Protocol of the Session on December 15, 2004

Wenn Herr Neumann hier in der letzten Debatte zu diesem Thema gesagt hat, es sei ein einmaliger Vorgang in der hamburgischen Geschichte, dass die Bürgerschaft

verklagt wird, dann kann ich heute nur sagen: Herr Neumann, niemand ist davor sicher verklagt zu werden. Entscheidend ist, dass die Klage substanzlos ist.

(Beifall bei der CDU)

Bei einem weiteren Wort aus Ihren Reihen sage ich einfach nur: Nicht wir waren die Winkeladvokaten, diese sitzen woanders.

(Buhrufe von der SPD)

Das Wort kam von Ihnen und heute schlägt es in voller Breite auf Sie zurück.

(Beifall bei der CDU)

Herr Maaß sprach hier vor wenigen Wochen von einem kalten Putschversuch von oben gegen die direkte Demokratie.

(Christian Maaß GAL: Dabei bleibt es auch! – Bei- fall bei der SPD und der GAL)

Herr Maaß, Herr Neumann, hier und heute sind von Ihnen Entschuldigungen fällig.

(Beifall bei der CDU)

Das Verfassungsgericht hebt heraus – auf diesen Punkt ist Herr Dr. Schäfer auch eingegangen –, wie sorgfältig und gründlich, das sind zweieinhalb Seiten im Text der Urteilsbegründung, Senat und Bürgerschaft hier gearbeitet haben und

(Zuruf von Doris Mandel SPD)

auch gerade nach dem Volksentscheid Alternativen geprüft und beraten haben. – Können Sie Frau Mandel mal ein Zäpfchen geben, Herr Präsident?

(Glocke)

Also, meine Damen und Herren,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Da wachen Sie auf!)

es ist insgesamt besser, wenn wir wieder ein wenig Ruhe hineinbringen und zu dem allgemeinen, hier beliebten parlamentarischen Sprachgebrauch zurückkehren.

Dann entschuldige ich mich für den von mir gewählten Sprachgebrauch.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Gib ihr eine Tablet- te! – Glocke)

Herr Abgeordneter Schira, das gilt für alle, auch für Sie.

Wir werden jedenfalls heute als CDU-Fraktion guten Gewissens der Vorlage zustimmen, obwohl wir wissen, dass wir den Volksentscheid übergehen. Die inhaltlich fachlichen Argumente sind längst ausgetauscht. Wenn die SPD heute tatsächlich die zweite Lesung verweigern sollte und eine Sondersitzung erzwingt, dann macht sie sich vollends lächerlich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Argumente für oder gegen den Mehrheitsverkauf des LBK sind sehr oft hier an dieser Stelle ausgetauscht worden. Ich kann mich hier im Namen der GAL-Fraktion nur meinem Kollegen Schäfer anschließen. Lassen Sie mich auf den Aspekt der Folgen für Demokratie und Demokratieverständnis hier in Hamburg nochmals zurückkommen.

Wir müssen feststellen, dass die Volksgesetzgebung leider unvollständig ist. Das mussten wir heute mit dem Urteil des Verfassungsgerichts erfahren. Volksentscheide binden die Bürgerschaft rechtlich nicht.

(Zurufe von der CDU: Das ist so!)

Das hat das Verfassungsgericht festgestellt und das haben wir als Rechtslage zu akzeptieren.

(Zurufe von der CDU: Das haben wir Ihnen vorher gesagt!)

Leider hat aber das Urteil auch zur Folge, dass jede zukünftige Volksinitiative damit rechnen muss, dass die da oben das machen, was sie wollen, was ihnen der Volksmund traditionell auch immer so schön unterstellt,

(Olaf Ohlsen CDU: Dafür wird gewählt!)

und sich um die Mehrheitsmeinung des Volkes eigentlich den Teufel scheren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Daher sind wir als GAL, meine Damen und Herren von der CDU, der Meinung, dass diese Rechtslage geändert werden muss. Wir wollen eine Verfassungsänderung, die die Bindung von Volksentscheiden regelt,

(Beifall bei der GAL)

denn sonst läuft die ganze Volksentscheidung und Volksgesetzgebung ins Leere. Wir fürchten, dass das großen Schaden anrichten kann, weil wir die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungen des Gemeinwesens für richtig halten, nämlich mehr Demokratie, mehr Einfluss und mehr Verantwortung. Das war das Ziel der ganzen Aktion.

(Beifall bei der GAL)

Die Volksgesetzgebung soll doch unsere Demokratie verbessern, indem sie mehr Bürgerinnen und Bürger einbezieht, die sich auch dadurch um ihre eigenen Angelegenheiten aktiv kümmern. Keiner der Befürworter und Befürworterinnen dieser Erweiterung der Demokratie hier in der Stadt hat sich vorstellen können, dass sich in einer funktionierenden Demokratie überhaupt eine parlamentarische Mehrheit trauen wird, über die Mehrheit der Wählerinnen und Wählerinnen einfach hinwegzugehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir haben uns einfach bitter getäuscht; auch darin, dass die Hamburger CDU und ihr Senat das einfach kalt lächelnd tun würden. Wahrscheinlich setzen Sie auf das Vergessen der Leute hier in der Stadt, nach dem Motto "Man kann ja sowieso nichts machen". Das ist dann der Effekt, den Sie als CDU damit auslösen. Wir finden das unverantwortlich gegenüber den Wählerinnen und Wählern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das hat nämlich zur Folge, dass Sie das Volk, die Bürgerinnen und Bürger eigentlich als Tanzbären vorführen.

(Michael Fuchs CDU: Das ist doch unfassbar!)

Sie führen nicht ohne Folgen das Volk als Tanzbären vor, der sowieso nie etwas erreichen kann, egal wie er sich anstrengt oder wie hoch er springt. Das ist die Folge.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Je mehr ich heute Vormittag darüber nachdachte – ich weiß nicht, ob man das hier sagen darf –, kam mir mehr und mehr die Galle hoch. Ich muss sagen, die Leute müssen sich doch – vornehm ausgedrückt – auf den Arm genommen fühlen für das Engagement, das sie in den letzten Wochen und Monaten erbracht haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Zuruf von Barbara Ahrons CDU)

Das Schlimme ist, dass das Enttäuschung und Resignation schafft. Frau Ahrons, wenn Sie dazwischenreden: Wer resigniert, ist auch potenziell für Demokratie – ich will nicht sagen – verloren. Aber er kann verloren gehen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)