Protocol of the Session on June 17, 2004

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden verbindlich 30 Prozent des Personals für Jugendhilfe vormittags im Unterricht in einer Schule vor Ort in präventiver Schulsozialarbeit arbeiten lassen. Allein die rechtzeitige Intervention beim Schuleschwänzen wäre dann wesentlich leichter. Das sind konzeptionelle Vorschläge, von denen ich von Ihnen nichts höre, sondern Sie haben Mittagstische geschaffen, aber keine Ganztagsschulen mit einem Konzept.

Auch wir wollen – um noch einmal auf diese Schulstandortplanung zu kommen, weil diese am emotionalsten von Eltern, Schülern und Schulen gesehen wird – einen Schulentwicklungsplan. Aber wir wollen einen Plan, der wirklich die Betroffen mit einbezieht. Sie machen ein Zweistufenkonzept, das uns nicht demokratisch genug ist. Wir sind auch ganz schön skeptisch, ob die Zeitschiene reichen wird. Sie haben spät angefangen. Wir haben sehr früh gesagt, dass dies dringend nötig sei, als ich die zehn Hausaufgaben für die Schulsenatorin aufschrieb. Ich bin gespannt, wie es im Dezember aussieht.

Zum Schulentwicklungsplan gehört aber noch ein anderes wichtiges heißes Eisen, das wirklich und tatsächlich Ressourcen freimachen würde: Die Zusammenlegung der viel zu kleinen Oberstufen von Gymnasien und Gesamtschulen. Das wollen wir schon seit Jahren anpacken. Sie ist durch diverse Große Anfragen unsererseits inhaltlich, qualitativ notwendig und solide belegt. Selbst der Rechnungshof, der Bund der Steuerzahler und die Fachleute unterstützen uns dabei. Es wäre wirklich ein struktureller Schritt, der uns weiterbringen würde. Aber Sie trauen sich anscheinend nicht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was ich als Bilanz nach hundert Tagen festhalten kann, ist letztendlich bitter. Denn mit der neuen Schulsenatorin haben wir eine Frau, die viel möchte, aber wenig vermag. Dafür haben Bürgermeister und Finanzsenator das Korsett für sie viel zu eng geschnürt. Statt sich zu wehren, muss sie das Schröpfen von Schulen und Schülerinnen, das Kürzen von Frauen- und Seniorenweiterbildung – das habe ich gestern schon zitiert – als Beitrag zur Zukunftssicherung verkaufen.

Wenn Sie sich anschauen, wie die Seniorenweiterbildung – genau wie alle anderen Weiterbildungsbereiche –

geopfert wurde, dann kann ich nur sagen – das steht in unserem Antrag so noch nicht drin, sondern nur beim Punkt berufliche Weiterbildung –, dass die Seniorenweiterbildung der Schulbehörde genommen werden muss. Sie gehört in die BSF, denn dort ist sie besser aufgehoben. Die Schulbehörde hat die Weiterbildung verkauft.

(Beifall bei der GAL – Petra Brinkmann SPD: Es ist egal, wo sie gestrichen wird!)

Bei der Streichung der Stiftung Berufliche Bildung – das hat Frau Ernst gestern schon angesprochen und Herr Pumm gibt dazu gerade einen Hinweis; Sie haben gestern alle auf Ihren Plätzen vom Betriebsrat der Stiftung Berufliche Bildung die Kröte und die Inhalte gefunden – war die Senatorin wirklich schlecht beraten. Die Integration von Langzeitarbeitslosen und die Perspektiven wird für diese Menschen absolut abgeschnitten. Die SBB hat die Behörde im wahrsten Sinne des Wortes geopfert. Deshalb schlagen wir in unserem Antrag vor, der dafür qualifizierteren Behörde – nämlich der Behörde für Arbeit und Wirtschaft – diesen Bereich zu übertragen.

(Beifall bei der GAL)

Es ist bitter, aber es ist nicht mehr zuzumuten, dass diese Bereiche in der Schulbehörde bleiben.

In unseren Anträgen zeigen wir einen ganz anderen Weg auf. Zwei Dinge sind dabei klar:

Erstens: Ohne einen echten Haushaltsschwerpunkt bei der Bildung wird es nicht gehen.

Zweitens: Wenn Sie immer weiter ohne Mut – ich komme auf Sie zurück, Herr Heinemann, weil Sie nichts über "Neun macht klug" hören wollten; da sind Sie, auch bundesweit gesehen, leider rückwärts gewandt – am alten System herumdoktern, werden die guten Ideen von Autonomie der Schulen, individueller Schulzeitverkürzung oder den Ganztagsschulen wirkungslos bleiben.

Viele andere Menschen und Einrichtungen in unserer Stadt haben sich daher inzwischen – auch der Bundeselternrat – auf den Weg gemacht; es werden mehr und mehr. Wir sind optimistisch, dass am Ende dieses Weges "Neun macht klug", die neue Hamburger Schule steht.

Das Ziel ist eine Schule mit den Klassen 1 bis 9 für alle Kinder. Sie finden dazu konkrete, solide finanzierte Schritte. Die in unserem Antrag stehende Reform ist übrigens insgesamt günstiger, als wenn man sich parallel sieben Schulsysteme von den Klassen 5 bis 10 leistet. Ich will einige nennen: Die stufenweise Überführung der Förderschulen in die Regelschule, Grundschule und Sekundarstufe I, die flächendeckende Einführung als einen ersten Schritt der integrierten Haupt- und Realschule, weil Sie dort dann wirklich qualitativ etwas für Hauptschülerinnen und -schüler leisten würden, und die schrittweise Abschaffung des ressourcenverschwendenden und pädagogisch sinnlosen Sitzenbleibens.

Dahinten sitzt ein unerfahrener Abgeordneter der CDU, der die Hände über den Kopf zusammenschlägt. Lieber Kollege Abgeordneter, Sie geben jedes Jahr im Haushalt über 20 Millionen Euro für das Sitzenbleiben aus, anstatt dieses Geld in die individuelle Förderung zu geben.

(Beifall bei der GAL)

Ich lade Sie alle dazu ein, unseren Weg mitzugehen. – Danke.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Senatorin Dinges-Diering.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Bekenntnis zur Zukunft ist ein Bekenntnis zum Wandel. Diesen Wandel brauchen wir im Hamburger Bildungswesen mehr denn je, um die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen zu sichern.

(Beifall bei der CDU)

In einer Haushaltsdebatte geht es nicht nur um die absoluten Titelansätze, sondern auch um das Verhältnis von Kosten und Leistung. In wohl kaum einem anderen Bundesland stehen der finanzielle Aufwand der Steuerzahler und der nachweisbare Ertrag für die Schülerinnen und Schüler in einem solchen Missverhältnis wie in Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen dafür einige Beispiele nennen; das erste kennen Sie zur Genüge.

Nach jahrzehntelanger SPD-Herrschaft liegen die Kosten pro Schüler bei circa 6000 Euro einsam an der Spitze aller Bundesländer, bei den Ergebnissen im Leistungsbereich – nach PISA – aber ziemlich am Ende. Sie – und damit meine ich die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition – haben es zuletzt hingenommen, dass von allen Schülerinnen und Schülern, die das staatliche Schulwesen verlassen haben, fast jeder siebte eines Altersjahrgangs keinen Schulabschluss hatte. Im Jahre 2001 waren es exakt 13,4 Prozent. Sie haben es zugelassen, dass Schülerinnen und Schüler mit einem mittleren Bildungsabschluss in eine Schulform eintreten durften, deren Ziel es ist, einen mittleren Bildungsabschluss zu erwerben. Das heißt, Sie haben es zugelassen, dass Schülerinnen und Schüler mit doppelter Schulzeit doppelte Kosten verursachten,

(Dr. Monika Schaal SPD: Erzählen Sie was über die Zukunft!)

ohne eine zusätzliche Berechtigung zu erwerben.

(Beifall bei der CDU)

Das sind nennenswerte Millionenbeträge jährlich.

Sie haben es zugelassen, dass Schülerinnen und Schüler in die Berufsfachschule Wirtschaft und Verwaltung eingetreten sind, von denen circa 40 Prozent das erste von zwei Schuljahren nicht erfolgreich durchlaufen haben. Das alles sind nur einige wenige Beweise dafür, dass Sie sich während Ihrer Regierungszeit nicht um die wahren Begabungsprofile der Kinder und Jugendlichen, nicht um die Anschlussfähigkeiten der Schulformen gekümmert haben und auch nicht um das Verhältnis von Kosten und Leistungen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben auch ein Bildungssystem unterstützt, dass unter dem Titel Sprachförderung wertvolle Ressourcen zur Organisation von Grundunterricht entfremdet, weil der Grundunterricht bei Ihnen nämlich nicht hinreichend sicher versorgt war. Diese traurigen Resultate will und wird dieser Senat ändern.

(Beifall bei der CDU)

Zu dem tatsächlichen und nicht theoretisch ausgeglichenen Haushalt, den Sie gestern gefordert haben, Herr Neumann,

(Michael Neumann SPD: Seit drei Jahren!)

wird die Bildungsbehörde mit Ehrlichkeit beitragen, indem wir die Phantomzahlen aus SPD-Zeiten weiter abbauen.

(Beifall bei der CDU)

Nicht finanzierte Stellen oder buchhalterische Sprachförderressourcen wird es mit einem CDU-Senat nicht mehr geben.

(Beifall bei der CDU)

Für diesen konsequenten Wandel brauchen alle Gutwilligen gemeinsam Mut und Beharrlichkeit, um berechtigte Ängste und Bedenken abzubauen, aber auch um Angstkampagnen und Berufsbedenkenträgern entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU – Aydan Özoguz SPD: Wie denn?)

Für diesen konsequenten Wandel sind seit 2002 schon einige gute Grundlagen gelegt worden. Dazu zählen auch die Erarbeitung neuer Bildungspläne, die teilweise ein Vierteljahrhundert überfällig waren, aber auch die Durchfinanzierung ausgewiesener Lehrerstellen.

Der Ihnen vorliegende Haushalt 2004 ist das Beweisdokument dieser Grundlagen. Circa 1,7 Millionen Euro, also mehr als ein Fünftel des Etats, stehen heute der Bildung zur Verfügung. Das ist wahrlich ein Schwerpunkt.

Der Haushaltsansatz für Personal ist trotz großer Steuerausfälle und der notwendigen Haushaltskonsolidierung leicht gewachsen. Ebenso ist der Titel für Bauunterhaltung, Bewirtschaftung und Unterrichtsmittel für Schulen gestiegen,

(Michael Neumann SPD: 50 Millionen Euro!)

der jetzt bei 142 Millionen Euro liegt. Die Mittel für den Sport sind auf über 14 Millionen Euro angewachsen; zum Beispiel erhält der Olympia-Stützpunkt in diesem Jahr 150 000 Euro zusätzlich. Dieses sind nur einige Punkte.

(Nebahat Güçlü GAL: Aber bei den Frauen wird gestrichen!)

Die wahren und verlässlichen Grundlagen dieses Haushalts sind aber erst der Anfang des umfassenden Wandels, den Hamburgs Bildungslandschaft braucht. Jetzt – das waren wir gestern nicht – sind wir in der Lage, die guten pädagogischen Konzepte umzusetzen, die sich an der Qualität des Ergebnisses und nicht an der Quantität der eingesetzten Euros orientieren.

(Beifall bei der CDU)