Protocol of the Session on June 28, 2006

Die beantragen Sie. Sie konnten es sich schon denken, wenn Sie die Drucksache mit uns überweisen, dass die SPD-Fraktion bestimmt nicht darauf verzichten wird, eine solche Anhörung durchzuführen. Ich finde ich es gut – man soll nicht das Trennende suchen, hat der Bürgermeister vorhin gesagt –, dass wir jetzt einer Meinung sind, Herr Reinert, und zu diesem wichtigen Thema eine Anhörung durchführen werden.

Ziel unseres Antrags ist es, zum einen Transparenz zu schaffen. Diese Transparenz brauchen wir, damit wir über

das Thema entsprechend diskutieren und es weiterentwickeln können. Es geht darum, über Qualität zu sprechen, und es geht dann natürlich darum, darüber zu sprechen, wie wir diese Qualität zukünftig sicherstellen können. Welche Rolle haben die Berufsbetreuer zukünftig? Sie betreuen nur 30 bis 40 Prozent der Fälle, aber sie verschlingen letztendlich 75 Prozent der Kosten. Wie können wir es schaffen, dass sich die Qualität dort verbessert? Wie kann es mit Kontrollen aussehen? Aber wie kann es auch dahin gehend weiterentwickelt werden, dass wir mehr Qualifikationen schaffen, insbesondere im Bereich der ehrenamtlichen Betreuung.

Frau Bürgermeisterin, hinsichtlich der Betreuungsvereine – in Ihrem Haushaltsplan-Entwurf ist kein Zuwachs vorgesehen – gibt es eine Menge Spielraum, um noch einiges zu verbessern.

Ich glaube nicht, dass wir gut damit fahren, wie wir heute erfahren haben, in Betreuungsvereinen, die einen Aufgabenzuwachs erfahren haben, die Aufgaben dort erledigen zu lassen. Sie sollen dafür sorgen, dass es zur ehrenamtlichen Betreuung kommt und dass sie gut funktioniert. Wenn wir in manchen Betreuungsvereinen die Situation haben, dass sich lediglich zwei Mitarbeiter um 900 Betreuer kümmern müssen, führt das zum Ergebnis, dass nur noch irgendwelche Gruppengespräche oder große Veranstaltungen durchgeführt werden können, es keine notwendigen Einzelgespräche gibt und wir in diesem Bereich durchaus Handlungsbedarf haben.

(Beifall bei der SPD)

Das Betreuungsrecht, das 1992 neu geschaffen und 2005 reformiert worden ist, das auf Bundesebene evaluiert wird, wir uns aber auf Hamburger Ebene nicht aus der Verantwortung stehlen sollten, bringt den Betroffenen entsprechende Vorteile, es formuliert aber zugleich einen Anspruch an die Gesellschaft und an den Staat. Wir sollten alle gemeinsam diesem Anspruch gerecht werden. Im Sinne einer menschlichen Metropole müssen wir dafür sorgen, dass sich die Qualität der Betreuung in dieser Stadt weiter verbessert. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, noch mehr das Gemeinsame als das Trennende in diesem Punkt herauszuarbeiten.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist ja der Trend!)

Ich beginne damit, dass der Staat insgesamt eine sehr große Verantwortung in Sachen Betreuungsrecht hat, denn es geht natürlich – Herr Kienscherf hat darauf hingewiesen – um externe Eingriffe, um Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen, der betreut wird. Betreuer übernehmen – wenn Sie so wollen – praktische Lebensfunktionen des Betreuten.

Im Jahre 2002 wurde für über eine Million Menschen in unserem Lande eine Betreuung ausgeübt und die Zahl wird in unserer Gesellschaft steigen. Das heißt, wir haben es mit immer mehr Hilfsbedürftigen zu tun. Es geht dabei nicht nur um rechtspolitische oder fiskalische Fragen,

sondern es geht um Hilfe, es geht um Humanität, es geht natürlich auch darum, Missbräuche zu verhindern.

Der Fall Thea Schädlich in Schleswig-Holstein, deren Haus gegen ihren Willen von gerichtlich bestellten Betreuern verkauft worden ist, macht dies überdeutlich. Insbesondere durch die Berichterstattung in den Hamburger Medien rückte dieser Fall in den Fokus der Öffentlichkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren! 1992 bekamen wir mit dem Betreuungsgesetz, das anstelle der Vormundschaft über Volljährige sowie der Gebrechlichkeitspflegschaft trat, ein eigenes Gesetz. 1999 wurden durch das erste Betreuungsrechtsänderungsgesetz Präzisierungen in der Vorsorgevollmacht und in der Vergütung der Betreuung geschaffen. Die Folge war, dass die Kosten für die rechtliche Betreuung in den Ländern explosionsartig angestiegen ist, aber eine Verbesserung der Situation der Betroffenen nicht eintrat.

(Doris Mandel SPD: So ist es!)

Im letzten Jahr bekamen wir durch die Bundesratsinitiative Bayerns, Nordrhein-Westfalens und Sachsens die zweite Bundesrechtsänderung. Im Zusammenhang mit dieser Änderung hat das Bundesjustizministerium eine bundesweite Untersuchung in Auftrag gegeben, die in ihrem Umfang über die im Antrag formulierten Fragen noch hinausgehen. Es werden derzeit alle Gerichte, Betreuungsbehörden, Vereine und Berufsbetreuer zur Entwicklung im Betreuungswesen befragt. Die Ergebnisse sollen Aufschlüsse über Fallzahlen und Kostenentwicklungen geben und der erste qualifizierte Zwischenbericht soll Mitte 2007 vorgelegt werden. Auch die Justizministerkonferenz hat einen Erfahrungsaustausch der Länder zu den Ursachen der Kostensteigerungen im Betreuungswesen vereinbart.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden den SPDAntrag an den Sozialausschuss überweisen. Zweifel – das sage ich hier schon einmal vorab – haben wir, ob ein Bericht auf Landesebene vor dem Hintergrund der Untersuchung des Bundesjustizministeriums Sinn macht. Trotzdem wollen wir uns dieser wichtigen Thematik stellen. Wir wollen uns befassen und deswegen wird die CDU-Fraktion auch im Sozialausschuss eine Expertenanhörung beantragen. Wir werden uns gewissenhaft mit dem Thema auseinander setzen und ich hoffe und glaube, dass wir über Parteigrenzen hinweg eine fruchtbare Diskussion mit entsprechenden Ergebnissen bekommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Gregersen.

Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch an mich haben sich Menschen, die betreut wurden, gewandt und auch Sie beklagten ihre Situation. Es ist für mich als Abgeordnete sehr schwer zu ermessen, ob sie sich wirklich schlecht betreut fühlen, der Betreuer wirklich das Beste im Sinne des Betroffenen macht oder sie selbst diese Situation falsch einschätzen. Von daher ist es eine Gratwanderung.

Es ist sehr wichtig, dass wir uns mit dem Thema Betreuung befassen, weil es sehr, sehr viele Menschen betrifft. Wir müssen am Ende einer Anhörung gucken, ob wir

wirklich alles abgedeckt haben oder ob es noch Bereiche gibt, die wir dann weiter bedenken müssten.

Ein Betreuungsbericht ist im Prinzip sehr sinnvoll, er kann ein hilfreiches Instrument sein. Wir können Betreuungssituationen und Qualitätssicherungen vergleichen, wir können Ermittlungen zukünftiger Bedarfslagen und damit auch die Weiterentwicklung der Strukturen und Prozesse der gesetzlichen Betreuung überprüfen und kontrollieren. Es ist wünschenswert, wenn wir diesen Bericht weiterentwickeln und dann gucken, ob wir diesen Bericht regelmäßig vielleicht alle drei Jahre vorgelegt bekommen. Wichtig ist für mich auch, dass wir Akteure an diesem Berichtswesen beteiligen, beispielsweise Anhörigenverbände, Verband der Berufsbetreuer, Behindertenverbände sowie Verbände für Menschen mit geistiger und mit psychischer Behinderung.

Ich freue mich, dass wir zu diesem Thema eine Anhörung im Sozialausschuss durchführen werden. Der Sozialausschuss ist leider nicht immer sehr tätig. Daher ist es schön, dass dieser Vorschlag mal von der CDU kommt, und ich hoffe, dass wir gemeinsam im Sinne der Menschen dort agieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor und wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/4511 federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Rechtsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig erfolgt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 13. Drucksache 18/4372, Große Anfrage der GAL-Fraktion: Neues Hilfesystem für Wohnungslose – Fachstellenkonzept.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Neues Hilfesystem für Wohnungslose – Fachstellenkonzept – Drucksache 18/4372 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Sozialausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Gregersen, bitte.

Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Fachstellenkonzept zur Wohnungslosenhilfe läuft seit dem 1. Juli 2005.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Ich möchte sehr darum bitten, dass wieder alle zur Ruhe kommen, an Ihre Plätze gehen, sofern Sie im Plenarsaal der Debatte folgen wollen. Alle anderen bitte ich, ihre Gespräche draußen fortzusetzen, sodass Frau Gregersen von allen gehört werden kann. – Danke.

Wie eben erwähnt, das Fachstellenkonzept läuft in den nächsten Tagen seit einem Jahr. Aber nicht alles, was läuft, läuft gut und richtig.

Frau Schnieber-Jastram, Ihr vor knapp einem Jahr groß angekündigtes neues Hilfesystem für Wohnungsnotfälle sollte bürgernahe Hilfen für wohnungslose und von Woh

nungslosigkeit bedrohte Menschen aus einer Hand anbieten. Das Konzept finden wir eigentlich gut. Es sieht vor, dass Wohnungssicherung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit betrieben wird, dass Menschen in Wohnungen integriert werden und dass durch öffentliche Unterbringung und aktivierende Hilfe Wohnungs- und Obdachlosigkeit nennenswert entschärft und dauerhaft gelöst werden.

Doch nach einem Jahr zeigt sich, das neue Hilfesystem für Wohnungsnotfälle ist selbst zum Notfall geworden. Weder haben Sie für eine gezielte und damit auch für eine erfolgreiche Hilfe die strukturellen Voraussetzungen geschaffen, noch haben Sie die Hilfeprozesse vernünftig organisiert. Sie verfügen auch nicht über eine ausreichende Datenlage, um Erfolg und Misserfolg Ihrer Maßnahmen messen zu können. Da drängt sich einem die Frage auf: Ist es jetzt Schluderigkeit oder ist es eher gewollt, nicht alle benötigten Zahlen zu erfassen? Irgendwie erinnert mich das ein wenig an den Armutsbericht. Bloß nicht erfassen, es könnte negativ ausfallen, dann auch noch Handlungsbedarf aufzeigen und eventuell noch Geld kosten.

(Beifall bei der GAL)

Frau Schnieber-Jastram, Ihre Datenlage ist katastrophal. Sie wissen nicht einmal, über wie viele Menschen wir eigentlich reden. Wir viele Wohnungslose gibt es in Hamburg? Wie viele Menschen leben auf der Straße? Sie haben 2002 1200 Obdachlose benannt, Hilfseinrichtungen sprechen von etwa 6000 Menschen. Neue verlässliche Zahlen gibt es leider nicht.

Wie viele Menschen permanent von Wohnungslosigkeit bedroht sind, wissen Sie auch nicht. Auch zur Situation in den bezirklichen Fachstellen sind Sie nicht auskunftsfähig. Wir erfahren weder etwas über die Auslastung und die tatsächliche Fallzahl pro Mitarbeiter noch über den Anteil beratender, allein stehender Personen, noch über den Anteil von Familien. Wie wissen nicht, durch welche Maßnahmen Räumungsklagen abgewendet werden können, Sie wissen nicht, in wie vielen Fällen die Übernahme von Mietschulden dazu geführt hat, dass wohnungslose Menschen vermittelt werden konnten. Wie wollen Sie bei dieser mangelhaften Datenlage feststellen, ob Ihre Instrumente greifen, ausgeweitet oder auch verbessert werden müssen?

Ein weiterer Schwachpunkt Ihrer Arbeit: Bisher gibt es immer noch keinen Gesamthilfeplan, der für alle bezirklichen Fachstellen verbindlich ist. Er befindet sich in der Erarbeitung – nach einem Jahr, immer noch!

Ein Gesamthilfeplan soll ein abgestimmtes Handeln mehrerer Stellen auch über einen längeren Zeitraum hinweg sicherstellen und Menschen in sozialen Schwierigkeiten behilflich sein, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Doch so bleibt das Fachstellenkonzept das, was es von Anfang an war: Ein halbherziger Schritt und dadurch unzureichender Versuch, obdachlosen Menschen auch die Hilfe zu geben, die sie tatsächlich brauchen.

Dieses Dilemma zeigt sich vor allem bei den Vermittlungszahlen von Wohnungen. Die Fachstellen konnten im Zeitraum Juli 2005 bis März 2006 lediglich 99 zusätzliche Wohnungen anbieten, dabei waren 600 angestrebt.

Wer Menschen tatsächlich eine Wohnung anbieten möchte, der braucht auch welche. Sie haben einen Kooperati

onsvertrag mit Wohnungsunternehmen abgeschlossen. Die Umsetzung kommt hoffentlich bald.