Protocol of the Session on June 29, 2006

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Mit der Verabschiedung der beiden Kirchenstaatsverträge reiht sich unsere Stadt endlich bundesweit in ein gültiges System abgeschlossener Verträge zwischen Staat und Kirche ein. Ich gestehe, wir hätten das auch früher haben können. Damit meine ich jetzt nicht 40 Jahre SPD.

(Dr. Mathias Petersen SPD: 44! – Michael Neumann SPD: zwei Jahre Schill!)

Ich will da nicht um ein paar Jahre streiten.

Wäre da nicht jene Person gewesen, die heute offensichtlich nicht mehr auffindbar ist, und damals meinte, nicht vor der Obrigkeit knien zu wollen. Das hatte damals auch niemand verlangt, trotzdem platzten die Verhandlungen. Ich gestehe, ich war darüber absolut nicht begeistert, aber in jeder Niederlage, meine Damen und Herren, schlummert auch eine neue Chance. Die haben der Bürgermeister Ole von Beust und die Hamburger CDU trefflich genutzt. Denn wir haben nicht nur, wie ursprünglich geplant, mit der Nordelbischen Kirche verhandelt, sondern wir haben die römisch-katholische Kirche mit in das Boot hineingeholt. Das war gut so.

(Michael Neumann SPD: Das war die Forderung der Kirche!)

Somit sind wir zu Vertragsergebnissen mit den beiden großen christlichen Kirchen in Hamburg gekommen. Jetzt endlich begegnen sich die Vertragspartner gleichberechtigt auf Augenhöhe. Das ist zum Vorteil aller Beteiligten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Nun kann man die Frage stellen, warum brauchen wir Kirchenstaatsverträge? Ich glaube, es bedarf da eines kleinen Ausflugs in etwas grundsätzlichere, wertorientiertere Überlegungen. Die christlichen Kirchen, meine Damen und Herren, haben über Jahrhunderte hinweg das Werteverständnis Europas basierend auf der Grundlage

biblischer Überlieferung geprägt. Die Würde und Gleichheit der Person, die Achtung der Menschenrechte, die Anerkennung des Gemeinwohls als Ziel und Kriterium des politischen Lebens, Solidarität mit den Schwachen der Gesellschaft statt Ausbeutung sind Werte eines christlichen Menschen- und Gesellschaftsbildes.

Dieses Werteverständnis, meine Damen und Herren, hat seine tiefe und eigentliche Grundlage in einem Menschenbild, das nicht willkürlich ist, sondern einem Anspruch nach Gerechtigkeit entspricht, der über eine gültige, sichtbare Ordnung hinausweist. Ein Ernstnehmen, meine Damen und Herren, dieses Menschenbildes ist ein Garant gelingender solidarischer Demokratie.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Barbara Brüning und Dr. Andreas Dressel, beide SPD)

Die christlichen Kirchen sind die gesellschaftliche Kraft, die dies wach halten und in ihrer Soziallehre fruchtbar für die gesellschaftliche Entwicklung einbringen. Wer dies in Frage stellt, stellt die Arbeit der Krankenhausseelsorger, der Gefängnisseelsorger, der Beraterinnen und Berater der Sozialstationen, der Betreuerinnen und Betreuer von Obdachlosen, der Seelsorger bei Polizei und Feuerwehr und der vielen haupt- und ehrenamtlichen Kirchenmitgliedern in Frage.

Kirche und Staat drücken sich in Organisationsformen aus, die kein Selbstzweck sind, sondern im Dienst des Menschen stehen. Beide können ihren Dienst umso wirksamer leisten, je mehr und besser ihr Zusammenwirken auch rechtlich geregelt ist. In klaren vertraglichen Regelungen zwischen Staat und Kirche garantiert die staatliche Autorität den Kirchen die Freiheit, die notwendig ist, damit die Kirchen ihre gesellschaftliche Funktion wahrnehmen können. Da diese Funktion nicht nur im Hinweis auf eine Gerechtigkeit beruht, der wir uns zu verantworten haben, sondern auch im konkreten Handeln in fast allen gesellschaftlichen Bereichen besteht, haben die Kirchen auch einen berechtigten Anspruch auf juristische Anerkennung in Form von Staatsverträgen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Gerade in Zeiten eines wahrzunehmenden ethischen Relativismus, möchte ich einmal sagen, ist es auch für das Gelingen des gesellschaftlichen Lebens wichtig, das unabhängige Handeln der Kirchen vertraglich zu gewährleisten.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Kirchenstaatsverträge werden damit zu einem Gewinn einer modernen Gesellschaft. Umgekehrt werden die Religionsgemeinschaften gezwungen, sich durch die Einbindung der Religionen in den öffentlichen Diskurs immer wieder auch mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen neuen Herausforderungen und Anforderungen der Moderne auseinanderzusetzen. Das nenne ich gelungene Partnerschaft.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

In der Präambel der beiden Kirchenstaatsverträge wird das Selbstverständnis von Kirche und Staat geregelt, wie man sich sozusagen miteinander verhalten will, nämlich zum Beispiel sich regelmäßig miteinander zu besprechen, Absprachen zu treffen und auch einzuhalten. Die Verträge enthalten eine Freundschaftsklausel, kein Liebesbegriff, sondern er meint die Einforderung von einvernehm

lichen Lösungen in Konfliktfällen. Er stellt nicht das Harmoniebedürfnis dar, sondern ist ein, ich will mal sagen, knallhartes Instrument des Drucks, um sich im Interesse der Sache zu einigen.

Konkret werden in diesen Verträgen viele Dinge geregelt. Ich möchte einige kurz erwähnen, zum Beispiel den katholischen Religionsunterricht in staatlichen Schulen, der bundesweit üblich ist. Dort werden wir sicherlich noch Ausführungsbestimmungen erhalten, wie das organisatorisch geregelt ist. Wir haben einvernehmlich für den 21. September dieses Jahres eine Expertenanhörung in den Ausschüssen, die dafür zuständig sind, vereinbart, um uns über die Einführung von konfessionellem Religionsunterricht zu informieren

(Gerhard Lein SPD: Religion und Ethik!)

und um auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen.

Die Verträge beinhalten die Festschreibung und Regelung von Sonn- und Feiertagsrecht. Ich glaube, – gerade vor dem Hintergrund, was ich vorhin zu den christlichen Werten ausgeführt habe – dass dies gut ist, meine Damen und Herren, dass wir einen Schutz kirchlicher Feiertage als Bestand, zwar nicht staatlich festschreiben, trotzdem verdienen kirchliche Feiertage unseren besonderen Respekt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Kirchliche Denkmalpflege darf keine Einbahnstraße sein. Wenn wir die Kirchen in ihrer Denkmalpflege unterstützen, müssen die Kirchen diese Denkmäler auch für die Bevölkerung öffnen. Das ist das, was dieser Staatsvertrag ausmacht, ein gegenseitiges Geben und Nehmen in beiderlei Interessen, und das ist gut so.

Förderungen der kirchlichen Bildungseinrichtungen sind ein weiteres Thema. Es ist gut, dass diese Verträge – bei aller Kritik, die von vielen Seiten kommt – endlich eine kluge Lösung im Bereich der Kita-Finanzierung gefunden haben. Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen die Kirche einen Eigenanteil von weit über 20 Prozent hatte, der langsam heruntergefahren worden ist. In der Konkurrenz zu anderen freigemeinnützigen Trägern darf die Kirche nicht übervorteilt werden. Wir haben jetzt eine Regelung gefunden, die vor dem Hintergrund von KitaGutscheinen Konkurrenz zulässt.

Nun wird von vielerlei Seite gesagt, es gäbe in diesen Verträgen keine Kündigungsklausel. Meine Damen und Herren, bei diesen Verträgen handelt es sich nicht um eine Leistungsvereinbarung, sondern um einen Grundlagenvertrag. Ich hatte eben schon einiges über die Freundschaftsklausel ausgeführt. Wenn keine Einigung erfolgt – auch nicht bei plötzlich stark veränderten Verhältnissen –, dann entfällt die Geschäftsgrundlage für diese Verträge und die Verträge sind damit auflösbar. Ich hoffe aber, dass es nicht dazu kommt.

Die einseitige Festschreibung von Staatsleistungen an die Kirchen, die auch immer wieder erwähnt wird, schreiben die Verträge ohnehin so fest, wie es bisher in vielen anderen Bereichen unserer Stadt gesetzlich geregelt ist, zum Beispiel bei der Seelsorge in Krankenhäusern und bei der Förderung kirchlicher Bildungseinrichtungen.

Es hat lange gedauert, aber wir sind am Ende dieser Verhandlungen, wir sind am Ende unserer Beratungen. Ich möchte allen Beteiligten von dieser Stelle aus für die

Arbeit danken, die sie in dieses Projekt investiert haben, und ich möchte auch gern noch einmal erwähnen, dass ich es toll fand, wie geräuschlos der Chef der Senatskanzlei, Herr Dr. Schön, diese Verhandlungen für die staatliche Seite geführt hat.

Gestatten Sie mir, abschließend ein Bild aus der Bibel zu zitieren, das für mich ein bisschen das Symbol dieses Abschlusses des Kirchenstaatsvertrags ist. Es steht bei Matthäus Kapitel 7, Vers 24 und 25. Viele von Ihnen werden es kennen, es ist die Gegenüberstellung des auf Sand und des auf Stein gebauten Hauses:

"Jeder nun, der diese meine Worte hört und sie tut, ist einem klugen Manne zu vergleichen, der sein Haus auf den Felsen baute. Und der Platzregen fiel und die Wasserströme kamen und die Winde wehten und stießen an jenes Haus; und es fiel nicht ein, denn es war auf Fels gegründet."

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Neumann.

(Olaf Ohlsen CDU: Ist der Kollege bibelfest?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Auf Initiative meiner Fraktion beschloss die Bürgerschaft Ende Oktober 2003, den Senat aufzufordern, einen Staatsvertrag mit der evangelischen Landeskirche abzuschließen. Wir erinnern uns alle an die unseligen Einlassungen des damaligen Zweiten Bürgermeisters und Innensenator – Herr Beuß, ich traue mich auch, seinen Namen zu nennen, es war Ronald Schill, Ihr Koalitionspartner –, die leider zur Einstellung der ersten Verhandlungsrunde führten.

Fast drei Jahre später stehen wir heute vor der Entscheidung, nicht nur über das vom Senat ausgehandelte Ergebnis mit der evangelischen Kirche zu beschließen, sondern auch über einen Staatsvertrag mit dem Heiligen Stuhl.

Das parlamentarisch Besondere an allen Staatsverträgen ist, dass die Bürgerschaft zwar solche Verhandlungen initiieren kann, das Ergebnis aber allein dem Geschick des Senats obliegt. Wir können dann am Ende des Prozesses lediglich ja oder nein zu diesem Ergebnis sagen.

Es ist in Hamburg das erste Mal in unserer Geschichte, dass es mit beiden christlichen Kirchen zum Abschluss solcher Staatsverträge kommt. Wir Hamburger und die Kirchen sind in der Vergangenheit nicht schlecht damit gefahren, gleichwohl haben wir uns als vorletztes Bundesland vor fast drei Jahren dazu entschlossen, Kirchenstaatsverträge abzuschließen.

Die besondere Klugheit unseres Verfassungsrechts besteht auch darin, dass es unseren Staat offen macht für die Religion der Bürger, ohne dass der Staat dadurch selbst religiös wird. Das bedeutet, wir als Staat haben weder eine Identifikation mit einer einzelnen Kirche oder mit unterschiedlichen Religionsgemeinschaften noch eine harte Trennung, wie wir sie etwa in Frankreich sehen können. Der Laizismus, wie wir ihn aus Frankreich kennen, scheint mir jedoch keine sinnvolle Strategie zur Lösung der aktuellen religions- oder weltanschaulichen

Herausforderungen zu sein. Wir Sozialdemokraten haben dies spätestens seit dem Godesberger Programm erkannt.

Trotzdem beraten wir heute über Staatsverträge mit den beiden christlichen Kirchen, nicht mit der christlichen Religion. Ich möchte mich deutlich dazu bekennen, dass dieses Recht auch anderen Religionsgemeinschaften offen stehen muss. Das heißt natürlich auf der einen Seite, wir können und müssen erwarten, dass sich Gesprächspartner beispielsweise aus dem Islam heraus entwickeln müssen, die eine ausreichende Legitimität besitzen. Andererseits stehen wir als Staat und Gesellschaft in der Verantwortung, eine solche Entwicklung ehrlich zu unterstützen, denn das liegt im Interesse der Stadt, der Menschen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es macht, so glaube ich, Sinn, dass sich der Staat einerseits das positive Wirken religiöser und weltanschaulicher Gruppen zunutze macht, auf der anderen Seite jedoch auch klar und unmissverständlich seine, wie Herr Dr. Heinig in der Anhörung des Verfassungsausschusses sagte, soziale Hausordnung durchsetzt. Gleichwohl wir heute zwei Kirchenstaatsverträge mit christlichen Kirchen beraten und beschließen werden, schließen wir diese Verträge nicht, weil wir den Protestantismus oder die katholische Lehre für die einzig wahre Glaubensrichtung halten, sondern wir schließen sie aus säkularen Gründen.

Wenn andere Religionsgemeinschaften oder weltanschauliche Gruppen ähnliche Mitgliederzahlen, ähnliche Relevanz aufweisen, dann wird das auch ein Anlass sein, mit diesen gleichfalls über Verträge zu verhandeln.

Meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Die vom Senat ausgehandelten Ergebnisse stellen nicht alle Mitglieder meiner Fraktion zufrieden. So haben beispielsweise die Fragen der ewigen Laufzeit und der finanziellen Auswirkungen insbesondere im Bereich der Kindertagesstätten oder auch die Frage nach der Zukunft des Religionsunterrichts für alle zu intensiven Diskussionen geführt. Das spiegeln auch die Protokolle des Verfassungsausschusses wider.