Seit Jahrtausenden erlauben wir uns genetische Veränderungen durch Zuchtwahl, um in die Evolution einzugreifen, zu unserem Nutzen. Etwa seit Gründung des Deutschen Reiches kennen wir die Mendelschen Gesetze. Im gleichen Zeitraum entwickelte Charles Darwin seine Evolutionstheorie und vor 50 Jahren haben Crick und Watson die berühmte Doppelhelix – die verwundene Leiter – mit den genetischen Buchstaben ATCG, Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin, entdeckt. Sogar der Innensenator ist inzwischen in der Lage, in seinem Hause solch eine DNA-Analyse durchführen zu lassen.
Auf diesem Gebiet tätige Experten sind inzwischen in der Lage, sehr gezielt Sequenzen aus dieser Strickleiter mit Phosphat und dem Zucker Desoxyribose auszuschneiden und wieder einzufügen. Diese Manipulation ist sehr gezielt, sie ist nicht unmoralisch und sie ist nicht unsicherer als die zufällige. Nun haben wir einen Antrag vorliegen, in dem Sie davon gesprochen haben, auf den Nutzen dieser Möglichkeiten zu verzichten. Hamburg soll gentechnikfreie Zone werden. Mich erinnert das sehr an die aberwitzigen Anträge vor 20 Jahren, Hamburg zur atomwaffenfreien Zone zu erklären.
Die grüne Gentechnik unterliegt strengen Zulassungsvoraussetzungen und strengeren Kontrollen als jede andere Produktionsform. So erzeugte Lebensmittel sind nicht bedenklicher als alle anderen, aber die öffentliche Wahrnehmung ist eine andere. Das schreiben Sie in Ihrem Antrag und dem widerspreche ich auch nicht. Aber warum ist das so? Bei den Recherchen bin ich auf ein sehr interessantes Buch eines Psychologen und Wissenschaftsjournalisten gestoßen: "Die Panikmacher": Unsere tägliche Katastrophe gib uns heute.
Andere sehen zuerst die Chancen und stellen sich, wenn sie denn erkannt sind, den Risiken. In Deutschland wird zuerst das Risiko gesehen und die Chancen werden übersehen. Warum ist das so? Die Sprache Ihres Antrags ist so bezeichnend.
Eine solche Formulierung schwimmt genau auf dieser Welle der Panikmache. Sie versuchen, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen. Ich habe das schon einmal gesagt: Trotz Pusten wird es Ihnen nicht gelingen. Die Chancen dieser Technik werden schlicht geleugnet und übergangen. Ich bin so frei, mit Genehmigung der Präsidentin, den EU-Kommissar David Byrne zu zitieren:
"Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind genauso sicher wie herkömmlich produzierte. Es besteht keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit."
Mykotoxine schaden dem Immunsystem und können Krebs auslösen. Wenn pilzresistente Nahrungsmittel angeboten werden können, ist das ein riesiger Gewinn.
Im globalen Rahmen kann durch den so genannten 'goldenen Reis' – Vitamin-A-Komponente – in vielen Ländern Mangelkrankheiten entgegengewirkt werden. Ernährungsphysiologisch verbesserte Nahrungsmittel sind sehr ehrenwerte Zielsetzungen. Schädlingsresistente Kulturen brauchen nicht gespritzt zu werden. In der nüchternen Risikobetrachtung überwiegt dieser Vorteil. Die Produkte erreichen einen ähnlichen Qualitätsstandard wie Bioprodukte.
Hier liegt ein großes Potenzial. Die Bauern können bei weniger Chemieeinsatz ihre Erträge steigern. Die Belastung der Böden wird reduziert. Weniger Rückstände auf den Produkten, im Oberflächenwasser, im Grundwasser und letztlich im Trinkwasser – ein Gewinn für die Umwelt, aber die Grünen sind dagegen.
Risiko minimieren ja, aber nicht so. Mais, Soja, Raps und Baumwolle werden in den USA, Kanada und Argentinien bereits jetzt im großen Stil angebaut. Wir haben leider Gottes aufgrund Ihrer Verhinderungspolitik bislang keine eigenen Erfahrungen sammeln können. Versuchsweise werden Kartoffeln und Zuckerrüben angebaut. Die viel diskutierte Anti-Matsch-Tomate ist wieder vom Markt verschwunden. Wenn sie nicht schmeckt, nützen auch keine sonstigen guten Eigenschaften.
Wir sind mit Ihnen der Meinung, dass der Verbraucher selbst entscheiden soll, was er möchte oder was er nicht möchte. Dafür ist eine Kennzeichnungspflicht sehr vernünftig. Die ist aber auch ausreichend. Man darf hier nicht die Kennzeichnung mit einer Warnung verwechseln.
Wir sind sehr wohl für die Koexistenz von konventionellem Anbau und unter den entsprechend strengen Voraussetzungen zugelassenen neuen Kulturen. Ein sinnvoller rechtlicher Rahmen ist dafür hilfreich und darüber lohnt es sich durchaus auch, im Wirtschaftsausschuss noch zu sprechen. Aber ein Verbot lehnen wir ab. Den von der EU beschlossenen Rahmen sollten wir auch ausschöpfen. Ein faktisch neues Moratorium der Gentechnik, das wir gerade überwunden haben, über den Umweg von gentechnikfreien Zonen ist mit uns nicht zu machen.
Es gibt in Hamburg zurzeit gar kein akutes Regelungsproblem. Wir haben alle Zeit der Welt, in Ruhe zu beraten. Wenn Anträge dafür vorliegen, können konkrete Kulturen immer noch diskutiert und dafür sinnvolle Regelungen getroffen werden. Wenn es ein Risiko gibt und wir es erkannt haben, dürfen wir uns natürlich nicht erlauben, den Kopf in den Sand zu stecken. Aber stattdessen als Alternative den Leuten Sand in den Kopf zu stecken, ist auch nicht vernünftig.
Nun zu Ihrem Petitum. Punkt eins: Die Chancen der Landwirtschaft werden durch diesen Antrag nicht gestärkt, sondern blockiert. Profitieren würden allenfalls die Biobauern. Es mag ja sein, dass Sie das wollen.
Zweitens: Gentechnikfreie Zonen behindern den freien Austausch von Waren und Dienstleistungen. Wir sind gerade froh, den großen europäischen Binnenmarkt zu haben, und können ihn nicht nun durch lokale Sonderregelungen wieder konterkarieren. Das ist Unsinn.
Das ist legitim. Aber eine besondere Unterstützung für Initiativen zur gentechnikfreien Zone durch den Senat müssen wir ablehnen.
Zum Punkt vier: Die überzogenen Haftungsregeln, die Sie hier bereits in dem Gesetzentwurf der Frau Künast zitiert haben, haben den Bundesrat bewogen, diese abzulehnen. Da erwarten Sie doch von uns nicht im Ernst, dass wir dieses durch unser Votum hier wieder einführen wollen.
Bei den Empfängen der Bürgerschaft sollten die gleichen Regeln gelten wie für alle anderen Bürger auch. Es gilt eine Kennzeichnungspflicht. Aber – ich habe es bereits gesagt – die Kennzeichnung darf nicht mit einer Warnung verwechselt werden. Eine anderweitige Praxis in der Bürgerschaft könnte in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dem Bürger sage man, das ist alles nicht so schlimm, aber wir selbst glauben nicht daran. Das wäre, meine Damen und Herren, das absolut falsche Signal.
Ich möchte ja niemanden drängen, aber ich habe keine Probleme mit gentechnisch veränderten Organismen und lasse es mir auch nicht von anderen verbieten.
Ich habe schon so viele Pflanzen gegessen und mir sind immer noch keine Wurzeln gewachsen. Ich habe zwar nur noch wenige Haare, aber immer noch keine Blätter auf dem Kopf. Aus dem gleichen Grund kann ich auch dem Petitum im Punkt sechs nicht folgen. Dieser Antrag hat die völlig falsche Zielrichtung, aber weil wir uns der Diskussion um dieses Thema nicht entziehen wollen, sind wir bereit, im Ausschuss dieses Thema gern weiterzubehandeln. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herrn Stehr drängt es ja offensichtlich geradezu, ganz Deutschland zum Genlabor zu machen und gentechnisch veränderte Organismen auszubringen. Aber eins müssen Sie dabei berücksichtigen, Herr Stehr: Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen das nicht. 70 Prozent der Deutschen lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Auch die Landwirte ziehen nicht mit. Nach der Lage der Dinge – Herr Maaß hat bereits darauf hingewiesen – kann bei uns Gen-Food oder die Herstellung oder der Import von gentechnisch veränderten Lebensmitteln nicht verboten werden. Die Welthandelsorganisation hat festgelegt, dass Produkten der Marktzugang nur verwehrt werden kann, wenn die Produkte gesundheitsschädlich sind. Dies lässt sich aber bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln nicht so ohne weiteres nachweisen.
Aber, Herr Stehr, das Gegenteil leider auch nicht. Darin liegt die Crux. Das ist auch etwas, was das Unbehagen vieler Verbraucherinnen und Verbraucher ausmacht. Sie wollen sicher sein, dass sie sich natürlich ernähren. Darum wurde es höchste Zeit, dass jetzt Lebens- und Futtermittel gekennzeichnet werden müssen, wenn sie gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten, auch wenn diese nicht mehr nachweisbar sind, wie es bisher der Fall war. Und es ist höchste Zeit, dass Verstöße gegen diese Kennzeichnungspflicht auch sanktioniert werden, und es ist notwendig, dass künftig Haftungsregeln für Schäden durch ungewollte Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen bestehen. Es ist übrigens sehr bemerkenswert, dass die CDU-Ministerpräsidenten im Bundesrat die Vorlage des Bundestages mit zahlreichen Änderungen aufweichen wollten. Der Vermittlungsausschuss hat das aber nicht mitgemacht, meine Damen und Herren, und das Gesetz – Herr Maaß – ist am 5. Mai in Kraft getreten. Dieses Gentechnikgesetz schafft jetzt Klarheit für Verbraucher und Sicherheit für die Landwirte.
Doch auch nach dem In-Kraft-Treten der Regelung sind die Probleme keineswegs vom Tisch. Das Gentechnikgesetz beendet – zugegeben – das bisher stillschweigende Moratorium für die Zulassung gentechnisch veränderter Produkte, aber es wird auch die Entwicklung solcher Produkte weiter forcieren, Herr Stehr, darüber muss man sich klar sein. Darum halten wir gentechnikfreie Zonen in der Landwirtschaft durchaus für notwenig, einmal zum Schutz der Verbraucher und zur Sicherheit für die Natur und nicht zuletzt zum Nutzen der Landwirte. Es besteht ja weitgehend Einigkeit darüber, dass die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen Risiken birgt, deren Folgen man zum Teil noch gar nicht kennt.
Keiner weiß bisher sicher, Herr Stehr, wie die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen auf die Natur insgesamt wirkt, denn Natur lässt sich nun einmal nicht ausrechnen. Die Erkenntnisse können höchstens – im wahrsten Sinne des Wortes – durch "Feldforschung", das heißt, in vergleichender Feldforschung festgestellt werden. Dafür, Herr Stehr, müssen Sie sorgfältig ausgewiesene Zonen haben, in denen keine gentechnisch veränderten Produkte und Landfrüchte angebaut werden. Gentechnikfreie Zonen in der Landwirtschaft lassen eine Art natürlicher Systemkonkurrenz zu, die ja voll in Ihr Bild von Marktfreiheit und Wettbewerbsbefürwortung passen müsste.
Ausgewiesene gentechnikfreie Zonen stärken aber auch das Vertauen der Verbraucher, denn wirklich vertrauen die Leute ja nur, wenn sie auch wissen, dass die Produkte, die sie auf dem Markt und in den Geschäften kaufen, tatsächlich nicht verunreinigt sind. Dieses Vertrauen gibt es nur, wenn man weiß, dass Äpfel nicht von einem Feld stammen, auf dem genveränderte Äpfel produziert worden sind. Das lässt sich also kaum richtig auseinander halten. Herr Maaß hat sehr eindrucksvoll auf die Prozesse und auf die berühmten Bienen hingewiesen.
Verbraucher gerne wünschen. Die Verbraucher sagen, wir wollen natürliche Lebensmittel, und zum Beispiel Unilever sagt: Wir bieten an, was die Verbraucher wünschen und das ist kein Designerfutter.
Meine Damen und Herren, Produkte aus gentechnikfreien Zonen haben damit einen Wettbewerbsvorteil, solange die Konsumenten die anderen Produkte ablehnen. Wenn der Senat zum Beispiel mit den Landwirten in Hamburg eine Vereinbarung über gentechnikfreie Produktionsweisen träfe, dann wäre das sicherlich ein erheblicher Standortfaktor für die heimische Landwirtschaft. Das gilt für den konventionellen Anbau, aber für den ökologischen Anbau erst recht, denn im Ökolandbau ist der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen nicht zulässig. Das ist aber nur glaubwürdig, wenn es über den Acker daneben nicht zu solchen Verunreinigungen kommen kann.
Ich könnte mir zum Beispiel ein Qualitätssiegel derart vorstellen, dass man darauf schreibt: Natürlich ohne Gentechnik aus der Freien und Hansestadt Hamburg. Dies wäre eine Art regionale Verkaufsförderung, die unserer Landwirtschaft auch gut tun könnte, denn dieses Thema haben Sie leider total in den Hintergrund gedrängt.
Promotion könnte der Senat für solche Produkte selber machen, indem er seinen Gästen natürliche Produkte aus der Region anbietet und für seine Kantinen in den Behörden Lebensmittel aus der Region beschafft, die gentechnikfrei erzeugt worden sind. Das würde dann auch wieder mehr Schwung in das Marketing zugunsten lokaler Erzeuger bringen, das der Senat hat einschlafen lassen.
Die SPD-Fraktion möchte darum den GAL-Antrag an den Umwelt- und an den Wirtschaftsausschuss überweisen, um mit dem Senat weiterzudiskutieren, denn es würde mich in diesem Zusammenhang auch interessieren, wie denn der Senat im Sinne des Verbraucherschutzes die strengeren Regeln, die das Gentechnikgesetz jetzt aufgestellt hat, hier in Hamburg umsetzt. Dazu muss ja auch noch einiges passieren. – Vielen Dank.