Lager, geht, muss man feststellen, dass von dort durchaus Produkte und ähnliche Dinge nach Deutschland importiert werden. Insofern ist eine Kopplung der Vergabe öffentlicher Aufträge auch an ILO-Kernnornmen ein wichtiges Signal, dass Hamburg in diesem Punkt seine Verantwortung nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit bereit ist wahrzunehmen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Zudem ist es in Zeiten des Klimawandels und einer Konjunkturkrise ein wichtiges Signal, dass die öffentliche Beschaffung darauf Wert legt, dass nur diejenigen Auftragnehmer den Auftrag bekommen, die umweltpolitische Maßstäbe berücksichtigen, soweit das möglich ist. Auch in diesem Punkt haben wir in dieser Vergabegesetzänderung eine Ergänzung, eine Erweiterung gefunden, die in Zukunft sicherstellt, dass bei der öffentlichen Auftragsvergabe ökologische Kriterien eine wichtige Rolle spielen werden. Das ist eine gute und wichtige Botschaft gerade in den heutigen Zeiten, wo Umweltstandards im Zuge der Bekämpfung der Konjunkturkrise zunehmend unter Druck geraten.

Wir hatten in dieser Anhörung eine nicht sonderlich strittige Debatte, was mich gefreut hat, weil es zeigt, dass wir eine hohe Übereinstimmung haben und dass wir zumindest in diesem Hause eine Einigkeit haben, in diesem Punkt gemeinsam voranzugehen. Wenn man sich die Vergabegesetzänderung der Großen Koalition auf Bundesebene anschaut, muss man feststellen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist. Dort liegt die Überarbeitung des Vergabegesetzes nach dem letzten Stand des Verfahrens erst einmal auf Eis. Dort können sich die Koalitionspartner nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, das die Kernbestandteile, die wir hier umsetzen, sicherstellt. Insofern muss man sagen: Auch das ist eine gute Botschaft für Hamburg.

Eines hat mich allerdings gewundert, nachdem wir eine sehr einvernehmliche Expertenanhörung hatten, bei der alle sagten, im Wesentlichen fänden sie diese Überarbeitung des Gesetzentwurfs sehr gut, an diesem oder jenem Punkt könnte man noch klarer werden oder noch energischer sein. Aber wir hatten dort keinen großen Dissens, insofern hat es mich überrascht, dass wir einen Tag vor der Abstimmung vier Zusatzanträge bekommen haben, eine ganze Reihe von Zusatzanträgen, die Themen anreißen, die weder von den Sachverständigen noch den Mitgliedern im Ausschuss angesprochen wurden. Das ist unter anderem der Bereich

der Frauenförderung, der hatte bisher in der Debatte keine Rolle gespielt. Insofern hat es mich überrascht, dass jetzt ein solcher Vorstoß auf der Zielgeraden vorgenommen wird. Das ist sicher ein Thema, dass uns Grünen wichtig ist, das wir gerne genauer beraten hätten. Aber wir hätten es dann im Ausschuss und bei der Expertenanhörung gerne thematisiert, weil man dort mit Sicherheit sachverständiger darüber reden könnte.

Wenn man sich Ihre Zusatzanträge ansieht, dann will ich nicht verhehlen, dass der eine oder andere Punkt darin geregelt werden könnte. Das will ich gar nicht abstreiten. Dieses Frauenthema können wir aber aus der hohlen Hand nicht einfach beschließen, weil wir es bisher nicht weiter thematisiert haben. Ich glaube, gerade wenn es um die Auftragsvergabe …

(Unruhe im Hause – Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich bitte um etwas Ruhe.

Gerade wenn es um die Auftragsvergabe geht, wo auch wirtschaftliche Unternehmen betroffen sind, sollte schon ein hoher Grad an Rechtssicherheit herrschen. Insofern wäre das ein Thema, das man später – wir werden uns mit Sicherheit nicht zum letzten Mal mit dem Vergabegesetz beschäftigt haben – bei einer eventuellen Evaluation einmal berücksichtigen muss.

Bei dem Zusatzantrag der SPD, die Tariftreueregelung weiter auszulegen, hatte ich schon darauf hingewiesen, dass unsere Einschätzung ist, dass man dadurch die Rechtsunsicherheit vergrößern würde, was ein großes Risiko bedeuten würde, was auch ein Teil der Sachverständigen in der Anhörung ausdrücklich so bestätigt und auch so gesehen hat.

Ich will Ihnen aber auch sagen, dass wir einer Überweisung dieses Antrags dennoch zustimmen würden. Denn Sie haben darin einen Punkt, wo wir den Eindruck gewonnen haben, Sie haben dort etwas zu fassen bekommen, was bisher noch nicht die richtige Aufmerksamkeit gefunden hatte. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass das Rüffert-Urteil auf den Verkehrsbereich durchaus Anwendung finden sollte. Die dort vorgetragene Argumentation, dass es aber nicht so sei, dass der ÖPNV automatisch unter diese Einschränkung des Rüffert-Urteils fällt, klingt im ersten Moment plausibel. Wir wollen allerdings ohne Beratung und ohne ausdrückliche Prüfung der rechtlichen Abteilungen in den Behörden heute einen solchen Punkt nicht einfach durchstimmen. Aber für meine Fraktion kann ich sagen – und ich glaube, auch für unseren Koalitionspartner –, dass wir sehr dafür wären, diesen Passus zu halten, der im letzten Vergabegesetz enthalten war. Deshalb werden wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen. Und wenn wir

dort bei ausführlicher Beratung auch mit dem nötigen rechtlichen Sachverstand zu der Auffassung kommen, dass das so möglich ist, wie die SPD es vorgeschlagen hat, dann steht aus unserer Sicht einer Änderung des Vergabegesetzes eigentlich nichts mehr im Wege.

Insofern finde ich es gut, dass wir dieses Thema vorangebracht haben. Wir kommen einen großen Schritt weiter mit diesem Gesetzentwurf, der im Kern die wesentlichen Punkte sichert und auch voranbringt, die in diesem Haus einvernehmlich gewünscht werden. Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll, jedes Jahr einen Vergabebericht vom Senat einzufordern. Das wäre ein bisschen viel. Aber ich denke, es ist sinnvoll, dieses Gesetz, nachdem es ein paar Jahre angewendet wurde, kritisch zu beleuchten, so wie wir es das letzte Mal auch getan haben. Wenn es dann noch Änderungsbedarfe geben sollte, sollte man sie gründlich beraten und umsetzen. Aber zunächst ist es eine gute Nachricht, dass uns in Hamburg gelungen ist, was die Große Koalition in Berlin noch vor sich hat, nämlich das Vergabegesetz zu überarbeiten und die wesentlichen Kernbestandteile zu sichern, damit in Hamburg die öffentliche Auftragsvergabe dem Lohndumping eine Grenze setzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat der Abgeordnete Lemke.

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Präsident! Die Vorweihnachtszeit wirft ihre Schatten voraus und die Opposition hat uns in der Tat einen ganzen Wunschzettel mit Änderungswünschen vollgeschrieben.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Ich befürchte allerdings, Herr Hackbusch, wenn der Weihnachtsmann dieses Jahr zu Ihnen kommt, wird er Ihnen nicht alle Wünsche in dieser Hinsicht erfüllen. Aber darauf gehe ich später noch ein.

Interessanterweise – Herr Kerstan, Sie haben es schon gesagt – kann man über das Vergabegesetz gar nicht sprechen, wenn man sich nicht vergegenwärtigt, wie es zu dem Stand gekommen ist, den wir jetzt erreicht haben. Wir müssen uns vor Augen führen, wie die Ausgangslage ist. Das Vergabegesetz in der jetzt gültigen Fassung wurde 2006 beschlossen, damals mit der absoluten Mehrheit der CDU-Fraktion. Ziel der damaligen Regelung war es, hohe Sozialstandards bei der Auftragsvergabe zu gewährleisten und gleichzeitig ein praktikables Gesetz zu schaffen,

(Ingo Egloff SPD: Es gab noch ein Vorläu- fergesetz, Herr Kollege!)

welches ohne zu große Bürokratie eine vernünftige Auftragsvergabe ermöglicht. Jede Änderung, die wir vornehmen, muss auch diesen Kriterien wieder gerecht werden. Zugleich haben wir damals, 2006, eine sehr moderne Form der Gesetzgebung gewählt.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren, Sie lösen sich zu sehr in kleine Diskussionsrunden auf. – Fahren Sie bitte fort Herr Lemke.

Das Gesetz wurde befristet mit der Maßgabe, dass im Verlaufe des Jahres 2008 ein Evaluierungsbericht vom Senat vorgelegt werden sollte. Ich kann Ihnen allen nur raten, einmal einen Blick in diese Drucksache zu werfen. Der Senat hat hierin sehr genau die Funktionsweise dieses Gesetzes beleuchtet und zugleich eine Erhebung bei Unternehmen, Kammern und Verbänden durchgeführt. Dabei wurde festgestellt – Sie haben es gesagt –, dass das Gesetz ein sehr hohes Maß an Zustimmung bei den Auftragnehmern gefunden hatte. Das ist eine Bestätigung für uns, dass wir im Grunde genommen die richtigen Standards gesetzt haben.

Mit der alten Tariftreueerklärung im Vergabegesetz hat die CDU damals wichtige Sozialstandards gesetzt und diese haben sich bewährt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL – Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist hier ja eine riesige Begeiste- rung!)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir nicht diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, das Rüffert-Urteil, gehabt hätten. Aber wir müssen im Gesetzgebungsverfahren jetzt darauf eingehen, unsere Verfassung hat schließlich die Herrschaft des Rechts über die Politik festgeschrieben und niemand in diesem Hause wird bestreiten, dass das so ist.

Die alte Tariftreueregelung ist hinfällig geworden und mit dem neuen Gesetzentwurf wird jetzt wiederum versucht, nach europäischem Recht den maximal zulässigen Sozialstandard einzuführen. Und das ist nun einmal die Koppelung an die Vorschriften des Arbeitnehmerentsendegesetzes. So haben wir auch eine Rechtssicherheit, dass dieses Gesetz auch zukünftig der europäischen Rechtsprechung genügen wird.

Zu dem Zusatzantrag der SPD, Regelungen, die die Vergabe der Verkehrsdienstleistungen betreffen. Hier soll nun auch weiterhin die Tariftreueerklärung gelten. Auch die CDU-Fraktion stimmt insofern einer Überweisung an den zuständigen Wirtschaftsausschuss zu. Man muss noch einmal genauer über diesen Punkt nachdenken. Richtig

(Jens Kerstan)