Protocol of the Session on September 3, 2008

Wie sich erwies, wurden zwar Gefangene gemacht – und zwar viele –, Grundrechte jedoch außer Kraft gesetzt. Das alles wird im Innenausschuss und zum Teil auch vor Gerichten im Einzelnen aufzuarbeiten sein. Auf der Strecke blieb wieder einmal die Versammlungsfreiheit. Wenn die Einsatzleitung der Polizei gleich zweimal nach demselben Muster absolut friedliche Versammlungen auflöst, wenn sie selbst Fakten schafft, die sie dann zum Vorwand der Auflösung nimmt, indem sie nämlich Gruppen und Menschen von außerhalb – und zwar waren es am Freitag Menschen, die sie aufgrund ihres Aussehens selbst aus Bussen herausgeholt hat – in die Kundgebung zwingt, um dann zu behaupten, die Kundgebung sei ein Rückzugsraum für "Straftäter", dann ist das eine arrogante Demonstration polizeilicher Macht aufkosten der Versammlungsfreiheit.

(Beifall bei der LINKEN – Frank Schira CDU: Wir sind hier nicht in Tibet!)

Wenn die Polizei dabei auch noch das Urteil des Verwaltungsgerichts missachtet und unbeirrt ihren vom Gericht zurückgewiesenen Zeitplan durchsetzt, muss man ernsthaft nach dem Verhältnis der Exekutive zur Dritten Gewalt fragen. Auf der Strecke blieb – teilweise – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der besagt, dass polizeiliche Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sein müssen. Davon war beim Einsatz gegen Teilnehmer eines Stadtteilrundgangs in St. Pauli, die sich nach Beendigung des Rundgangs auf dem Rückweg befanden, nichts zu merken. Wer die Szenen gesehen hat, konnte meinen, die Polizei gehe gegen gefährliche Gewalttäter vor und nicht gegen Menschen, die sich über die Folgen der Aufwertung eines Viertels informiert und dagegen protestiert hatten, so hart war der Einsatz. Er fand wenige Stunden, nachdem Innensenator Ahlhaus die Losung ausgegeben hatte, Chaoten kein Pardon zu geben, statt. Besonders bestürzend sind die dokumentierten Übergriffe, wie der auf ein alternatives Kamerateam.

(Glocke)

Was ist die Pressefreiheit wert, wenn kritische Berichterstattung nicht unter ihren Schutz fällt? Wie soll man es bewerten, wenn bereits von der Polizei überwältigte, wehrlose Menschen von Polizisten misshandelt werden?

(Glocke)

Mein letzter Satz:

(Zurufe von der CDU)

Gestern haben Gruppen, die das Camp organisiert haben, eine lange Liste von Grundrechtsverletzungen und Polizeigewalt vorgelegt. Wir fordern, dass die Liste der Vorwürfe rückhaltlos aufgearbeitet wird. Das wäre ein erster wichtiger Schritt

(Glocke)

zur Rückkehr von Verhältnissen, in denen die Grundrechte für alle, auch für die schärfsten Kritikerinnen und Kritiker gelten.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Abgeordnete Schneider, ich darf Sie bitten, sich künftig an die Redezeiten zu halten.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, näch- stes Mal!)

Das Wort hat jetzt Herr Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir eben von Frau Schneider gehört haben, war einer der dreistesten Angriffe auf die Integrität unserer Polizei, die ich seit langer Zeit in diesem Hause gehört habe.

(Beifall bei der CDU)

Und, Frau Schneider, ich verspreche Ihnen: Das werden wir Ihnen so nicht durchgehen lassen.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh! – Dora Hey- enn DIE LINKE: Was heißt das? Ist das eine Drohung?)

Das Klimacamp, das Anfang August in dieser Stadt stattgefunden hat, gehört zu den Veranstaltungsarten, die eine liberale und auch weltoffene Großstadt wie Hamburg aushalten muss. Wir können zwar auch gut und gern ohne diese Veranstaltung auskommen, aber selbstverständlich ist der demokratische Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft möglich und muss ermöglicht werden. Das war schon immer so und das wird auch immer in Hamburg so bleiben. Unsere Verfassung enthält zahlreiche Grundrechte, die der Staat gewährleistet und schützt. Dazu zählt auch und ganz besonders die Versammlungsfreiheit. Wer dieses Grundrecht friedlich wahrnimmt, hat Anspruch darauf, dass der Staat ihn in seinen Rechten schützt. Wer aber meint, Grundrechte gölten nur denjenigen, der die vermeintlich richtige Meinung hat, der wird in dieser Stadt feststellen müssen, dass wir dafür Sorge tragen werden, dass Grundrechte für alle Bürger gelten und nicht nur für diejenigen, die meinen, sie einseitig wahrzunehmen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Was heißt das denn?)

Das will ich Ihnen ganz offen sagen, was das heißt. Wer – wie viele Damen und Herren aus dem Klimacamp – meint, er könne teilweise durch Gewaltaktionen darstellen, was seine Meinung und was richtig sei,

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Sagen Sie doch eine gewalttätige Aktion!)

und alle anderen, die nicht derselben Meinung sind, sind Opfer gewalttätiger Aktionen – das ist so nicht hinnehmbar und das werden wir in dieser Stadt auch weiterhin so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Wer meint, unter dem Deckmantel des Demonstrationsrechtes hier Krawall machen zu können, wird akzeptieren müssen, dass die Polizei in dieser Stadt dagegen vorgehen wird.

Wir werden auch in Zukunft den demokratischen Streit in dieser Stadt zulassen und nicht, wie es der Kollege Dressel so schnell gefordert hat, von vornherein gleich verbieten. Wir werden aber genauso konsequent wie bisher dafür Sorge tragen, dass Krawallmacher mit ihrem Verhalten nicht geduldet werden. Parallel zum Klimacamp gab es ungeheuerliche Angriffe auf Personen, die nicht hinnehmbar oder gar entschuldbar sind. Wer meint, seinen Argumenten mehr Schlagkraft verleihen zu können, indem er Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und ihre Familien bedroht, schließt sich selbst aus der Gruppe der ernstzunehmenden Diskutierer aus.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Werfen von Steinen und Zerstören von Behörden ist kein ziviler Ungehorsam, sondern bloße Straftat, nichts anderes.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der GAL und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Ich hätte erwartet, dass sich die Veranstalter dieses Klimacamps von solchen Straftätern deutlich distanzieren. Sie haben dies nicht getan und haben damit, wie ich meine, eine wichtige Chance verpasst, sich selbst argumentativ darzustellen. Noch schlimmer wird es aber, wenn versucht wird, diese Straftaten im Nachhinein zu rechtfertigen, so, wie wir es gerade eben im Wortbeitrag vor mir gehört haben.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das ist eine Unverschämtheit!)

Lieber Herr Kollege Eisold, ich habe Ihren Brief an Frau Jepsen gelesen wie viele andere aus diesem Hause auch. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Fraktion Ihre Haltung mehr als nachvollziehen kann. Das sage ich auch und gerade, Herr Kollege Rose, als bekennender und aktiver Christ. Manchmal gibt es Momente, wo auch ich mich für meine Kirche schäme. Dass Ihre eigene Fraktion das nicht sagt, finde ich schade.

(Beifall bei der CDU, bei Horst Becker und Dr. Eva Gümbel, beide GAL)

Manchmal stehe ich auch mit Fassungslosigkeit davor, mit welcher Dreistigkeit bestimmte Kräfte in dieser Stadt verbal auf die Polizei einschlagen. Ich finde es besonders geschmacklos, wenn sich hier eine Partei als Wahrerin des Demonstrationsrech

(Christiane Schneider)

tes aufspielt, die 1989 verantwortlich war für Polizei- und Stasiterror bei den friedlichen Demonstrationen in der DDR. Das ist genau das, was wir nicht wollen, Frau Schneider.

(Beifall bei der CDU – Dora Heyenn DIE LINKE: Diesen Vergleich lehne ich ab!)

Das, was 1989 Ihre Partei dort zu verantworten gehabt hat,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Da gab es die Partei noch gar nicht. Sie irren sich!)

das war Polizeiterror, nicht das, was wir hier in Hamburg erlebt haben.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied, Frau Schneider, den Sie vielleicht auch einmal wahrnehmen sollten, denn Sie haben auch dafür gesorgt, dass dies früher in der DDR nicht so war: Hier gibt es für jeden die Möglichkeit, rechtsstaatlich überprüfen zu lassen, was an Polizeimaßnahmen stattgefunden hat. Wir haben eine Reihe von Verfahren, die rechtsstaatlich prüfen werden, ob die Polizei Fehlverhalten gezeigt hat oder nicht. Das ist Rechtsstaat, das ist so üblich. Das ist nichts Besonderes und genau das wird stattfinden. Unverantwortlich ist und bleibt es aber, der Öffentlichkeit suggerieren zu wollen, wir hätten eine prügelnde Polizei in Hamburg. Das war niemals so und wird niemals so sein.

(Beifall bei der CDU)

Wer ein Possenspiel mit angeblichen Videobeweisen inszeniert, bei dem behauptet wird, die Polizei habe einen armen verletzten Demonstranten widerrechtlich aus einem Krankenwagen gezogen, bei dem es sich aber tatsächlich um einen flüchtenden Straftäter gehandelt hat, der muss sich schon fragen lassen, ob das nichts weiter als unglaubliche politische Naivität sei oder der Versuch der politischen Rechtfertigung einer Straftat. Im ersten Fall hat Frau Schneider bei dieser Posse erfolgreich den Titel einer Obernärrin verdient, im zweiten Fall, Frau Schneider, haben Sie in diesem Hause nichts mehr zu suchen.

(Beifall bei der CDU – Dora Heyenn DIE LINKE: Was soll das denn heißen!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! An die Adresse von Herrn Voet van Vormizeele: Ihr verbales deutliches Aufdie-Tonne-Hauen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Innenbehörde gerade im Vorfeld dieser Veranstaltung den Mitarbeitern des Einwohnerzentralamtes und denjenigen, die Anschlagsopfer geworden sind, den erforderlichen

Schutz, um diese Anschläge zu verhindern, verweigert hat.

(Beifall bei der SPD)

Aber das ist an der Stelle nicht der Punkt, denn es geht darum, deutlich zu machen, dass Hamburg eine liberale und tolerante Stadt ist, war und bleibt. Wir wollen, dass hier diskutiert und demonstriert wird, über Themen wie Flüchtlingselend im Mittelmeer, die Klimawandeldiskussion oder Fehlentwicklung der Globalsierung. Wir wollen, dass Hamburg auch ein Platz bleibt für auch außerparlamentarische Demokratie, wo friedlich und gewaltfrei demonstriert werden kann.