Protocol of the Session on March 31, 2004

das heißt, eine Hauptschule ohne Abschluss und genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Wir brauchen

Abschlüsse, die die Jugendlichen schaffen und damit Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zum Zweiten setzen Sie auf die Ganztagsschule. Dazu kann ich nur sagen: Endlich, das ist gut. Leider fehlte auch heute jede Angabe, wann, wo und wie viele Schulen eigentlich Ganztagsschulen werden sollen. Sie haben dann vier Kriterien genannt, an denen sich das orientiere. Aber die Menschen erwarten eine genaue Aussage, sie wollen wissen, ob in ihrem Stadtteil eine Ganztagsschule eingerichtet wird oder nicht. Von dem konkreten Konzept findet man weder in den Äußerungen heute etwas, noch in Ihrem Regierungsprogramm, was dort außer einem Mittagessen schlicht stattfinden soll. Ich habe heute gelernt, in Zukunft müsse das Mittagessen bezahlt werden. Was sonst in den Ganztagsschulen stattfinden soll, bleibt ein Geheimnis.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben im Bereich der vorschulischen Bildung und auch der Sprachförderung gesagt, dass Sie planen, das zusammenzulegen und ein Leitbild zu entwickeln. Die Medienberichte, die wir zumindest in den letzten Tagen zur Kenntnis nehmen mussten, was die Sprachtests angeht, machen ja deutlich, dass diese vorschulische Sprachförderung, wie sie bisher organisiert war, wenig erfolgreich war und genau die Menschen nicht erreicht, die sie aber erreichen müsste. Wenn dann Bedarf da ist, dass Kindern wirklich sprachlich geholfen wird, dann müssen wir bisher feststellen, dass den Kindern eben kein Angebot in den Kindertagestätten oder Vorschulen zur Verfügung gestellt wurde. Das heißt, die Vergangenheit straft Sie Lügen. Wir hoffen, dass Sie es wirklich ändern. Dann wäre es gut für Hamburg und damit gut für unsere Kinder.

(Beifall bei der SPD und bei Nebahat Güçlü GAL)

Denn wir müssen uns gemeinsam auch deutlich machen, dass eine qualitativ hochwertige Bildung von Kindesbeinen an das Fundament eben auch für eine sozial gerechte und erfolgreiche Gesellschaft ist. Deswegen müssen Sie, Herr Bürgermeister, in diesem Bereich tätig werden, schlichtweg zum Wohle der Menschen unserer Stadt.

Die beruflichen Schulen selbst warten auch auf eine Aussage zum Stiftungsmodell. Auch hier: Kommt es, kommt es nicht, werden Sie die Berufsschulen jetzt an die Kammern übergeben, werden Sie es nicht machen? Sagen Sie uns, ob die Stiftungsidee vom Tisch ist oder ob Sie es weiterverfolgen. Auch hier biete ich Ihnen an: Lassen Sie uns gemeinsam an einer echten Reform der beruflichen Bildung arbeiten, aber schieben Sie die Stiftungsidee endgültig vom Tisch.

(Beifall bei der SPD und bei Nebahat Güçlü GAL)

Ich habe mich bei Ihrer Regierungserklärung auch gefragt, was denn eigentlich Ihre qualitative Vorstellung ist, wie es mit Hamburg weitergehen soll. Wie sollen denn die Menschen konkret aus der Sozialhilfe herausgelöst werden? Wie sollen konkret Arbeitsplätze geschaffen werden? Wie soll konkret unsere Wirtschaft vorangebracht werden? Wie soll sich unsere Stadt entwickeln? Ein Weiterwursteln auf dem Niveau von Jeff Koons wie in den letzten zwei Jahren reicht dann nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auffälligerweise haben Sie heute zur Sozialpolitik gar nichts gesagt. Ich habe mir so etwas schon gedacht und deshalb habe ich mir schon einmal Ihr Regierungsprogramm angeschaut. Darin steht dann doch etwas zur Sozialpolitik. Darin versprechen Sie nämlich – was Sie in der Vergangenheit auch schon nicht gehalten haben, aber Sie versprechen es erneut – Hilfe für Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können. Gut. Schauen wir es uns einmal an. Wir haben über 2000 Menschen, die auf der Warteliste für eine Schuldnerberatung stehen. Sie warten über ein Jahr und haben keine Perspektive, dass ihnen wirklich geholfen wird, mit der großen Gefahr, dass sie in die Sozialhilfe abgleiten. Offensichtlich ist diesen Menschen bisher keine Hilfe zuteil geworden.

Der zweite Punkt ist – eine Forderung, die wir auch unterstützen – die Dezentralisierung der Obdachlosenhilfe. Davon wollen Sie sich offensichtlich auch heimlich verabschieden. Sie hatten zwei Jahre Zeit. Sie hatten es sogar in Ihrem letzten Regierungsprogramm stehen. Jetzt steht nichts mehr drin, Sie sagen nichts dazu. Offensichtlich soll das auch eingestampft werden. Gleiches gilt auch für ein hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen. Angekündigt wurde es vor über zwei Jahren. Fehlanzeige in den letzten zwei Jahren, Fehlanzeige im Regierungsprogramm und Fehlanzeige in der Regierungserklärung. Gibt es das also doch nicht mehr, gibt es keine Gleichstellung für die behinderten Menschen in dieser Stadt? Diese Fragen müssen Sie beantworten, Herr Bürgermeister. Da können Sie sich nicht wegdrücken.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es fällt ja auf, dass, wenn Sie oder auch Ihre zweite Bürgermeisterin, die Sozialsenatorin, über Sozialhilfe sprechen, Sie immer sehr gerne sehr schnell über den Missbrauch von Sozialhilfe sprechen.

(Uwe Grund SPD: Hauptsächlich! – Petra Brink- mann SPD: Immer!)

Ich will dazu auch für meine Fraktion noch einmal deutlich sagen: Dazu gab es nie zwei Meinungen. Wir haben dazu immer eine klare Position gehabt, dass Sozialhilfemissbrauch natürlich kein Kavaliersdelikt ist, sondern bekämpft werden muss.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ihr habt gequatscht, aber nichts gemacht!)

Das, Herr Schira, ist ja das Einfache, weil wir uns schon so lange kennen, was Berechenbarkeit angeht. Ich habe zufällig einmal so ein Zitat von Ihrer Sozialsenatorin dabei, weil ich dachte, dass Sie einen Zwischenruf machen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Schnieber-Jastram hat in einer Presseerklärung Anfang 2002, als sie also noch relativ jung im Amt war, gesagt, die Möglichkeit für Leistungskürzung bei Arbeitsverweigerung regle das Soundso-Gesetz, das würden Sie anwenden, wie es in Hamburg auch in der Vergangenheit bereits angewendet wurde.

(Karen Koop CDU: Aber nicht konsequent genug!)

Eine bessere Kronzeugin kann ich nicht haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Worauf ich allerdings hinauswill, ist, dass der Bürgermeister – und auch Frau Schnieber-Jastram – sehr häufig den

Eindruck vermitteln, als gäbe es bei der Sozialhilfe in erster Linie ein Missbrauchsproblem. Das gibt es auch, aber das ist nicht das Hauptproblem von Sozialhilfe. Ich glaube, dass Sie mit dieser Diskussion gerne davon ablenken wollen, dass es eigentlich die größte Aufgabe der Sozialhilfe ist, die Sozialhilfebedürftigkeit erst einmal zu vermeiden beziehungsweise Menschen aus der Sozialhilfe herauszulösen.

Hier haben Sie ganz konkret in den Sozialämtern vor Ort die Personalressourcen, aber auch die materiellen Ressourcen so weit runtergekürzt, dass immer weniger Mitarbeiter für eine immer mehr steigende Zahl von Sozialhilfebeziehern zuständig sind. Damit ist ein effektives Herauslösen aus der Sozialhilfe mit diesen Ressourcen vor Ort überhaupt nicht mehr möglich. Diese Taten machen deutlich, dass das, was Sie hier gesagt haben, nett klingt, aber die Realität der Stadt ist eine völlig andere.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Merkel hat in der letzten Woche auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers geantwortet. Heute, nachdem ich Ihre Regierungserklärung gehört habe, verstehe ich, was sie meinte, als sie sagte: Sie haben die Realität zur Stadt und zu den Menschen völlig verloren. Das, wovon Sie sprechen, existiert in dieser Gesellschaft nicht. Das ist mir jetzt deutlich geworden. Wenn Sie davon sprechen, Sozialhilfe soll wieder die Ausnahme werden, nicht Lebensentwurf, heißt das, dass 1,8 Millionen Menschen in Hamburg Sozialhilfeempfänger sind? Sie diffamieren hier aus meiner Sicht die Bezieher von Krankenhilfe und Eingliederungs- und Pflegehilfe. Sie verhöhnen, glaube ich, auch Langzeitarbeitslose, die verzweifelt Arbeit suchen und auch allein erziehende Frauen und Väter, die aufgrund des Kita-Chaos oftmals keine Kindertagesbetreuung bekommen haben und deswegen auch keinen Arbeitsplatz bekommen haben. Das ist nicht deren Lebensplanung, sondern Sie haben mit Ihrer Politik in diese Lebensplanung hineingepfuscht und dafür gesorgt, dass diese Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben worden sind.

(Beifall bei der SPD und Lachen bei der CDU – Frank-Thorsten Schira CDU: Sie haben sich – Gott sei Dank – nicht verändert! – Bernd Reinert CDU: Schröder kann nichts dafür!)

Deshalb finde ich es bezeichnend, dass Sie erstens diese Zeilen so im Regierungsprogramm stehen haben – das ist nämlich schlichtweg zynisch – und sich auf der anderen Seite heute gar nicht mehr getraut haben, darüber zu reden. Das heißt, dass bei der Sozialpolitik, so wie Sie sie machen wollen, viele Menschen, die wirklich unserer Hilfe bedürfen, diese nicht mehr bekommen und das ist falsch.

(Beifall bei der SPD)

Auch bei der Wirtschaftspolitik herrscht – nimmt man die Infrastrukturprojekte aus, die ich vorhin schon angesprochen habe – Stagnation. In puncto Entbürokratisierung, Deregulierung sind Sie – und damit auch unsere Stadt Hamburg – leider nicht vorangekommen, denn Fakt ist, dass in den letzten zwei Jahren nichts passiert ist. Im Gegenteil, es gibt mehr Gesetze und mehr Verordnungen. Beantwortet werden muss doch, wo die Herausforderungen für unsere Stadt liegen und welche Antworten der Hamburger Senat darauf geben will im Hinblick auf die Konkurrenz mit Berlin, auf die Kooperation mit dem Umland, die Metropolregion, die Stärkung der Wirt

schaftsbranchen. Auch hier haben wir heute viele blumige Worte gehört, aber wenig Vorweisbares und auch kaum wirklich abprüfbare Vorhaben.

Ihre Versuche im Public-private-partnership, eines meiner Lieblingsthemen, die blauen Uniformen, aber auch der Jungfernstieg, die Olympiagesellschaft, Auswandererhalle sind alle missraten, sind nicht gelungen und werden uns als Opposition sicherlich in den nächsten Haushaltsberatungen noch viel Spaß machen.

Ihre Arbeitsmarktbilanz von zweieinhalb Jahren ist überdurchschnittlich schlecht. Die Arbeitslosigkeit ist von knapp 70 000 Menschen im Jahr 2001

(Frank-Thorsten Schira CDU: Warum ist das wohl so?)

auf fast 90 000 Menschen gestiegen, und zwar doppelt so schnell, Herr Schira, wie im Bundesdurchschnitt.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Warum ist das wohl so?)

Das ist kein Ruhmesblatt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Problem, das wir mit Herrn von Beust und seinem Wirtschaftssenator haben, ist,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Die Bundesregie- rung!)

dass Sie nach dem Motto verfahren, die falsche Medizin wirkt nicht, also müssen wir die Dosis erhöhen. Das hat schon früher nicht funktioniert und wird auch leider jetzt nicht zum Erfolg führen. Wir haben heute Morgen von dem Scheitern der Verhandlungen über die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe gehört. Ich habe das heute so verstanden, dass Sie dafür sprechen, dass Hamburg die Optionskarte ziehen wird. Damit müssen wir uns sehr kritisch auseinander setzen, denn ich glaube, eine wachsende Stadt, die Sie ja propagieren, braucht eben nicht nur einen kleinteiligen Hamburger Arbeitsmarkt, sondern den Zugang für das gesamte Bundesgebiet, aber auch für ganz Europa, weil wir, wie Sie gesagt haben, die Besten nach Hamburg holen möchten. Viele Arbeitsuchende können auch außerhalb Hamburgs Arbeit finden, genauso wie Hamburger Unternehmen ihre Arbeitskräfte nicht allein aus Hamburg rekrutieren können. Deshalb braucht Hamburg einen europaweiten Arbeitsmarkt. Mit Kleinstaaterei gewinnen wir nicht die Zukunft unserer Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Zahlreiche Jugendliche bleiben auch in Hamburg ohne Ausbildung und damit ohne Perspektive. Ich fordere Sie auf, Herr Bürgermeister, Sie haben das wieder sehr unkonkret gesagt: Lassen Sie das nicht zu. Sorgen Sie auch persönlich dafür, dass jeder ausbildungsfähige und -willige Jugendliche ein Ausbildungsangebot in unserer Stadt bekommt, wie wir das in Hamburg früher immer hinbekommen haben. Jeder Bürgermeister hat das bisher geschafft. Sie nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Holen Sie die Unternehmen, die Gewerkschaften wieder an einen Tisch, um mit ihnen Bündnisse für mehr Ausbildungsplätze in Hamburg zu organisieren. Bei all diesem Gerede über die wachsende Stadt ist aus meiner Sicht kein Modell zur sozialen Stadtteilentwicklung erkennbar.