Ich finde es auch zweifelhaft, aber ich kann damit umgehen, wenn man sich dagegen wehren kann und wenn das mehr ein politischer Vorwurf ist, dass man jemandem in einer politischen Diskussion, egal wem, vorwirft, er hätte einen Eid gebrochen. Lieber Herr Neumann, ich nehme diesen Eid sehr ernst, ich kenne ihn und jedem, der ein Amt hat und diesen Eid schwört, sogar mit religiöser Beteuerungsformel, müssen Sie bitte auch den Anspruch zugestehen, dass er alles in seiner Kraft Stehende tut – auch wenn Sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind, das ist eine Frage der Bewertung –, diesen Eid zu erfüllen und das tue ich. Mir Eidbruch zu unterstellen, empfinde ich als unanständig, Herr Neumann.
Ich würde gerne, weil Herr Kerstan und auch Herr Neumann und Herr Egloff das angesprochen haben, noch einmal in Kürze die Geschichte dieser Angelegenheit darstellen, weil ich das Gefühl habe, dass das entweder aus Unwissenheit, vielleicht auch aus Boshaftigkeit, immer wieder falsch verbreitet wird; beides mag ja möglich sein.
(Bernd Reinert CDU: Unwissenheit wird es kaum sein! – Michael Neumann SPD: Gut ist, dass Sie das jetzt objektiv machen!)
Die historische Entwicklung, wenn man nach einem Dreivierteljahr überhaupt von Historie sprechen kann, ist so gewesen, dass der Bahnchef, Herr Mehdorn, an mich herangetreten ist, als wir uns über ein ganz anderes Thema unterhalten haben – da ging es um die Ausschreibung des S-Bahn-Betriebs in Hamburg – und gesagt hat, er könne sich vorstellen, dass die Bahn unter bestimmten Bedingungen Mehrheitsanteile bei der HHLA und der Hochbahn erwerbe. Ich sagte, gut, dann müssen
Dann gab es mehrere Gesprächsrunden, an denen ich zum Teil auch beteiligt war, in denen die Bahn ein konkret ausformuliertes Angebot gemacht hat, das die Dinge enthielt, die im Wesentlichen bekannt sind, nämlich die Absicht der Bahn, erstens die Mehrheiten zu erwerben, zweitens die strategischen Interessen Hamburgs für den Betrieb der beiden Gesellschaften Hochbahn und HHLA, plus der Neutralität der HHLA im Hafen und der Hinterlandverkehre, in einem Konsortialvertrag zu sichern und drittens, unabhängig vom Kaufpreis für diese Unternehmen, in Hamburg einen Betrag von mindestens 400 Millionen Euro für den Neubau einer Bahnzentrale zur Verfügung zu stellen und mit bis zu 1700 Mitarbeitern mit den wesentlichen Bereichen der Bahn, inklusive Vorstand und Vorstandsbüro, nach Hamburg zu ziehen. Dieses haben wir in einem vorformulierten, aber nicht unterschriebenen Letter of Intent ausformuliert. Das war dann ein Gespräch mit Herrn Mehdorn, Herrn Sack, Herrn Peiner und mir.
Etwa fünf Tage – ich weiß das deshalb, weil ich da in Berlin war – vor der Wahl der Kanzlerin lag dieses schriftlich vor. Dann haben wir gesagt, das ist die Grundlage weiterer Gespräche, wir müssen aber natürlich die politisch Verantwortlichen informieren und ich habe, das kann ich Ihnen ganz freimütig sagen, Frau Merkel darüber informiert. Herr Mehdorn wollte Herrn Tiefensee informieren und er hat gesagt, dass er dies getan habe. Ich habe mit Herrn Fischer und mit einigen SPD-Bundestagsabgeordneten darüber gesprochen. Die Reaktionen waren unterschiedlich von politisch schwierig bis zu sehr zustimmend, auch, ohne Namen zu nennen, von Ihren Kollegen, wenn ich das hier in aller Offenheit sagen darf.
Dann kam die Wahl der Bundeskanzlerin, die erste Kabinettssitzung. Und nach der Wahl der Bundeskanzlerin habe ich mit Herrn Mehdorn vereinbart, aber auch der Kanzlerin selber gesagt, dass wir, da jetzt viele in der Politik informiert worden seien und man erfahrungsgemäß die Sache nicht mehr geheimgehalten werden könne, von uns aus die Öffentlichkeit über diesen Stand der Verhandlungen informieren wollten. Das haben wir in einem Gespräch hier gemacht.
Dann kam die Presseberichterstattung und in der Tat die Diskussion im Bundeskabinett. Nun gibt es über die Reaktion des Bundeskabinetts unterschiedliche Wahrnehmungen. Es gibt auf der einen Seite die Wahrnehmung des Bundesverkehrsministers, Herrn Tiefensee, der gesagt hat, das ist mit mir überhaupt nicht machbar, ein Bahnumzug von Berlin nach Hamburg kommt nicht infrage. Es gibt die Äußerung des Sprechers der Bundesregierung und diese Äußerung ist mir auch bestätigt worden als die Haltung des Bundeskabinetts, politisch hätte man große Bauchschmerzen und stünde dem sehr skeptisch gegenüber, weil natürlich der Wegfall von 1000, 1500 oder 1700 Arbeitsplätzen plus Verlust einer Konzernzentrale in Berlin bei der Arbeitsmarktsituation in Berlin und Brandenburg ein Schlag ins Kontor dieser Region sei, die ja wirtschaftlich nicht besonders stark sei. Darum hätte man politisch sehr große Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite sehe man den möglichen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Nutzen der Bahn, mit dieser Aktion den Börsengang der Bahn zu erleichtern, denn von der Zielsetzung her wäre in Hamburg gemeinsam mit der Bahn und den dortigen Unter
nehmen ein großes Logistik- und Personennahverkehrsunternehmen zu schaffen, das europa- und weltweit tätig sei. Das in Hamburg zusammenzufassen, sei betriebswirtschaftlich zumindest eine interessante Idee.
Wir sind dann mit der Bundesregierung so verblieben, dass wir mit der Bahn die endgültige Entscheidung der Bundesregierung vorbereiten sollen, die Ende Februar/ Mitte März fallen sollte. Wir haben gesagt, das geht nicht gegen den Anteilseigner und haben dann relativ diskret – wahrscheinlich ist es auch wieder falsch, wenn man diskret verhandelt, es ist auch falsch, wenn man es öffentlich macht – mit der Bahn weiter gesprochen. In diesen Gesprächen ist, sich letzte Woche zuspitzend, deutlich geworden, dass die Bahn, unter welchen Bedingungen auch immer, zu ihrer Zusage mit bis zu 1700 Mitarbeitern, 400 Millionen Investitionen und der Verlegung der Konzernzentrale nach Hamburg – diese Zusage war die Grundlage oder wesentlicher Bestandteil dieses vorformulierten Letter of Intent – nicht mehr stehen kann oder will. Die Motive kenne ich nicht, das ist durch die Äußerungen von Herrn Mehdorn signalisiert worden, dem ich persönlich gar keinen Vorwurf mache, aber er hat sich im Wirtschaftsforum der "Welt am Sonntag" so eingelassen, und dies ist vom Bundesverkehrsminister, Herrn Tiefensee, in einer Presseerklärung bestätigt worden. Mir ist diese Interpretation von Herrn Tiefensee über das Abgehen der Bahn von diesen Grundlagen am nächsten Tag noch einmal bestätigt worden.
Vor diesem Hintergrund habe ich gesagt, wenn der wesentliche Teil dieses Pakets, nämlich die Konzernzentrale plus Umzug, plus Investition in Hamburg nicht mehr steht, dann beenden wir sofort die Verhandlungen, weil dann das Ergebnis nicht mehr im hamburgischen Interesse sein kann, und das halte ich für richtig.
Nun können wir auch politisch darüber streiten, ob man jemals auf das Angebot hätte eingehen dürfen, die Mehrheit zu verkaufen; da mögen wir verschiedener Meinung sein. Ich bin überzeugt – das zeigen auch viele Beispiele aus der freien Wirtschaft –, dass in der Tat mit gut formulierten und juristisch gut vorbereiteten Konsortialverträgen – das fehlte ja gerade beim HEW-Verkauf – diese Sache für Hamburg eine große Attraktivität hätte erzeugen können, wenn die Absicherung der hamburgischen Interessen plus Umzug, plus Investition in diesen Verträgen gestanden hätte. Ich habe von Anfang an deutlich gemacht, dass das für uns ein Gesamtpaket ist. Mir ist vorgeworfen worden, ich würde die Bahn und die Bundesregierung erpressen. Das ist Unsinn, denn die wollten ja zu uns, wir haben nicht darum gebettelt. Ich habe gesagt, wenn ihr wollt, muss aber der Vorteil für Hamburg, wenn wir schon die Mehrheit hergeben, so groß sein, dass nur dies die Bedingung sein kann, auf die Mehrheit zu verzichten, und ich finde das ein konsequentes Verhalten.
Dieses Verhalten macht deutlich, dass wir gesagt haben, bei weiteren Verhandlungen, die über eine Beteiligung eines Investors an der HHLA geführt werden, ist die Wahrscheinlichkeit gleich Null, dass wieder einer kommt und sagt, wir investieren mehrere Millionen und kommen mit über 1000 Mitarbeitern nach Hamburg. Das war gerade die Kautel, warum wir gesagt haben, eine Mehrheitsbeteiligung ist notwendig. Darum stelle ich hier noch einmal ausdrücklich fest: Egal, welche Verhandlungen
stattfinden, es werden nicht mehr als 49 Prozent der HHLA verkauft. Dies war ein Ausnahmefall, weil das Angebot extrem verlockend und gut für Hamburg war. Um mehr als 49 Prozent geht es in Zukunft nicht.
Herr Grund, das ist keine späte Einsicht. Wenn es so mit einem gut ausgehandelten Vertrag plus Investition, plus über 1000 Leute, plus Unternehmenszentrale gekommen wäre – das ist meine Bewertung –, wäre es verantwortbar gewesen, denn die Bedingung war, dass die strategischen Interessen Hamburgs bei Hochbahn und HHLA durch diesen Vertrag gewährleistet worden wären. Verstehen Sie das doch endlich einmal, es geht doch darum, hamburgische Interessen abzusichern und das wollten wir tun.
Nun kommt bei den Kollegen der GAL Unruhe auf, die, was historisch interessant ist, unabhängig von diesem Fall eigentlich gegen jede große wirtschaftliche Chance dieser Stadt gewesen ist.
Die GAL ist gegen die Elbvertiefung gewesen, die GAL ist gegen Altenwerder gewesen, die GAL ist bis zuletzt dagegen gewesen,
dass der Airbus 380 entsteht. Sie haben für Wirtschaftspolitik höchstens übrig, dass einige Windkraftanlagen gebaut werden. Das reicht aber nicht für diese Stadt.
Erster Bürgermeister Ole von Beust (fortfahrend): Er war selber draußen bei Airbus und hat versucht, die Leute aufzuhetzen; ich kann mich gut erinnern. Dass er da ein schlechtes Gewissen hat, kann ich verstehen.
Meine Damen und Herren! Ein Wort an die Sozialdemokraten: Sie haben in den Jahren, als Sie die Mehrheit hatten, teilweise auch in Koalitionen, Ende der Achtzigerjahre bis zum Ende des letzten Jahrhunderts Privatisierungen und Unternehmensverkäufe in gigantischer Größe durchgeführt, mit einem Gesamtvolumen von etwa 4 bis 5 Milliarden Euro. Sie haben sie bei wichtigen Unternehmen für die Stadt durchgeführt: Gas, Elektrizität, Beteiligung an Müllverbrennungsanlagen, Hamburger Feuerkasse. Ich erinnere mich noch an die ganzen Diskussio
nen hier. Und Sie haben die dort gemachten Erlöse eben nicht eingesetzt, wie wir es wollten, um diese Unternehmen so auszurüsten, dass sie am Kapitalmarkt neu investieren können, um die Unternehmen zu stärken, sondern Sie haben die Erlöse dieser Unternehmen, die Sie gegen Ihre jetzige eigene Meinung verkauft haben, ausschließlich genutzt, um damit den von Ihnen selbst ruinierten Betriebshaushalt in Ordnung zu bringen. Das vergessen Sie bei dieser Debatte immer; Sie predigen hier Wasser und haben selber munter Wein getrunken.
Jetzt wird es darum gehen, da hat Herr Egloff Recht, wirklich in Ruhe über weitere Wege zu diskutieren – es ist eine gewisse Aufgeregtheit in der Diskussion insgesamt entstanden –,
um kapitalkräftige Investoren zu finden, die zum einen bereit sind, deckungsgleich mit den strategischen Interessen der Stadt, bei der HHLA mit nicht mehr als 49 Prozent einzusteigen, um die Investitionen zu ermöglichen, die wir alle wollen, und bei der Hochbahn einen Finanzpartner zu finden, der nicht mit Hamburger Steuergeld – das war genau unsere Argumentation –, sondern gemeinsam mit der Hochbahn eine mögliche internationale Teilnahme an Ausschreibungen ermöglicht. Das wird in Ruhe geschehen und wir werden, wenn die Ergebnisse vorliegen – vorher wollen Sie es ja auch nicht mehr –, darüber informieren.
Mir ist alle Kritik bewusst, ich bestreite auch nicht, Fehler gemacht zu haben, meine aber, in dieser Frage gemeinsam mit dem Senat und der Fraktion einen richtigen Weg gegangen zu sein, denn die Chance nicht zu nutzen und nichts zu tun, wäre mindestens genauso vorwerfbar gewesen wie die Vorwürfe, die Sie heute gegen uns erheben. – Herzlichen Dank.
Bevor ich zur nächsten Wortmeldung komme, habe ich darauf hinzuweisen, dass es sich hier um 295 Prozent der Redezeit eines Abgeordneten der Aktuellen Stunde handelt.