Protocol of the Session on August 29, 2007

Die Handlungshoheit haben wir. Warum haben wir sie? - Weil wir uns nicht mit zwölf Thesen begnügt haben, sondern weil wir ein ganzheitliches Konzept mit 170 Einzelmaßnahmen aufgestellt haben. Auch die haben wir nicht einfach so gemacht, sondern wir haben sie vom Wuppertal Institut evaluieren lassen. Daran können Sie gar nicht rütteln. Das ist etwas: Eine Regierung, die sich Maßstäbe dafür gibt, die sich kontrollieren lässt und sagt, wann es ein Erfolg ist. Das ist hervorragende Klimapolitik.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kann man sich in der öffentlichen Debatte natürlich fragen: Warum macht Hamburg das? Egal, wie sehr wir uns bemühen, selbst, wenn wir innerhalb von fünf Jahren 80 Prozent heruntergehen, ist das weltweit natürlich nur ein weißes Rauschen. Es würde wenig bewirken. Warum soll Hamburg diese Anstrengung unternehmen? Dafür gibt es einen ganz klaren Grund - weil Hamburg als Metropole die Möglichkeit hat, eine Vorbildfunktion zu übernehmen, weil weltweit Metropolen das Schicksal dieser Welt bestimmen und weil in Metropolen der Austausch der Menschen und die Kommunikation und das Entstehen neuer Programme stattfinden.

Wenn Menschen in eine Stadt wie Hamburg kommen, die für viele aus unterschiedlichsten Gründen ein Reiseziel ist, weil diese Stadt von Natur aus eine liebenswerte Stadt ist, und dann Dinge kopieren, die sie bei uns sehen, wenn sie Lösungen, die wir anbringen, mitnehmen und bei sich installieren, dann ist das ein Zündfunke, der überspringt und tatsächlich weltweit etwas bringt. Darum ist es das wert, dass wir als Industrie- und Hafenstadt diesen Weg gehen und dass wir zeigen, dass es möglich ist, die weltweit notwendigen und ehrgeizigen Ziele zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU)

Darum bin ich sehr dankbar, dass der Bürgermeister sich selber an die Spitze gesetzt und gesagt hat: Das ist Chefsache, das ist ein Thema, das wir bewegen müssen,

(Wilfried Buss SPD: Mit Euch wäre das doch nichts geworden!)

wo wir auch in den nächsten fünf Jahren alle anderen mitnehmen müssen.

Es gibt ganz tolle Sachen mit Zahlen wie 2050, Entschuldigung. Das ist doch ein bisschen irrational. Wir haben ein Programm für fünf Jahre aufgestellt. Wir haben konkrete Eckdaten genannt und wir haben auch alle mitgenommen und sagen ganz klar: Es funktioniert nur, wenn nicht nur der Staat seine Arbeit macht. Aber wir haben es bei dem beliebten Thema Freiwilligkeit nicht dabei belassen, mit irgendwelchen Dachverbänden zu sprechen, sondern wir nehmen die einzelnen Unternehmen in die Pflicht. Da muss man natürlich auch feststellen, was denn besser wirkt, wenn ein per se wirtschaftsfreundlicher Senat zur Industrie kommt und sagt: "Bitte, kommt und leistet Euren Beitrag!" Wo ist denn jemand eher bereit, als wenn aus einer Ecke, wo man nur Drangsalierung gewöhnt ist, die kommen und sagen: "Wir haben da noch einmal ein paar neue Gesetzideen."

Insofern ist natürlich für den Geist dieser Stadt diese Kombination genau die richtige. Deswegen bin ich dem Senat und all den Mitarbeitern dankbar, die behördenübergreifend - auch dies gibt uns recht, dass es richtig war, diese neue Behördenstruktur zu ergreifen - dieses Programm in so kurzer Zeit gemacht haben, was meines Erachtens europaweit Spitze ist. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Michael Neumann SPD: Weltweit, intergalaktisch!)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dräger.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kruse, interessanterweise haben Sie nicht ein Wort zu Moorburg gesagt.

(Petra Brinkmann SPD: Was soll er denn dazu sagen?)

Sie haben nicht ein Wort zu dem Projekt des Senats und dem Projekt eines Unternehmens hier in Hamburg gesagt, das nicht geeignet ist, zum Klimaschutz auch nur das Geringste beizutragen, sondern das im Gegenteil in einem Jahr so viel CO2 in die Luft wirft, wie Sie mit dem ganzen Konzept einsparen möchten. Dazu haben Sie kein Wort gesagt. Ich kann das verstehen. Sie haben nämlich in den letzten Wochen feststellen müssen, dass diese absolute Fehlentscheidung des Senats - der Senat hat eine wesentliche Rolle dabei gespielt - auch medial langsam zu dem Fiasko wird, die es wirklich für diese Stadt ist. Es ist ein Fiasko. Dass Sie das hier aussparen, sagt sehr viel darüber aus, wie ernst Sie es mit dem Klimaschutz meinen, nämlich überhaupt nicht ernst.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn Sie jetzt sagen, die Klimaschutzdebatte hätte erst seit Anfang des Jahres an Fahrt gewonnen: Gut, Anfang des Jahres ist der Zeitpunkt, an dem sowohl GAL als auch SPD Anträge in die Bürgerschaft eingebracht haben. Das waren aber nicht die ersten Anträge und es sind auch nicht die ersten Anträge, denen Sie nicht zugestimmt haben, wie Sie auch im Ausschuss, weil ja der Senat irgendwann kommt und es schlecht aussieht, wenn die Bürgerschaft schon darüber debattiert, bevor der Senat vorgelegt hat, auf den Wunsch Ihrer Fraktion auch noch nicht diskutiert worden sind.

Wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden und wenn Ihr Gedächtnis nicht so kurz wäre, zu schauen, wie viele Bemühungen es seitens beider Oppositionsfraktionen in der Vergangenheit gegeben hat, das hier zum Thema zu machen, und wie das immer wieder in Anträgen in den Haushaltsberatungen von Ihrer Fraktion abgebügelt worden ist, dann würden Sie vielleicht den Mund nicht so voll nehmen und jetzt behaupten, dass seien alles Ihre Ideen. Wenn die SPD jetzt mit einer Erweiterung ihrer bisherigen Vorschläge kommt, dann brauchen Sie wirklich nicht zu glauben, wir hätten uns das innerhalb weniger Stunden ausgedacht. Sondern das ist sehr fundiert.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Und wenn wir nicht wie Sie unser Konzept dadurch aufblähen, dass wir auch die ganzen bundespolitischen Maßnahmen mit hineinschreiben, wie Sie uns das ja eben vorgeschlagen haben, dann, glaube ich, ist das eher ein Stück hamburgische Ehrlichkeit und nicht die Selbstüberschätzung, die Sie betreiben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben etwas gesagt zum Zündfunken. Ich will etwas sagen zur Zündgeschwindigkeit, die bei diesem Senatskonzept angelegt ist. Das möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Sie reden in dem Konzept unter anderem - das interessiert mich als Wirtschaftspolitikerin besonders - von der Clusterpolitik des Senats im Bereich Brennstoffzellen und Wasserstofftechnologie. Das ist ein ganz gutes Beispiel für die Geschwindigkeit, mit der der Senat Klimathemen in dieser Stadt voranbringt. 2004 gab es die ersten Ankündigungen - also jetzt vor gut drei Jahren -, es gebe dort irgendwann einmal ein Cluster und eine Initiative. Jetzt - drei Jahre später - lesen wir in dem Konzept, man würde jetzt überlegen, wie man dazu ein geeignetes Clustermanagement hinbekommt. Nach

drei Jahren sagen Sie, dass Sie jetzt der Universität den Auftrag gäben, zu beschreiben, wie man denn so etwas überhaupt managt. Das ist doch der reine Hohn.

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch der reine Hohn. Hier in der Bürgerschaft ist der Antrag der GAL-Fraktion, man möge doch einmal über diesen tollen Cluster berichten, damals abgelehnt worden. Na, man weiß, warum der abgelehnt worden ist - weil da nämlich nichts passiert und weil Sie ganz offenbar ein Fehlmanagement in diesem Bereich betreiben, das Sie jetzt korrigieren müssen.

Zweites Beispiel, ähnlicher Bereich: "Fuel Cell Lab" wird jetzt in dieser Drucksache als eine ganz tolle Idee angekündigt. Im letzten Satz steht dann, man habe auch schon Mittel dafür. Das sei die Drs. 18/5012 gewesen, finanziert natürlich aus Arbeitsmarktmitteln, dem Sparschwein des Senats. In dieser Drucksache - die ist jetzt auch schon ein Jahr alt - werden bereits für 2006 Mittel für dieses Laboratorium angekündigt und bereitgestellt. Passiert ist nichts. Ich habe vor vier Monaten in einer Kleinen Anfrage nachgefragt. - Die Gespräche würden noch laufen, Mittel seien noch nicht abgeflossen. - Es passiert nichts. Aber Sie feiern diese Maßnahme in Ihrem Konzept ab, obwohl Sie nachgewiesenermaßen völlig untätig sind und völlig scheitern mit Ihren Versuchen, in dem Bereich etwas zu erreichen.

Das könnte man jetzt für eine ganze Reihe von Maßnahmen fortsetzen. Aber ich will mich noch einmal anschließen an das, was Herr Maaß und Frau Schaal gesagt haben. So sinnvoll das eine oder andere sein mag, alles wird dadurch konterkariert, dass Sie in der Energiepolitik gleichzeitig falsche Entscheidungen treffen. Wenn ich mich an die Märchenstunde von Herrn Senator Gedaschko erinnere, als er hier - vielleicht gegen seine Überzeugung - das Kraftwerk Moorburg verteidigt hat, wird mir heute noch schlecht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kruse, Sie haben Recht, wir wollen gar nicht darüber streiten, wer zuerst bestimmte Ideen hatte, denn wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn Sie von uns abschreiben. Das tut der Sache im Grunde gut. Worüber wir uns ärgern, ist, dass Sie nur aus der Einleitung abgeschrieben und den Rest gar nicht mehr betrachtet haben. Sie haben mittlerweile begriffen, dass Klimaschutz wichtig ist. Aber welche konkreten Maßnahmen jetzt ergriffen werden, die auch wirklich etwas bringen, soweit haben Sie anscheinend nicht gelesen und abgeschrieben schon einmal gar nicht, denn das beweist Ihr Konzept.

In Ihren Redebeiträge, Herr Kruse und Herr Engels, sprechen Sie immer von 170 Punkten.

(Michael Neumann SPD: Oder 175, eben!)

Ein Glück, dass es nicht 169 waren. Vielleicht hätten es auch 175 sein können. Aber das richtig Spannende ist, dass Sie keine einzige konkrete Maßnahme nennen, die in diesem Konzept auftaucht. Wissen Sie auch warum? Weil Sie ein derartiges Sammelsurium an Klein-Klein haben. Wenn Sie einerseits beschreiben, welche Riesenaufgaben vor uns liegen, muss sich jeder schämen, wenn

er mit diesen Minipunkten kommt, die Sie dort aufgeschrieben haben, aber immerhin 170. Nein, meine Damen und Herren, so kommen wir in diesem Punkt nicht voran.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie wollen die Verantwortung den Menschen zuschieben. Jeder Einzelne in Hamburg soll es richten, indem er seinen eigenen Konsum umstellt. Wenn man jetzt den Bürgermeister als Beispiel nimmt, wie konsequent er seit Anfang des Jahres in seinem persönlichen Bereich gehandelt hat, dann wird das wohl nichts werden. Im Januar hat Herr von Beust gemerkt, dass Klimaschutz wichtig ist. Jetzt, acht Monate später, sagt er in einem Interview, nun könnte er auch überlegen, den Stromanbieter zu wechseln. Acht Monate nachgedacht und noch keine Entscheidung, das ist noch nicht sonderlich beeindruckend.

Der zweite Punkt: Sie schaffen sich einen neuen Dienstwagen an, der noch nicht einmal die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie von vor fünf Jahren einhält, was den Ausstoß von CO2 angeht. So kann man nicht vorangehen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Dann reden Sie davon, dass Sie in Zukunft 100 Prozent Ökostrom ordern wollen. Vor drei Monaten hat Ihr Wirtschaftssenator einen Vertrag abgeschlossen, der einen Anteil von 25 Prozent vorgesehen hatte. Da waren Sie alle schon in der Abstimmung, wie ein gutes Klimaschutzkonzept aussieht. Entweder haben Sie gar nicht begriffen, was dafür da ist, oder es ist Ihnen nicht sonderlich wichtig gewesen.

Jetzt noch zu dem letzten Punkt. Ist das wirklich ein Klimaschutzprojekt, wenn man sich den größten Bereich an CO2-Emissionen anguckt, der in dieser Stadt produziert wird, nämlich der der Stromproduktion?

Das sind im Grunde genommen drei wichtige Punkte, die Sie dort haben, und alle drei Punkte bringen für den Klimaschutz gar nichts, sondern steigern den Gewinn des Strommonopolisten Vattenfall.

Der erste Punkt: Sie wollen die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern. Die Atomkraftwerke laufen jetzt und wir haben trotzdem einen Klimawandel. Das heißt, wenn sie weiter laufen, bringt das für das Klima überhaupt nichts, aber es steigert natürlich den Gewinn der Atomkonzerne.

Der zweite Punkt: Es wird ein Kohlekraftwerk genehmigt, das den CO2-Ausstoß um 40 Prozent erhöht. Da reichen Ihre 170 Punkte nicht, um das auszugleichen, da reichen auch 340 Punkte nicht. Die Bilanz wird in fünf Jahren weiterhin negativ sein. Warum machen Sie das Ganze? Warum will Vattenfall dieses Kohlekraftwerk jetzt eigentlich in Hamburg bauen? In fünf Jahren müssten sie die CO2-Emissionen ersteigern. Das brauchen sie nicht, wenn Sie ihnen das Kraftwerk vorher genehmigen. Dadurch bekommt Vattenfall einen zusätzlichen Gewinn und einen Wettbewerbsvorteil. Das ist schädlich für das Klima, aber der Gewinn des Strommonopolisten Vattenfall wird gesteigert.

Der dritte Punkt: Sie wollen einen Benutzungszwang für Fernwärme vorschreiben. Das mag aus Klimaschutzgründen sinnvoll sein. Wenn Vattenfall weiterhin ein öffentliches Unternehmen wäre, dann wäre das auch kein Problem. Aber wenn Sie das hineinschreiben, dann las

sen Sie den Bürgern noch nicht einmal die Wahl zwischen Solarthermie oder Biomasse. Nein, sie müssen sich jetzt an Fernwärme anschließen, die von einem Atom- und Kohlekonzern produziert wird, und jeder, der beispielsweise zu Greenpeace energy gewechselt hat, muss dann zwangsweise die Dreckschleuder Moorburg mit finanzieren. Für den Klimaschutz ist das nicht sinnvoll, aber der private Monopolist Vattenfall hat weiterhin einen Gewinnzuwachs.

Ich komme zum letzten Satz, meine Damen und Herren.

Ihr Konzept ist in weiten Teilen kein Konzept für den Klimaschutz, sondern ein Bewerbungsschreiben für einen Aufsichtsratsposten bei Vattenfall für geleistete Dienste, die unbezahlbar sind à la Schröder und Gasprom. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Gedaschko.