Herr Dr. von Rönn, die Bürgerschaft hat Sie eben zum vertretenden Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts gewählt. Ich darf Ihnen dazu die Glückwünsche des ganzen Hauses aussprechen. Ich habe Sie zunächst zu fragen, ob Sie die Wahl annehmen.
Nach Paragraph 7 des Gesetzes über das Hamburgische Verfassungsgericht haben die Mitglieder des Verfassungsgerichts vor Antritt ihres Amtes vor der Bürgerschaft einen Eid zu leisten. Ich lese Ihnen den Wortlaut des Eides vor und bitte Sie, bei erhobener rechter Hand die Beteuerungsformel "Ich schwöre es" oder "ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" nachzusprechen.
"Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter alle Zeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die
Verfassung und die Gesetze getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde."
Sie haben damit den erforderlichen Eid vor der Bürgerschaft geleistet. Ihre Amtszeit beginnt am 19. November 2004.
Im Namen der Bürgerschaft wünsche ich auch Ihnen eine glückliche Hand in der Amtsführung und alles Gute, Glück und Befriedigung für die neue Aufgabe.
Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6: Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde und der Wahl eines bürgerlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde – Drucksache 18/1015 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl eines bürgerlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses – Drucksache 18/1047 –]
Die Fraktionen haben vereinbart, dass beide Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils ein Feld für Zustimmung, für Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel nur ein Kreuz machen. Weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit führen. Auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidungen vor.
Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Ergebnisse werden ermittelt und ich werde sie Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.
Wir kommen zu den Tagesordnungspunkt 49 und 55, Drucksachen 18/1097 und 18/1103, Anträge der GALFraktion zur Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes in Hamburg.
[Antrag der Fraktion der GAL: Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes in Hamburg (2) – Drucksache 18/1103 –]
Zur Drucksache 18/1103 liegen Ihnen als Drucksachen 18/1185 und 18/1187 ein Antrag der CDU-Fraktion und
[Antrag der Fraktion der CDU: Einrichtung einer Härtefallkommission gemäß § 23 a Zuwanderungsgesetz – Drucksache 18/1185 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Einzelschicksalen besser gerecht werden – Einrichtung einer Härtefallkommission – Drucksache 18/1187 –]
Diese drei Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Innenausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Güçlü, bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach mehr als 50 Jahren hat die Bundesrepublik ein Zuwanderungsgesetz verabschiedet. Der parteiübergreifende Kompromiss stellt einen Paradigmenwechsel in der deutschen Ausländerpolitik dar. Die Bundesrepublik bekennt sich erstmals dazu, ein Einwanderungsland zu sein.
(Beifall bei der GAL und bei Ingo Egloff SPD – Vi- zepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)
Tatsächlich hat Einwanderung unsere Gesellschaft nachhaltig verändert. Die Erkenntnis, ein Einwanderungsland zu sein, ändert natürlich auch die Sicht auf die Integrationspolitik. Erstmals wird die Förderung der Integration gesetzlich festgeschrieben. Die Verankerung eines gesetzlichen Anspruchs auf Integrationskurse im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes stellt aber auch nur einen Teil eines integrationspolitischen Fortschritts dar. Mit diesem Basisangebot allein ist keine innovative und moderne Integrationspolitik zu machen. Hier sind die Länder aufgefordert, mit eigenen, maßgeschneiderten Konzepten eine Integrationspolitik im Sinne des Zuwanderungsgesetzes voranzubringen.
Hinzu kommt, dass das Grundangebot im Zuwanderungsgesetz sich vor allem an Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderern orientiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass Integrationsbedarf gerade auch bei den länger hier lebenden Migrantinnen und Migranten vorhanden ist.
Hamburg wäre also gut beraten, hier ein schlüssiges Integrationsförderkonzept vorzulegen, das neben dem Grundangebot des Bundes auch eigene Maßnahmen bündelt und unter ein positives Leitbild zur Integration stellt.
Dieses Konzept sollte die wachsende ethnisch-kulturelle Pluralität und aber auch Verschiedenheit als Normalfall und als Ressource in einer pluralistischen Stadtgesellschaft zugrunde legen. Wir brauchen ein Konzept, das sich endlich von der Integrationspolitik im Bereich der sozialpolitischen Nische verabschiedet.
Nach Aussagen der Sozialbehörde hat derzeit in Hamburg jede vierte Hamburgerin oder Hamburger einen Migrationshintergrund. Hier sind natürlich die bereits Eingebürgerten und auch die Spätaussiedler berücksichtigt. In der Grundschule hat sogar schon jedes dritte Kind einen Migrationshintergrund. Hier ist die Tendenz steigend. Es wächst also eine heterogene Generation mit vielfältigen Problemen und Schwierigkeiten nach.
Dieser Generation müssen wir frühestmöglich Angebote zur Integration in Kita, Schule, Ausbildung und Arbeit schaffen. Sicher sind nicht alle Mitgrantinnen, die ich erwähnt habe, benachteiligt. Aber im Durchschnitt stellt sich doch ihre Situation anders dar als die der Mehrheitsgesellschaft. Sie sind doppelt so hoch von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Zahl der jungen Migranten ohne Schulabschluss ist doppelt so hoch wie die der Mehrheitsgesellschaft und auch die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz ist mehr als doppelt so hoch. Ich glaube, diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Die durchschnittlich schlechtere ökonomische und berufliche Stellung und die überproportional hohen Sozialhilfe- und Arbeitslosenquoten bei Migranten haben ihre Ursache in einer misslungenen Migrations- und Integrationspolitik. Integration ist mehr als das reine Deutschlernen aufseiten der Migrantinnen und mehr als Döner und Bauchtanz aufseiten der Mehrheitsgesellschaft.
Wir können nicht die Integrationswilligkeit von Zuwanderinnen und Zuwanderern infrage stellen, ohne unsere eigene Integrationsfähigkeit zu überprüfen. Das heißt, ein modernes Integrationsförderkonzept muss hier natürlich auch die Mehrheitsgesellschaft ins Visier nehmen.
Im Übrigen hat der Senat in seinem Regierungsprogramm 2004 bis 2008 unter anderem deutlich gemacht, dass das Thema Zuwanderung und Integration auch für sein allgemeines Leitmotiv "Wachsende Stadt" von großer Bedeutung ist. Nun ist er aufgefordert, hier die Weichen zu stellen. Andere Bundesländer sind uns hier schon ein Stück voraus, in Nordrhein-Westfalen und auch in Brandenburg sind im Zusammenhang mit der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes eigene Akzente gesetzt und eigene Programme entwickelt worden, vor allem mit dem Schwerpunkt auf Bildung und auf Förderung in Kita, Schule und Ausbildung. Wir sind alle davon überzeugt, dass es keine Alternative zu einer Integrationspolitik gibt. Integrationspolitik muss hier konzeptionell gestaltet werden.
Ein Konzept sollte erstens alle gesellschaftlichen Akteure, Migrantinnen, aber auch die Mehrheitsgesellschaft mit einbeziehen. Es sollte aufseiten der Mehrheitsgesellschaft versuchen, die oft irrationale Angst vor Zuwanderung und auch Zuwanderern zu nehmen. Analog dazu brauchen wir ein mehrheitsfähiges, interkulturelles Leitbild, das zum Beispiel lauten könnte: Wachsende Stadt, Stadt der Vielfalt. Ich glaube, da gibt es viele Vorschläge.
Zweitens sollte ein Konzept vor allem der Realität Rechnung tragen, dass wir inzwischen ein Einwanderungsland geworden sind, was natürlich auch mit sich bringt, dass gesellschaftliche Strukturen überdacht beziehungsweise auch neu überlegt werden müssen. Gerade im Bereich der Verwaltung und der Regeldienste müssen Migrantinnen und Migranten verstärkt Zugang finden, und zwar nicht mehr nur als Klienten, sondern auch als Fachpersonal. Hier könnte die Verwaltung als Arbeitgeber eine modellhafte Vorreiterrolle spielen.
Drittens sollte ein Integrationsförderkonzept eine Integrationsdefinition zugrunde legen, das sich nicht mehr an Defiziten orientiert, sondern die Potenziale und Kompetenzen der Menschen anerkennt, wertschätzt und auch zu nutzen weiß. Neben der Anerkennung der Mehrsprachigkeit geht es vor allem um interkulturelle Kompetenzen, die zum Beispiel die Wirtschaft schon heute sehr gut zu nutzen weiß. Alle, die schon einmal in den Vereinigten Staaten waren, wissen, dass in jeder modernen Unternehmensführung Diversity-Strategien und Diversity-Management gar nicht mehr wegzudenken sind. TeachingDiversity auch als Konzept im Bereich der Schule, Leben mit Vielfalt und Unterschiedlichkeit, müssen Eingang in Bildungsplänen finden, aber gerade der Bildungsbereich muss ein Schwerpunktbereich im Rahmen der Integrationspolitik sein.
Schließlich müssen wir aufhören, punktuelle Einzelmaßnahmen zu fördern. Hier brauchen wir eine sinnvolle Bündelung der Maßnahmen, damit sie zielgerichtet und effektiv sein können.