Protocol of the Session on November 16, 2006

(Beifall bei Rolf Harlinghausen und Karen Koop, beide CDU – Dr. Barbara Brüning SPD: Das hät- ten Sie einmal in den Antrag schreiben sollen!)

Ich verstehe die Aufgeregtheit überhaupt nicht, weil ich glaube, dass wir bei diesem Thema sehr viele Gemeinsamkeiten haben werden.

Was sind Geisteswissenschaften, Herr Neumann, die Frage sollte auch Sie interessieren. Ich habe einmal

nachgeschlagen: Geisteswissenschaften sind diejenigen Wissenschaften, die die Ordnung des Lebens in Staat, Gesellschaft, Recht, Sitte, Erziehung, Wirtschaft, Technik und die Deutung der Welt in Sprache, Mythos, Religion, Kunst, Philosophie und Wissenschaft zum Gegenstand haben. Ich denke, dass diese Definition auch die Grundlage für viele Dinge ist, die an der Hamburger Universität im Rahmen der Geisteswissenschaften umgesetzt werden. Ich sage hier auch deutlich, dass ich ganz nahe bei der neuen Präsidentin der Hamburger Universität bin, Frau Professor Auweter-Kurtz, eine Raketenforscherin, also Naturwissenschaftlerin, die in den letzten Wochen in zahlreichen Interviews den Geisteswissenschaften an der Hamburger Universität einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Ich werde bei dem Vorhaben, diesen Stellenwert der Geisteswissenschaften an der Universität zu erhöhen, an ihrer Seite sein und sie dabei unterstützen.

(Michael Neumann SPD: Warum drohen Sie ihr?)

Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, lieber Herr Neumann, werden immer gern gegeneinander ausgespielt.

(Zuruf von Dr. Barbara Brüning SPD)

Ich rede hier für die CDU-Fraktion, Frau Brüning. Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften können nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie sind kein Widerspruch. Vielmehr sind sie eine Symbiose, das eine kann ohne das andere nicht.

(Michael Neumann SPD: Das ist eine Rede für die Geschichtsbücher!)

Nur so entwickeln wir unsere humanistischen Regeln weiter. Das tut Ihnen auch mal ganz gut, Herr Neumann. Nur so entwickeln wir uns unter diesen Prämissen weiter. Es hat nichts, liebe Frau Brüning, mit nur der reinen Rechnerei von Studienplätzen zu tun, sondern es gibt einen unterschiedlichen Anspruch in der Lehre und in der Forschung. Ich denke, dass beide einen entsprechenden Stellenwert haben müssen, aber sie müssen sich auch an dem orientieren – und das war ja damals der Auftrag für die Dohnanyi-Kommission –, was an Arbeitsplätzen in diesem Bereich möglich ist.

Aber im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Natur- und Geisteswissenschaften fallen mir zum Beispiel aus dem Bereich der Medizin die Frage des Umgangs mit Stammzellenforschung, Sterbehilfe, Grenzen der Intensivmedizin und Genforschung ein, Pränataldiagnostik oder Altersmedizin. Die Naturwissenschaft, meine Damen und Herren, kann sich ohne die Geisteswissenschaften nicht vernünftig weiterentwickeln.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es macht keinen Sinn, einseitig die eine oder andere Seite zu bevorzugen, sondern Sinn macht es, wenn die beiden Bereiche – Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft – vernünftig zusammenarbeiten. Die Zahl der Studienplätze ist nicht gleichzusetzen mit der Quantität der wissenschaftlichen Forschung. Was nützt ein diplomierter Geisteswissenschaftler bei einer Prognose von 50 Prozent der Absolventen, die keine Stelle finden,

(Dr. Barbara Brüning SPD: Woher wissen Sie das denn? Es gibt auch arbeitslose Informatiker! So ein Quatsch!)

dann gucken Sie sich einmal die entsprechenden statistischen Daten an –, als Carrierfahrer im Hafen oder als Hausmeister in der Schule oder im Betrieb.

Die Dohnanyi-Kommission hat auf diese Perspektivlosigkeit hingewiesen und aufmerksam gemacht. Wir wollen diese Menschen nicht sehenden Auges in die Arbeitslosigkeit hineingehen lassen. Die CDU will vielmehr dort investieren, wo es um die gesellschaftliche Weiterentwicklung der Zukunft geht, Exzellenzen bilden. Wir wollen gerade in den Geisteswissenschaften wirkliche Projekte fördern, die in der Zukunft einen wichtigen Stellenwert für unsere Stadt, für unser Land haben. Wir wollen nicht weiter in der 68er-Generation und -Mentalität dümpeln, mit den verklärten Träumen von der neuen Welt, sondern was wir brauchen, sind Antworten aus den Geisteswissenschaften für die Herausforderungen der Zukunft.

Was sind die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen? Wir müssen uns da neu aufstellen, neu positionieren, neue Antworten finden zum Thema PISA, Klimakatastrophe, Jugendkriminalität, Migrationsentwicklung, Integration, Umgang mit Behinderungen, wirtschaftliche Entwicklungen. Raus aus dem Elfenbeinturm sollten sich die Geisteswissenschaften den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen stellen. Wir brauchen Antworten und Lösungen, die in den Geisteswissenschaften gedacht werden und uns hoffentlich helfend gegeben werden. Das wird die Union im Bereich der Hamburger Universität stützen und fördern.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es wird sich immer gerne auf Humboldt bezogen, um sich darauf auszuruhen und zurückzubeziehen. Humboldt'sches Prinzip hin oder her, mir geht es darum, seine Ideen weiterzuentwickeln. Herausforderungen, die sich uns stellen, müssen in den Geisteswissenschaften entsprechend aufgenommen werden. Es muss dort gemahnt und gefordert werden.

Was sind nun die neuen Aufgaben? Ich denke, erstens heraus aus dem bisherigen Nischendenken, Präsenz zeigen als Geisteswissenschaft in der täglichen Diskussion, aktuelle Anforderungen annehmen, neue Lösungen aufzeigen und, Frau Brüning, Visionen entwickeln.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das machen sie doch schon längst!)

Nein, das machen noch längst nicht alle. Es wäre gut, wenn sie das alle täten. Einige machen es, zum Beispiel die Sprachen. Die machen das hervorragend. Deswegen ist der Ruf in Hamburg, jedenfalls, was die Geisteswissenschaften angeht, so wie er ist. Sich nicht länger mit dem Mief der Vergangenheit arrangieren, sondern konstruktiv nach vorne sehen, das unterstützt die CDU zum Wohle unserer gesellschaftlichen Herausforderungen. An diesem Maßstab, den ich eben aufgezeigt habe, müssen sich die Geisteswissenschaften orientieren. Ich fordere Sie auf, sich an diesen Herausforderungen nicht nur zu orientieren, sondern sich dieser Herausforderung im Sinne der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft konstruktiv anzunehmen. Nicht verklärt rückwärts orientiert und sich behaglich einnisten, ist gefragt, sondern aus dem Hörsaal, aus der Bibliothek heraus neue Chancen und den Aufbruch suchen. Humboldt war gestern und wichtig, aber Humboldt hätte sich, glaube ich, niemals mit dem Jetzt angesichts der elementaren Herausforderungen zufrieden gegeben. Er wäre aufgestanden und hätte,

wie man heute so schön auf neudeutsch sagt, Action gemacht.

Die Chance des Jahres der Geisteswissenschaften hier in Hamburg in Form unseres Antrags ist groß, den Geisteswissenschaften auch in dem Bewusstsein der Bevölkerung wieder ein neues Licht zukommen zu lassen, sie aus dem Dornröschenschlaf herauszuholen. Wir brauchen neue Impulse. Vielleicht bedarf es eben auch einer Raketenforscherin, die sich mit dieser Zielrichtung im Sinne der Weiterentwicklung der Universität konstruktiv auseinandersetzt. Sie hat unsere volle Unterstützung dabei.

Wir müssen den Stellenwert in den neuen nationalen, europaweiten und globalen Herausforderungen unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit und Wahrnehmung des Friedens in unserer Stadt durch eine Stärkung und Förderung der Geisteswissenschaften stützen. Diese Intention hat unser Antrag und wir werden uns hoffentlich gemeinsam im Jahr 2007 sehr genau angucken, wo dort bestimmte Profile im Bereich der Geisteswissenschaften weiterentwickelt werden.

Nun zu Ihrem Antrag, geschätzte Kollegen von der SPD. Ich denke, die Universitätspräsidentin sollte die Chance bekommen, sich in den nächsten Monaten erst einmal einen Überblick über die Situation in den Geisteswissenschaften zu verschaffen. Sie hat dort auch eine Autonomie im Bereich der Weiterentwicklung. Wir sollten jetzt nicht kurzfristig gesprungen als Politik dazwischen hecheln. Ihr Antrag geht aus meiner Sicht sowieso in einigen Punkten an der Realität vorbei. Es macht die Forderung, die Sie dort stellen, auch nicht unbedingt besser, wenn Sie sie nun zum x-ten Mal erheben. Meines Erachtens ist Ihr Antrag mit einer sehr heißen Nadel genäht. Das sieht man schon am letzten Satz, in dem steht, der Senat möge bis zum 31. März 2006 berichten. Das ist leider schon vorbei, eben mit der heißen Nadel genäht. Wir lehnen ihn ab.

Zum Schluss lassen Sie mich sagen, dass Geisteswissenschaften nicht für Sensationen taugen, wohl aber für zeitgerechte Antworten auf alte Fragen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. Brüning.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich auf die Rede von Herrn Beust eingehe, möchte ich erst noch einmal für die SPDFraktion sagen, dass die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Wissenschaftsstandortes Hamburg leisten und international ein hohes Ansehen genießen. Ja, klatschen Sie erst einmal.

(Beifall bei der SPD und bei Karen Koop CDU)

Da bedarf es nun wirklich nicht eines Antrages der CDUFraktion, dass sie sich am Jahr der Geisteswissenschaften beteiligen und innovative Ideen entwickeln sollen. Ich glaube, da haben Sie ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. Ich vermisse in Ihrem Antrag eine Würdigung und Wertschätzung der Geisteswissenschaften. Das haben Sie jetzt ein bisschen versucht, Herr Beuß, aber eben auch nur halbherzig.

Der Senator, der heute nicht da ist, wird ja nicht müde zu behaupten, dass Hamburg eigentlich Ingenieure und Physiker braucht. Da würden wir nicht widersprechen wollen, aber Hamburg braucht genauso Historiker und Theologen und andere Menschen, die wichtige Beiträge zur Stabilisierung dieser Stadt leisten und das vermissen wir in Ihrem Antrag.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Ich glaube nicht, dass es ausreicht, lieber Kollege Beuß, dass sich die Geisteswissenschaften im Jahr 2007 der Öffentlichkeit präsentieren und innovative Ideen entwickeln sollen und danach bringt man Ihnen dann keine Wertschätzung mehr entgegen. Also nur für das Jahr der Geisteswissenschaften, das ist aus unserer Sicht zu kurz gegriffen.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist der Beginn!)

Die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften haben es verdient, dass wir ihre Leistungen für die wachsende Stadt entsprechend würdigen. Ohne ausreichende Studienplätze in diesen Disziplinen können sie ihr Profil nicht weiterentwickeln. Es muss klar sein, dass wir die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften brauchen, weil sie nämlich eine universelle humanistische Bildung des Menschen gewährleisten. Auch davon habe ich bei Ihnen bisher nichts gehört. Vielleicht macht das dann Frau Koop, die immer für die würdigen Ideen zuständig ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Olaf Ohlsen CDU: Bravo!)

Ich wollte Sie auch noch einmal fragen, meine Damen und Herren von der CDU, was denn öffentliche Darstellungen der Ergebnisse des Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften nützen, wenn Sie gerade in diesem Bereich immer mehr Studienplätze abbauen wollen? Herr Dräger ist jetzt in Essen und will für den Hochschulpakt sorgen. Wir hoffen, dass er auch genügend Studienplätze für die doppelten Abiturjahrgänge gerade in den Geisteswissenschaften mitbringen wird, aber Sie haben schon jetzt mitgeteilt, dass Sie gar nicht mehr Studienplätze in diesen Disziplinen haben wollen und das finden wir halbherzig. Wenn Sie schon die Geisteswissenschaften fördern wollen, dann müssen Sie auch genügend Studienplätze zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Aus unserer Sicht wollen Sie mit diesem Antrag wirklich nur Ihr schlechtes Gewissen beruhigen. Sie meinen, wenn Sie das Wort Geisteswissenschaften mal in den Mund nehmen und sich am Jahr der Geisteswissenschaften beteiligen, dann reicht das aus. Es reicht eben nicht aus. Sie müssen genügend Studienplätze und gute Forschungsbedingungen garantieren und das tun Sie nicht.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Das haben Sie ja so toll in der Vergangenheit ge- macht!)

Herr Beuß, Ihren Zwischenruf habe ich nicht ganz verstanden, aber auf eines möchte ich Sie doch noch einmal aufmerksam machen. Sie sagen in Ihrer Rede, dass die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften gleichberechtigt sind. Dann sagen Sie aber, Sie würden nicht mehr Studienplätze zur Verfügung stellen wollen, denn es gebe so viel arbeitslose Geisteswissenschaftler. Wissen Sie eigentlich, wie viel arbeitslose Informatiker und Physiker es gibt? Das kann doch kein Grund sein,

irgendwelchen komischen Statistiken, die Sie noch nicht einmal genau kennen, hinterher zu hängen, um jetzt Studienplätze gerade in diesen Gebieten abbauen zu wollen. Das ist scheinheilig.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz und Gudrun Köncke, beide GAL)

Ich glaube, dass in der Rede von Herrn Beuß der Eindruck erweckt wurde, die Geisteswissenschaften forschen da in ihrem Elfenbeinturm und wir fördern sie mal. Ich finde, dass die Geistes- und Kulturwissenschaften einen wichtigen Beitrag für Ihr Konzept der wachsenden Stadt leisten,

(Wolfgang Beuß CDU: Das habe ich doch gesagt!)

zum Beispiel indem sie sich mit sozialer und kultureller Heterogenität, mit verschiedenen Kulturen und Lebensformen auseinandersetzen, indem sie Konzepte für den interreligiösen Unterricht entwickeln, indem sie Konzepte zum Umgang mit der Globalisierung entwickeln für die Technologiefolgenabschätzung. Ich möchte das nicht weiter aufzählen und deshalb sagen: Die Geisteswissenschaften leisten einen nützlichen Beitrag für diese Stadt und deswegen müssen sie gefördert werden

(Wolfgang Beuß CDU: Das habe ich doch gesagt!)