Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, es gefällt mir, dass Sie immer wieder hartnäckig an dem wichtigen Thema Pflege festhalten und es immer wieder anbringen. Es gefällt mir aber nicht, dass Sie bei diesen Debatten ständig und immer wieder Panik schüren, weil Panik an dieser Stelle überhaupt nicht angebracht ist.
Wir haben in Hamburg keinen Pflegenotstand und zumindest für die nächsten Jahre steht auch die steigende Anzahl von Pflegebedürftigen, die wir auch durch die demografische Entwicklung haben, im Einklang mit der Anzahl von Pflegekräften. Wir haben also keinen Pflegenotstand, aber wir wollen auch keinen. Da bin ich ganz bei Ihnen.
Deswegen ist es auch angebracht, ein kritisches Auge auf die Entwicklung der Ausbildung im Pflegebereich zu werfen.
In den Einrichtungen der ambulanten und der stationären Altenpflege zeichnet sich ein Trend ab, der uns auch nicht gefällt. Dieser Trend geht in Richtung Mangel an ausgebildeten Pflegefachkräften. Unsere politische Aufgabe ist es, diesem Trend eine andere Richtung zu geben. Deswegen müssen wir uns erst einmal die Ursachen angucken. Ein Grund, den wir aber noch gar nicht angesprochen haben, der aber auch wichtig ist, liegt an der scheinbar fehlenden Attraktivität dieses Altenpflegeberufes gerade für junge Leute. Das ist sicherlich verständlich, denn wer hat im jugendli
chen Alter, gerade frisch von der Schule, den Kopf voller Ideen und Pläne für sein Leben, Lust, sich mit dem Thema Alter, Tod, Demenz und Pflege zu beschäftigen. Das Fernsehen hilft übrigens auch gewaltig mit. Von "Alphateam", über "Grey's Anatomy" oder "In aller Freundschaft" – wie beispielsweise diese Krankenhaussendungen heißen –, gibt es genügend Unterhaltungssendungen, die über die Arbeit im Krankenhaus und über Beziehung und Liebe reden. Warum ist eigentlich noch nie jemand auf die Idee gekommen, eine Sendung über Arbeit und Beziehung im Alterspflegeheim zu drehen?
Spaß beiseite, aber es ist im Ernst. – Die Jugendlichen lassen sich davon leiten und es geht darum, dass wir diesem Beruf ein neues Image verpassen müssen. Es muss vor allem den jungen Menschen deutlich gemacht werden, dass der Beruf der Altenpflege dem Beruf einer Krankenschwester oder eines Krankenpflegers in keiner Weise nachsteht. Der Beruf der Altenpflege bietet viele Entwicklungsmöglichkeiten, ist attraktiv und beinhaltet selbstständige Tätigkeiten.
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Blömeke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Eine derartige Imagekampagne ist natürlich nur die eine Seite. In einem weiteren Schritt müssen wir dafür sorgen, dass es ausreichend Ausbildungsplätze gibt, die den wachsenden Bedarf decken. Es ist richtig, dass Ausbildungsplätze im stationären Bereich vorhanden sind, im ambulanten Bereich ist das aber nicht der Fall, da hinken wir hinterher. Als einen Grund gibt beispielsweise der Bundesverband Privater Dienste an, dass die Vorschrift zur Ausbildungsvergütung bei den ambulanten Anbietern nicht umgesetzt werden kann. Das ist in der Tat das, was Herr Kienscherf eben sagte. Die Refinanzierung ist nicht ausreichend. Im ambulanten Bereich kann nicht ausreichend ausgebildet werden. Die Folge ist, dass von 300 Betrieben nur eine Handvoll jährlich eine nicht nennenswerte Anzahl ausbilden kann. Jetzt ist aber auch schon Ende mit den Übereinstimmungen, denn die Antwort der SPD darauf ist der heutige Antrag mit der Ausbildungsplatzumlage. Herr Kienscherf, meiner Ansicht haben Sie es sich zu einfach gemacht,
denn die Ausbildungsplatzumlage ist nur eine Möglichkeit für mehr Ausbildungsplätze. Das Umlageverfahren – das wurde eben nur am Rande behandelt – ist in vielen Punkten rechtlich bedenklich. In anderen Bundesländern, die Sie eben aufgezählt haben, läuft das beileibe nicht, sondern es kam zu gerichtlichen Klagen. Viele Bundesländer haben es auch wieder zurückgezogen. Das System ist durch einen sehr hohen bürokratischen Aufwand geprägt, der nicht zuletzt mehr Kosten verursacht, als er Nutzen bringt. Nicht zuletzt findet das Umlageverfahren – das ist besonders interessant – keine Zustimmung der Anbieter und Träger.
Nun müssen wir natürlich nicht immer hören, was die sagen. Aber wenn Sie sagen, Herr Kienscherf, Sie machen sich für die ambulanten Dienste stark, dann wundert mich das ein bisschen. Gerade der Bundesverband Privater Anbieter, der alle ambulanten Dienste vertritt, setzt sich vehement gegen diese Ausbildungsplatzumlage ein. Das ist erstaunlich, weil die SPD-Fraktion immer meint, am Nabel der Welt zu sein. Die Träger fordern stattdessen eine Förderung von Ausbildungsverbünden, damit sich im ambulanten Ausbildungsbereich Verbesserungen ergeben.
Ich will an dieser Stelle gar nicht in eine fachpolitische Diskussion für das Für und Wider dieser verschiedenen Modelle einsteigen – ich denke, das machen wir später im Ausschuss –, aber wir müssen uns die Situation in der Altenpflege angucken. Da stimme ich Ihnen zu.
Aus diesem Grunde überweisen wir den SPD-Antrag an den Sozialausschuss. Das fiel uns wirklich nicht leicht. Ich hatte eben das Gefühl, Herr von Frankenberg hätte es auch gern noch weiter ausgeführt, denn Ihr Antrag, Herr Kienscherf wimmelt wieder von zahlreichen Behauptungen, die entweder falsch sind oder ohne irgendeine Begründung daherkommen.
Ich will als Beispiel eine Behauptung der SPD anführen. Sie sagen, es fehlten berufsbegleitende Aufstiegsqualifizierungen von der Pflegeassistenz zur Fachkraft. Das ist kompletter Unsinn, Herr Kienscherf. Die Konzepte dafür sind 2008 in der BSB verabschiedet und sowohl die Grone-Schule als auch die HSB setzen sie in die Praxis um.
Mir scheint, dass Sie nicht immer auf dem neuesten Stand sind, aber das macht nichts, deshalb reden wir darüber.
(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU – Michael Neumann SPD: Gut, dass Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen ha- ben!)
der zweijährigen Ausbildung würden zu wenig Menschen die Weiterqualifizierung nutzen, um dann wirklich examinierte Fachkraft zu werden. Herr Kienscherf, die zweijährige Ausbildung – das hatte Herr von Frankenberg gesagt – ist erst 2006 eingeführt worden. Für eine Evaluation ist es jetzt viel zu früh. Selbstverständlich wird evaluiert, aber erst nach dem dritten oder nach dem fünften Ausbildungsjahrgang. Das ist eine gängige Art und Weise. Jetzt schon zu sagen, das passiert alles nicht, viel zu wenig Menschen qualifizieren sich weiter, ist eher ein typischer Kienscherf, als dass es Fakten sind.
Ich schließe mich natürlich den Ausführungen von Herrn von Frankenberg an. Ich finde, Sie sollten jetzt einmal zufrieden sein. Der Antrag kommt in den Ausschuss.
Das ist uns nicht leichtgefallen. Wir werden – das ist im Sinne aller – zur Frage, was braucht Hamburg, um wirklich ausreichend Kräfte zu qualifizieren und um die Ausbildung voranzutreiben, eine Expertenanhörung durchführen. Sie können Ihre Experten benennen, wir werden es tun. Im Anschluss sind wir vielleicht alle ein bisschen schlauer und kommen nicht mit einem Antrag daher, der vielleicht nur eine Lösung ist, der dann holterdiepolter mit Fingerzeig abgestimmt werden soll und der vielleicht für einige ins Verderben führt. Herr Kienscherf, ich hätte von Ihnen ein bisschen mehr Differenzierung erwartet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Alterspflege ist eine der wichtigsten Zukunftspflege in dieser Gesellschaft. Dieses Problem hat viele Fassetten und der Antrag der SPD spricht ein wesentliches Feld an. Wie immer im Einzelnen die Alterspflege in Zukunft organisiert werden wird – es müssen viele Probleme bedacht werden –, eines ist klar, ohne ausreichendes Personal und ohne gut qualifiziertes, motiviertes und entsprechend gut bezahltes Personal wird es keine angemessene Lösung geben können. Genau hier liegt das Problem. Ich bin verwundert, dass sowohl die CDU als auch die SPD bestreiten, dass es hier Probleme
gibt. Ich habe mich schlaugemacht und bin unter anderem durch die ver.di-Tagung "Pflege ist mehr wert" auf eine ganze Menge Probleme gestoßen.
Die körperlichen und psychischen Belastungen der Beschäftigten sind extrem hoch, doch die ruinöse Konkurrenz – das ist ein wichtiger Punkt – in der Altenpflege führt dazu, dass gerade Einrichtungen im ambulanten Bereich die Personalkosten drücken, wo sie können, auch drücken müssen, wo sie können, beispielsweise am Personal sparen, nicht nach Tarif zahlen, statt Fachkräften Hilfskräfte beschäftigen und nicht ausbilden. Auch das hängt leider damit zusammen. Insbesondere von Herrn Kienscherf ist gesagt worden, dass die ambulante Pflege ganz wesentlich nach Gesetzen des Marktes erfolgt. Weil, anders als in der stationären Pflege, Ausbildung in ambulanten Pflegeeinrichtungen nicht über Pflegesätze refinanziert wird, müssen ausbildende Einrichtungen höhere Preise für ihre Pflegedienstleistungen in Rechnung stellen. Damit haben sie in der Situation eines hohen Konkurrenzdrucks einen erheblichen Konkurrenznachteil. Die Forderungen im Antrag der SPD helfen, diesem Konkurrenzdruck, der zum Nachteil der Pflegebedürftigen sowie der Beschäftigten geht, wenigstens etwas zu mildern.
Ich will kurz die Dimension des Problems umreißen. In Hamburg leben rund 41 400 pflegebedürftige Menschen, von denen knapp ein Drittel, nämlich gut 13 100, in Heimen und betreuten Wohngruppen und Wohneinrichtungen untergebracht ist.
28 300 Menschen werden zu Hause gepflegt. Davon wird die Hälfte dieser Gruppe von ambulanten Pflegediensten unterstützt.
Wenn also ein so großer Bereich der Altenpflege – mehr als ein Drittel wird also durch die ambulanten Pflegeeinrichtungen abgedeckt – nicht ausbildet, dann hat das schon jetzt und erst recht für die Zukunft dramatische Folgen. Wir sind dazu da, um diesen Folgen vorzubeugen.
Wir sind der Auffassung, dass der Gesellschaftsvertrag zwischen Menschen mit mehr und Menschen mit weniger Sorgebedarf angesichts der vielfältigen Probleme, die jetzt gar nicht thematisiert werden können, erneuert werden muss. Dazu gehört auch und nicht zuletzt, dass Beruf und Ausbildung im Pflegebereich gesellschaftlich und finanziell aufgewertet werden müssen.
In diesem Sinne finden wir in dem SPD-Antrag gute Forderungen und wir unterstützen die Überweisung an den Ausschuss. Ich habe mit Freude gehört, dass eine Expertenanhörung stattfinden soll. Ich glaube, dass man damit den Problemen näher rücken wird und vielleicht zu weiteren Lösungen kommen kann. Ich bin gespannt auf das, was dann die Koalitionsparteien sagen werden. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen. Frau Blömeke, der Sozialsenator hat neulich gesagt, jetzt habe er langsam die Faxen dicke. Ich fand das ungehörig, aber in bestimmten Situationen kann man ihn verstehen. So geht es mir jetzt bei Ihnen. Das Bild von Parlamentarismus, das Sie zeigen, oder das Selbstverständnis, das Sie an den Tag legen, ist wirklich erschütternd.