Protocol of the Session on October 11, 2006

(Beifall bei der CDU)

Ich habe den Eindruck, dass es nur eine Fraktion gibt, die im Moment ehrlich mit diesem Thema umgeht und sich ehrlich Gedanken darüber macht. Das ist die CDU.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Özoguz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, Sie machen den Bock zum Gärtner. Sie verwirren die Debatte.

Ich möchte auf Senatorin Dinges-Dierig eingehen: Wollen Sie das Kernproblem nicht sehen oder können Sie es nicht sehen? Sie stoppen nämlich bei Ihren Ausführungen immer an der Stelle, wo es um Konsequenzen ginge, …

(Dr. Martin Schäfer SPD: Wo es ums Thema geht!)

ja, wo es ums eigentliche Thema geht. Wir sind uns alle darüber einig, dass wir Vernachlässigung von Kindern aufdecken wollen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Sie haben sehr lange dazu gesprochen, weil Sie wissen, dass sich niemand dagegen aussprechen würde. Das ist nicht der Punkt. Man kann jedoch sehr zynisch wirken, wenn man hier steht und sagt, man tue dies alles zum Schutze der Kinder, wohl wissend, dass dies Abschiebung für Kinder und ihre Familien bedeuten wird. Das ist zynisch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich möchte auch auf die Härtefallkommission eingehen. Wir arbeiten dort, Gott sei Dank, sehr konstruktiv zusammen. Das ist richtig. Aber es ist interessant, dass hier immer nur auf einen Fall der Illegalität eingegangen wird. Es gibt aber einen zweiten und dort sperrt sich die Ausländerbehörde bisher, eine Lösung herbeizuführen. Wenn man das Problem nennt, muss man es ganz nennen. Wie sollen Sie denn Vertrauen wecken, wie sollen denn die Familien dort dem Staat Vertrauen schenken – das wurde hier gesagt –, wenn er eben dieses Vertrauen nicht ermöglicht und nicht bereit ist, etwas für diese Familien zu tun und nach Lösungen zu suchen. Nennen Sie also bitte das ganze Spektrum und nicht nur den einen Teil, der Ihnen gerade zupass kommt, Frau Senatorin.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Übrigens wissen wir alle – ich würde mich freuen, wenn wir darüber in ein konstruktives Gespräch kämen –, dass Illegalität in den Großstädten immer vorhanden sein wird, dass der Rechtsstaat dies selbstverständlich nicht befördern kann und soll, sondern sich immer dafür einsetzen muss, dass es möglichst keine illegalen Aufenthalte gibt,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

aber wir wissen, dass es dies gibt, und – der Satz geht noch weiter – am allerwenigsten dürfen Kinder darunter leiden, wenn Ihre Eltern diesen Weg gewählt haben, dass nun ausgerechnet über sie und über das Vertrauensverhältnis an den Schulen ihr Leben zerstört wird. Wir müssen das Thema von beiden Seiten betrachten. Ich möchte dabei wiederholen, was mein Kollege, Willi Buss, gesagt hat: Wir haben den wichtigen Rechtsstaat auf der einen Seite, wir haben die Humanität auf der anderen. Es ist unsere Aufgabe, dieses beides so gut wie möglich zusammenzubekommen. Es ist Ihre Aufgabe, uns hierfür Lösungen zu präsentieren. Es ist die Aufgabe des Innensenators, sich auch einmal hier hinzustellen und zu sagen, was er von dieser ganzen Angelegenheit hält. Er hält sich nämlich vornehm zurück.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Andrea Hilgers SPD: Peinliche Zurückhaltung!)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

A C

B D

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, Sie sagten gerade, dass Sie sich sehr intensiv mit der Thematik auseinandersetzen würden. Das finde ich gut. Ich finde es gut, dass es jetzt hier in Hamburg wie auch schon in anderen Bundesländern und speziell auch – wie schon genannt – in den Kirchen ein Thema ist, dass wir an die Öffentlichkeit bringen und nicht geheim, hinter verschlossenen Türen verhandeln. Seit ich mich mit diesem Thema beschäftigte, war es so. 1994, als wir mit einer Delegation von Mitgliedern der Universität Hamburg und des Landesinstituts nach New York reisten, fragten wir die Leiterin einer Schule in der South Bronx, wie sie denn mit Kindern umgingen, die illegal seien. Das war nämlich schon 1994 ein Thema, das aber noch keine Öffentlichkeit hatte, aber die Kinder sind da und es geht mir und uns um die Kinder. Diese Schulleiterin schaute vollkommen entsetzt, Sie sagte, ob legal oder illegal, dies seien Kinder, sie seien Pädagogen, diese Kinder hätten ein Recht auf Bildung, Schulbesuch, einen Mittagstisch und eine Fahrkarte. Punkt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat anfügen:

"Mit dem Kindeswohl ist es nicht vereinbar, dass Eltern wegen dieser unklaren Rechtslage ihrer Kinder sie nicht in die Schule schicken. Eine Meldepflicht von Personen und Institutionen, mit denen ausländische Kinder im Zusammenhang mit ihrem Schulbesuch Kontakt bekommen, sollte daher generell ausgeschlossen werden."

Das ist die Empfehlung der Süssmuth-Kommission, die auch auf diese Problematik hingewiesen hat, und zwar nicht nur Frau Süssmuth, sondern alle Experten, die in dieser Kommission saßen, eben auch Kirchen, denn die Kinder sind da. Es geht immer um die Kinder.

Ein weiteres Beispiel: Frau Senatorin Dinges-Dierig hat versucht, mit Zitaten etwas zu widerlegen. Das ist ihr nicht gelungen, denn wir haben diesem Register tatsächlich nie zugestimmt, sondern nur Kenntnis genommen. Wir haben uns auch schon damals, als es um das Register ging, damit beschäftigt, wie es mit der Kooperation von Behörden aussieht. Natürlich müssen Jugendhilfe, Jugendamt und ASD eingebunden werden, aber Zugriff durch die Innenbehörde, das darf nicht sein. Sollten Sie Vorschläge machen, die dies wirklich garantieren, sind wir dafür offen. Herr Ploog, ich weiß um ihre hoch kompetente Arbeit in der Härtefallkommission. Wir können uns aber nicht darauf verlassen. Wollen Sie jedem Schulleiter von vorn herein einen Vordruck für eine Eingabe beim Eingabenausschuss in die Hand drücken? Das ist vielleicht eine Möglichkeit, aber ich bin hier sehr skeptisch. Es muss glaubhaft sein. Es ist nicht eine Frage des Könnens, sondern des politischen Willens. Ich will gar nicht die Forderungen der UNO zitieren, ich will nur die CDU Altona an dieser Stelle einbeziehen, die das sehr gut kommentiert hat. Es muss wirklich um Lösungen gehen, die kurzfristig tragen, und es muss um Lösungen gehen, die langfristig tragen. Herr Dr. Dressel hatte Recht, als er gestern Abend sagte, diesbezüglich müssten bundesweite Entscheidungen gefällt werden. Das heißt, wir hier in Hamburg können natürlich die Frage der Legalisierung nicht langfristig lösen, wie es zum Beispiel andere europäische Länder längst getan haben. Aber wir können zum Schulbesuch lokale Lösungen finden. Es geht in München, es geht in Freiburg, es geht übrigens auch an

Hamburger Schulen: Es geht an katholischen Schulen, es geht an evangelischen Schulen. Wir wissen, dass die Kinder dort geschützt werden. Das wünsche ich mir auch von den staatlichen Schulen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns dort etwas abschauen würden.

Ich möchte mit einem Zitat aus dem Appell enden, um alle Missverständnisse auszuräumen. In diesem Appell steht:

"An die Bürgerschaft und den Senat richten wir den Appell, zur Wahrung der Rechte dieser Kinder in Bezug auf das ZSR ein Moratorium einzurichten und innerhalb der gesetzlichen Regelungen für einen Schutzmechanismus für die betroffenen Kinder zu sorgen."

Dies und nicht mehr wünschen wir uns für das Wohl der Kinder und ihr Recht auf Bildung. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Ploog.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat wenig Sinn, sich weiterhin gegenseitig Vorwürfe zu machen. Es ist auch wenig zielführend, die Senatorin hier weiter anzugreifen.

(Wilfried Buss SPD: Wer hat denn angefangen?)

Sehen Sie, Ihre Reaktion zeigt mir, dass ich mit dieser Aussage genau richtig liege.

In der Tat geht es uns um das Kindeswohl, Frau Goetsch. Nebenbei bemerkt, was Frau Özoguz beklagte: Es liegt kein weiterer Fall vor, bei welchem dem Anspruch des Kindes nicht genügt werden soll. Ich bin guten Mutes, dass auch der Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg mit uns diesen Weg beschreiten wird, der zum Erfolg führt.

(Michael Neumann SPD: Das soll Herr Nagel ein- mal erklären!)

Der Senator ist hier gar nicht gefragt. Dies ist ein Thema der Bürgerschaft.

Ich gebe Ihnen jetzt auch noch die Erklärung meiner Fraktion.

(Michael Neumann SPD: Nein, der soll selbst reden!)

Ich kann doch nicht für den Innensenator sprechen. Es ist Ihr Unwissen, dass Sie sich nicht genügend in der Tiefe und Breite um die Probleme bemühen. Sie sagen immer, Sie hätten hier nur partiell Erfolge. Ich kann Ihnen nur Eines sagen: Der Senat ist damit auch auf uns zugekommen. Wir sind uns einig, in der Härtefallkommission immer in erster Linie das Wohl der Kinder im Auge zu haben. Vielen Kindern haben wir schon in der vergangenen Zeit – wir können es noch nicht sehr lange – auch den weiteren Schul- oder Ausbildungsbesuch ermöglicht. Deswegen müssen Sie sich an der Sache orientieren und nicht Ihren Gefühlen freien Lauf lassen.

Natürlich kann ich nicht verlangen, die Schulleitungen möchten auf mich zukommen und ein Formular für den Eingabenausschuss entgegennehmen. Das hilft auch nicht weiter. Ich biete den Schulleitungen aber an, mich gerne anzurufen. Dann muss man sehen, wie man individuelle Lösungen findet. Ich sage Ihnen aber auch Eines:

Eine individuelle Lösung kann für mich nur darin bestehen, dass wir offenkundig machen, wer sich hier aufhält. Es gibt diese Wanderarbeiterbewegung und Ähnliches, was wir staatlicherseits aber nicht decken können. Deswegen meine ich, dass der Staat hier den entsprechenden Schutz bietet. Herr Heinemann hat es bereits gesagt, ich sage es noch einmal im Namen meiner Fraktion: Wir werden uns alle erdenkliche Mühe geben, genau so zu verfahren, wie es die Kinder benötigen. Wenn die Eltern bei den Kindern bleiben müssen, sollen sie auch hier bleiben. Aber das können wir nur machen, wenn wir wissen, um wen es sich handelt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Um auf Ihren letzten Punkt zurückzukommen, Herr Ploog: Sie wissen doch, dass allein die Tatsache, dass unklar ist, mit welchem Ergebnis die Innenbehörde auf das Bekanntwerden des legalen oder nicht legalen Status der Kinder und Familien reagieren wird, dazu führen wird, dass zukünftig Anmeldungen von Kindern aus Familien, die hier im nicht legalen Aufenthalt sind, gegen Null gehen werden. Die Menschen werden sich nicht mehr trauen, ihren Kindern das Recht auf Bildung zu gewährleisten. Es wird einfach nicht mehr der Fall sein, es sei denn, Sie könnten sich hier als Fraktion – Sie haben gesagt, wir würden mit Ihnen reden und nicht mit dem Senat – dafür verbürgen, dass es eine Regelung geben wird, die so, wie Herr Heinemann es noch gestern – heute nicht mehr, ich sage es noch einmal – gesagt hat,

(Robert Heinemann CDU: Wo ist der Unterschied zu dem, was ich gestern gesagt habe?)

den Kindern den Schulabschluss ermöglicht.

Sie betonen die gemeinsamen Erfahrungen in Eingabenausschuss und Härtefallkommission. Das ist doch genau das Gegenteil: Hier wird vielleicht – und zwar immer nur, wenn es um Familien im geduldeten Aufenthalt geht – für ein Jahr, manchmal auch für zwei Jahre der Aufenthalt gewährt, um den Schulabschluss zu ermöglichen. Was ist denn mit den fünf- und sechsjährigen Kindern von Familien in dieser Situation? Sie können mir nicht erzählen, dass Sie glauben würden, dass auch nur eins dieser Kinder, das im Sommer eingeschult werden wird, von der Innenbehörde bis zum Hauptschulabschluss hier gelassen wird. Das ist doch eine Farce. Es ist einfach nicht seriös, wenn Sie Ähnliches hier vortragen.

(Beifall bei der GAL)

Wir ändern überhaupt nichts an der Situation der Familien, die hier leben, wenn wir über diesen Hebel, das Schülerregister, dafür sorgen, dass der Druck auf diese Familien, der ohnehin schon groß ist, noch zusätzlich, und zwar zulasten der Kinder, erhöht wird. Das ist kein einziger Schritt in Richtung einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema der Familien im illegalen Aufenthalt. Andere Kommunen und Großstädte – Frau Goetsch hat sie genannt – gehen das Thema besser an.

Wie groß ist denn die Gruppe der Menschen im nicht legalen Aufenthalt in Hamburg? Wie geht es ihnen, wie ist ihre Gesundheitsversorgung? Können sie ihr Recht auf Bildung wahrnehmen oder nicht? Es ist schlicht unsere Fürsorgepflicht, die wir für alle haben, die in dieser Stadt

leben. Das ist unabhängig davon, ob diese Menschen eine Chance auf einen legalen Aufenthalt haben oder nicht. Es geht um die grundsätzliche Fürsorgepflicht für die Menschen in dieser Stadt. An dieser lassen Sie es wirklich missen.