Protocol of the Session on May 26, 2004

Ich möchte aber vorweg noch sagen, dass ich mich über die Rede von Ihnen, Herr Egloff, sehr gefreut habe. Ich hoffe, diese Bemerkung schadet Ihnen jetzt nicht innerhalb der Fraktion,

(Ingo Egloff SPD: Es ist ja schon vorbei!)

denn es wurde hier noch einmal etwas deutlich, das über viele Jahre Tradition in der Hamburgischen Bürgerschaft

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ist. Es gibt bestimmte Angelegenheiten, bei denen das Interesse der Stadt im Vordergrund steht und die parteipolitischen Überlegungen zurücktreten müssen. Sie haben, obwohl Sie natürlich auch Kritikpunkte an Uldall gefunden haben – völlig zu Recht, kann ich nur sagen, so muss es in einer Parlamentsdebatte sein –, unterstrichen, dass es weite Felder gibt, auf denen wir gemeinsam an der Zukunft Hamburgs arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Hamburger halten einige Perlen versteckt. Ich will einmal einige ausgefallene Punkte nennen, was wir auf dem Sektor Industrie anzubieten haben, wo jeder sagt, das wissen wir in Hamburg, aber es wird nicht darüber gesprochen. Nehmen wir einmal New York, da wird bei der UNO ein Vertrag unterzeichnet. Dieser Vertrag wird in der Regel mit einem Füller der Marke Montblanc unterzeichnet, gefertigt in Hamburg. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU, bei Dr. Andrea Hilgers und Ingo Egloff, beide SPD)

Oder wenn in Moskau Ashkenasi ein Konzert auf einem wundervollen Flügel gibt, dann ist dieses in der Regel ein Flügel von Steinway, gefertigt in Hamburg. Das sind alles Dinge, die wir vergessen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Das ist das Handwerk!)

Wenn ein Passagier von Sydney nach Hongkong mit der Cathay Pacific fliegt, also nicht irgendeiner örtlichen Gesellschaft in Norddeutschland, dann fliegt er in einem Flugzeug, dessen Triebwerke bei der Lufthansa Technik in Fuhlsbüttel gewartet werden; die sind weltweit aufgestellt.

(Beifall bei der CDU)

Oder wenn Sie einmal eine Reise machen und in Sydney, Sao Paulo oder Kalkutta einen DaimlerChrysler fahren sehen, irgendwo auf der Welt, dann ist die Nockenwelle dieses Fahrzeugs in Hamburg-Neugraben gefertigt; darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg hat viel mehr an Industrie zu bieten, als wir es im Allgemeinen vermuten und das ist gut, denn ein Dienstleistungsstandort kann auf Dauer nur dann existieren, wenn es auch eine kräftige Industrie in diesem Bereich gibt. Deswegen müssen wir uns auch verstärkt um die Industrie in Hamburg bemühen. Die Industrie ist auch Motor für Innovation und Fortschritt. Mit seinem Knowhow entwickelt ein Industriebetrieb auch einen Beitrag für die wachsende Stadt, weil wir im Wettbewerb der Länder und der Regionen somit einige Dinge hinzugewinnen, die alleine durch eine Universität oder Hochschule nicht entwickelt werden können, sondern dazu bedarf es sehr häufig einer Verbindung von Praxis und Industrie.

Wir brauchen in Hamburg einen ausgewogenen Branchenmix. Wir wollen die industrielle Kompetenz stärken. Sie ist integraler Bestandteil aller Maßnahmen, die wir betreiben, um Hamburg als eine wirtschaftsfreundliche Stadt weiter voranzubringen.

Hier ist schon verschiedentlich über das Wort "ClusterPolitik" debattiert worden. Es ist richtig, nichts ist so neu, wie es ein neues Wort meint zu vermitteln. Cluster heißt eben, dass man gewisse Schwerpunkte bildet und auf

diese Schwerpunkte seine Bemühungen konzentriert und das ist richtig. Man kann nicht überall gleichzeitig sein, man kann nicht seine ganze Energie mit einer Gießkanne verstreuen, sondern muss bestimmte Schwerpunkte, wo man stark ist, weiter herausstellen und hier Energie investieren und das tun wir bei den vorhin genannten Clustern.

Darin fest eingebunden sind nicht nur die Unternehmen, sondern dazu gehört auch die Forschungskapazität, die wir an den Hochschulen in Hamburg haben, dazu gehört die Verbindung zu entsprechenden guten Fachschulen in der Ausbildung. Herr Dr. Mattner hat ein paar Beispiele genannt, zum Beispiel die neue Logistikschule. Dazu gehört eine besondere Orientierung und Aufgeschlossenheit in der Politik, aber auch ein breiter Kranz mittelständischer und kleiner Unternehmer, die als Zulieferer, als Dienstleister, als Spezialisten für diese Betriebe in diesem Cluster mit tätig sind. Und da gibt es Felder in Hamburg, wo wir hervorragend sind. Das sollten wir in einer Debatte nicht klein reden, sondern wir sollten uns freuen, dass wir hier Positives aufzuweisen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen, dass der Standort Deutschland ein Problem hat, das im hohen Lohnniveau, in den hohen Personalzusatzkosten liegt. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass das Rückführen der Personalzusatzkosten nicht so schnell geht und wir das hohe Lohnniveau natürlich auch in Deutschland halten wollen, um einen hohen Lebensstandard zu sichern, dann müssen wir uns überlegen, ob wir andere Felder haben, wo das Lohnniveau nicht eine solche gewichtige Rolle im internationalen Wettbewerb spielt. Da nenne ich drei Felder, die eben von Herrn Kerstan abgetan wurden, als sei das etwas Schlechtes. Ich nenne Aluminium, Kupfer und Stahl, drei Felder, die weit davon entfernt sind, irgendeine veraltete Industrie zu sein, die auf einem hohen technologischen Standard sind und in denen in Hamburg tausende von Menschen beschäftigt sind. Herr Kerstan, solche Bemerkungen, wie Sie sie hier gemacht haben, sind absolut fehl am Platz.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

In diesen drei eben genannten Bereichen sind nicht die Personalkosten der entscheidende Faktor, sondern die Energiekosten. Wenn wir in Deutschland Schwierigkeiten mit den Personalkosten haben, dann dürfen wir doch nicht den gleichen Fehler machen, indem wir die Wettbewerbsvorteile dieser Betriebe, dass sie eben nicht personalintensiv, sondern energiekostenintensiv sind, kaputtmachen und die Energiepreise bei uns in Deutschland nach oben treiben.

(Beifall bei der CDU)

Allein die drei vorhin genannten Betriebe verbrauchen in Hamburg 25 Prozent des gesamten Stromaufkommens. Das heißt, die Strompreise sind für diese Unternehmen von absoluter Bedeutung. Deswegen darf auf gar keinen Fall die Energiepolitik mit Umweltpolitik gleichgesetzt werden, sondern wir müssen beides haben. Energiepolitik ist auch ein Stück Wirtschaftspolitik und es gibt keinen schnelleren Weg, diese Betriebe kaputtzumachen, als ohne Rücksicht auf Verluste die Energiepreise nach oben zu führen.

Herr Kerstan hat in dem Zusammenhang schon einige Schreckensnamen aufgeführt: Ökosteuer, Kraft-Wärme

Kopplung, Erneuerbare-Energien-Gesetz und was es da alles für Scheußlichkeiten auf diesem Gebiet gibt.

(Beifall bei der CDU und Zurufe von der GAL)

Ich fand aber noch etwas ganz anderes, sehr Besonderes in der Rede, dass er sagte, die Windenergie oder die erneuerbaren Energien seien das einzige Wachstumsfeld in Deutschland.

(Jens Kerstan GAL: Das habe ich nicht gesagt! Ein neues Wachstumsfeld!)

Gut, korrigieren Sie das nachher noch einmal, kommen Sie nach vorne.

Gucken wir uns dieses neue Wachstumsfeld einmal an, Herr Kerstan. Bei dem Wachstumsfeld handelt es sich um das einzige Produkt in Deutschland mit Abnahmegarantie. Es ist der durch erneuerbare Energien erzeugte Strom, von dem sie als Unternehmer so viel herstellen können wie sie wollen und bei dem sie die gesetzliche Garantie haben, dass ihnen dieses Produkt abgenommen werden muss, und zwar zu einem exakt vorgegebenen Preis. Das gibt es nirgendwo anders in der Wirtschaft, in keiner anderen Branche.

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: In der Landwirtschaft!)

Wenn zum Beispiel den Bäckern erlaubt würde, so viele Brötchen zu produzieren, wie sie wollten und sie die Garantie hätten, dass ihnen diese Brötchen für soundsoviele Cent von den Einzelhändlern abgenommen werden müssten, dann würden wir einen Boom bei den Bäckereien in Deutschland erleben, der sogar den Boom bei der Windenergie noch in den Schatten stellen würde, aber eine Wirtschaft können Sie so nicht führen.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Farid Müller?

(Der Redner gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Herr Senator, diese Scheußlichkeit steht in Ihrem eigenen Regierungsprogramm. Warum wollen Sie die dann zum Cluster ausbauen, wenn Sie die so scheußlich finden?

(Beifall bei der GAL)

Ich habe nichts davon gesagt, dass wir einen Cluster aufbauen wollen,

(Christa Goetsch GAL: Es steht in Ihrem Regie- rungsprogramm!)

verehrter Kollege Müller, sondern dass wir uns alle daran machen müssen, damit durch diese politischen Vorgaben aus Berlin nicht auch noch eine Wirtschaftsbranche kaputtgemacht wird, die heute absolut wettbewerbsfähig ist, weil sie bisher auf einer vernünftigen Kostenbasis kalkulieren konnte. Es ist verwerflich, wenn von Ihrer Seite eine entsprechende Verteuerung der Energie vorgenommen wird, die tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland gefährdet.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte gerne noch einen Gedanken aufgreifen, der von Herrn Mattner und von Herrn Egloff genannt worden war, nämlich Stichwort Airbus. Ich freue mich, dass wir in diesem Hause in diesem Punkte mit der breiten Mehrheit eine einhellige Einschätzung haben. Auch der Senat bedauert die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, aber wir gehen davon aus, dass es bald zu einer schnellen Entscheidung kommen wird.

Die Bedeutung dieses Industrieprojekts geht weit über die eines einzelnen Unternehmens wie Airbus, weit über die Branche und auch weit über den Standort Hamburg hinaus. Es ist letztlich ein Prüfstein für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts insgesamt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wenn wir es hier nicht schaffen, ein Bauvorhaben schnell durchzuziehen, dann wird man – nach den vielen Desastern, die wir in den letzten Monaten mit unserer deutschen Wirtschaft erlebt haben – international mit dem Finger auf uns zeigen und sagen, ihr habt mit Airbus die Chance gehabt, ein modernes Industrieprodukt nach vorne zu entwickeln, aber ihr seid nicht in der Lage gewesen, dieses erfolgreich abzuschließen.

(Beifall bei der CDU)

Die Lage der deutschen Wirtschaft ist nicht besonders gut und es gehen in Deutschland jeden Tag mehrere tausend Menschen in die Arbeitslosigkeit. Wenn wir diese Chancen, die mit diesem neuen Flugzeug verbunden sind, nicht ergreifen, dann verliert der Kritiker an diesem wichtigen Industrieprojekt jedes Recht, über die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu klagen.

(Beifall bei der CDU)