Protocol of the Session on September 12, 2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Städteranking in der "WirtschaftsWoche" wird ziemlich deutlich dargestellt, was von Ihren hohen Ansprüchen in der Realität wirklich zu halten ist. Wir haben es auch eben wieder von Ihnen gehört. Hamburg marschiert voran und überholt alle anderen, sagen Sie.

Im Städteranking, einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde, wird deutlich, dass Hamburg im Vergleich zum letzten Jahr und mit bundesdeutschen Großstädten von Platz 11 auf Platz 12 zurückgefallen ist. Wissen Sie, wer uns überholt hat und nur auf Platz 11 und auf Platz 10 ist? Das sind Braunschweig und Wiesbaden. Deshalb möchte ich Sie einmal fragen, wenn unter Ihrer Regierungszeit im wirtschaftlichen Städteranking Hamburg von Braunschweig und Wiesbaden überholt wird, was Ihre Aussage wert ist, dass Sie sagen, Hamburg sei gerade dabei, mit Barcelona, Toronto und so weiter in einer Liga zu spielen. Ich glaube Ihnen gerne, dass Klappern zum Geschäft gehört, aber wenn man vor lauter Klappern nicht mehr mitbekommt, was wirklich in dieser Welt passiert, dann ist das auch einer der Gründe, warum uns Braunschweig und Wiesbaden überholen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Eigentlich müssten wir einmal über Ihr Konzept reden. Das würde ich wirklich gerne tun, aber eines muss man festhalten: Sie hatten heute die Chance, ein Konzept für eine Talentstadt in inhaltlichen Punkten darzulegen, auf das bisher keiner Bezug nehmen konnte, weil außer einem Neuzuschnitt der Behörde noch keine einzige Maßnahme von Ihnen verkündet wurde, wie Sie dieses tolle Ziel Talentstadt erreichen wollen. Heute hatten Sie,

Herr Dräger, oder Sie, Herr Uldall, die Chance, einmal zu sagen, was das eigentlich heißt. Es ist schön, dass Sie sagen dass Sie das Gleiche wie wir Grüne wollen, aber wie wollen Sie es erreichen? Man muss schlichtweg feststellen, dass Sie inhaltlich nichts gesagt haben. Sie haben da nicht nur eine Chance verpasst, sondern Sie wissen anscheinend immer noch nicht, was Sie machen wollen. Dann sollten Sie sich allerdings nicht darüber beschweren, dass wir davor warnen, dass sich ein Senat als Standortrisiko entpuppt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Warum das so ist, will ich an zwei, drei Aussagen von Ihnen festmachen, die zeigen, dass Sie eigentlich das Problem sind, warum Hamburg sein Potenzial, das da ganz sicher vorhanden ist, nicht ausschöpft.

Erstens: Herr Uldall, wenn Sie sagen, der Hamburger Filmstandort sei doch so toll, weil Fatih Akin hier erfolgreiche Filme macht, dann möchte ich sagen, dass er das nicht aufgrund Ihrer hervorragenden Filmförderung in dieser Stadt getan hat, sondern gegen sie, denn Sie haben die Filmförderung gekürzt. Sie haben sie zuerst in die Kulturbehörde verlagert und dann wieder zurück zur Wirtschafsbehörde. Dabei sind Sie immer noch nicht auf der Höhe der Mittel, die Sie selber übernommen haben. Trotzdem rühmen Sie sich jetzt mit den engagierten Filmemachern, die trotz ihrer Kürzungen erfolgreiche Filme machen. Meine Damen und Herren, das ist unlauter.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Barbara Ahrons CDU: Das ist doch gar kein Zusammen- hang!)

Wenn Sie jetzt das erfolgreiche Unternehmen Conergy beschwören, dann muss ich Ihnen sagen, dass wir schon seit Jahren mit Unternehmen aus dieser Branche reden. Immer wenn wir dort waren, wurde uns gesagt, klar sind wir erfolgreich, wir würden uns jedoch freuen, wenn nicht nur die Opposition vorbeikäme, sondern auch der Senator mit uns reden würde. Das ist anscheinend bis vor Kurzem gar nicht passiert, Herr Uldall, und das zeigt Ihre Erklärungsnot, dass Sie das jetzt in den Bereichen, die Sie wirtschaftlich sogar bekämpft haben, wenn ich mich nur an die Debatten über die Förderung erneuerbarer Energien erinnere, als Hilfsargument benutzen müssen, um zu zeigen, wie erfolgreich Sie doch sind.

Letztendlich möchte ich auch noch einmal auf Sie zu sprechen kommen, Herr Dräger. Sie haben gesagt, die Talentstadt beweist, dass Wirtschafts-, Wissenschafts- und Talentförderung kein Widerspruch sein müssen. Wenn man sich die Politik Ihres Senats ansieht, dann muss man feststellen, dass Sie wirklich noch nicht begriffen haben, dass die Förderung von Talenten etwas ganz anderes sein muss als das, was Ihr Wirtschaftssenator die letzten Jahre macht. In einer globalisierenden Wissensgesellschaft reicht es, wenn man Talente fördern will, eben nicht aus, Gewerbeflächen bereitzustellen, Autobahnen und neue Kaimauern zu bauen, Maßnahmen in die 60 bis 80 Prozent der Wirtschaftsförderung dieser Stadt hineingehen. Für die Bereiche, die Sie fördern wollen, wissensbasierte Bereiche ist fast kein Geld mehr da. Wenn Sie sagen, das sei doch alles eins, dann kann man nur sagen, dass Sie einfach noch nicht begriffen haben, was Sache ist. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass Sie keine Maßnahmen und Konzepte zur Förderung von Talenten vorlegen können, weil Sie es inhaltlich anschei

nend noch gar nicht begriffen haben, was nötig wäre, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Neumann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Offensichtlich haben Herr Dräger und Herr Uldall eine Lobgemeinschaft gebildet, man wolle sich jetzt nur noch gegenseitig gut sprechen und sich gegenseitig loben. Es wurde sehr viel geredet, der eine in der Form des Gesundbeters, der andere mehr im Stil eines Fernsehpredigers. Im Ergebnis wurde aber nichts gesagt. Es wurden die Fragen der Opposition nicht beantwortet, es wurde aber auch nicht das beantwortet, was in der Öffentlichkeit in Rede steht. Es steht in Rede, dass einem ehemaligen Arbeitgeber - offensichtlich als Freundschaftsdienst - unter dubiosen Bedingungen ein Auftrag für ein Gutachten zugeschanzt worden ist,

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

das bisher unter Verschluss gehalten wird, damit man sich in der Öffentlichkeit nicht ein Bild darüber machen kann, was dort wirklich für fast eine Viertelmillion Euro geleistet wurde.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es gibt die Überschrift wie ein Menetekel über dem Kopf des Bürgermeisters: Die Form ist die Mutter der Demokratie. Es sind schon seltsame Forderungen und Formen, wenn Bezirksamtsleiter in verschiedenen Bezirksämtern um ihr Amt gebracht werden, wenn es um ganz andere Beträge geht, noch nicht einmal zum eigenen Verantwortungsbereich, aber ein Senator offensichtlich freihändig, ohne Probleme seinem alten Arbeitgeber solche Aufträge zukommen lassen kann.

(Barbara Ahrons CDU: Was ist das denn für ein Unsinn!)

Nehmen wir den zweiten Teil, nämlich die Bewertung des Gutachtens seitens der Wirtschaftsbehörde. Auch dazu haben weder Herr Dräger noch Herr Uldall etwas gesagt, der die Möglichkeit gehabt hätte, sich vor seine Mitarbeiter zu stellen, die hier als Durchstecher oder mittlere Führungsebene diffamiert worden sind. Herr Uldall, Sie haben dazu keine Stellung genommen. Was ist mit dem Satz, dass wir uns primär darum kümmern sollten, dass Menschen anständig in der Bildung und in den Universitäten vorankommen sollen, als sich nur in MarketingStrategien zu verlieren. Dieser Satz stammt aus Ihrer Behörde und dazu haben Sie heute nichts gesagt. Stimmt dieser Satz? Ist das die Einschätzung der Wirtschaftsbehörde oder wie bewerten Sie das Urteil und das Gutachten, das Herr Dräger in Auftrag gegeben hat?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der dritte Bereich ist die Frage: Wenn das Gutachten, das wir alle nicht kennen dürfen,

(Wolfgang Beuß CDU: Aber darüber reden!)

wahr ist und wenn das, was in der Öffentlichkeit berichtet wurde, wahr ist, dann ist das auch eine Ohrfeige für die bisherige Senatspolitik, denn wenn es sagt, dass bisher für Kreative, für Wissenschaft, für Bildung nichts getan

wurde - und das deckt sich auch mit der Aussage der Wirtschaftsbehörde -, dann muss man doch feststellen, dass es in dieser Stadt nicht einen einzigen Gebührentatbestand gibt, der im Bildungsbereich nicht erhöht worden ist seitens dieses Senats. Nein, Sie haben Gebühren nicht nur ständig erhöht und Bildung teurer gemacht in dieser Stadt, sondern Sie haben auch ständig sehr kreativ neue Gebührentatbestände geschaffen, nicht nur das Büchergeld, nicht nur die Vorschulgebühren bis hin zur Studiengebühr. Das heißt, auch das zeigt, dass Sie in den letzten sechs Jahren, wenn das Gutachten von Ihrem Arbeitgeber richtig ist, offensichtlich völlig in die falsche Richtung gefahren sind und die Senatspolitik kraft dieses Gutachtens widerlegt wird.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Wolfgang Beuß CDU: Die prophetischen Gaben von Herrn Neumann!)

Der letzte Punkt ist die Überschrift. Heutzutage scheinen Überschriften wichtiger geworden zu sein als das, was drin steht. Talentstadt. Der Begriff ist auch geklaut. Es ist in Wirklichkeit auch kein Begriff, der 240.000 Euro wert ist. Wenn man im Internet den Suchbegriff eingibt, dann stellt man fest, dass eine Mittelgemeinde im niedersächsischen Stadthagen mit diesem Begriff und dieser Überschrift schon seit fünf Jahren in einer ähnlichen Konzeption auf dem Markt ist.

(Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Auch da muss ich sagen: 240.000 Euro dafür, dass man einmal bei Google nachschaut, Supergeschäft, Herr Dräger, gratuliere.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber ich will gerne etwas Persönliches sagen und das ist auch das, was Herr Uldall gesagt hat: Hamburg hat unglaublich viele Talente. Sorgen wir dafür, dass bald auch wieder welche im Senat sein werden. - Danke.

(Beifall bei der SPD und bei der GAL)

Ich habe noch zwei Wortmeldungen. Zunächst Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was mir heute noch nicht klar geworden ist, ist, ob sich der Bürgermeister hinter Herrn "Will nicht" oder Herrn "Kann nicht" stellt. Er ist jetzt, glaube ich, erst einmal gegangen, um nicht Position ergreifen zu müssen.

(Wolfgang Beuß CDU: Haben Sie nicht zugehört?)

Was Sie sagten, ist nicht deutlich geworden. Es war ein schönes Ablenkungsmanöver, um den Knatsch zu vertuschen.

(Wolfgang Beuß CDU: Nee, es passt Ihnen nicht!)

Was aber ein bisschen zum Himmel schreit, sind all die Lobeshymnen darauf, was Herr Dräger in den letzten Jahren alles erreicht hat.

Ich will noch einmal an die Debatte seit Antritt von Herrn Dräger erinnern, als es um die Geisteswissenschaften ging. Da hat Herr Dräger doch wirklich die ganze Stadt zur Aufruhr gebracht, als er die Geisteswissenschaften an die Wand fahren wollte und angebliche Orchideenfächer für unnötig in Hamburg hielt. Da kann man sich nur fragen: Lieber Herr Dräger, wissen Sie nicht, wie Exzellenz

entsteht? Das geht nur, wenn man nicht nur Naturwissenschaften und Hightech hochhält, sondern auch die Geistes- und Sozialwissenschaften in einer Volluniversität fördert. Das gehört dazu, aber das haben Sie anscheinend immer noch nicht begriffen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie sagen, Sie hätten die Talente und die Exzellenzen in die Stadt geholt, dann frage ich Sie, wer hat denn das NIT, wer hat denn die Bucerius Law School hier hergeholt? Das ist doch vor Ihrer Zeit passiert und wo man jetzt die Ergebnisse sieht. Das war nicht Ihre Idee, meine Damen und Herren. Exzellenz braucht eben nicht nur Textbausteine, PowerPoint oder Roland Berger, sondern anscheinend doch ein bisschen mehr als das, was Sie uns hier immer bieten.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Wolfgang Beuß CDU: Ein Qualm!)

Das wesentlich Tragischere ist aber, dass Sie dieses Leitbild der kreativen Stadt einfach nicht begriffen haben. Sie sehen das verengt auf die drei TTT, weil Ihnen die 2006 zufällig einmal über den Weg gelaufen sind. Und auch Sie, Frau Ahrons, haben nicht begriffen, dass es nicht darum geht, etwas 1 : 1 auf unsere Stadt Hamburg zu übertragen, sondern dass es darum geht, die Potenziale, die diese Stadt hat, zu analysieren und zu schauen, wie wir sie weiterentwickeln können, und zwar ganzheitlich auf alle Fähigkeiten, Talente, Potenziale in dieser Stadt, in der Wirtschaft, bei den Kindern, bei den Migranten, in den verschiedenen Wirtschaftszweigen und nicht nur, wie schon mein Kollege Kerstan sagte, auf Kaimauern reduziert. Hier haben Sie einfach am Anfang nur auf die wachsende Stadt gesetzt. Ich glaube, Sie wären besser gefahren, konsequenter bei Ihrer wachsenden Stadt zu bleiben und diese weiterzuentwickeln, als plötzlich zu merken, dass Sie da und da hinterherklappen.

Nehmen wir doch das Beispiel Halbzeitbilanz des Bürgermeisters. Da fällt ihm plötzlich ein, dass der Sozialbereich total hinten übergekippt ist, nicht vorhanden ist.

(Barbara Ahrons und Wolfgang Beuß, beide CDU: Zum Thema!)

- Das gehört genau zum Thema, Frau Ahrons, weil Sie nicht begriffen haben,

(Barbara Ahrons CDU: Ich habe es schon begrif- fen, aber es muss auch bezahlt werden!)