Protocol of the Session on April 12, 2006

Das Gericht hat nicht gesagt, dass die berühmte, eben schon zitierte Trichterwirkung verfassungswidrig ist. Das Gericht hat keine Ausführungen dazu gemacht, ob es politisch oder gar verfassungsrechtlich materiell sinnvoll ist, am Tag einer Wahl ein Volksbegehren durchzuführen. Das Gericht hat nicht die staatsrechtlich sehr umstrittene Frage aufgenommen, ob es demokratisch gewünscht wird, an einem Tag Wahl und Volksbegehren durchzuführen. Das Gericht hat nur festgestellt, dass wir eine klare, einfach formulierte, formale Frist haben. Diese Frist kann gesetzestechnisch nicht mit einem einfachen Gesetz aufgehoben werden. Das ist aus unserer Sicht bedauerlich, das haben wir zur Kenntnis zu nehmen. Nur wir wollen eines klar feststellen: Das Gericht hat keine materiell rechtlichen Ausführungen gemacht, dass wir in irgendeiner Frage falsch liegen, was wir inhaltlich bewegen wollten. Es hat uns deutlich gesagt, hier hat man einen formalen Fehler gemacht. Diesen formalen Fehler haben wir zur Kenntnis zu nehmen, den haben wir klarzustellen, aber es hat das Gesetz als solches nicht in Frage gestellt.

(Dr. Willfried Maier GAL: Die Form ist die Mutter der Demokratie! – Glocke)

Nein, ich möchte jetzt gern meinen Beitrag zu Ende führen.

Wir haben in Hamburg ein modernes Verfahren der Volksgesetzgebung.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hatten!)

Wir haben dieses moderne Verfahren der Volksgesetzgebung auch zu evaluieren. Wir haben zu gucken, was richtig und was falsch läuft. Wir haben genau diese Fehleranalyse durchgezogen und haben festgestellt, dass es Dinge gibt, die man besser machen kann. Darum beneidet uns derweilen eine ganze Reihe von Bundesländern.

(Lachen bei der GAL)

Es wäre schön, wenn wir feststellen könnten, dass die Kollegen der Opposition – gerade die der SPD – die hier stehen und kaum über Demokratie reden und nichts weiter als puren Populismus betreiben, sich irgendwann wieder zu denen einfinden könnten, die bereit wären, an einem Gesetz zur Volksgesetzgebung mitzuarbeiten, das wirklich den Namen Volksgesetzgebung verdient und nicht allein dazu dient, Lobbyistengruppen und Pressuregroups zu unterstützen.

Wir wollen der Bevölkerung die Mitwirkung erleichtern, wir wollen denjenigen, die politische Willensbildung betreiben wollen, helfen. Wir wollen nicht den Pressuregroups draußen ein Instrument geben, Gesetzgebung von außen zu betreiben. Das ist unser Ziel, das haben wir vom Gericht bestätigt bekommen und dementsprechend werden wir voranschreiten.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Worum geht es im Kern dieser Debatte? Es geht im Kern um die Haltung, die die CDU und die dieser Senat zur Volksgesetzgebung und zur demokratischen Mitwirkung hat.

Es geht um die Haltung, die bei der Beachtung oder Missachtung von Volksentscheiden deutlich geworden ist und eben auch noch einmal sehr schön im Redebeitrag von Herrn Voet van Vormizeele illustriert worden ist. Wenn ein solcher Volksentscheid, der mit deutlicher Mehrheit ausging, denunziert wird als eine Sache von Pressuregroups, von Lobbyisten, dann ist das eine Unverschämtheit gegenüber den Leuten, die sich ernsthaft Sorgen um die zukünftige Gesundheitsversorgung dieser Stadt machen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es geht um eine Haltung, die diese Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zurückdrängen will, ganz egal, was das Volk denkt und die Verfassung sagt. Herr Voet van Vormizeele, Ihr Gesetz, mit dem Sie gegen Verfassungsregeln verstoßen haben, hat das Verfassungsgericht jetzt klar und eindeutig für nichtig erklärt. Das haben wir Ihnen vorher gesagt, das haben Ihnen alle vorher gesagt. Sie haben es ignoriert, es war Ihnen egal, was in der Verfassung steht. Sie wollten mit dem Kopf durch die Wand und damit sind Sie zum Glück gescheitert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Und weil es um die Haltung geht, weil es darum geht, welche Einstellung man zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern hat, welche Einstellung man zur Demokratie hat, ist es eben nicht damit getan zu sagen, das Verfassungsgericht habe nur an einem Punkt einen Verstoß

gegen die Verfassung feststellen können, der Rest sei abgehakt, sondern das andere steht nach wie vor auf der Tagesordnung und das werden Sie auch noch zu spüren bekommen. Diese massive Erschwernis, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern durch die Amtseintragung bereiten, ist nach wie vor auf der Tagesordnung. Genauso wie die Menschen das Wahlrecht haben, haben sie das Recht, sich an einem Volksbegehren zu beteiligen. Sie machen die Menschen zu Bittstellern und das ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Frustration, die Sie durch Ihre Missachtung von Volksentscheiden, durch Ihre Blockadehaltung gegenüber Volksinitiativen und Volksbegehren hier erzeugen, wird sich noch bitter rächen.

Und Herr Jäger liegt gewaltig falsch, wenn er sagt, es gäbe wichtigere Themen, die in dieser Stadt diskutiert werden müssten. Sind die Grundsätze der demokratischen Verfassung in unserer Stadt wirklich ein unwichtiges Thema? Ist die Frage, wie wir demokratische Beteiligungen sicherstellen, dass Politik nicht nur eine Frage von wenigen hundert Leuten in dieser Stadt ist – das könnte man meiner Meinung nach sehr gut auch als kleine Lobbygruppe diskreditieren –, wirklich unwichtig? Ist die Einhaltung von demokratischen Spielregeln und die Einhaltung dessen, was gegenüber der Bevölkerung versprochen wurde, wirklich unwichtig? Ich meine nein und Sie sind auf einem Weg, der gerade für Sie sehr gefährlich ist.

Ich will zum Abschluss auf zwei Beispiele verweisen. Wir haben mit großer Freude wahrnehmen können, dass Berlusconi abgewählt wurde,

(Beifall bei der GAL und der SPD – Frank- Thorsten Schira CDU: Was ist denn das für'n Beispiel?)

der nun wirklich gezeigt hat, wie weit eine westliche Demokratie kommen kann, wie tief eine westliche Demokratie sinken kann, wo die Machthaber sich an die Regeln für Justiz heranmachen, wo die Machthaber sich an die Regeln für das Wahlrecht heranmachen, wie Sie das auch schon gemacht haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber Italien ist eine Demokratie, die sich gegen solche Machthaber wehren kann und die zum Glück und zu Recht solche Machthaber zum Teufel schickt und dafür sorgt, dass solche Methoden auf Dauer keinen Erfolg haben können.

(Lydia Fischer CDU: Das war ein ganz knappes Ergebnis!)

Ich möchte ein zweites Beispiel nennen, nicht ganz so weit entfernt, auch im Süden. Volksentscheide, Bürgerentscheide haben bei uns in der Bundesrepublik die höchste Kultur und die längste Tradition in Bayern, wo eine Partei unangefochten mit absoluter Mehrheit regiert. Zum Erfolgsrezept dieser Partei gehört, dass es solche Beteiligungen gibt, dass es ein Korrektiv gibt, die Möglichkeit, sich Luft zu machen, aber auch eine inhaltliche Möglichkeit des Korrektivs. Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie nicht aus dem Auge verlieren sollten. Ihre ignorante Haltung gegenüber der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger ist ein sicherer Weg, vom allzu hohen Sockel zu fallen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Jäger, es war wirklich peinlich, dass Sie an dieser Stelle wieder gesagt haben, ich muss hier die Wahlhelfer in dieser Stadt retten, ich muss mich vor die Wahlvorstände stellen; das kann es doch wohl wirklich nicht sein. Es muss darum gehen, den Volksentscheid zu retten, nicht die Wahlhelfer dieser Stadt. Wie ist denn da der Maßstab bei Ihnen verloren gegangen?

(Beifall bei der SPD und der GAL – Gesine Dräger SPD: Dann müssen wir zweimal raus!)

Beim Volksentscheid sorgen Sie sich um die Wahlhelfer, um Ihr Gesetz zu begründen, und bei der Amtseintragung, beim Volksbegehren wird dann die Argumentation ganz schnell wieder umgedreht. Das Recht der Bürger, selber Unterschriften zu sammeln, wird ihnen weggenommen und ein Beschäftigungsprogramm für die bezirklichen Abstimmungsdienststellen veranstaltet. Wie passt das bitte an der Stelle zusammen? Sie drehen sich das so hin, wie es passt und deswegen passt es bei den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Diesen Widerspruch konnten Sie nicht aufklären, genauso wenig wie Sie offenbar die Entscheidung nicht richtig zur Kenntnis genommen haben, denn mitnichten haben wir an der Stelle das gesamte Gesetz unter Feuer genommen, sondern wir haben uns auf die Punkte bezogen, die offensichtlich verfassungswidrig sind. Zu den anderen Punkten hat das Verfassungsgericht nicht entschieden. Hören Sie insofern auf zu behaupten, hier wäre ein Persilschein für dieses Gesetz ausgestellt worden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Und Sie, Herr Voet van Vormizeele, reden von formalen Fehlern, es wäre ja nur ein ganz kleiner formaler Fehler gewesen, an dem dieses Gesetz krankt. Einen Verstoß gegen die Verfassung – das Gericht hat sehr genau ausgeführt, wo der einfache Gesetzgeber Grenzen zu beachten hat, wo ein bisschen die Arroganz der Macht an dieser Stelle aufhört – als formalen Fehler abzutun, ist ein wirklich guter Start als verfassungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann haben Sie noch über die Fehleranalyse gesprochen, die große Evaluation, die Sie gemacht haben, bevor Sie dieses Volksentscheidsgesetz in die Bürgerschaft eingebracht haben.

(Ingo Egloff SPD: Der Fehler war, dass die Bürger nicht so wollten wie Sie!)

Das haben wir haarklein in den Ausschussberatungen auseinandergenommen. Zu den Punkten, wo Sie angeblich eruiert haben, was alles nicht so gut gelaufen ist, ist in den Ausschussberatungen nichts gekommen. Ihre ganze Fehleranalyse war in Wahrheit, dass Ihnen das Gesetz nicht passt, dass Ihnen aktive Bürgermitwirkung in dieser Stadt nicht passt. Sie haben in dem Gesetzgebungsverfahren aktive Bürger diffamiert. Das wird immer auf den entschiedenen Widerstand der SPD-Fraktion

stoßen und deshalb können wir an der Stelle nur sagen, wir stehen an der Seite der aktiven Bürger dieser Stadt. Es ist schade für Sie, dass Sie das nicht tun und das wird Sie noch einholen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eingangs bleibt festzuhalten, dass das Problem darin besteht, dass die CDU ein Problem mit dem Volk hat.

(Zurufe von der CDU: Nee, nee!)

Ihnen ist der Volksentscheid zum LBK richtig um die Ohren gehauen worden. Es wurde Ihnen vom Volk ein Kita-Gesetz aufgezwungen, das Ihnen nicht gepasst hat. Es wurde Ihnen ein Wahlrecht aufgezwungen, das Ihre Kungelrunden nun leider mal stört und Sie haben ein Problem damit, dass das Volk so entschieden hat. Was also macht die CDU-Fraktion? Sie ändert die Regeln und das ist im Jahr 2006 der Fußballweltmeisterschaft nichts anderes als ein ganz grobes Foulspiel.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Voet van Vormizeele, es verschlägt einem die Sprache, wenn Sie hier sagen, Volksentscheide und Volksbegehren sollten keine Spielwiese für Lobbyisten sein. Ungefähr drei Viertel der hamburgischen Wählerinnen und Wähler haben dafür gestimmt, dass der LBK in öffentlicher Hand bleiben soll und das ist nun eine kleine Lobbyistengruppe. Eigentlich dachte ich, Sie würden sich mit Lobbyisten ziemlich gut auskennen. Bei Herrn Uldall sitzen sie doch immer auf dem Schoß, ich nenne nur mal das Beispiel Vattenfall. Und Sie sagen, das sei eine Spielwiese für Lobbyisten; das ist doch Quatsch, was Sie hier erzählen.