Protocol of the Session on September 17, 2008

Wir stehen dazu, wir unterstützen die Politik von Ole von Beust und Senatorin Goetsch und dieses wird ein Erfolgsmodell sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Rabe.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zahlreiche Studien haben sich mit unserem Schulsystem beschäftigt und die Stärken, aber auch die Schwächen herausgefunden. Die Schwächen sind zweierlei.

Kinder aus bildungsfernen Familien scheitern viel zu oft in unserem Schulsystem. Gut ein Viertel aller Hamburger Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule ohne oder mit schlechten Schulabschlüssen. 11,09 Prozent hatten im letzten Jahr überhaupt keinen Schulabschluss; das ist Problem Nummer eins.

Problem Nummer zwei ist, dass das Bildungsniveau insgesamt mittelmäßig ist, wenn auch mit ansteigender Tendenz. Das gilt für Schulabbrecher genauso wie für Abiturienten und es reicht nicht aus, wenn wir unseren Kindern in unserer Gesellschaft eine Zukunft geben wollen. Daraus leitet die SPD zwei Forderungen ab.

Erstens: Wir müssen alles tun, um die Chancengleichheit an den Schulen zu verbessern und das heißt vor allem fördern, fördern und noch mal fördern.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Wir müssen alles tun, um die Begabungen und Interessen aller Schüler zu entfalten, aber wie macht man das. Wenn wir das machen wollen, dann müssen wir zunächst einmal anerkennen, wie verschieden Kinder eigentlich sind. Henrike kann

zwei Stunden Harry Potter lesen, Harun rechnet am schnellsten, Hannes diskutiert und denkt mehr als andere, Hatice ist begeistert von Klängen und Farben und Hamsa ist am liebsten draußen im Matsch und Graben. Aber statt diese Vielfalt und dieses Können zu fördern, haben wir jahrelang all diese Kinder in drei Schubladen sortiert und dort gleichmäßig mit der gleichen Schule berieselt. Das ist blödsinnig, denn wir haben es in Deutschland nicht mit drei Kindertypen zu tun, sondern mit Millionen echter Menschen. Diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch und die Schlussfolgerung ist klar. Wir brauchen einen Unterricht, der jedes Kind individuell erreicht. Solchen Unterricht haben viele Schulen bereits auf eigene Faust entwickelt und er klappt hervorragend. Das ist der eine Baustein für die Schule der Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn das klappt, dann können wir rein theoretisch für jedes Kind eine Schule erfinden, werden sie doch alle unterschiedlich bespielt mit Unterricht; aber das ist völliger Unsinn. Damit wird deutlich, dass der Baustein zwei sein muss. Wir brauchen eine Schule für alle, denn diese Schulform bietet in Wahrheit der Vielfalt unserer Kinder den nötigen Raum zur Entfaltung und das ist der andere Baustein für die Schule der Zukunft. Insofern haben wir ein klares Ziel und in diesem Ziel stimmen wir auch mit der Initiative überein.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Frage ist allerdings, wie wir dahin kommen, denn drei Fraktionen in diesem Hause stimmen mit dem Ziel überein, aber sie beschreiten unterschiedliche Wege. Der Weg, den die Sozialdemokraten gehen wollen, hat vier Leitlinien.

Erstens: Wir müssen anerkennen, dass Schulpolitik nicht im luftleeren Raum der Politik gemacht wird, sondern sich mit den Sorgen, Ängsten, Wertvorstellungen und Hoffnungen der Gesellschaft auseinandersetzen muss und das heißt, Reformen des Schulsystems brauchen Akzeptanz und sie brauchen Dialog.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Schulpolitik muss auch klappen. Auf dem Papier und im "Hamburger Abendblatt" kann man die tollsten Sachen erzählen, aber sie müssen auch funktionieren. Wir Sozialdemokraten glauben nicht, dass der von der Initiative vorgestellte Zeitplan eine realistische und vor allem eine funktionierende Schule für alle in dieser kurzen Zeit möglich macht. Ich erinnere daran, dass in den skandinavischen Ländern die gleiche Umstellung des Schulsystems über ein Jahrzehnt gedauert hat. Deswegen sagen wir, Schule braucht sorgfältige Politik und auch Zeit.

(Beifall bei der SPD)

(Marino Freistedt)

Drittens: Auf diesem Weg müssen wir Hamburgs Schulsystem zusammenführen. Wir haben in Hamburg sieben verschiedene weiterführende Schulen und hier geht es darum, diese Schulen Stück für Stück heranzuführen. Wir haben die Stadtteilschule vorgeschlagen.

(Robert Heinemann CDU: Ihr habt das vor- geschlagen, das ist doch ein Witz!)

Ja, das haben wir gemeinsam gemacht. Herr Heinemann, wenn Sie dabei sein wollen, dürfen Sie das gerne.

Wir wollen diese Stadtteilschule zu der neuen Schule für Hamburg entwickeln, aber anders als die CDU und als Herr Heinemann wollen wir sie nicht als die zweite und schlechtere Säule in einem zweigliedrigen Schulsystem, sondern wir wollen sie zu der neuen Schule für Hamburg entwickeln und die Gymnasien in diesen Prozess mit einbinden.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort an die GAL, die immer so tut, als sei die Primarschule ein Schritt hin zur Schule für alle. Das ist nun wirklich Unsinn. Die Primarschule mag sinnvoll sein oder nicht …

(Glocke)

Herr Abgeordneter, es muss aber ein kurzes Wort werden. Sie haben die Redezeit überschritten, deshalb leuchtet das rote Lämpchen.

– Ach, ich dachte, das leuchtet die ganze Zeit.

Als Weg in die Schule für alle taugt dieser Weg nicht.

Letzter Punkt: Wir brauchen einen besseren, einen individualisierten Unterricht und damit können wir jetzt anfangen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Gwosdz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rabe hat gesagt, Schulpolitik finde nicht im luftleeren Raum statt. Das sehen wir gerade mit der Eröffnung des Volksbegehrens "Eine Schule für Alle" in einigen Tagen. Es ist ein wunderbares Beispiel dafür, welche Vielfalt an Positionen es durchaus in der Hamburger Bildungslandschaft gibt zwischen den Eltern, den Politikern, den Lehrern, den Schülern und auch allen anderen weiteren Beteiligten und Interessierten an Schulpolitik.

Schulpolitik brauche Akzeptanz und Dialog, hat Herr Rabe gesagt. Genau das ist eine der Leitlinien, unter der wir die Schulreform, die neue Schuloffensive in Hamburg durchführen im Dialog mit den Eltern, Schülern, Lehrern, Schulleitern und anderen Betroffenen, um eine Akzeptanz für die künftige Schulpolitik, für die neue Primarschule, für die Stadtteilschule und die Gymnasien, wie sie ab 2010 organisiert werden, zu entwickeln.

Warum machen wir das Ganze? Wir reden darüber in jeder Sitzung und ich wiederhole es gerne noch einmal: Wir bringen Hamburgs Schulen mit dieser neuen Politik auf europäischen Standard, und zwar in der Form und den Inhalten, und damit langfristig natürlich auch – das ist die Hoffnung – in den Ergebnissen der Schulpolitik. Frau Heyenn hat dieses schöne Zitat erwähnt, dass nur 17 Länder in Europa, darunter die 16 deutschen Bundesländer, nach der vierten Klasse sortierten.

Mit der Einführung der Primarschule verlängern wir das gemeinsame Lernen und ganz entscheidend ist, dass wir nach der sechsten Klasse nicht mehr ein Sortieren in Restschulen, in Schulen für die etwas halbgaren Schüler und in Gymnasien vornehmen, sondern nach der sechsten Klasse stellt sich künftig nur noch die Frage, auf welchem Weg die Schülerinnen und Schüler das Abitur machen werden, entweder auf einem Gymnasium oder einer Stadtteilschule. Aber auch dort haben die Schülerinnen und Schüler zunächst einmal einen direkten gradlinigen Weg und die Möglichkeit, das Abitur zu machen. Das momentane Problem des heutigen Sortierens ist, dass demjenigen, der auf die Hauptschule kommt, zunächst einmal der Weg zum Abitur verbaut ist. Es gibt natürlich Umwege, das wissen wir alle, aber das ist keine Durchlässigkeit, die das Lernen und das Erhöhen des Bildungsniveaus in Deutschland einfacher macht.

Wichtig ist bei der Schulreform, dass nicht die Organisationsform, sondern das inhaltliche Angebot in den Mittelpunkt tritt. Ganz wichtig ist, dass die Unterschiedlichkeit der Kinder – das haben meine Vorredner betont – in den Fokus rückt. Es ist das Ende der Illusion vom Lernen im Gleichschritt, das momentan in unserem Schulsystem immer noch im Vordergrund steht.

Wesentliche Ziele der Schulreform, die wir mit den Initiatoren von "Eine Schule für Alle" teilen, sind auf dem Weg, den wir einschlagen, zu erreichen. Es wird mehr Chancengleichheit geben statt sozialer Auslese, es wird eine individuelle Förderung der Kinder geben statt Sitzenbleiben und Abschulen, es wird einen möglichst hohen Bildungserfolg für alle Schülerinnen und Schüler geben. Wie ich schon erwähnt habe, verliert die Frage der Empfehlung für Gymnasium oder Stadtteilschule an Brisanz. Es geht nicht um die Frage, ob Abitur, sondern es geht um die Frage des Weges zum Abitur.

(Ties Rabe)

Wenn sich die LINKEN in Hamburg als Vorreiter einer Schule für alle, des neunjährigen gemeinsamen Lernens, produziert, finde ich das sehr erfreulich.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Zehn!)

Des zehnjährigen gemeinsamen Lernens, richtig.

Wenn man allerdings nach Berlin guckt, was Sie gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner SPD in Berlin schaffen, dann sind die jetzt angekündigten Initiativen ein gewisses Nachvollziehen dessen, was wir bereits auf den Weg gebracht haben. Herr Zöllner hat gerade letzte Woche angekündigt, in der sechsjährigen Grundschule in Berlin künftig in den Klassen fünf und sechs auch Gymnasiallehrer einzusetzen, also das nachzuvollziehen, was wir mit der Primarschule ohnehin schon vorhaben. Aber auch in Berlin bleiben die Gymnasien bestehen, die Haupt- und Realschulen werden integriert und sind dann Regionalschulen, ein anderes Wort für Stadtteilschulen.

Von daher ist die Kritik an unserem Schulsystem, die Sie gerade vorgetragen haben, auch eine Kritik am Berliner Schulsystem, wobei Sie in der Vergangenheit in einem ersten Schritt dafür gesorgt haben, dass die Vielgliedrigkeit in Berlin mit der Gemeinschaftsschule noch um eine achte Säule erweitert wird, und jetzt ist es wieder ein Zusammendampfen auf mehrere Wege.

Traurig ist in Berlin auch, dass zwar einerseits im Abgeordnetenhaus dieser schulpolitische Weg beschlossen wird mit Ihren Stimmen, den Stimmen der SPD und auch mit den Stimmen der Kollegen der Grünen, im Senat aber dann schon wieder ein Streit darüber ausbricht, ob das der richtige Weg für Berlin ist und Herr Zöllner in der Senatspressekonferenz die Konzepte gar nicht vorstellen darf.

In Hamburg ziehen wir an einem Strang.

(Michael Neumann SPD: Auch in dieselbe Richtung?)

Wir sind uns einig, dass wir Schulen brauchen, an denen man mit Begeisterung lernen kann. Wir sind auf einem guten Weg zu Schulen, in denen jeder optimal gefördert wird. Dafür investieren wir in unsere Schulen und treten in einen intensiven Dialog mit den Vertretern vor Ort ein. Dieser Dialog ist ein fruchtbarer und gewinnbringender und er wird fruchtbarer und gewinnbringender sein als die Konfrontation in verschiedenen Volksbegehren.

Wir sind überzeugt, dass sich dieser Dialog unter Einsatz aller Beteiligten für unsere Stadt lohnen wird, denn wir brauchen alle Talente.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dann bekommt das Wort Senatorin Goetsch.