[Senatsmitteilung: Verlagerung der Hamburger Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende und unerlaubt neu eingereiste Ausländer; Kooperation mit MecklenburgVorpommern bei der Erstunterbringung – Drucksache 18/4496 –]
Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Innenausschuss überweisen. Wer stimmt dem Überweisungsbegehren zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der GALFraktion gemäß Paragraph 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung nunmehr das Wort begehrt wird, und zwar von der Abgeordneten Möller.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Fünf-Minuten-Beitrag an dieser Stelle – nicht nur von mir, hoffe ich – ist natürlich notwendig, weil wir wieder einmal das Phänomen haben, dass eine Mitteilung des Senats nicht an einen Ausschuss überwiesen wird und doch dringend einer Debatte und Diskussion bedarf. Diese Mitteilung des Senats ist völlig unvollständig. Sie lässt allein beim Durchlesen so viele Fragen offen, dass man sicherlich den Innenausschuss in einer sehr langen Sitzung damit beschäftigen könnte. Ich frage mich immer wieder – gerade nachdem Herr Jäger gesagt hat, dass der Innenausschuss so viel zu tun hätte und ich das so verstanden habe, dass die CDU-Fraktion in dem Innenausschuss etwas tun möchte –, warum sie an dieser Stelle zu einer Überweisung nicht bereit ist.
Die Drucksache beschäftigt sich mit einem Thema, nämlich der Verlagerung der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung, das wir nicht zum ersten Mal im Parlament diskutieren. Wir haben seit vielen Jahren die Debatte über die Art und Weise der Unterbringung von Flüchtlingen, die hierherkommen, deren Status in den ersten Monaten noch ungeklärt ist. Dies sind entweder Asylantragsteller und -antragstellerinnen oder halten sich hier mit einer Duldung auf, sind also ausreisepflichtig, sind jedenfalls über die ersten Monate ihres Aufenthalts in Hamburg aus gesetzlichen Gründen unterzubringen.
Es gab lange Debatten über die Art und Weise der Unterbringung. Jetzt haben wir die Situation, dass sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge um circa ein Zehnfaches verkleinert hat und die Unterbringung aus Kapazitätsgründen relativ leicht ist, der Senat dieses aber aus rechtlichen und haushalterischen Gründen verändern will.
Seit zwei Jahren ist die Behörde dabei, mit MecklenburgVorpommern eine so genannte Verwaltungsverordnung zu erarbeiten. Seit zwei Jahren versuche ich – auch mit Schriftlichen Kleinen Anfragen –, diese Verwaltungsvereinbarung inhaltlich ein bisschen besser zu verstehen und erhalte jedes Mal die Antwort: Der Senat hat sich noch nicht damit befasst, die Verwaltungsvereinbarung liegt noch nicht vor. Jetzt liegt sie vor, wir haben eine Drucksache, und nun verhindert die CDU, dass wir uns damit befassen können. Das, meine Damen und Herren, finde ich nicht nur eine Unverschämtheit, sondern auch eine gewaltige Ignoranz gegenüber den Fragen, die sich in dieser Drucksache noch stellen.
Deswegen appelliere ich noch einmal an Sie, hier eine parlamentarische Befassung zuzulassen. Es ist ein Thema, das in dieser Stadt nicht einfach wie ein Sack Reis verschoben werden kann, sondern hier handelt es sich um Menschen, die sich über Monate zu Recht in dieser Stadt aufhalten, die wir zu versorgen und zu verpflegen haben und denen wir rechtliche Möglichkeiten geben müssen, ihren Aufenthalt zu klären. Die können wir nicht einfach ohne jede politische Debatte in eine Einrichtung verschicken, wenn wir überhaupt nicht wissen, welche soziale Betreuung möglich ist, welche rechtliche Zuständigkeit es gibt – der Senat selber sagt, dass das noch ungeklärt ist – und wie sich eigentlich die Kosten der Unterbringung wirklich aufteilen. Es fehlen die Details und wir brauchen die parlamentarische Befassung zu diesem Thema.
Das Wort bekommt sodann der Abgeordnete Ploog, ebenfalls für eine Erklärung nach Paragraph 26 Absatz 6.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Möller, ich darf zunächst einmal zurückweisen, es sei eine Unverschämtheit, dass wir eine parlamentarische Befassung nicht zuließen. Sie hätten das ja als Tagesordnungspunkt anmelden können, wenn es Ihnen so wichtig ist. Die Sache insgesamt ist in der Tat wichtig, aber wer diese Drucksache aufmerksam durchgelesen hat, wird festgestellt haben, dass die sich eigentlich von selbst erklärt.
Natürlich ist es klar, und deswegen haben wir es auch so gemacht. Es ist doch ganz einfach, worum es geht. Wir müssen die Menschen unterbringen nach Recht und Gesetz, so wie wir es gemacht haben. Ob die Unterbringungen nun immer first class waren oder ob das erforderlich gewesen wäre, weiß ich nicht, aber ich glaube, wer zu uns kommt in der Not, weil er unter Verfolgung leidet oder vorübergehend vor einem Krieg flieht, der hat eine vernünftige, anständige Behandlung verdient. Die haben wir ihm immer gewährleistet und wichtig ist, dass die auch gewährleistet bleibt.
Klar ist, dass die Kapazitäten überall zu groß sind. Es gibt die sinkenden Zahlen, auf die in der Drucksache hingewiesen worden ist. Da macht es doch Sinn, diese Möglichkeiten einer Kooperation, zum Beispiel mit Mecklenburg-Vorpommern, auszuüben. Dieses ist dargestellt. Einige Fragen sind zwar noch offen, aber es steht nirgendwo, dass diese Menschen a) soweit Hamburg für sie zuständig ist, nicht von Hamburg betreut werden, und b) dass sie rechtlos gestellt würden. Selbst die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist doch für Hamburg weiterhin gewährleistet,
wobei ich sagen muss, Frau Möller, dass ich zutiefst daran glaube, dass auch ein Verwaltungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern, in Thüringen oder sonst wo genauso nach Recht und Gesetz entscheidet und hamburgische Richter gar nicht anders handeln können als nach Recht und Gesetz.
Das scheint mir doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Das einzige, was diese Menschen möglicherweise beklagen, aber vielleicht gar nicht beklagen können, weil sie diese wunderschöne Stadt Hamburg nicht kennen, ist, dass sie nicht von vornherein in Hamburg in der Freizeit spazieren gehen können. Das ist nicht bösartig gemeint.
Ich kenne nun Horst bei Lauenburg nicht sehr genau – das ist wahrscheinlich ein kleines Dorf –, aber Sie wissen, dass diese Menschen dort vom Malteser Hilfsdienst betreut werden. Ich glaube, das ist eine anerkannte Hilfsgemeinschaft, eine ehrenamtliche Organisation, deutschlandweit. Da habe ich überhaupt keine Angst, dass den Menschen dort nicht Genüge getan wird und ihren Erfordernissen mannigfach nachgekommen wird.
Wenn es nun so wichtig gewesen wäre, auch noch zu erfahren, wie groß die Zimmer dort sind oder was Sie sonst alles noch wissen müssen, dann können wir da mal hinfahren und uns das angucken.
Nein, im Ausschuss werden Sie auch nicht klüger. Worum geht es eigentlich? Es geht darum, dass diese Menschen vernünftig behandelt, betreut und untergebracht werden, also auch vernünftig wohnen können. Das ist hier gewährleistet und um nichts Weiteres geht es. Wir müssen an allen Ecken und Enden sparen und warum wollen wir denn hier nicht sparen?
Das kostet uns viel Geld. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss sparen, überall wird gespart und da müssen wir es vernünftigerweise auch hier machen. Den Menschen geht doch nichts verloren. Die werden doch nicht sonst wo hingeschickt. Die werden auch nicht rechtlos gestellt, die werden auch nicht hungern oder dursten müssen,
sondern sie bekommen den Aufenthalt, der ihnen gut tut. Sie fühlen sich hier zunächst einmal sicher. Das wird auch dort gewährleistet sein. Deswegen macht es wenig Sinn, es hier so darzustellen, als wären viele Fragen offen. Das sieht meine Fraktion nicht so. Wir sind sehr dafür, dass wir dieses Verwaltungsabkommen mit Mecklenburg-Vorpommern abschließen und dort gemeinsam diese Erstaufnahmeeinrichtung betreiben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ploog, niemand hat bestritten, dass es möglicherweise sinnvoll sein kann, diese Zusammenlegung durchzuführen. Niemand hat bestritten, dass damit auch Gelder vernünftig neu anders organisiert werden können. Das hat aber auch Frau Möller nicht getan. Sie hat Ihnen vorgeworfen, was schlicht und einfach stimmt. Sie wollen sich mit dieser Materie im Ausschuss nicht befassen und Sie haben hier kein Wort gesagt, warum eigentlich nicht.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Dietrich Rusche CDU: Das ist falsch! – Hans-Detlef Roock CDU: Das erklärt sich von selbst!)
Es macht doch Sinn – das hat Frau Möller auch schon genannt –, wenn wir davon ausgehen, dass sich innerhalb von sechs Jahren die Neuzugänge um mehr als 90 Prozent reduziert haben, es sich hier gleichzeitig um Bundesgesetzgebungen handelt, dass man dabei auch mit anderen Bundesländern kooperiert. Darüber muss man auch nachdenken und das wurde auch getan. Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Ploog, dass sich nicht auch Ihnen zu der Drucksache – und es wäre zu schön, wenn wir die einmal durchgehen würden – eine Menge Fragen stellen.
Es steht nirgendwo – wie Sie eben gesagt haben –, dass die Leute nicht betreut werden. Aber es steht dort auch nicht genau drin, wie sie in Zukunft betreut werden und darauf kommt es schon an.
Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel hierzu. Hamburg gibt sehr viel Geld aus, damit junge Flüchtlinge beispielsweise in Equal-Projekten eine Ausbildung machen können. Die jungen unbegleiteten Flüchtlinge sollen da ja nicht hin, aber die mit Familien schon. Jetzt frage ich mich, wie man das weiter gewährleisten will. Sollen die dann 65 Kilometer hier herfahren und 65 Kilometer wieder zurückfahren?
Na ja, mit der wenigen Zeit haben wir ja Erfahrung. Ich glaube, man kann sich logistisch sehr viele Fragen dazu stellen.
Ein letzter Punkt dazu. Ich habe in der Haushaltsdebatte im Innenausschuss am letzten Freitag und auch am Dienstag in der Haushaltsdebatte im Sozialausschuss die Fragen gestellt – übrigens hat Frau Möller das noch viel dezidierter im Innenausschuss getan –, wo sich die Zahlen aus dieser Drucksache finden lassen. Der Senat war weder am Freitag im Innenausschuss noch am Dienstag im Sozialausschuss in der Lage, uns zu sagen, wo nun diese Zahlen genau stecken. Das Ganze ist für uns einfach undurchsichtig und ein Parlament sollte sich so nicht abspeisen lassen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren. Ich will ein paar konkrete Fragen aufwerfen, um Beispiele zu geben, welche Fragen in dieser Drucksache ungeklärt sind und welche Fragen sich überhaupt nicht für eine Plenumsdiskussion eignen, sondern im Ausschuss erörtert werden müssten. Ich mache das auch, weil Hamburg eine Verantwortung für diese Menschen hat. Hamburg hat rechtliche Pflichten, Hamburg hat die Pflicht, bestimmte Rechte dieser Menschen, die teilweise in ihrer Heimat ihrer Rechte beraubt worden sind, zu gewährleisten. Deswegen ist es wichtig. Ich finde, es stellt sich auch die politische Frage, ob das eine Angelegenheit ist, dass sich Hamburg einer unangenehmen Pflicht entledigt oder ob Hamburg sicherstellt, dass die eigene Pflicht an einem anderen Ort erfüllt wird.
Erstes Beispiel, Residenzpflicht. Wir wissen, dass Flüchtlinge sich nicht unbegrenzt in der Bundesrepublik aufhalten dürfen. Das ist so geregelt. Sie dürfen sich in der Regel nur innerhalb des Landkreises aufhalten. Flüchtlinge, die in Hamburg sind, dürfen sich in Hamburg aufhalten. Wie ist das mit den Flüchtlingen, die sich in dieser Unterkunft aufhalten? Dürfen sie sich dort aufhalten, in dem Umkreis und in Hamburg oder nur dort? Diese Frage ist ungeklärt. Wenn diese Frage für die Flüchtlinge nicht hinreichend klar ist, sind sie in der Gefahr, Straftaten zu begehen, die auf Dauer Nachteile für sie bringen können.
Zweites Beispiel, die gerichtliche Zuständigkeit. Das steht sogar in der Drucksache. In der Drucksache steht:
"Die Frage der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit für asylverfahrensrechtliche Streitigkeiten konnte nicht abschließend geklärt werden."
Das kann eigentlich keinen Abgeordneten zufriedenstellen. Da reicht es nicht aus, dass der nette Herr Ploog sagt, das ist dann irgendwie jetzt klar. Das können wir doch so und so mit den Gerichten machen.
Das reicht nicht aus. Hier muss der Senat eine verbindliche Auskunft geben. Die kann er hier im Plenum geben, aber eigentlich wäre genau das eine Frage, die im Ausschuss beantwortet werden muss.