Protocol of the Session on June 6, 2007

Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut und es kann keine Tolerierung der Gewalt geben. Beides ist völlig und ohne Umschweife und ohne Abstrich richtig. Um die Versammlungsfreiheit derer zu schützen, die friedlich ihre

Meinung kundtun wollen, die friedlich für etwas einstehen wollen, ist es aber auch notwendig, dass ihnen diese Möglichkeit gewährt wird, und zwar in jedem Fall. Sie muss insbesondere gegenüber denjenigen gewährt werden, die alles daransetzen, das zu verhindern. Das sind diejenigen, denen es nicht um Politik geht, sondern die zu solchen Veranstaltungen ausschließlich deswegen gehen, um Gewalt anzuwenden.

Eine Trennung zwischen diesen beiden Gruppen ist von daher in mehrfacher Hinsicht notwendig. Es ist notwendig, dass wir diese Trennung in unseren Köpfen vornehmen und wissen, was wir schützen und was wir bekämpfen müssen. Das muss dann auch vor Ort entsprechend deutlich von der Polizei umgesetzt werden. Das ist, weiß Gott, nicht immer einfach und genau in solchen Situationen eine Aufgabe, um die ich wirklich niemanden beneide. Aber gerade deswegen ist es notwendig, nach solchen Ereignissen immer wieder kritisch zu fragen, was richtig gelaufen ist und was unter Umständen das nächste Mal anders gemacht werden könnte, um das Demonstrationsrecht derer zu schützen, von denen Herr Schäuble sagte, er wolle, dass sie ihre Meinung kundtun können, zu denen Herr Nagel wieder überhaupt nichts gesagt hat.

(Beifall bei der SPD)

Zu all dem gehört, dass im Vorfeld solcher Demonstrationen und dann auch am Tag selbst alles getan wird, um die Aufregung abzumildern und nicht, sie anzuheizen. Dazu gehört - darüber können wir gerne sprechen -, diesen sogenannten schwarzen Block nach Möglichkeit so von den anderen friedlichen Demonstranten fernzuhalten, dass deren Demonstrationsrecht gewahrt bleibt. Dazu gehört auch, ganz sensibel darauf zu achten, dass alle diejenigen, die friedlich demonstrieren wollen, das auch tatsächlich können und auch den Eindruck haben, dass sie es können. Sollte dabei etwas in die eine oder andere Richtung zu weit ausschlagen, dann ist es notwendig, dass wir uns hier in aller Ruhe und ohne diese Aufgeregtheiten darüber unterhalten, was an Einsatztaktiken - das ist Sache der Polizei - verändert werden könnte, aber auch, wie wir hier damit umgehen. Wenn wir so damit umgehen, wie Herr Warnholz es eben wieder getan hat, wird das absolute Gegenteil dessen erreicht, was zu erreichen ist, nämlich die Versammlungsfreiheit für alle diejenigen zu sichern, die friedlich demonstrieren wollen, jedem die Möglichkeit zu bieten, das kundzutun, was er kundtun möchte, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass niemand den Eindruck hat, er werde in seinen Grundrechten beschränkt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In diesem Zusammenhang noch ein, zwei Sätze zum Einsatz von Staatsanwaltschaft und Polizei im Postverteileramt Mitte. Das halte ich in der Tat für eine Aktion, die hart an der Grenze dessen ist, was im Rahmen von Sicherheit für die eigene Meinung und für die Freiheit der Presse hart an der Grenze dessen ist, was gerade noch zu ertragen ist.

(Bernd Reinert CDU: Wer hat das denn angeord- net?)

Wenn ein Bekennerschreiben bei einer Hamburger Zeitung eingeht, dann gehe ich davon aus - das war bisher meines Wissens immer so -, dass diese Zeitung nichts anderes tut, als dieses Bekennerschreiben an die Polizei weiterzuleiten. Weshalb dann in einem Postamt sämtliche

Briefe kontrolliert werden müssen, entzieht sich nicht meiner Kenntnis, aber dafür habe ich nur ganz wenig Verständnis, weil hier die Verhältnismäßigkeit der Mittel überzogen angewandt worden ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Ich möchte den Versuch machen, ein bisschen differenzierter über das Thema zu reden und dabei natürlich auch auf den Senator eingehen. Sie haben in Ihrer Rede sehr deutlich gemacht, dass es doch zwei Seiten gibt, einmal die polizeiliche Einschätzung, das polizeiliche Lagebild, zu dem wir uns alle hier nicht kompetent äußern können, weil wir keine Kenntnisse darüber haben, und dann das, was politisch daraus gemacht wird. Wenn Sie, Herr Innensenator, in Ihrer Pressemitteilung vom 29. Mai, also einen Tag nach der Demonstration am Pfingstmontag, sagen, Sie verurteilen die Gewalttaten - das ist richtig -, der nächste Satz aber lautet, die Nulltoleranzlinie gegen Störer werde konsequent fortgesetzt, dann kann ich nur sagen, dass Stören keine Straftat ist.

(Olaf Ohlsen CDU: Wortklauberei!)

Da sind wir dann an dem Punkt, wo aus dem polizeilichen Lagebild eine politische Einschätzung wird und wo wir in die Diskussion darüber kommen müssen, was hier aufgrund des Lagebildes der Polizei mit einem politischen Hintergrund an Einschränkungen der Versammlungsrechte, des Demonstrationsrechts passiert. Diese Debatte müssen wir hier führen.

(Beifall bei der GAL)

Um es ein bisschen deutlicher zu sagen, als Herr Schäfer es gesagt hat: Die seitliche Begleitung bei der Demonstration führt dazu und hat ganz praktisch dazu geführt, dass Menschen, die sich einreihen wollen, wie es so schön heißt, das nicht können, weil sie durch einen teilweise bis zu drei Polizisten oder Polizistinnen breiten Begleitschutz hindurch müssen. Genauso können einzelne Demonstrantinnen und Demonstranten diese Demonstration nicht verlassen und das ist eindeutig eine Einschränkung des Demonstrationsrechts.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Das ist eine Einschränkung der freien Entscheidung, teilzunehmen oder wieder wegzugehen. Wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen verhindern, dass ein Block von schwarz Vermummten die Demonstration verlässt, ist das richtig; das ist aber ein anderes Thema. Es ist vielen Menschen nicht möglich gewesen, sich einfach einzureihen oder wieder herauszugehen und diese Dinge haben wir zu hinterfragen.

Im Übrigen noch etwas zu den rechtlichen Entscheidungen. Sie haben gesagt, das OVG und sogar Karlsruhe hätten Sie in Bezug auf die Route in Ihren Auflagen bestätigt. Im Nachhinein hat es aber für nahezu alle Ingewahrsamnahmen, die im Vorfeld dieses Demonstrationswochenendes, kann man schon fast sagen, stattgefunden haben, genauso wie für fast alle weiträumigen Aufenthaltsverbote, die Sie im Laufe der Woche und auch während der Demonstration verteilt haben, Richterentscheidungen gegeben, die dazu geführt haben, dass diese

Ingewahrsamnahmen und Platzverweise als rechtswidrig erklärt worden sind; darüber müssen wir auch reden. Es kann nicht sein, dass Sie als Polizei die Möglichkeiten des SOG umsetzen, gleichzeitig aber durch die Richter hinterher gesagt bekommen, das war in der Situation rechtswidrig und Sie machen es trotzdem. Da sind wir an einem Punkt, wo die politische Debatte darüber stattfinden muss, ob diese Maßnahmen aus parlamentarischer Sicht tolerabel sind oder nicht. Das hat überhaupt nichts mit Kritik am Einsatz der Polizei zu tun, sondern ist die politische und parlamentarische Auswertung einer für die Polizistinnen und Polizisten vor Ort, aber vor allem auch für die politische Führung schwierigen Situation und die muss angemessen stattfinden und nicht auf dem Niveau, wie es teilweise in diesem Parlament passiert. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Dann bekommt das Wort der Abgeordnete Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das eine oder andere Wort muss zu dem gesagt werden, was gerade Frau Möller, aber auch der Kollege Schäfer vorher ausgeführt haben.

(Michael Neumann SPD: Und Herr Warnholz!)

In einem Punkt sind wir uns bestimmt einig, das haben wir heute mehrfach gesagt. Das Demonstrationsrecht ist in der Tat ein Kern unserer Grundrechte, aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass es danach langsam auseinander geht.

(Zuruf von Manuel Sarrazin GAL)

- Der Kollege Sarrazin hat heute Probleme mit der Kinderstube. Bei den meisten würde man sagen, er hat sie versäumt. Bei ihm liegt es daran, dass er noch gar keine gehabt hat, die liegt wahrscheinlich noch vor ihm.

Nun noch ein sehr deutliches Wort zu dem, was sich hier auch als Grundduktus bei vielen Kollegen der SPD und GAL in den letzten Tagen und Wochen eingeschlichen hat. Die Polizei muss sich mit einemmal für das verteidigen, was sie angeblich falsch gemacht hat. Ich will aber noch einmal für meine Fraktion sehr deutlich feststellen: Diese friedliche Demonstration ist durch die Polizei ermöglicht worden. Wer friedliche Demonstrationen missbraucht, der höhlt das Demonstrationsgrundrecht aus und nicht andersherum. Wir sind nicht soweit, Frau Möller, von Ihnen heute hören zu müssen, dass irgendjemand mit polizeitaktischen Maßnahmen Demonstrationen infrage stellen wolle. In dieser Stadt ist es gute Tradition und gutes Recht, dass Demonstrationen stattfinden, und die Polizisten stehen mit ihrem Einsatz, mit ihrem Leib und Leben dafür, dass friedliche Demonstranten in dieser Stadt ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen können. Wenn dies nicht so wäre, dann würden wir irgendwann erleben, dass Gewalttäter Demonstrationen als alleinige Herrschaft übernehmen und dann gäbe es kein Demonstrationsrecht mehr, so wie wir es bisher gehabt haben.

(Beifall bei der CDU)

Die Polizei hat mit ihrem Engagement dieses Grundrecht verwirklicht und nicht andersherum. Es kam dann immer wieder der Begriff von Herrn Dr. Dressel, aber auch von Herrn Schäfer, wir müssten feinsinnig differenzieren, wir

müssten gucken, wer friedlicher Demonstrant war und wer zum schwarzen Block gehörte. Daran mag Vieles richtig sein, aber eines will ich auch einmal ganz deutlich sagen: Es reicht nicht aus - das gilt gerade auch für Attac -, sich nach einer Demonstration hinzustellen und zu sagen, die wollten wir aber nicht. Ich erwarte von solchen Veranstaltern, dass sie deutlich etwas tun, damit dieser schwarze Block deutlich erkennbar ist und nichts mit friedlichen Demonstranten zu tun hat, und das haben Sie versäumt.

(Beifall bei der CDU)

Das kann man momentan sehr schön bei der gerade stattfindenden Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern sehen, wo in den letzten Tagen offensichtlich langsam auch bei Attac und anderen Einrichtungen das Bewusstsein wächst, dass es so nicht weitergehen kann. Aber ich sage noch einmal: Verbale Abgrenzung nach einer Demonstration reicht nicht aus, man kann von solchen Gruppen erwarten, dass sie sich aktiv daran beteiligen, dass solche Gewalttäter ausgegrenzt werden, und das ist eben mehr als das Lippenbekenntnis nach einer Demonstration.

(Dr. Willfried Maier GAL: Wollen Sie die verhau- en?)

- Ach, wissen Sie, Herr Maier, es gibt noch ein paar andere Dinge. Wenn es so läuft wie bisher, dass hinterher gesagt wird, das sind keine netten Menschen, die wollten wir gar nicht, aber zugelassen wird, dass bei einer Demonstration 1.000 gewaltbereite Menschen vor den friedlichen Demonstranten vorwegmarschieren, dann müssen diese sich schon fragen lassen, was das eigentlich für eine Demonstration ist. Ich möchte bei einer Demonstration nicht erleben, dass vor meiner Demonstration 1.200 Gewalttäter vorwegmarschieren, von denen jeder genau wusste, dass es Gewalttäter sind.

(Beifall bei der CDU)

Jeder, der diese Demonstration veranlasst hat, jeder, der diese Demonstration geplant hat, hat genau gewusst, dass diese Menschen daran teilnehmen. Ich sage es noch einmal: Es reicht im Nachhinein nicht aus, verbal zu sagen, das finden wir nicht gut.

(Christian Maaß GAL: Was wollen Sie denn machen?)

Man muss sich aktiv distanzieren. Man muss auch während der Demonstration klar und deutlich machen, dass das Straftäter sind, die man nicht will. Das ist aber bisher nicht passiert. Es sind Lippenbekenntnisse geblieben und das reicht nicht, liebe Kollegen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch ein letztes Wort zu Frau Möller sagen. Ich fand es schon sehr bezeichnend, dass Sie sagten, Stören bei einer Demonstration sei keine Straftat. Liebe Frau Möller, vielleicht wissen Sie nicht, was der Begriff Stören bedeutet. Stören heißt zum Beispiel Gesetze verletzen. Stören im Rahmen einer Demonstration, liebe Kollegen der GAL, heißt Verletzen von bestehenden Gesetzen im Sinne einer Ordnungswidrigkeit oder von Strafgesetzen. Und jeder, der zum Beispiel im schwarzen Block mit Steinen wirft, ist ein Störer und diese Damen und Herren möchten wir auch weiterhin dingfest machen.

(Beifall bei der CDU)

Dann bekommt das Wort der Abgeordnete Dr. Steffen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt für viele Beteiligte nach den Demonstrationen, die wir in den letzten Tagen erlebt haben, eine Menge Hausaufgaben, um die Probleme zu lösen. Das betrifft sowohl Veranstalter von Demonstrationen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch die Polizei und die politische Führung der Polizei und natürlich die politische Öffentlichkeit, die sich auch damit beschäftigen muss.

Es ist nicht so einfach, Herr Voet van Vormizeele, dass es die Demonstrationsteilnehmer tatsächlich in ihrer Hand hätten zu verhindern, dass andere Leute an der Demonstration teilnehmen. In der Tat haben das in Rostock auch friedliche Demonstranten versucht, als sie gemerkt haben, dass die Autonomen anfangen, Pflastersteine herauszuklopfen. Sie haben handgreiflich versucht, sie daran zu hindern. Die Autonomen wussten sich natürlich zu wehren und es ist unbewaffneten Menschen nicht möglich, derart gewaltbereite Menschen an dieser Gewalt zu hindern.

(Olaf Ohlsen CDU: Erzähle doch kein dummes Zeug!)

Die Autonomen wissen sehr wohl, wie sie solche Versammlungen missbrauchen können und es ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen.

(Bernd Reinert CDU: Deshalb ist es ja gut, dass die Polizei da war!)