Protocol of the Session on September 29, 2005

(Beifall bei der GAL)

Dann zum Thema "Gerechtigkeit im Straßenverkehr". Der Senat behauptet in seiner Antwort auf unsere Große Anfrage, Fahrradfahren sei eine tolle Sache, das sollten die Leute weiter tun. Bei einer unterprivilegierten Verkehrsart müsste doch eine aktive Förderung das Ziel sein. Da müsste man sich Ziele setzen, da müsste man Zeiträume stecken und wahrscheinlich Geld investieren. Auch bei all dem ist bei Verkehrssenator Freytag Fehlanzeige, der damit auch in seiner dritten Funktion in Bezug auf die Fahrradpolitik in Hamburg versagt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Hier hilft vielleicht ein Blick über den Hamburger Tellerrand. Richten wir den Blick einmal nach Kiel, Berlin oder Brüssel. In Kiel hat es die Entwicklung gegeben, dass durch Zertifikation des Radverkehrs dessen Anteil von 8 Prozent im Jahre 1997 auf heute 17 Prozent mehr als verdoppelt werden konnte. Man kann also etwas tun.

Oder nehmen wir Berlin: In Berlin liegt der Anteil des Radverkehrs heute bei 10 Prozent, genau wie in Hamburg. Hamburg und Berlin stehen also beide nicht glänzend da.

(Christian Maaß GAL: Der Senat macht sowieso anscheinend die ganze Zeit Bürgersprechstunde. Das interessiert ihn doch gar nicht!)

Heute steht Berlin deswegen auch auf Platz 21, während Hamburg auf Platz 28 steht. Der Chef des Bundesumweltamtes, Herr Troge, sagte dazu, was sich Berlin bei der Vernachlässigung von Radwegen leiste, sei schon imposant. Das hat er über den 21. Platz gesagt. Was hätte er über den 28. sagen können? Das können uns die Radfahrer, wenn sie denn hier wären, alle genau sagen. Aber der große Unterschied ist, dass Berlin das als Problem erkennt und es angeht. Berlin setzt sich selbst das Ziel, von heute bis zum Jahr 2010 den Radverkehrsanteil von 10 Prozent auf 15 Prozent zu steigern. Das sind 50 Prozent Zuwachs. Dabei soll die Sicherheit erhöht werden, denn trotz steigenden Radverkehraufkommens soll die Zahl der Unfälle sinken. Zu welchem Schluss kommt Berlin folglich? Dass dies etwas kostet. Berlin geht davon aus, dass fünf Euro pro Einwohner ausgegeben werden sollen.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist doch kein Geld! – Klaus-Peter Hesse CDU: Und woher nehmen die das?)

Wo liegt Hamburg? Bei 12 Cent pro Einwohner. Das ist ein Skandal!

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Schauen wir, wo die schmalen Mittel bleiben. Die Radfahrerinnen und Radfahrer in Hamburg sind besonders darüber empört, wie sie an Ampeln behandelt werden. Auch da steht Hamburg auf dem vorletzten Platz im Klimatest, noch hinter Braunschweig. Ich vermag mir nicht vorzustellen, was die Braunschweiger noch schlimmer machen. Die Begründung des Senates in der Antwort zur Großen Anfrage ist geradezu zynisch. Er wolle, so heißt es da, im Zuge der Verflüssigung des Verkehrs nur noch bedarfsgerecht schalten. Und wie sollen Radfahrer diesen Bedarf nachweisen? Durch Druckknöpfe. Da werden sie durch das System der Telematik aktiv ausgebremst. Dafür gibt der Senat 3,5 Millionen Euro aus, während für den Radverkehr hamburgweit gerade einmal 200 000 Euro übrig bleiben. Das sind viereinhalb Prozent dessen, was der letzte rotgrüne Senat tatsächlich ausgegeben hat. So kann man den Radverkehr in der Stadt tatsächlich kaputt machen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich möchte den Blick noch nach Brüssel wenden. Dort wurde in der letzten Woche die Woche der nachhaltigen Mobilität begangen. Daran haben sich über 1000 Städte und Gemeinden europaweit beteiligt. Haben Sie in Hamburg irgendetwas davon mitgekommen? Hätte der Umwelt-, Stadtentwicklungs- und Verkehrssenator etwas tun sollen?

(Nebahat Güçlü GAL: Der hört ja nicht einmal zu!)

Ich glaube schon. Hieran geht er vorbei. In Brüssel zum Beispiel ist am 18. September die Innenstadt für Autos komplett gesperrt worden. Man stelle sich so etwas einmal in Hamburg vor.

Dann gibt es noch ein ganz besonders beeindruckendes Beispiel, das der EU-Kommission. Die EU-Kommission ist Brüssel ja vergleichsweise weniger verbunden als es der Hamburger Senat Hamburg gegenüber sein müsste. Die EU-Kommissare und alle Kommissionsmitarbeiter kom

men in eine fremde Stadt und leben dort auf Zeit. Der Hamburger Senat hingegen muss sich ausschließlich mit Hamburger Interessen befassen und er müsste da etwas tun. Was tut also die EU-Kommission so Besonderes? Sie hat im Jahr 1998 ein Programm zur Förderung des Radfahrens aufgelegt. Dafür hat die EU-Kommission im Jahr 2000 20 Fahrräder und kontinuierlich weitere angeschafft, mit dem Erfolg, dass der Anteil der Autofahrer durch die Nutzung dieser zur Verfügung gestellten Fahrräder von 56 Prozent auf 25 Prozent gesunken ist. Der Anteil des Radverkehrs beträgt 25 Prozent, in Brüssel, wo es wirklich kein Vergnügen ist. Wo mag dieser Anteil beim Senat liegen? Das ist die große Frage.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Geschichten, die Kommissionsglieder und -mitarbeiter dazu erzählen können, haben geradezu etwas Rührendes. Da sagt die für die Einführung dieser Fahrräder zuständige Susanne Warren, sie stelle fest, dass immer mehr Funktionäre die Fahrräder nutzen. Diese fänden das gut und würden sich bewusst, wie viel Zeit sie damit sparen.

(Olaf Ohlsen CDU: Ist ja rührend, Herr Lühmann!)

Letztendlich würden sie sich dann sogar ihr eigenes Fahrrad kaufen. Der EU-Kommissar Siim Kallas gerät regelrecht ins Schwärmen: Er liebe Fahrradfahren, sagt er, und für die körperliche Gesundheit sei Fahrradfahren natürlich auch gut. Er empfehle also jedem, so viel wie möglich Fahrrad zu fahren.

Das bringt mich auf eine Idee: Der Gesundheitssenator Dräger könnte sich doch vielleicht einmal des Fahrradfahrens annehmen. Der wäre vielleicht etwas weniger verbockt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Hesse.

(Nebahat Güçlü GAL: Nicht zu laut schreien, Herr Hesse!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss nicht so laut schreien, aber ich kann jetzt schon sagen, dass Sie meine Erwartungen, was diese Debatte angeht, mit Ihrem Wortbeitrag auf jeden Fall erfüllt haben. Es ist nämlich viel über Brüssel, Berlin und andere Städte gesprochen worden, aber zu den Ursachen des Zustandes der Radwege in Hamburg haben Sie nichts gesagt.

(Beifall bei der CDU – Christian Maaß GAL: 44 Jahre, Herr Hesse, 44 Jahre!)

Herr Maaß, es sind vielleicht 44 Jahre SPD-Regierung gewesen, aber wir wollen auch nicht die letzten vier Jahre verschweigen, in denen Sie für die Radfahrpolitik mitverantwortlich waren. Auch da ist hier in Hamburg nichts passiert.

(Beifall bei der CDU)

Fangen wir doch einmal mit dem Punkt an, in dem wir in diesem Hause wahrscheinlich alle übereinstimmen, da wir alle Menschen kennen, die Radwege kennen. In der Einleitung von Herrn Lühmann steht, für Radfahrer sei Hamburg immer weniger attraktiv, dies zeige sich unter anderem an schlechten und kaputten Fahrradwegen,

ungenauer Kennzeichnung der Radwege, schlechter Führung über große Kreuzungen und so weiter. Sie glauben doch nicht ernsthaft, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass dieser Senat dafür verantwortlich ist. Das haben Sie alles gemacht und nicht der CDUSenat.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sarrazin?

Ich hoffe, die Rede wird dadurch nicht noch länger, damit die Kollegen nachher nicht gelangweilt sind. Bitte, Herr Sarrazin.

Sehr geehrter Kollege, wie hoch ist der Haushaltsansatz für Neubau und Instandhaltung von Radwegen und wie hoch war dieser bis 2001?

Herr Sarrazin, gedulden Sie sich etwas. Ich verspreche Ihnen, dass ich diese Frage beantworte. Sie ist ein Bestandteil dieser Rede, da sie auch von Herrn Lühmann angesprochen wurde.

Ich möchte nicht groß auf die Pseudo-Fahrradfahrerpolitik eingehen, die Sie verfolgt haben. Ich möchte auch nicht den Punkt 2.2 darstellen, da es zu lange dauern würde. Ich empfehle aber, in der Großen Anfrage nachzulesen, was der CDU-geführte Senat momentan alles für das Radfahren in Hamburg tut. Einen Punkt möchte ich jedoch schon nennen, das ist der Punkt Radfahren in öffentlichen Grünanlagen. Nach der Änderung der Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen ist das Radfahren in diesen nunmehr grundsätzlich erlaubt. Ausnahmen werden von den Bezirksämtern bestimmt. Dies hat die CDU beschlossen,

(Jan Quast SPD: Nein, eben nicht!)

dies hat die CDU umgesetzt, nicht Sie. Sie hätten es in Ihrer Regierungszeit machen können und haben es nicht getan.

(Beifall bei der CDU)

Damit haben wir jetzt schon mehr für den Radverkehr getan als die Grünen, als sie in der Regierungsverantwortung waren. Allein durch die Freigabe und die Mehrnutzbarkeit dieser Radwege sind mehr Radwege in Hamburg entstanden als zu Ihrer Zeit.

(Beifall bei der CDU)

Da brauchen Sie nicht, Herr Lühmann, mir irgendwelche 12 Cent für Radfahrer vorrechnen, denn das kostet noch nicht einmal etwas. Das ist intelligente Radfahrpolitik.

Ich habe Herrn Quast und andere eben schon schreien hören,

(Gerhard Lein SPD: Schreien tun nur Sie!)

Sie seien es gewesen, Sie hätten das auch gewollt, Sie hätten auch Anträge geschrieben. Wie geht denn die Opposition mit der vom CDU-Senat getroffenen Entscheidung um? Der ADFC – den ich immer gern zitiere, weil er auch Freunde in der Opposition hat – schreibt:

"Eimsbüttel sperrt wichtige Radverkehrsverbindungen im Schanzenpark. ADFC hält diese Regelung für falsch. … 'Der Dänenweg war seit vielen Jahren als eine wichtige Radroute von der früheren Umweltbehörde mit einer Wegweisung gekennzeichnet. Nun hat das Bezirksamt Eimsbüttel im Alleingang die Routenbeschilderung im Schanzenpark entfernt.'"

Wer regiert eigentlich in Eimsbüttel? Wer ist dort für Parks zuständig? Das ist Ihre Politik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. So gehen Sie mit der Freigabe der Parks um.

(Beifall bei der CDU – Gesine Dräger SPD: Sie sollen doch nicht so schreien!)