Protocol of the Session on October 27, 2004

Die Zahl können Sie der Drucksache entnehmen. Lesen Sie mal die Drucksache Ihres eigenen Senats. Das macht Sie vielleicht auch schlauer.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Mattner CDU: Wer schreit, hat Unrecht! – Gegenruf von Petra Brinkmann SPD: Darauf kommen wir zurück!)

Gleichzeitig werden vom nächsten Jahr an mindestens 5000 Kinder mehr zu betreuen sein. Im Ergebnis werden die Standards massiv abgesenkt. Mehr Kinder in der Gruppe, weniger Betreuungspersonal für die Kinder und beengtere Räume, wodurch die Qualität in der Kinderbetreuung enorm leiden wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden vielleicht gerade noch ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können. Bildung und Sprachförderung bleiben in weiter Ferne. Damit, Frau Senatorin, ignorieren Sie alle Notwendigkeiten, die sich beispielsweise aus PISA ergeben.

Gleichzeitig wird gesetzlich der Verhandlungsweg ausgehebelt und die Vorstellung des mächtigeren Partners per Gesetz festgeschrieben. So verhandelt man nicht, Frau Senatorin, sondern das ist Diktat. Verhandlungskultur, Sorgen der Eltern und Sorgen der Mitarbeiterinnen sind erkennbar nicht Ihre Sache.

Die Expertenanhörung im Fachausschuss am letzten Freitag mit 700 Zuhörern und die gestrige zweite sehr beeindruckende Demo gegen dieses Gesetz auf dem Rathausmarkt zeigen, welche Bedeutung die Kinderbetreuung für die Menschen in der Stadt hat. Aber was schert Sie das. Für uns wurde in der Expertenanhörung deutlich, dass Ihr Vorhaben rechtswidrig ist. Es wirft Hamburg auf die Standards zurück, die weit unter dem Bundesdurchschnitt sind und die nach Aussagen vieler Experten reine Unfallverhütungspädagogik bedeuten, sogar gefährdend für das Kindeswohl sind.

Selbst der Gutachter, den Sie zum Kronzeugen für Ihr Vorgehen machen, weist Sie auf Rechtsunsicherheiten unter Geltung dieses Gesetzes hin. Wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, diesem gestrigen Vorhaben Rechtssicherheit attestieren, so irren Sie sich.

Sie haben nach Gutachterlage die Wahl zwischen Rechtswidrigkeit und Rechtsunsicherheit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das kann Ihnen nicht ausreichen, um diesem Gesetz heute zuzustimmen. Sie schaffen mit diesem Gesetz keine Rechtssicherheit, sondern Sie produzieren Chaos in Tüten.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Sie nehmen willentlich in Kauf, dass die Kinderbetreuung in Hamburg nichts mehr mit frühkindlicher Förderung zu tun hat, sondern nur mehr mit "satt und sauber".

Das darf gerade Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachausschuss, nicht ausreichen. Vielleicht, Herr Weinberg, darf ich Ihre gestrige Presseerklärung aber auch so verstehen, dass Sie uns nur sagen wollten: Ich habe es versucht, aber ich kann nichts mehr ändern und wenn es ein Fehler war, dann trifft die Schuld Frau Schnieber-Jastram und Ole von Beust.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Damit, Herr Weinberg, adressieren Sie zwar die Hauptverantwortung richtig, nehmen aber Ihre Mitverantwortung für das Wohl der Kinder dieser Stadt nicht wahr. Sie können nicht abwarten, bis die Klageflut einsetzt, Betreuungsplätze verloren gehen, Eltern verzweifeln und Kinder nicht das erhalten, was sie brauchen. Wir geben Ihnen heute die Gelegenheit, zu diesem Murks namentlich Nein zu sagen. Trauen Sie sich und stoppen Sie das, solange das noch geht.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wir stimmen ab, das ist genug Verantwortung! – Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Verehrte GAL-Fraktion, ein Wort zu Ihnen. Wer qualitativ gute und quantitativ ausreichende Kinderbetreuung in Hamburg will und auch weiterhin will, dass Hamburg Vorreiter bleibt, muss mit uns für die Mittel streiten, muss offensiv die Mittel, die Hamburg aus der Hartz-Reform als Entlastung erhält, einfordern und muss zustimmen, dass die Grundsteuererhöhung auch in den nächsten Jahren der Kinderbetreuung zugute kommt. Das haben Sie bisher nicht getan. Hier bleibt Ihre Position etwas blass und ist nicht zwingend genug. Hier erwarte ich mehr von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum Schluss. Herr von Beust, Frau Schnieber-Jastram, ziehen Sie dieses unsägliche rechtswidrige Gesetz, das fatale Konsequenzen für die Kinderbetreuung in Hamburg hat, hier und heute zurück. Legen Sie allen – ich betone – allen Anbietern von Kinderbetreuung ein vernünftiges Angebot vor. Gehen Sie den partnerschaftlichen Weg und kommen Sie zu einer Vereinbarung, die für die nächsten Jahre trägt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion,

(Petra Brinkmann SPD: Die sind ja gar nicht da!)

wenn Ihr Senat nicht so vernünftig ist, dieses Gesetz zurückzuziehen, helfen Sie ihm. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr. Geben Sie Ihren Namen nicht dafür her. Stimmen Sie mit uns gegen dieses Gesetz.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Weinberg.

Verehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

(Michael Neumann SPD: Sie haben die Chance, Geschichte zu schreiben!)

Die Chance, Geschichte zu schreiben, werden Sie nie bekommen, Herr Neumann. Das tut mir Leid. Wir werden heute sicherlich auch Geschichte schreiben, das ist richtig.

(Michael Neumann SPD: Sie haben sie, nutzen Sie sie!)

Ich möchte gern auf die Einleitung von Frau Dr. Hilgers eingehen. Sie haben gesagt, dass es um die Kinder, die Eltern, die Anbieter, die Beschäftigten und die Mitarbeiter geht. Das ist richtig und dem kann ich zustimmen. Aber Sie haben einen Punkt vergessen und diesen möchte ich gern ergänzen. Es geht in dieser Frage um das finanzielle Überleben dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist auch der entscheidende Punkt. Ich werde gleich definieren, welche Leitziele wir bei der Kindesbetreuung haben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Da bin ich gespannt!)

In gewissen Bereichen haben Sie allerdings heute wieder überhaupt nichts gesagt. Wenn man die Gesamtverantwortung für diese Stadt hat, dann muss man auch gesamtverantwortlich handeln. Es geht nicht nur um die Kindertagesbetreuung 2005, sondern auch um 2006 und die Jahre danach. Wenn wir 2010 eine vernünftige, gute und verbesserte Kindertagesbetreuung haben wollen, müssen wir auch 2005 hierauf achten, damit wir nicht 2010 darüber reden müssen, möglicherweise 30, 40 oder 50 Prozent bei der Kindertagesbetreuung einzusparen, weil wir ein paar Jahre zuvor nicht in der Lage waren, die Finanzierbarkeit dieser Kindertagesbetreuung zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU)

Ein Letztes noch zur Einleitung. Wir haben natürlich in den vergangenen Wochen und Monaten viele Gespräche geführt. Sie wissen, dass wir mit Eltern und Beschäftigten gesprochen haben und hatten zum Schluss die Anhörung, die meines Erachtens auch neue Erkenntnisse gebracht hat, gerade auch hinsichtlich der rechtlichen Frage.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, eindeutige!)

Sie hatten sich sehr früh eingelassen, das Gesetz abzulehnen. Wir haben am Montag unsere Entscheidung getroffen, wobei wir die Ergebnisse der Anhörung mit einbezogen haben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ich auch!)

Es ist nichts Neues, dass in der Politik ein Abwägungsprozess stattfindet. Gelegentlich ist dieser relativ einfach, wie beispielsweise bei Airbus, wo wir, glaube ich – wenn ich auf die große Mehrheit zeigen darf –, wenig Probleme gehabt haben. Es gibt aber auch schwierige Situationen,

in denen ein Abwägungsprozess stattfindet, und hier ist eine solche Situation. Wenn man dann möglicherweise von Bauchschmerzen spricht, muss man auch immer sehen, was die Alternative ist: Bauchschmerzen oder ein dauerhaftes Magengeschwür. Hier sage ich ganz deutlich, das Letztere wäre für die gesamte Stadt schädlich.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ich wünsche Ihnen ei- gentlich gute Gesundheit!)

Ich möchte noch einmal klar die Ziele definieren, um auch später die Begründung dafür zu finden, warum wir dem Gesetz zustimmen.

Erstens: Das erste klar definierte Ziel ist der im Gesetz verankerte Ausbau der Kindertagesbetreuung in der Qualität. Das haben Sie angesprochen. Wir werden bis zu 5000 Kinder mehr in der Betreuung haben. Das sind 10 Prozent.

Zweitens: Es geht um die Qualität. Das heißt, das Ziel muss sein, dass Qualitätsstandards erhalten bleiben und bis 2008 auch auszubauen sind.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Aber nicht mit dem Ge- setz!)

Drittens: Es muss gewährleistet sein – und das haben Sie vergessen –, dass die Kindertagesbetreuung langfristig in dieser Stadt finanzierbar ist.

Wenn ich diese drei Leitziele zum Ansatz nehme, muss ich abwägen und zu einem Ergebnis kommen.

Erstens: Der Ausbau ist, glaube ich, von allen gewollt und von allen beschlossen worden. Viele haben "ja" und "richtig" geschrien, aber keiner hat gesagt, wie das zu finanzieren ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Doch, ich schon!)

Wir schaffen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auf die Finanzierung komme ich gleich zu sprechen, keine Angst.

Wir schaffen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wir schaffen die fünfte Stunde. Das sind zwei große Ziele und es war richtig, dass dieses verabschiedet wurde, und es wird richtig sein, dass diese Ziele umgesetzt werden.

Der dritte Punkt ist die Qualität und das war eine ganz interessante Diskussion. Hier im Hause wurde über das Gutscheinsystem debattiert und gestritten. Der eine oder andere oder sogar alle der SPD- sowie auch der GALFraktion haben gesagt: Bloß nicht dieses Gutscheinsystem, die Kindertagesbetreuung in Hamburg wird damit zerstört.