Protocol of the Session on September 4, 2008

Herr Senator, ich habe trotz des langen Zitats darauf hinzuweisen, dass Sie 210 Prozent der Abgeordnetenredezeit in der Aktuellen Stunde in Anspruch genommen haben. – Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Föcking.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine gute Karikatur zeigt auch bei den ärgerlichsten Ereignissen noch deren bitter-komische Seite, so im Abendblatt vom Dienstag. Da sitzen sechs Damen und Herren beim Kaffee auf der Terrasse und einer der Herren erklärt: "Also wir haben überhaupt keine Probleme mit unserer Kita." Der Grund: Auf der Straßenseite gegenüber rennen lauter Kinder in einen Schacht. Der führt aber nicht zur U-Bahn, sondern in ihre Kita, eine Kita unter der Erde. Das ist auch eine Möglichkeit, das Lärmschutzproblem zu lösen. Eine solche Lösung wollen und wollten wir in diesem Hause nicht. Ebenso wenig wollen wir, dass Kitas künftig nur noch in Gewerbegebieten oder an Hauptverkehrsstraßen gebaut werden können. Wir brauchen Kitas und Krippen auch dort, wo die Kinder leben, damit sie von ihren Eltern nicht nur mit dem Auto und nicht nur unter großem Zeitaufwand dorthin gebracht werden können und damit auch weiterhin kleinere Träger oder Elterninitiativen nicht den Mut verlieren, weil nur noch Großprojekte mit Lärmschutzwällen umgesetzt werden können.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das war auch vor drei Jahren schon Konsens hier, als es um die Kita Marienkäfer ging. Uneinigkeit herrschte seinerzeit – und daran möchte ich noch einmal erinnern – nur darüber, welcher Weg der richtige sei, um künftig Kindertagesstätten besser vor solchen Nachbarschaftsklagen zu schützen. Wir von der CDU entschieden uns damals dafür, das Hamburger Ausführungsgesetz zum Jugendhilfegesetz zu ergänzen. Der neue Paragraf 29 a erklärt ausdrücklich, dass durch kindliches Spielen erzeugter Lärm im Bereich von Kitas und Schulen nicht generell beschränkt werden kann und als – Zitat:

"… selbstverständlicher Ausdruck kindlicher Entfaltung hinzunehmen …"

(Uwe Grund SPD: Das hat aber gar keine Erfolge gehabt!)

Ein wichtiger Grund für unser Vorgehen damals war, dass unser Weg infolge einer unglücklichen Grundgesetzänderung – und das wissen Sie so gut wie ich – bei der Föderalismusreform ein besonders rechtssicherer Weg zu sein schien.

(Dr. Monika Schaal SPD: Sie haben gar nicht zugehört!)

Die SPD wollte damals ein eigenes etwas unschön betiteltes Hamburgisches Kinderlärmgesetz. Wir befürchteten, dass dadurch falsche Schwerpunkte gesetzt würden, nicht Kitas würden vor klagenden Nachbarn geschützt, sondern Nachbarn vor Kitas, denen rechtlich sehr dehnbare – der Senator hat es gerade noch einmal ausgeführt – Auflagen für ihre Genehmigung gemacht werden sollten.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat wieder ein Gericht zugunsten klagender Nachbarn gesprochen. Bemerkenswerterweise erklärt das Gericht selbst, dass – und jetzt setze ich die Zitierung des Urteils doch noch einmal fort, Zitat:

"Eine ortsnahe Versorgung der umgebenden Wohngebiete mit ausreichendem Angebot von Kindergartenplätzen … dem Allgemeinwohlinteresse …"

(Carola Veit SPD: Ja, und?)

Ansonsten argumentiert das Gericht auf der Grundlage der Baunutzungsverordnung. Den Paragrafen 29 a hat das Gericht offenbar nicht berücksichtigt.

(Dirk Kienscherf SPD: Tja!)

Dabei regelt dieses Gesetz gerade die Versorgung der Stadtteile mit Kitas und wäre insofern möglicherweise einschlägig gewesen.

Nun werde ich mich nicht auf das Glatteis fachjuristischer Erörterung begeben aber gefragt werden darf doch, warum das Gericht diesen Paragrafen nicht einbezogen hat. Vielleicht wird genau das auch das Oberverwaltungsgericht fragen, bei dem das Verfahren jetzt anhängig ist.

(Beifall bei der CDU)

Erst dann werden wir wissen, ob unser Weg von damals über das Jugendhilferecht wirklich der falsche gewesen ist. Wenn ja, dann werden wir die Letzten sein, die gegen eine Nachbesserung sind. Wenn nein, umso besser. Denn eines ist sicher. Wir wollen unsere erfolgreiche Politik für mehr Kita- und besonders Krippenplätze fortsetzen, denn die Nachfrage der Familien steigt immer noch, gerade in Stadtteilen wie Othmarschen.

(Senator Dietrich Wersich)

Noch ein persönliches Wort zum Schluss: Ich selbst wohne neben einer Schule und eins kann ich sagen. Auch wenn am Donnerstag um zwei noch etwas einförmig Schlagzeug geübt wird – für uns und, ich denke, auch die meisten meiner Nachbarn ringsherum gilt zumindest meistens: Kinderlärm ist Zukunftsmusik. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dr. Schaal.

Herr Präsident, es gibt Situationen, in denen man bedauert, dass man recht gehabt hat. Wir haben im letzten November in diesem Hause gesagt, das Kinderlärmgesetz der CDU sei nicht praxistauglich. Die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Fall SterniPark gibt uns recht. Das Verwaltungsgericht geht in seinem Beschluss noch nicht einmal auf Ihr Kinderlärmgesetz ein.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Aber das Ober- verwaltungsgericht!)

Das finde ich megapeinlich.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Die CDU hat in der letzten Legislaturperiode nicht den Mut aufgebracht, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Aber Sie hätten wenigstens Konsequenzen aus dem Marienkäfer-Urteil ziehen können. Auch das haben Sie nicht getan. Es lag doch auf der Hand, dass weitere Klagen gegen Kitas folgen werden. Das CDU-Gesetz ist und war pharisäerhaft. Wer Hamburg zur kinderfreundlichsten Stadt machen will, kann das nicht den Gerichten überlassen. Da muss man selber gestalten. Denn es ist kein Zeichen der politischen Verantwortung, wenn Sie da die Finger heraushalten. Die CDU lässt Eltern, Kinder, Erzieher, Anwohner aber auch die Richter mit ihrem Gesetz im Regen stehen. Leider war diese Vorhersage, die wir schon einmal getroffen haben, treffsicherer als Kachelmanns Wetterprognosen.

Das Verwaltungsgericht stellt in seinem Beschluss ausdrücklich fest, dass eine Kita im Wohngebiet zulässig ist. Darum gibt es keinen Grund, auf das Gesetz zu schimpfen. Das hat auch Senator Wersich gesagt. Aber es muss auch gegenseitige Rücksicht genommen werden. Und das wollte die CDU nicht regeln. Hierum hat sich auch Herr Senator Wersich wieder gedrückt. Genau das ist in unserem Gesetzentwurf in extenso geregelt. Oft sind es nämlich nicht die Kinder, die die Nachbarn stören, sondern der Bringverkehr, die quietschende Schaukel oder wie im aktuellen Fall die Holzrampe. Wenn die Kinder auf der Rampe laufen und springen oder Roller fahren, dann macht das natürlich Lärm und man kann den Lärm dämmen, indem

man die Rampe aus anderem Material baut oder mit einem dämmendem Material belegt, ohne dass die Kinder dabei eingeschränkt werden müssten. So würde dem Betrieb der Kita möglicherweise gar nichts im Wege stehen. Unser Gesetz regelt, dass die Behörde vor Erteilung einer Betriebsgenehmigung dafür sorgt, dass lärmmindernd gebaut wird und dass Regeln geschaffen werden, dass man auch mit den Nachbarn im Einklang leben kann. Denn es ist so, dass man auch auf die Interessen der Nachbarn Rücksicht nehmen soll. Aber das will die CDU nicht. Sie redet dann immer davon, dass das alles Bürokratie wäre. Aber in Wirklichkeit geht es doch darum, dass die feine Klientel in ihrer Nachbarschaft keine Kitas haben will und dass sie erfolgreich dagegen klagen kann. Das muss man doch einmal beim Namen nennen. Darum nenne ich Ihr Gesetz auch pharisäerhaft, weil Sie diese Regelungen nicht treffen.

(Lydia Fischer CDU: Das sind doch ihre ei- genen Kinder!)

Es ist sehr schade, dass der schwarz-grüne Bezirk hierbei nicht ausreichend berücksichtigt hat, was aus dieser Betriebserteilung folgen kann. Wahrscheinlich hat man sich dort nur mit dem CDU-Gesetz beschäftigt und sich daran orientiert. Denn dieses Gesetz kennt ein gegenseitiges Gebot zur Rücksichtnahme nicht. Die CDU wollte das nicht und die Leidtragenden sind die Kinder. Das Verwaltungsgericht bemängelt übrigens, dass es für die Bewertung von Kinderlärm kein Regelwerk gibt. Alle existierenden Vorschriften, die wir hier auch schon diskutiert haben, wie TA Lärm, Freizeitlärmrichtlinie oder Sportanlagenlärmschutzverordnung seien bestenfalls Orientierungshilfen. Die GAL wollte es damals auch über das Bundesemissionsschutzgesetz machen. Hier hat die Föderalismuskommission andere Wege aufgezeigt.

Kurz: Die CDU hat ihre Schularbeiten nicht gemacht und jetzt muss die grüne Umweltsenatorin nachsitzen. Sie will eine Neuregelung zum Kinderlärm – aber nicht irgendwann, Frau Blömeke, sondern es ist fünf vor zwölf. Wir brauchen eine Regelung, die gerichtsfest ist. Wir brauchen eine rechtliche Regelung, die auch dem Rücksichtnahmegebot Rechung trägt. Recht muss Frieden schaffen und für eine gute Nachbarschaft sorgen und nicht das Gegenteil. Darum werden wir unseren Gesetzentwurf und unseren Vorschlag noch einmal in die Diskussion einbringen. Denn wir wollen, dass die Kitas im Wohngebiet sind und das in guter Nachbarschaft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

(Dr. Friederike Föcking)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Frau Schaal, weil wir eine Regelung finden wollen, die gerichtsfest ist, genau darum braucht es seine Zeit, die es braucht. Wenn man solche Sachen macht wie Sie mit heißer Nadel, dann kommen natürlich solche Gesetzentwürfe heraus, die nicht tauglich sind.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL – Ingo Egloff SPD: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Aus diesem Grund wird sicherlich zu angemessener Zeit ein Entwurf der BSU folgen. Was wir gar nicht mehr brauchen, sind diese rückwärts gewandten Diskussionen, wie sie seitens der SPDFraktion eingeführt wurden.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh! – Michael Neumann SPD: War Ihre erste Rede nicht SPD-kritisch genug?)

Wir sind uns alle einig – also diese Seite ist sich einig –, dass der CDU-Entwurf damals nicht das Gelbe vom Ei war. Aber es bringt uns jetzt auch nicht weiter, wenn Sie Ihre gesamte Redezeit damit verbringen, noch einmal darüber zu reden. Hier gilt es, nach vorne zu schauen und das wird geschehen. Wir finden an dieser Stelle auch noch einmal Gelegenheit zu reden, weil wir auch eine parlamentarische Initiative starten. Eins noch, einen letzten Satz: Die feine Klientel will keine Kitas – das war mehr als peinlich. Das hätten Sie sich sparen können, denn Kitas kommen in alle Wohngebiete und sind dort auch gewollt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Artus.

(Ingo Egloff SPD: So redet man, wenn man aus den feinen Walddörfern kommt!)

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Die Altlasten der CDU-Regierung von 2004 bis 2008 holen uns nach und nach ein, erst die Lehrschwimmbecken und jetzt dieses Kita-Urteil. Da wurde 2007 ein neuer Paragraf in ein Gesetz eingefügt, der als schlanke Lösung gepriesen wurde, im Sinne von Kitas zu urteilen. Die Oppositionskritik prallte damals an der CDU-Regierung ab. Symbolpolitik war wichtiger. Nun hoffe ich, dass wenigstens in dieser Wahlperiode eine Lösung möglich ist, ohne dass wieder einmal Mehrheiten bestimmen, was falsche Wahrheiten sind.

Lärm macht krank, Lärm stresst und Lärm senkt die Lebensqualität. Diese Gesellschaft wird immer unruhiger, hektischer und lauter. Da ist es schon fast kein Wunder mehr, dass Menschen, die ihre Ruhe haben möchten und es für sich geschafft haben, schlimmen Lärm wie zum Beispiel Verkehrs

lärm durch Autos oder Flugzeuge auszublenden beziehungsweise zu verdrängen, auf die Barrikaden gehen, wenn eine neue Krachmacherquelle droht, und sei es unschuldiges Gekreische von Kindern. Lärm ist eine der schlimmsten Umweltbelastungen. Ähnlich wie bei einer Allergie reagieren Menschen durch Dauerbelastung dann auf ganz normale selbstverständliche Geräusche wie zum Beispiel Kinderlärm genervt – oder auf die Fraktionsvorsitzenden, die sich dort im Gespräch befinden.

Lärm belastet aber nicht nur Erwachsene – und hier bitte ich noch einmal um einen Blickwechsel –, sondern auch Kinder. Die Forschung hat lange angenommen, dass Kinder weniger lärmempfindlich seien als Erwachsene. Doch diese Erkenntnisse gelten als überholt und falsch. Konzentrationsprobleme, verzögerte Sprachentwicklung und auch soziale Isolation infolge von Verkehrslärm und zu hohen Schallpegeln in Klassenräumen sind erwiesen. Auch viel zu große Kitagruppen bedeuten Stress für Kinder. Aus solchen Kindern werden dann einmal Erwachsene, die ein völlig degeneriertes Verhältnis zu Umweltgeräuschen haben. Menschen, die Kinderlärm nicht mehr ertragen können und sich lieber eine Drei-Meter-Wand wünschen, auf die sie dann starren können, sind Ausdruck einer entsolidarisierten Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)