Protocol of the Session on June 17, 2004

Diese Untersuchungen sind eben nicht folgenlos geblieben. Es sind damals eine Reihe von Modernisierungen im Schulprozess gelaufen – worauf wir stolz sind – und die auch ihre Wirkungen entfalten. Dazu zählten die Verlässliche Halbtagsgrundschule, die wichtig war, die Einführung von Vergleichsarbeiten, die Entwicklung der Bildungspläne, die Sie dann übernommen haben, und zusätzliche Lehrerstellen für einen speziellen Förderbedarf – die Sprach- und die Leseförderung – der Schülerinnen und Schüler. Alles dies schaffen Sie jetzt wieder ab, obwohl diese Maßnahmen gerade beginnen, Wirkung zu entfalten. Das ist ein Fehler, den Sie machen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann möchte ich noch zu Ihnen sagen, Herr Heinemann, dass sich Ihre Fraktion in der letzten Legislaturperiode darum gedrückt hat, dass die Maßnahmen, die Sie auf den Weg bringen, zusätzliche Lehrerstellen kostet. Jetzt fangen Sie gerade mal an, einen Plan für 2008 zu machen. Das ist längst überfällig. Ich will Ihnen auch noch eines sagen, was mich ein bisschen an der Debatte stört. Sie sind nicht mehr Sprecher der Deputierten, Sie sind Sprecher einer Bürgerschaftsfraktion und die Vorlagen, von denen Sie hier reden, haben das Parlament nicht erreicht, sondern sind in der Deputation verhandelt worden. Sie können das hier gerne als Senatspolitik verkaufen und sich als Sprecher der Fachbehörde aufspielen, aber Grundlage unserer Beratungen sind die Dinge, die wir haben, und wir kennen kein Konzept zur Ganztagsschule.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich möchte auch noch etwas zu Ihrer Argumentation zur Schulstandortplanung sagen. Ihre Standortplanung war doch so fragwürdig, dass Sie sie an vier Punkten selbst korrigiert haben. Sie sind doch auf die Argumente in der Stadt eingegangen. Da können Sie sich doch nicht hier hinstellen und erzählen, wie toll dieser Vorschlag gewesen sei. Trotzdem ist es doch völlig zufällig gewesen, bei welchen Schulen Sie zu einer anderen Entscheidung gekommen sind und das stört auch in der Stadt. Es gibt Schulen, wo Sie Ihre Entscheidung revidiert haben, und wir haben sehr den Eindruck, dass das nicht nur etwas mit sachlichen Kriterien zu tun hat, zum Teil schon, aber es hat natürlich damit zu tun gehabt, wo die Eltern laut waren und sie Sie mobilisieren konnten und wo sie Sie erreicht haben. Das ist alles andere als eine seriöse Schulstandortplanung, die Sie sich in diesem Jahr geleistet haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Marcus Weinberg CDU: Das sind doch Spekulationen!)

Ich möchte einen letzten Punkt zu dem Vorwurf der Senatorin ansprechen, wir würden Schüler in Schulschleifen schicken. Ich möchte mal auf eines hinweisen: Unter dem letzten Senat ist in Hamburg die Fachoberschule für Realschüler abgeschafft worden. Es gab etwas, was mit Durchlässigkeit des Schulsystems unmittelbar verbunden war, und das war die Möglichkeit, in Hamburg unmittelbar nach einem Realschulabschluss Fachabitur zu machen und ein Studium aufzunehmen. Das ist abgeschafft worden. Diese Schülerinnen und Schüler gehen jetzt in die Berufsfachschulen. Das sind nämlich Ihre steigenden Schülerzahlen, die Sie dort haben. Sich dann hier hinzustellen und uns Versäumnisse vorzuwerfen, wo Sie diesen Schülerinnen und Schülern verweigert haben, einen Bildungsaufstieg zu machen, das finde ich ungeheuerlich. Deshalb rate ich Ihnen, sich über das zu informieren, was in den letzten drei Jahren hier passiert ist.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich da im Großen und Ganzen nur meiner Vorrednerin anschließen und möchte nur auf zwei Punkte eingehen.

Frau Senatorin, Sie haben über die Frage des Übergangs von der Schule in den Beruf gesprochen. Ich kann mich daran erinnern – das war Ende 2001 –, dass wir eine große Fachtagung genau zu dem Thema und auch zu der Frage gehabt haben, was verbessert werden muss im Berufsvorbereitungsjahr und in der Berufsfachschule. Da gibt es sicherlich eine Menge zu tun. Es liegt auch immer noch nicht der Evaluationsbericht über das BVJ vor, wonach wir schon zigmal im Schulausschuss gefragt haben.

Wir haben Ihren Vorgängern dann mal ein großes Paket einer Dokumentation geschickt, was in diesem Bereich eigentlich nötig wäre, aber das hat nichts genützt. Ich höre jetzt natürlich mit Freude, wenn Sie von Modularisierung und Zertifizierung, auch zum Beispiel von Anteilen sprechen, die man im beruflichen Schulwesen machen kann, um sie dann später bei der Ausbildung anerkannt zu bekommen. Das ist alles schön und gut, aber Sie können nicht Dinge streichen. Ich habe meine Rede vorhin unter das Motto gestellt: Zu schnell gehandelt, zu wenig nachgedacht. All das, was Sie erst schon einmal wegschneiden, abschneiden, ohne konzeptionell etwas Neues zu erarbeiten, geht nicht. Das bezieht sich genauso auf die berufliche Weiterbildung. Einfach streichen und nichts Neues, das ist alles andere als innovativ und geht wirklich zulasten der Betroffenen und verbaut Bildungschancen.

Noch ein anderer Bereich ist mir sehr wichtig. Seit sechs Jahren habe ich gesagt, dass es nicht angehen kann, dass Stunden für Deutsch als Zweitsprache verditscht werden und nicht da ankommen, wo sie hingehören. Aber Sie machen Folgendes: Sie sagen, das ist so passiert, nun streich ich sie einfach mal. Das kann es doch nicht sein. Dann machen Sie es doch so, wie zum Beispiel in Holland. Dort muss jede Schule nach einem Jahr Rechenschaft darüber abgeben, was sie mit ihren Stunden – in dem Falle Holländisch als Zweitsprache, für interkulturelle Erziehung und so weiter – machen. Aber Streichen ohne Ersatz ist eine Katastrophe.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es gibt eine Reihe Schulen in Hamburg – best practice –, die sich über Jahre eine Kompetenz im Bereich der Beschulung der Kinder mit Migrationshintergrund erarbeitet haben. Sie haben ja nicht nur diese Zweitsprachenstunden für Deutsch gestrichen, sondern auch den dazu korrelierenden herkunftsprachlichen Unterricht wegrasiert. So kann es nicht sein. Genauso wie Sie das Projekt Ausbildung für Erzieherinnen, die Migrationshintergrund haben, ohne Ersatz einfach wegstreichen. Das geht nicht. Insofern kann ich nur sagen, dass Sie zu schnell gehandelt haben, ohne nachgedacht zu haben. Das wird Sie bitter zu stehen kommen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Debatte zum Bereich Bildung abgeschlossen. Es folgt nun der Bereich Jugend. Das Wort hat Frau Dr. Hilgers.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Zum Abschluss des Abends debattieren wir heute den Etat der Familienpolitik. Wir reden hier nicht von Abstraktem, nicht nur von Zahlen, sondern wir reden von Kindern, die Erziehungshilfe brauchen, Kindern, deren Väter keinen Unterhalt zahlen, und Kindern,

die Betreuung und Bildung benötigen. Für diese Kinder und ihre Familien müssen wir günstige Rahmenbedingungen schaffen, ihre Eigenverantwortlichkeit stärken und Hilfen bei der Lösung ihrer Probleme bereithalten.

Wir Sozialdemokraten haben die Familienpolitik zum Schwerpunkt unserer Arbeit gemacht. Die Hamburger Familien, die Kinder und Jugendlichen brauchen eine ausreichende, kindgerechte, qualitativ gute Kindertagesbetreuung, bedarfsgerechte und flexible Hilfen zur Erziehung, eine gute Vernetzung der Jugendhilfe in den Stadtteilen und eine verbindliche Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule.

In dieser Zielrichtung sind wir uns, so glaube ich, einig. Einige Ihrer Ideen, beispielsweise zu stärkeren präventiven Ausrichtungen und einer besseren Ausstattung der offenen Angebote der Jugendhilfe, finden auch unsere Zustimmung. Allerdings gewinnen wir Sozialdemokraten immer mehr den Eindruck, Frau Bürgermeisterin, dass Sie das nicht schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Sie verlieren sich in der vorgestern so schön von Staatsrat Meister vorgestellten subjektiven und objektiven Unmöglichkeit.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zuerst zu den bereits länger von Ihnen verantworteten Bereichen kommen. Bei den Hilfen zur Erziehung wird in der letzten Wahlperiode vollmundig eine Neuorientierung in der Jugendhilfe angekündigt. Diese Neuorientierung bedeutete im Wesentlichen die Einführung der geschlossenen Unterbringung in der Feuerbergstraße und die Einführung des Familieninterventionsteams sowie die Umsteuerung eines Teils von Hilfen zur Erziehung in dem Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung. Aber all dies, Frau Bürgermeisterin, bleibt bisher konzeptionell sehr schwach.

Das geschlossene Heim in der Feuerbergstraße hat eine Drehtür, durch die die Jugendlichen kommen und gehen wie sie wollen. Auch ist das Konzept nicht in sich geschlossen, denn es bietet den Jugendlichen keine Perspektive und verstärkt nur den Drang zum Ausbruch. In dieser Nacht haben drei Jugendliche gedroht, sich zu verletzen, wenn man sie nicht gehen lässt. Die Situation konnte zwar von Mitarbeitern und durch deutliche Polizeipräsenz beruhigt werden, was aber bleibt, ist, dass eine sinnvolle pädagogische Arbeit angesichts der Enge und fehlender Lern- und Bewegungsräume dort nicht möglich ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Klaus-Peter Hesse CDU: Dann erzählen Sie doch mal, wie es laufen soll, Frau Hilgers!)

Sinnvolle Überlegungen für die Zeit nach der geschlossenen Unterbringung gibt es gar nicht. Die Projekte im Rahmen der Weiterentwicklung der Jugendhilfe mögen sinnvoll sein, aber sie gehen leider zulasten der nach wie vor notwendigen Hilfen zur Erziehung. Bisher konnten Sie nicht den Nachweis erbringen, dass durch die bessere Ausstattung der Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung die Hilfen zur Erziehung erlässlich wären. Im Gegenteil. Die Fallzahlen steigen weiter an und das Budget ist wieder nicht auskömmlich und das, obwohl Sie die Standards bei den ambulanten Hilfen deutlich gesenkt

und die Stundenzahl reduziert haben. Eine Wirkungskontrolle haben Sie indessen nicht eingeführt.

Die auswärtigen Unterbringungen steigen auch an, aber eine Reduzierung der teuren Maßnahmen wird von Ihnen gar nicht mehr als Ziel genannt. Ihre Maßnahmen bewerten wir von daher als kontraproduktiv und kostensteigernd. Von einer soliden Haushaltsführung sind Sie da noch weit entfernt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch beim Unterhaltsvorschuss waren Sie mit starken Worten dabei. Sie wollten die säumigen Väter in die Verantwortung nehmen und die Rückholquote deutlich erhöhen. In der Realität sind die Rückholquoten beim Unterhaltsvorschuss aber ganz massiv gesunken und das von Ihnen so hoch gelobte Modellprojekt mit der Anwaltskanzlei wird vermutlich im Sommer eingestampft. Was bleibt, ist der Eindruck von Stückwerk. Große Worte, schlechte Umsetzung, keine solide Haushaltsführung, Sie verwalten schlecht und Gestaltung ist bei Ihnen eine Leerstelle.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Michael Neumann SPD: Überrascht das?)

Manchmal, Frau Bürgermeisterin, können wir uns auch des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie es nicht nur nicht können, sondern dass Sie es gar nicht wollen.

An dieser Stelle kurz ein Wort zu den Anträgen der CDU und der GAL. Sie, liebe CDU-Fraktion, sind dieses Mal sehr handzahm und vorsichtig in Ihrem Antrag zu den Hilfen zur Erziehung. In Ihrem Antrag vom Dezember haben Sie den Zusatz verpasst: Weitere Umschichtungen nur, wenn dem keine gesetzlichen Leistungen entgegenstehen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ist das falsch?)

Das heißt, man kann dann nach Abschluss des Haushaltsjahres 2004, also im ersten Quartal 2005, erkennen, ob etwas übrig bleibt. Das heißt auch, dass man der Bürgermeisterin eigentlich nichts mehr zutraut. Dieser Antrag ist inhaltsleer und wird deshalb von uns abgelehnt.

(Beifall bei der SPD – Marcus Weinberg CDU: Se- riosität!)

Auch dem Antrag von der GAL zum Bereich HzE können wir so nicht zustimmen. Nichts gegen das Petitum, hier werden sehr sinnvolle Forderungen gestellt. Allerdings formulieren Sie im gleichen Atemzug auch die Abschaffung beziehungsweise die Ersetzung der geschlossenen Unterbringung. Das können wir nicht mittragen. Auch beantwortet der Antrag nicht die Frage, wie in offenen Jugendwohnungen Jugendhilfe bei Gefahr der Selbst- und Fremdgefährdung durchführbar ist.

Unsere Anträge zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe und zum Unterhaltsvorschuss, Frau Bürgermeisterin, weisen dringlich auf bisher nicht gemachte Hausaufgaben hin. Legen Sie bis zu den nächsten Haushaltsberatungen im Herbst Konzepte inhaltlicher und finanzieller Art vor. Bisher bleiben Ihre politischen Vorstellungen im Nebel und Ihre Haushaltsplanungen im Defizit. Da gibt es offensichtlich einen Zusammenhang, dem Sie sich nicht stellen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Kita-Bereich, Ihrer neu hinzugewonnenen Verantwortung. Die Umsetzung des Kinderbetreuungsgeset

zes bedarf ein Mehr an Mitteln. Ein Absenken des Etats auf das Niveau von 2003 kann da nicht die Antwort sein. Ebenso wenig wie die Absenkung von Qualitätsstandards und Gehältern. Der gestrige Kompromiss zur Krippenanlaufbetreuung hat einen schalen Beigeschmack und lässt nichts Gutes für 2005 ahnen. Das hat nichts mehr mit dem KibeG zu tun. Hier geht es um Ausbau und Qualität, um Erziehung, Bildung und Betreuung. Dazu sind qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nötig. Dazu muss man in erheblichem Maße mehr als bisher in die Sprachförderung investieren. Nehmen auch Sie in Ihrer neuen Verantwortung die Lehren aus PISA ernst. Bei frühkindlicher Bildung zu sparen, heißt, spätere Kosten zu produzieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Setzen Sie sich dafür ein, dass die nötigen Mittel ab Januar 2005 fließen können. Denken Sie daran, es geht für Hamburg in Berlin um 45 Millionen Euro jährlich.

In den letzten beiden Jahren herrschte in diesem Bereich das reinste Chaos. Nun hat Ihnen der Bürgermeister diesen Bereich anvertraut in der Hoffnung, dass sich etwas bessert. Aber die Hoffnung darauf schwindet aus unserer Schicht schnell, denn so wie es aufhörte, so geht es munter weiter. Glauben Sie mir, auch wir wollen Ihr Kita-Chaos hinter uns lassen und in die Zukunft schauen, aber wir sind das Parlament und haben die Pflicht zu kontrollieren, wo das Geld bleibt, das wir bewilligt haben.

(Lachen bei Niels Böttcher CDU)

Ja, da können Sie grinsen.

Ihre Weigerung, die Ursachen des Lange-Chaos aufzuklären, ist nicht vertrauensbildend. Die Vergangenheit interessiere Sie nicht, Sie blickten frohgemut in die Zukunft, lassen Sie ausrichten. Das klingt wie Hohn und das ist es auch, denn ohne Wissen über die Fehler und Misswirtschaft der jüngsten Vergangenheit ist kein Fundament für die Zukunftsaufgabe Kinderbetreuung zu bauen. Wie kam es dazu, dass im Jahr 2003 35 Millionen Euro mehr ausgegeben wurden, ohne dass dafür mehr, sondern sogar weniger Kita-Plätze finanziert wurden. Wie sollen die neuen Kita-Plätze ab August finanziert werden und wird der Etat für dieses Jahr ausreichen? Die Antworten bleiben Sie auch weiterhin schuldig. Interessiert es Sie nicht, wie sich die Betreuungssituation im letzten Jahr in den Stadtteilen durch das Kita-Gutscheinsystem verändert hat? Offensichtlich nicht, denn Sie behaupteten mit abenteuerlichen Verrenkungen in der Sondersitzung des Ausschusses am Dienstag, es könne nicht mit vertretbarem Aufwand geprüft werden, ob Plätze in sozial schwachen Gebieten abgebaut und in sozial gut ausgestatteten Gebieten aufgebaut wurden. Dies muss Sie aber politisch interessieren, wie es im Kita-Bereich in Wilhelmsburg und im Osdorfer Born aussieht.