Zu Beginn der Sitzung darf ich Ihnen eine freudige Mitteilung machen, und zwar ist unsere Kollegin Carola Thimm gerade Mutter einer Tochter namens Hanna geworden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Hamburg endet für viel zu viele Schüler die Schule in einer Sackgasse. Wir haben über 10 Prozent Schüler, die ohne Schulabschluss von der Schule gehen müssen – heute ist es noch einmal in der "tageszeitung" differenziert worden –, und wir haben einen großen Berg von Altbewerbern, von Schülerinnen und Schülern, die nach der Schule keine Ausbildung bekommen haben. Wir wissen jedes Jahr aufs Neue, dass gerade Schüler ohne Abschluss, mit Hauptschulabschluss oder mit niedrigem Realschulabschluss kaum eine Chance haben und in Warteschleifen kommen. Diesen Trend hat die OECD in ihrer letzten Untersuchung "Education at a Glance" noch einmal bestätigt und festgestellt, dass zum Beispiel in Deutschland in den letzten Jahren bei Menschen zwischen 25 und 29 Jahren die Erwerbslosenquote von 18 auf 20 Prozent gestiegen ist. Der OECD-Durchschnitt hat sich – dort ist daran gear
Deutschland und Österreich sind in dieser OECDStudie dadurch aufgefallen, dass sie die stärkste soziale Auslese im Schulsystem durchführen. Dafür gibt es zwei harte Zahlen. Man hat festgestellt, dass Schüler und Schülerinnen von Eltern, die keine Akademiker sind, nur eine halb so große Chance haben, das Abitur zu machen, als sie in der Schülerschaft prozentual vertreten sind. Umgekehrt haben Schüler und Schülerinnen von Akademikern, und sei es auch nur eines Elternteils, eine doppelt so hohe Chance, als sie in der Schülerschaft anteilmäßig vertreten sind. Da muss man sich fragen, was in Deutschland und Österreich los ist. Die GEW hat einmal gesagt, es gibt nur 17 Länder, die ein gegliedertes Schulsystem haben, und das sind die 16 Bundesländer und Österreich. Das heißt, dieses gegliederte Schulsystem scheint ein Schlüssel zu sein und deshalb kommen wir auch um die Systemfrage nicht herum. Diese Systemfrage ist von der Initiative "Eine Schule für Alle" gestellt worden, die im letzten Winter erfolgreich eine Volksinitiative durchgeführt hat und jetzt ein Volksbegehren auf den Weg bringen wird.
Es geht darum, eine Schule zu konzipieren, in der die Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen. Es soll auf jeden Fall unmöglich gemacht werden, dass nach der vierten oder nach der sechsten Klasse aussortiert wird.
Worüber wird eigentlich abgestimmt? Abgestimmt wird über einen Gesetzesentwurf zur Einführung der Gemeinschaftsschule in Hamburg. Darüber stimmen die Leute ab, die ihre Unterschrift leisten. Es soll regelhaft ermöglicht werden, wofür in Deutschland alljährlich Schulen Schulpreise bekommen, wie auch in diesem Jahr wieder. Die Schulen sollen es einrichten können, klassenübergreifend, kursübergreifend, jahrgangsübergreifend oder stufenübergreifend zu unterrichten und gemeinsam zu lernen. Das gemeinsame Lernen kann durch unterschiedliche Formen der Differenzierung ermöglicht werden. Ziel der Gemeinschaftsschule in Hamburg ist es, eine inklusive Schule zu haben.
Im Gegensatz zur Integration geht das pädagogische Konzept der Inklusion davon aus, dass es keine homogenen, sondern heterogene Klassen gibt. Jeder von uns kann bestätigen, dass diese Unterschiedlichkeit eigentlich eine ideale Grundlage für gemeinsames Lernen ist, die zurzeit viel zu wenig genutzt wird. Gemeinsames Lernen in heterogenen Gruppen bedeutet, dass alle miteinander und voneinander lernen können und insgesamt mehr und besser lernen.
drei Fähigkeiten haben, um im Leben bestehen zu können. Das eine ist die Fachkompetenz. Die ist bisher viel zu hoch gehängt worden, insbesondere von den Gymnasien. Es geht um die soziale Kompetenz und es geht auch um die Methodenkompetenz, die man braucht, um Probleme zu lösen.
Nun hören wir immer das Argument, eine Schule für alle sei eine Schule für Gleichmacherei. Jede Gemeinschaftsschule hat nach dem Vorschlag einer Schule für alle einen großen Spielraum. Sie kann in ihrem Schulprogramm die interne Schulorganisation festlegen, zum Beispiel die Unterrichtsorganisation. Sie kann die Einführung einer Sekundarstufe II festlegen, sie kann die Dauer der Schulzeit bis zum Abitur selbst festlegen und sie kann die Bildungsschwerpunkte festlegen. Das heißt, bei gleicher Schulstruktur wird es eine große Bandbreite von unterschiedlichen Möglichkeiten geben.
Der zweite Vorwurf gegen eine Schule für alle heißt immer, der Elternwille solle abgeschafft werden. Das ist bei Weitem nicht der Fall.
Gerade Eltern haben bei einer Schule für alle große Mitwirkungsmöglichkeiten, die weit über das hinausgehen, was heute ist. Eine Schule für alle heißt, es muss eine höhere Quote von Schülern geben, die das Abitur machen. Eine Schule für alle heißt auch Gymnasium für alle.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre Rede, Frau Kollegin Heyenn, hat dreierlei gezeigt.
Erstens: Der Ruf nach der einen Schule für alle wird nicht pädagogisch, sondern ideologisch begründet.
Zweitens: Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt werden mit Scheinargumenten für ein Schulsystem umworben, das keine Aussagen bezüglich der Leistungsfähigkeit von Schule trifft.
Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf einige typische Argumente eingehen. Schule für alle heißt, jedes Kind ist willkommen – was für eine Binsenweisheit. Alle Schulen heißen ihre Schülerinnen und Schüler willkommen. Wer zweifelt daran, dass die Schulen dies schon aus Eigeninteresse tun? In der offiziellen Schrift heißt es weiter: Neben dem Unterrichtsstoff werden wichtige Fähigkeiten gelernt, Verständnis, Verständigung, Toleranz und Solidarität. Welche Schule hat dieses nicht in ihrem Schulprogramm; das ist wirklich nichts Neues.
Ich werde allerdings schon etwas skeptischer, wenn gesagt wird, wie ich das eben gehört habe, die Fachkompetenz zum Beispiel am Gymnasium sei eindeutig zu hoch gehängt. Das kann nun wirklich nicht wahr sein.
Die Schule für alle, so die Initiatoren, sei in allen erfolgreichen Ländern längst verwirklicht. Nennen Sie mir doch bitte ein Land, in dem es wirklich eine Schule für alle Kinder gibt. Es gibt kein europäisches Land, in dem es nicht Abstufungen, Ergänzungen, Zusatzschulen, Privatschulen oder Nachmittagsschulen gibt, in denen nicht zielgruppenspezifischer Unterricht durchgeführt wird. Sie belügen sich selber, wenn Sie sagen, es gäbe nur noch ein Schulsystem.
Und was heißt erfolgreich? Ist es wirklich ein Erfolg, wenn zum Beispiel in einigen englischen Städten das gemeinsame Lernen über viele Jahre dazu führt, dass die Zahl jugendlicher Arbeitsloser ansteigt im Gegensatz zu der Statistik, die Sie eben genannt haben, und sie insgesamt deutlich über dem deutschen Fortschritt liegt? Ist es wirklich ein Fortschritt, wenn die Absolventen von Schulen mit gemeinsamem Lernen nach den Statistiken im Alter von 25 Jahren häufiger einen Arbeitsplatzwechsel durchgeführt haben als andere?
Es gibt natürlich auch den Hinweis auf die fehlende Fachpraxis und Fortbildung unserer Lehrkräfte; das ist ein wichtiges Argument. Wir können nicht den Eltern Sand in die Augen streuen und sagen, wir fordern jetzt etwas und dann wird alles besser. Hier brauchen wir wirklich Mut, wir brauchen ein schlüssiges Konzept, das wir mit unserer Mehrheit von CDU und GAL hier vorlegen.
Wir haben einen Kompromiss geschlossen, der die Einführung der sechsjährigen Primarschule als Kerngedanken vorsieht. Wir haben ihn in diesen Tagen und Wochen vorbereitet und ich bin mir sicher, dass dieser Vorschlag auch ein großer Erfolg werden wird.
Unsere Schulsenatorin Frau Goetsch wird es bestätigen. Behörde, GAL und CDU arbeiten konstruktiv zusammen an einem Konzept für eine Schule, in der in den ersten sechs Jahren gemeinsam unterrichtet wird, ohne dass die Schüler erst zum Abschluss ihrer Schulzeit entlassen werden und dann auch schlechte Chancen haben.
Die Schülerinnen und Schüler lernen sechs Jahre lang gemeinsam. Gymnasien und Stadtteilschulen werden ihre spezifischen Profile mit in die Primarschulen einbringen und schon in den ersten Schuljahren kindgerecht gemeinsam durchführen. Wir grenzen mit diesem System niemanden aus, es stellt für uns in Hamburg einen Perspektivwechsel dar. Es fordert uns alle heraus, aber die Gestaltungsmehrheit von GAL und CDU will sowohl die schwachen als auch die starken Schüler fordern und fördern.
Wir stehen dazu, wir unterstützen die Politik von Ole von Beust und Senatorin Goetsch und dieses wird ein Erfolgsmodell sein. – Vielen Dank.