(Karl-Heinz Warnholz CDU: Ach, Herr Kerstan wieder! – Gegenruf von Christa Goetsch GAL: Der hat mehr Ahnung als Sie, Herr Warnholz!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Uldall, Wirtschaftspolitik ist, wie man so schön sagt, zur Hälfte Psychologie. Von daher ist es eigentlich eine positive Eigenschaft eines Wirtschaftssenators, wenn er versucht, gute Stimmung zu machen.
Das mag bei einigen Debatten angebracht sein, aber grundsätzlich erwarte ich von einem Wirtschaftssenator der Freien und Hansestadt Hamburg mehr, als nur Büttenreden zu halten. Insbesondere, dass er, wenn er über industriepolitische Projekte redet, ein bisschen mehr Fachwissen mitbringt. Ihr Beitrag hat in großen Teilen gezeigt, dass Sie diese Fachkenntnis schmerzlich vermissen lassen.
Ich möchte ein paar Beispiele bringen. Verehrter Herr Uldall, Sie wollten Beispiele für Industrie in Hamburg aufzählen. Sie erwähnten Steinway-Klavierbau – das ist Kunsthandwerk, Sie erwähnten Wartung von Turbinen – das ist eine Dienstleistung. Wenn Sie schon nicht Dienstleistungen und Industrie auseinander halten können, dann sollten Sie nicht solche vollmundigen Beiträge bringen, wie Sie es eben gerade getan haben.
Sie haben weiterhin gesagt, es hat in Deutschland noch nie eine Branche gegeben, die so viel produzieren kann, wie sie will, weil der Preis garantiert wird. Herr Senator Uldall, ich weiß, dass in Hamburg die Landwirtschaft keine große Rolle spielt, aber vielleicht sind Ihnen die EUFörderrichtlinien auch ein gewisser Begriff. In der Landwirtschaft wurde von Brüssel jahrelang ein Preis garantiert und die Bauern konnten jede beliebige Menge zu diesem garantierten Preis absetzen.
(Barbara Ahrons CDU: Davon wird es nicht bes- ser! – Wolfhard Ploog CDU: Das stimmt doch gar nicht!)
Das traf in der Vergangenheit auf 70 Prozent des EUHaushalts zu und wird gerade jetzt erst mühsam geändert.
Herr Uldall, wenn Sie hier beispielsweise von Scheußlichkeiten reden, dann haben Sie von Ökosteuern keine Ahnung. Man kann natürlich über Instrumente streiten, auch über deren Wirkungen und ob es vielleicht bessere Möglichkeiten gibt, aber mit diesem Begriff haben Sie den Boden jeder sachlichen Debatte verlassen. Durch diese "Scheußlichkeiten" wurden in Deutschland in den letzten Jahren 120 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Angesichts vier Millionen arbeitsloser Menschen werden das die Menschen, die diese Arbeitsplätze haben, mit Sicherheit nicht als Scheußlichkeit empfinden.
Trotz Milliardensubventionen sind in Deutschland in den Industrien, die Sie jetzt unbedingt schützen wollen – Stahl, Aluminium- und Kupferhütten –, im gleichen Zeitraum Arbeitsplätze abgebaut worden. Daran wird deutlich, dass das eine rückwärts gewandte Politik ist. Im Energiebereich haben diese Industriebetriebe durch das Durchleitungsgesetz die Möglichkeit erhalten, ihre Energiekosten unglaublich zu senken. Das trifft gerade für Großbetriebe zu, die durch dieses Gesetz in den letzten Jahren ihre Energiekosten massiv senken konnten. Trotzdem haben diese energieintensiven Betriebe in Hamburg im Moment ein Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit. Das zeigt, dass dies nicht der zukunftsweisende Weg sein kann. Wir reden von einem ehemaligen Staatsbetrieb, der HEW, der Preissubventionen gewährt hat, um damit diese alten Industrien am Leben zu erhalten. Wir können diese Politik nicht unbegrenzt weiterführen. Das trifft ebenfalls für die Kohlepolitik zu. Das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen.
Darum möchten wir eine Lanze für neue Industrien brechen. Herr Uldall, das ist das, was ich gemeint habe: Die erneuerbaren Energien sind nicht der einzige Wachstumsbereich in Deutschland, aber es ist die einzige Industrie, mit der wir in den letzten zehn Jahren am Weltmarkt eine führende Rolle errungen haben. Ansonsten haben wir eine führende Rolle nur bei Industrien des 19. und 20. Jahrhunderts; bei den Zukunftstechnologien des 21. Jahrhunderts hinken wir hinterher. Die einzige Ausnahme sind erneuerbare Energien.
Im "Hamburger Abendblatt" steht heute: Das Öl ginge aus und man brauche dort neue Lösungen. Deutschland ist bei neuen Lösungen führend und wir dürfen jetzt nicht so opportunistisch sein, diesen Wettbewerbsvorteil, den wir mühsam errungen haben, so leichtfertig, wie Sie, Herr Uldall, das hier tun, aufs Spiel zu setzen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil sowohl das, was Herr Kerstan gesagt hat, als auch das, was Herr Senator Uldall gesagt hat, einer Antwort bedarf.
Erstens: Herr Kerstan, ich würde Betriebe wie die Norddeutsche Affinerie, die Aluminiumwerke und die Hamburger Stahlwerke nicht als alte Industrie abtun. Wir sollten in aller Ruhe darüber diskutieren, wie viel Grundstoffindustrie die deutsche Volkswirtschaft braucht – dazu gehören diese Betriebe – und ob wir es uns erlauben können, sämtliche Produkte der Grundstoffindustrien in Ländern der Dritten Welt einzukaufen und damit neue Abhängigkeiten entstehen zu lassen. Man sollte hier nicht so einfach von alten Industrien sprechen, die zugemacht werden sollen,
sondern man sollte darüber nachdenken und dann in aller Ruhe darüber diskutieren. Das können wir gern im Wirtschaftsausschuss.
Zweitens: Herr Senator Uldall, ich muss mich dem Kollegen Kerstan in dem Punkt anschließen, dass er Sie kritisiert, weil Sie als Wirtschaftssenator der Stadt die energiepolitischen Maßnahmen, die auf Bundesebene getroffen worden sind, als Scheußlichkeiten bezeichnen.
Auch hier, Herr Senator Uldall, ist es angebracht, einen Moment zu verharren und darüber nachzudenken. Die Diskussionen, die wir in den Achtzigerjahren zu den Themen Umwelt, Atomkraft und Energiesparen hatten, sind natürlich in den letzten Jahren ein bisschen verschüttet worden. Aber es ist doch so, dass Rohstoffe und Energieträger wie Öl und Kohle endlich sind. Vor dem Hintergrund ist eine Volkswirtschaft wie in Deutschland, wo es als einzigen Energierohstoff nur Kohle gibt – mit allen Umweltproblemen, die es gibt –, gut beraten, darüber nachzudenken, in welcher Form regenerative Energien eingesetzt und in welcher Form Energiesparmaßnahmen durchgeführt werden können.
Daher meine Aufforderung: Lassen Sie uns über diese Frage in aller Ruhe und ohne Emotionen im Umweltausschuss oder im Wirtschaftsausschuss diskutieren, ohne für die Galerie und die Presse zu reden. Ich glaube, dann kommen wir zu vernünftigen Ergebnissen. – Vielen Dank.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 26, Drucksache 18/245, Antrag der CDU-Fraktion: Zweistufige Schulstandortplanung – breite Beteiligung von Anfang an.
[Antrag der Fraktion der CDU: Zweistufige Schulstandortplanung – breite Beteiligung von Anfang an – Drucksache 18/245 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Moratorium bei der Schulstandortplanung – faire Entwicklungschancen für alle Schulen – Drucksache 18/313 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frage, was mit ihrer Schule passiert, ist für viele Menschen außerordentlich wichtig. Sie betrifft nicht nur Schüler, Eltern und Lehrer, sondern auch Sportvereine, Kindertagesstätten, Stadtteilkonferenzen, Jugendzentren und viele andere.
Nun nehmen wir das Elternwahlrecht sehr ernst und wir beschäftigen leider in der Bildungsbehörde auch keine Hellseher.
(Dr. Willfried Maier GAL: Noch nicht einmal Seher! – Gegenruf von Bernd Reinert CDU: Alle von euch bekommen!)
Wir werden daher auch mit der größten Sorgfalt nie so exakt zehn Jahre im Voraus planen können, dass Nachkorrekturen zum Schuljahresbeginn völlig entbehrlich werden. Aber wir können vermeiden, dass sich mehrere Kleinstandorte in einer Region gegenseitig die Schüler abjagen, nur um ihr eigenes Überleben zu sichern. Wir können vermeiden, dass wir heute Schulen renovieren, um sie morgen zu schließen, und wir können leistungsfähige starke Schulen schaffen mit attraktiven Wahlfächern, mit umfangreicher Differenzierung und mit außerschulischen Angeboten.
Wir wollen nicht, dass die Mittel für die Sprachförderung weiter dafür missbraucht werden, unterfrequentiert Klassen zu subventionieren, sondern dass sie dafür eingesetzt werden, Kinder gezielt zu fördern.
Dafür brauchen wir eine neue Schulentwicklungsplanung und da sind wir uns, glaube ich, auch alle einig. Einig sind wir uns zudem darin, dass wir bis zum Ende dieses Jahres fertig sein müssen, damit die Eltern vor der nächsten Anmelderunde wissen, woran sie sind.
Liebe Frau Goetsch, wenn ich Sie richtig verstanden habe, begrüßen Sie es – so haben Sie es gestern jedenfalls im Schulausschuss gesagt –, dass wir mit der Beteiligung der Betroffenen vor Ort Ernst machen. Anders als unter SPD-Regierungen üblich, wird also nicht vom grünen Tisch eine Konzeption vorgelegt,
sondern die Bildungsbehörde wird sich zunächst ausdrücklich und ganz gezielt darauf beschränken, eine IstAnalyse und die Prognosen der Schülerzahlen vorzulegen.
Also: Wie entwickeln sich die Schülerzahlen in den Schulkreisen? Welche Standorte gibt es dort? Wie sind die bisherigen Frequenzen? Wie ist der bauliche Zustand der Schulen und was ist sonst noch wichtig zu wissen? Es liegt dann in der Verantwortung der Gremien vor Ort, diese Verantwortung, die sie mit dem Verfahren bekommen, zu nutzen. Eines muss klar sein: Ein einfaches "weiter so" oder gar eine Stellungnahme nach dem Sankt-Florians-Prinzip würden das Ziel verfehlen.