Sie reden im Zusammenhang mit Kindertagesbetreuung von Wohltaten. Herr Bürgermeister, nehmen Sie zur Kenntnis: Kindertagesbetreuung im 21. Jahrhundert ist keine Wohltat mehr, sie ist bittere Notwendigkeit.
Von daher klafft zwischen Ihrer Regierungserklärung, nämlich zwischen dem, was Sie und Ihre Fraktionskollegen gerade gesagt haben, und dem, was Sie im Plauderton losgelassen haben, ein Widerspruch, der die Eltern und Kinder hellhörig werden und alle Alarmglocken bei ihnen klingeln lassen muss. Sie, Herr Bürgermeister, sind es gewesen, der in einem bundesweit einzigartigen Feldversuch die Interessen von Kindern und Eltern missachtet hat. Zweieinhalb Jahre lang waren Sie Bürgermeister, das war ja keine Probezeit. Von daher in diesem Zusammenhang von Wohltaten zu sprechen, ist schwierig und zeigt im Grunde genommen, dass Sie es in der Sache noch nicht ernst meinen.
Eltern und Kinder sind in der Frage der Kindertagesbetreuung – und das impliziert ja der Ausdruck "Wohltaten" – keine Almosenempfänger mehr. Eltern, insbesondere Frauen, und Kinder brauchen eine verlässliche, eine planbare Kindertagesbetreuung, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Wirklichkeit werden zu lassen und nicht nur in Sonntagsreden und Regierungserklärungen.
Dann kommen wir auf das zurück, was Sie im Augenblick noch zu verantworten haben. Wir hatten diesbezüglich noch Abstimmungen im Februar. Es war Ihr Senat unter Ihrer Führung, der dafür gesorgt hat, dass die Krippenversorgung dramatisch zurückgeht. Ole von Beust war Bürgermeister und nicht ein Sozialdemokrat. Deswegen
bin ich immer noch hellhörig bei Ihren Äußerungen, was Wohltaten angeht, und die Eltern sollten es auch sein.
Über die Frage der Bedeutung des 13. Juni ist viel gesprochen worden und nun haben Sie gesagt, okay, wir wollen uns verbessern. Einen ersten Schritt der Besserung und auch der Wiedergutmachung sehe ich darin, dass Sie eine Kleine Anfrage eines kleinen, unbedeutenden Abgeordneten nach einem halben Jahr noch einmal korrigiert und mit den richtigen Zahlen versehen haben. Das ist bisher Ihre Politik gewesen. Die letzten zweieinhalb Jahre war es Täuschen und Tarnen. Das ist etwas, was die Hamburger nicht vergessen werden.
Was wir heute nicht mehr und nicht weniger von Ihnen verlangen, ist, Klarheit darüber zu schaffen, was denn nun Ihre wahren, politischen Planungen sind neben dem, was Sie in der Regierungserklärung gesagt haben. Da ist noch unter Ihrer Verantwortung eine Steuerungsgruppe eingesetzt worden, die im Februar Ergebnisse vorlegen sollte. Man hat als Wahlkämpfer ein gewisses Maß an Verständnis dafür, dass diese Ergebnisse noch nicht vorliegen. Aber jetzt haben wir Ende März und wir wollen, dass diese Ergebnisse jetzt vorgelegt werden, um auf deren Grundlage dann zu sehen, was Sie wirklich wollen.
Der zweite Punkt: Die Hamburgerinnen und Hamburger haben einen Anspruch darauf, zu wissen – weil Sie es selbst in der Regierungserklärung angesprochen haben – , was nun mit Jesteburg II ist. In Jesteburg II gibt es einen Prüfauftrag, der sagt, zum 1. August 2004 sollen die Elternbeiträge um 10 Prozent steigen. Das ist Beschluss von Jesteburg II. Sie haben gerade vor wenigen Stunden noch gesagt, Jesteburg II habe völlige Gültigkeit. Wenn Sie von uns als Opposition verlangen, weil die Eltern es auch verlangen, dass es in dieser Frage zu einer Lösung kommt, dann sind Sie jetzt am Zuge, die Fakten auf den Tisch zu legen.
Die andere Frage, wie man mit einem Gesetzentwurf der Volksinitiative umgehen kann, haben sowohl der Fraktionsvorsitzende als auch die Stellvertreterin beantwortet. Das brauche ich nicht mehr zu erwähnen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Böwer, wir haben ja auch vor der Wahl schon die eine oder andere Schlacht geschlagen. Ich hatte eigentlich gehofft, dass sich das eine oder andere bei Ihnen ändern würde, aber anscheinend – das habe ich bei Ihren Redebeiträgen und auch denen von Herrn Neumann gehört – hat sich bei Ihnen leider nichts geändert. Deswegen bin ich wieder in der Rolle, bei Ihren Aussagen Korrekturen vornehmen zu müssen; damit fange ich auch gleich an.
Erste Bemerkung, damit es auch nicht vergessen und falsch aufgenommen wird: Es gibt einen Vorschlag in Jesteburg II, zur Finanzierung möglicherweise die Elternbeiträge zu erhöhen. Aber es ist doch selbstverständlich, dass eine Behörde, wenn sie den Auftrag bekommt, gezielt konkrete Vorschläge zu erarbeiten, alle Möglichkeiten mit einbindet. Wenn die Behörde dies nicht machen würde, würde ich mich fragen, welche Arbeitsauffassung
diese Behörde hat, wenn sie diese Vorschläge nicht bringt. Entscheidend, Herr Böwer, ist der politische Wille und der politische Wille sieht anders aus. Deshalb ist dieser Punkt von Ihnen falsch dargestellt worden.
Zweiter Punkt: Es ist ja auch eine Frage der Vorstellung, da hören Sie heute den Ersten Bürgermeister. Sie haben ein Regierungsprogramm schwarz auf weiß vorliegen und dann sagen Sie, das sei alles wohl vom Ersten Bürgermeister noch nicht ernst gemeint. Wenn es im Regierungsprogramm steht, wenn es hier verkündet wird, wenn wir dahinter stehen, dann ist es ernst gemeint und das ist auch gut so.
Ich möchte im Übrigen auch zu der Frage, wie wir in Zukunft mit dem Bereich Kindertagesbetreuung umgehen, einiges sagen. Der Erste Bürgermeister hat zwei Begriffe eingeführt: Verantwortung und auch eine gewisse Bescheidenheit. Herr Neumann hat gesagt: Da kann ich zustimmen, wir arbeiten zusammen, wir werden auch alle guten Vorschläge unterstützen, das ist auch unsere Verantwortung. Er hat Zustimmung signalisiert und sich sehr moderat geäußert. Gerade einmal sieben oder acht Minuten später spricht dieser Herr Neumann, der neue Fraktionsvorsitzende, der auch eine moderate Rolle übernehmen soll, im Zusammenhang mit dem Kita-Bereich von missraten, Versündigung und verbrannter Erde. Liebe SPD, lieber Herr Neumann, wenn Sie gerne mit uns in einigen Punkten zusammenarbeiten wollen, dann sollten Sie zunächst einmal diese Begrifflichkeit sein lassen und endlich von diesem Populismus wegkommen, mit solchen Beschimpfungen zu arbeiten.
Dann komme ich gerne dazu, einmal zu präsentieren, was denn verbrannte Erde ist. Ab 1. April gibt es im Elementarbereich für Berufstätige einen Anspruch auf eine Kindertagesbetreuung, ab 1. August für den Hortbereich. Das ist eine Planungssicherheit für Familien, das gibt es in keiner anderen westdeutschen Stadt, nur in Hamburg. Das ist keine verbrannte Erde, das ist eine richtige und gute Familienpolitik.
Was ist denn verbrannte Erde? Wir werden die fünfte Stunde mit Mittagessen einführen. Das ist keine verbrannte Erde, das ist die erste richtig gute Maßnahme, die gerade in Betrachtung der Kindertagesbetreuung für eine moderne Sozialpolitik nötig ist. Das machen wir genauso wie wir die Sprachförderung ausbauen. Dieses haben wir auf den Weg gebracht, das gab es vorher nicht.
Herr Neumann ist ja erst seit 2001 in der Politik. Für ihn ist all das, was er beziehungsweise die Sozialdemokraten als Vorleistung gebracht haben, nicht existent. Die angeblich 18 000 Kita-Plätze fehlen ja nicht erst seit 2001 mit unserer Regierungsübernahme. Verzeihung, das ist doch das Werk, das Sie uns überlassen haben. Dieses Werk mussten wir mit der Regierungsverantwortung übernehmen.
Dann komme ich zu einem anderen Aspekt. Ich war heute ganz erfreut und habe Ihr Lächeln auch gesehen, Frau Goetsch. Dieses Lächeln freut mich ja immer. Aber in einem Punkt schaffen wir auch etwas Neues im Bereich der Kindertagesbetreuung – auch das ist einmalig in der Bundesrepublik Deutschland –, nämlich in den nächsten vier Jahren Bildungsstandards fest zu implementieren. Wir werden damit bis 2008 eines der Bundesländer mit dem fortschrittlichsten Bildungsauftrag für den Bereich der Kindertagesbetreuung sein. Die Schaffung von verbindlichen Standards, die Schaffung von Bildungsplänen, Frau Goetsch, haben Sie doch sicher gerne zur Kenntnis genommen. Es steht nämlich auch im Regierungsprogramm und das wird umgesetzt werden.
Dann komme ich zum Bereich der Verantwortung und auch zu der Frage, wie man sich denn bei der SPD einlässt. Es wurde signalisiert, man sei zur Zusammenarbeit bereit. Dann lese ich aber in unserer Lieblingszeitung, der "Welt": "Kita-Entscheid wird zur Machtprobe", vom Bestreben der SPD, im Juni die Abstimmung über ein hoch brisantes, wichtiges politisches Ereignis zu einer Machtprobe Ja oder Nein verkommen zu lassen. Wenn Sie von Verantwortung sprechen und eine gewisse Bescheidenheit haben – Sie haben bereits einmal in der Vorphase des Wahlkampfes mit dem entsprechenden Wahlergebnis erlebt, dass solche Machtproben populistischer Art für ein so elementar wichtiges Thema nicht geeignet sind und auch von den Menschen dieser Stadt nicht angenommen werden –, wenn Sie diese Abstimmung als Machtprobe missbrauchen, werden wir sicherlich nicht weiterkommen.
In diesem Zusammenhang steht auch die Frage, was Sie eigentlich erreichen wollen. Wenn wir uns über die Wichtigkeit dieses Themas einig sind, rasen zurzeit zwei Loks mit Hochgeschwindigkeit gegeneinander. Die Frage ist, ob Sie die richtigen Weichen stellen können, auch in einer verantwortungsbewussten Politik diesen Zusammenstoß zu verhindern, denn Sie werden nicht der Sieger dieses Zusammenstoßes sein, wir auch nicht, sondern die Leidtragenden in dieser Stadt sind die Familien, für die wir bereits so viel erreicht haben. Dieses wollen Sie anscheinend unter der Maßgabe einer politischen Notwendigkeit kaputtmachen; das können wir nicht zulassen.
Das heißt, wir sind bereit, in dieser Bescheidenheit und mit dieser Verantwortung jetzt das Fundament, das gelegt wurde, auch durch die tragenden Wände zu ergänzen, die Kindertagesbetreuung als Teil einer guten, modernen Familienpolitik, als Teil einer modernen Sozialpolitik und auch als Teil einer Bildungspolitik aufzubauen, und wir werden auch bereit sein, wenn es konstruktive Anlässe gibt, dem zuzustimmen. Wir stimmen heute Ihrem Antrag zu. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will jetzt das Fass der Regierungsdebatte gar nicht wieder aufmachen. Ich haben einen Vorteil: Ich bin neu hier und deswegen möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich Ihnen allen vorstellen. Ich freue mich auf unsere zukünftige Zusammenarbeit, die aber sicherlich davon geprägt sein wird, dass wir mit den
Damen und Herren – mit den wenigen Damen und den vielen Herren der CDU – nicht immer der gleichen Meinung sind. Das liegt aber in der Natur der Sache aus Opposition und Regierung. Doch ich denke, wir werden uns in anregenden Debatten auch mit manchen Inhalten gut auseinander setzen können.
In diesem Sinne möchte ich jetzt zum Thema kommen. Lassen Sie mich gleich vorweg ein Fazit fassen. Meines Erachtens ist der Antrag der SPD-Fraktion eigentlich überflüssig, das heißt, er sollte überflüssig sein, denn es wäre eigentlich eine Selbstverständlichkeit gewesen, die Ergebnisse der Lenkungsgruppe hier zu präsentieren.
Dieser Zeitpunkt der Präsentation ist mit dem 17. Januar nicht nur einmal, sondern mit der Ankündigung, die Ergebnisse Mitte März zu präsentieren, gleich zweimal überschritten worden. Das ist etwas, was wir überhaupt nicht unterstützen können. Vielleicht ist dieser Mangel an Transparenz aber auch so zu erklären, dass die Ergebnisse zwar längst bekannt sind, aber jetzt als Grundlage für eine neue Lenkungsgruppe – man munkelt schon, unter Federführung von Klaus Meister – dienen soll, der dann Licht in das Kita-Dunkel bringen soll.
Es ist nicht unsere Aufgabe, Mutmaßungen über die Resultate der Lenkungsgruppe anzustellen, aber es ist Ihre Aufgabe, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, nach all den Entwicklungen im Kita-Chaos, zu der übrigens auch das dubiose Verschwinden der KitaAkten gehört, die Bürgerschaft, die Öffentlichkeit, die Kitas und die Eltern zu informieren, besser noch als zu informieren, ihnen die Möglichkeit zu geben, mitzugestalten. Das fehlt nämlich hier in einem ganz erheblichen Maße. Da ist es doch nicht verwunderlich, dass wir, die GAL-Fraktion, das Misstrauen der SPD teilen und die Vorlage der Arbeitsergebnisse per Bürgerschaftsbeschluss manifestieren möchten. Ich bin sehr erfreut zu hören, dass Herr Weinberg das ähnlich sieht, und es jetzt endlich so vorangeht, wie es uns Bürgermeister von Beust eben auch in seiner Regierungserklärung versprochen hat, dass das Konzept vorgestellt wird.
Ehrlich gesagt wundert uns aber gleichzeitig auch nicht, warum die Ergebnisse bislang noch gar nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind, denn das, was aus den Sitzungen dank der Presse an die Öffentlichkeit gekommen ist, ist alles andere als fortschrittlich und passt überhaupt nicht zu den schönen Worten unseres Bürgermeisters.
Die Vorschläge reichen von Standardabsenkung und Erhöhung der Elternbeiträge im Sinne von Gebühren hoch und Qualität runter bis hin zu dem Begehren, die gerade verhandelten Rahmenverträge mit den KitaTrägern wieder zu kündigen und erneut und sicherlich nicht zum Vorteil der Kita-Träger zu bestimmen. Doch die Lenkungsgruppe hat noch mehr unangenehme Botschaften, auf die ich hier im Einzelnen gar nicht eingehen möchte. Eines ist mir aber wichtig – das wurde eben auch schon angesprochen –, die Erhöhung der Elternbeiträge. Sicherlich müssen wir alle irgendwo etwas leisten und auch für eine gute, qualifizierte Kita-Bildung Geld bezahlen, das ist richtig. Aber die Erhöhung der Elternbeiträge geht eindeutig in die falsche Richtung. Wir reden hier über eine Steuerung durch Verteuerung und diese soll die Eltern auf den Weg in die angeblich richtige Kinderbetreuung bringen. Höhere Beiträge für einen Krippen
platz, verbunden mit einem gleichzeitigen Gutscheinstopp und einer verbilligten Tagespflege schaffen hier ein gewolltes Anreizsystem für die Tagespflege und nehmen – und das ist jetzt wichtig – den Eltern die reale Wahlmöglichkeit zwischen diesen Betreuungsmöglichkeiten. (Beifall bei der GAL und der SPD)
Meine Damen und Herren! Steuerung durch Verteuerung auch im Elementarbereich, wie sollte es anders sein, die Vier-Stunden-Plätze sollen billiger werden. Kein Wunder, darauf hat ja auch jeder einen Rechtsanspruch. Wer sein Kind jedoch sechs Stunden qualifiziert in einer Einrichtung betreut wissen möchte, muss nach Vorstellung der Lenkungsgruppe demnächst sehr viel tiefer in die Tasche greifen oder vielleicht, wenn es nach der CDU geht, am besten wieder zu Hause bleiben. Steuerung durch Verteuerung ist die neue Art von angeblicher Beitragsgerechtigkeit, die uns die CDU verkaufen will, über die bislang aber lieber noch geschwiegen wird. Doch es ist an der Zeit, dieses Schweigen zu brechen.