Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren, Herr Bürgermeister! Herr Reinert hat eben eine große Rede des Bürgermeisters gehört.
Was ist das Merkmal einer großen Rede? Dass sie elektrisiert. Nicht einmal Sie wirkten elektrisiert.
Sie wirkten nur heftig entschlossen, die Hände massiv zu bewegen und das lange und sozusagen einen Auftritt zu verschaffen, aber elektrisiert hat er nicht. Er hat brav vorgetragen, was man seit einiger Zeit schon alles zum Thema "Wachsende Stadt" gehört hat. Das kennen wir alles schon. Dann hat sich eine Debatte angeschlossen, die auch nicht sehr inspiriert oder elektrisiert war. Das hängt damit zusammen, wenn der Einstieg nicht stimmt, dann geht es auch schwierig weiter.
Warum hat der Einstieg nicht gestimmt? Weil der Bürgermeister in Wirklichkeit keine klare politische Rede gehalten hat. Er hat nicht dargestellt, worin sich eigentlich
seine Politik von der anderer unterscheidet. Das Merkmal der Differenz war nirgends klar, sondern es war eine Rede im Allgemeinen. Das ist natürlich eine Rede, die er der besonderen Situation verdankt. Er hat jetzt die absolute Mehrheit, will Politik für alle machen, was natürlich nicht geht, weil es immer Streit gibt. Wie versucht er dann, die Lösung zu finden? Indem er sich aufs Abstrakte zurückbewegt. Das wird nicht lange anhalten. Der Mann muss künftig heftiger in den Clinch.
Dadurch, dass das jetzt aber so gegangen ist, gibt es auch in der Debatte solch einen speziellen Provinzialismus, wenn Herr Schira hier eine fromme Rede hält, jedes Mal den Namen des Senators nennt und dann ein Gebet dazu.
Drei Zeilen und dann war es das und dann sind wir alle davon unterrichtet, was es doch alles für Senatoren und Senatorinnen gibt.
Ich denke, es wäre eine schöne Aufgabe, wenn wir bei der Diskussion einmal ein bisschen versuchten, so zu reden, als wäre das so.
Man merkt Provinzialismus besonders massiv daran, dass Leute sagen: Wir wollen Metropolbürger werden. Niemand wirkt so provinziell wie derjenige, der es sich zu seinem Programm macht, Großstädter zu werden.
Das ist eine in Hamburg verbreitete Tendenz. Wir haben in der Stadt wirklich ein Metropolenproblem. Wir haben zum Beispiel kein Intelligenzblatt als Tageszeitung. Die "Welt" ist nach Berlin gelaufen und wir haben eigentlich nur gehobene Generalanzeigerpresse und dann wollen wir aber Metropole werden.
Dazu kommt, dass in dem Regierungsprogramm manches ein bisschen banausisch daherkommt. Da wird von den Wissenschaften gesprochen und von der Kultur und den Künsten. Weswegen wird von den Wissenschaften und von der Kultur und den Künsten gesprochen? Um der Wahrheit willen, um der Schönheit willen oder der Erhabenheit willen und des Interessanten willen? Nein, weil das wirtschaftlich standortmäßig so doll kommt. Genau so verhält sich aber ein Banause,
zu sagen, all das, was erste Zwecke sind, wird funktionalisiert für den Hilfszweck, dass wir natürlich leben müssen und weil wir leben müssen, wirtschaftliche Erfolge brau
chen. Aber das Ziel des Lebens hat doch noch nie irgendein intelligenter Mensch darin gesehen, ständig mehr Geld zu machen. Das ist aber das heimlich unterstellte Motiv des neuen Senats, wenn er sagt, wachsende Stadt. Es soll nämlich im Ernst gar nicht die Stadt wachsen. Wissen Sie, was wachsen soll?
Es soll das Portemonnaie wachsen. Das ist gut hanseatisch, das ist klassisch hanseatisch. Aber frühere Stadtväter haben das nicht so pompös ausgedrückt.
Die haben das einfach gemacht. Dazu muss man noch sagen, dass das Programm auch ein Stück weit widersprüchlich ist. Überlegen Sie sich einmal, wir wollen gleichzeitig die wirtschaftsfreundlichste Stadt werden und wir wollen die kinderfreundlichste Stadt werden. Was muss man machen, um wirtschaftsfreundlich zu sein? Emissionen zulassen, Verkehr nicht so stark dämpfen, höheres Tempo auf den Straßen, all solche schönen Sachen.
Was muss man machen, um kinderfreundlich zu sein? Die Kinder da durchjagen? Das wird doch ein Problem.
Man muss doch diesen Widerspruch zumindest einmal aufdecken und sagen, ja, wir wollen beides, aber wie machen wir das denn, wie kriegen wir denn das Problem gelöst, das offenkundig darin steckt? Aber der Bürgermeister macht sich keine Probleme, sondern stellt sich Plakattafeln dahin und dann sagt er, ich habe Plakattafeln aufgestellt, schon habe ich ein Regierungsprogramm. Ich finde, wenn man das noch einmal mit einem viel strapazierten Begriff aus dem letzten Wahlkampf beurteilen soll, dann war hier immer alles unhanseatisch. Irgendein klares Wort war schon unhanseatisch. Jetzt kann man sagen, die Regierungserklärung wirkt ziemlich marktschreierisch, solange sie sich nicht konkretisiert. Und das ist, bitte schön, unhanseatisch. – Danke schön.
Auf Wunsch der SPD-Fraktion sollen die Wahlen, Punkte 5 sowie 8 a bis 8 c, erst nach der nächsten Debatte erfolgen. Dies wird erforderlich, weil verschiedentlich Stimmzettel bereits falsch ausgefüllt worden sind und nicht ausreichend Ersatzstimmzettel vorhanden waren, sodass nachgedruckt werden musste. Das ist noch nicht abgeschlossen, sodass die Wahlen jetzt nicht erfolgen können. Dennoch muss ich fragen: Gibt es Widerspruch aus dem Hause gegen diese Verfahrensweise? – Ich sehe keinen. Dann werden wir so verfahren.
Mir wurde mitgeteilt, dass der Abgeordnete Dittmar Lemke heute Geburtstag hat und diesen mit uns verbringt. Herzlichen Glückwunsch!
Ich rufe Punkt 13 auf, Drucksache 18/22, Antrag der SPD-Fraktion: Überprüfung des Kita-Chaos: Vorlage des Berichts der Lenkungsgruppe.
[Antrag der Fraktion der SPD: Überprüfung des Kita-Chaos: Vorlage des Berichts der Lenkungsgruppe – Drucksache 18/22 –]
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Sie können sich vorstellen, dass ich Ihnen während Ihrer Regierungserklärung über die Eckpunkte zukünftiger Kindertagespolitik sehr aufmerksam gelauscht habe: Fünfte Stunde inklusive Mittagessen, Rechtsanspruch für acht Monate bis 14 Jahren. Das könnte ich sofort unterschreiben. Ich musste mich ja in anderen Zusammenhängen in den letzten Wochen und Monaten auch öfter einmal im Fernsehen mit Ihnen befassen. Deswegen guckt man auch gerne zu, was der Bürgermeister so sagt. Bis zum 29. Februar habe ich immer darauf geachtet, wie Sie es sagen. Ab dem 29. Februar habe ich darauf geachtet, was Sie sagen, und da gibt es einen gewissen Widerspruch, den man heute nennen muss: Sie plaudern bei Herbert Schalthoff über Kindertagesbetreuung und auch über das, was Sie ändern wollen. In dem Zusammenhang taucht dann ein Begriff auf, der mich hellhörig werden lässt.
Sie reden im Zusammenhang mit Kindertagesbetreuung von Wohltaten. Herr Bürgermeister, nehmen Sie zur Kenntnis: Kindertagesbetreuung im 21. Jahrhundert ist keine Wohltat mehr, sie ist bittere Notwendigkeit.