Protocol of the Session on October 27, 2004

Der dritte Punkt ist die Qualität und das war eine ganz interessante Diskussion. Hier im Hause wurde über das Gutscheinsystem debattiert und gestritten. Der eine oder andere oder sogar alle der SPD- sowie auch der GALFraktion haben gesagt: Bloß nicht dieses Gutscheinsystem, die Kindertagesbetreuung in Hamburg wird damit zerstört.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das stimmt nicht! – Ge- genruf Bernd Reinert CDU: Gedächtnisschwund, Frau Hilgers!)

Wir haben hier intensive Debatten darüber geführt und auch in der Öffentlichkeit wurde ganz klar gesagt: Wenn das Kita-Gutscheinsystem kommt, bricht die Kindertagesbetreuung zusammen.

Wenn Sie sich genau mit den Aussagen der Anhörung von Freitag beschäftigen, werden Sie feststellen, dass viele von denen, die damals Protest angemeldet haben, heute ganz anderer Meinung sind. Sie verteidigen nämlich mit Vehemenz dieses Kita-Gutscheinsystem gerade unter dem Gesichtspunkt, dass jetzt neue Bildungsstandards geschaffen wurden.

(Beifall bei der CDU)

Es waren nicht gerade CDU-nahe Personen, die das bei der Anhörung auch deutlich gemacht haben. Bildungsangebote wurden erweitert, Sprachförderung wird betrieben, was auch noch durch flankierende Maßnahmen ergänzt wird.

Die Frage, die man sich allerdings stellen muss, ist die, wie unter dem Gesichtspunkt des Zieles der Finanzierbarkeit und des Ausbaus der Quantität gewährleistet werden kann, dass alle Beteiligten und nicht nur einseitig der Staat und die Politik sich einbringen, dass diese Bildungsstandards gehalten werden. Ich will nicht wieder das Beispiel mit 12 oder 13 Kindern in der Krippe bringen, aber es muss meines Erachtens auch möglich sein, dass man sich von Trägerseite her bewegt und eindeutig Vorgaben macht, wie das umzusetzen ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: 9 Prozent, 9 Prozent!)

Dann komme ich zum entscheidenden Punkt, nämlich auf die Finanzierbarkeit. 300 Millionen Euro im Jahre 2003, 347 Millionen Euro im Jahre 2004 und dann wird es möglicherweise auf eine Summe von circa 390 Millionen Euro plus X hinauslaufen, wie Sie selber heute noch einmal in der großen Tageszeitung erwähnt haben. Das heißt, dass wir innerhalb von zwei Jahren im Bereich der Kindertagesbetreuung eine Steigerung um circa 100 Millionen Euro haben, nämlich von 300 Millionen auf über 390 Millionen Euro. Das ist Ihre Konsequenz, wenn wir dem Gesetz nicht zustimmen. Ich werde gleich noch genau erläutern, was das rechtlich bedeutet.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: War klar!)

Das Zusammenbrechen der Steuereinnahmen von 220 Millionen bis 320 Millionen Euro jährlich und die Konsequenzen des Länderfinanzausgleiches parallel gesehen bedeuten ernsthaft darüber nachzudenken, ob diese Stadt, wenn sie dieses dann bezahlen muss, überhaupt noch finanziell für die nächsten Jahre abgesichert ist. Das bezweifele ich ganz stark.

(Beifall bei der CDU)

Schauen Sie in andere Kommunen, die sich auch geweigert haben, irgendwo irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Diese Kommunen haben dann in der Folge so massiv im Bereich der Kindertagesbetreuung abbauen müssen, dass diese quasi eingestampft wurde. Wenn wir dann 2010 über einen Haushalt debattieren, wird möglicherweise, wenn wir nicht heute eine solide Finanzierung auf die Beine stellen und diese nicht sichern, Kita langfristig gefährdet werden, weil dann auch nicht mehr möglich sein wird, noch nachzusteuern, weil das Geld einfach nicht vorhanden ist.

Also, das Ziel 2006 mit dem auskömmlichen Betriebshaushalt ist gerade unter der dauerhaften Finanzierung der Kindertagesbetreuung ein sinnvolles Ziel. Wenn Sie die Finanzierung nicht so richtig ansprechen wollen, kann ich das noch verstehen. Wenn wir aber fragen, wie Sie die Kindertagesbetreuung finanzieren wollen, kommt Herr Neuman immer mit seiner U 4. Herr Neumann hat aber die U 4 schon viele Male verbraten. Ich will auch gar nicht auf die Einzelheiten der Betriebskosten eingehen. Das ist mittlerweile sehr anstrengend, weil Sie und Herr Neumann alles mit dieser U 4 retten. Sie haben heute den Vorschlag gemacht, 21 Millionen Euro aus der Grundsteuererhöhung zu nehmen. Aber richtig, liebe Frau

Dr. Hilgers, ist, dass 21 Millionen Euro nur ein Teil einer Summe ist, die 70 Millionen Euro, 80 Millionen Euro oder 90 Millionen Euro betragen wird. Wo bleibt das andere Geld? Das konnten Sie heute nicht beantworten.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hartz IV!)

Wenn Sie dann mit Ihrer Hartz IV-Geschichte kommen, würde ich auch sehr vorsichtig sein. Sie wissen gar nicht, was mit Hartz IV noch an Kosten auf uns zukommt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Fragen Sie mal Peiner!)

Die Fragezeichen sind dermaßen groß, dass ich nur davor warnen kann, diese jetzt fest zu verankern, denn das, was von der Bundesregierung teilweise noch zu erwarten ist,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Die Hälfte!)

wird grausam genug werden.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Da gibt es eine Drucksache! Da steht die Summe drin, 140 Millionen!)

Nachdem diese drei Ziele klar definiert sind, kommen wir jetzt zur Frage der rechtlichen Substanz des Einführungsgesetzes. Ich werde Ihnen ein paar Punkte nennen.

Erstens: Nach wie vor ist es so, das wurde am Freitag auch bestätigt, dass diese Kündigung der Verträge – ordentlich, außerordentlich oder wie auch immer –, die auch kritisch gesehen wurde, rechtens ist. Wenn ein solch großes Vorhaben in dieser Stadt auf den Weg gebracht wird, dann ist es doch rechtens, dass man alt bestehende Verträge kündigt. Wenn wir keine Verträge kündigen können, dann macht das Ganze keinen Sinn mehr.

(Bernd Reinert CDU: Eben!)

Zweitens: Was passiert, wenn wir kein Einführungsgesetz haben? Hierzu haben Sie keine Stellung genommen. Ich komme wieder auf die Äußerungen der Anhörung und muss ganz klar feststellen, dass es einseitig keinen Spielraum mehr für die Stadt geben wird. Die Stadt ist zur Passivität verdammt.

(Zuruf von Thomas Böwer SPD)

Herr Kollege Böwer, Sie und Ihre Kollegin sagen gerade, dass das ein Diktat über das Einführungsgesetz wäre. Ohne ein Einführungsgesetz gibt es ein anderes Diktat, das die Stadt dazu zwingt, die Kosten zu tragen beziehungsweise Gelder auszugeben. Dann hat sie keinerlei Einfluss mehr auf die Kostenfrage. Das wird dann letztendlich zulasten der gesamten Stadt gehen. Oder ein Zitat:

"Ohne Träger geht es dann gar nicht mehr, wenn es kein Einführungsgesetz gibt."

Drittens: Sie haben die Wahl zwischen Rechtsunsicherheit und

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Rechtswidrigkeit!)

Rechtswidrigkeit. Diese Rechtsunsicherheit – und das ist gerade der Sinn des Einführungsgesetzes – wird dadurch aufgehoben. Frau Dr. Hilgers, es geht ja nicht nur um die Stadt und um die Träger, sondern es geht darum, dass Eltern keine Verträge mehr haben. Was durch diesen Wirrwarr als Konsequenz passieren wird, davor kann man insbesondere nur die Eltern bewahren. Und das machen

wir mit diesem Einführungsgesetz, welches die Möglichkeit schafft, diese Rechtsunsicherheit zu beheben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Es stellt sie her!)

Frau Dr. Hilgers, lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich weiß nicht, ob die Präsidentin noch anwesend ist, sonst hätte sie schon eingegriffen.

(Oh-Rufe bei der SPD – Michael Neumann SPD: Krise, was?)

Viertens: Was machen eigentlich andere Länder? Sind wir jetzt die Ersten und Einzigen, die dieses rechtswidrige Gesetz auf den Weg bringen und damit die Träger diktieren? Es gibt andere Bundesländer wie Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersachsen, die eine Rechtsverordnung oder Ähnliches haben. Es gibt auch ganz klare gesetzliche Vorgaben und immer noch ein Sozialgesetzbuch, woran man sich zu halten hat. Diese anderen Länder haben bereits eine solche Verordnung. Wir wollen diese Verordnung jetzt für den Notfall installieren und das Gesetz gibt den Rahmen. Dieses Gesetz – und das haben Sie auch unserer Pressemitteilung entnommen – schafft den Rahmen, um eine Verordnung einzusetzen. Diese Verordnung ist noch offen und das war auch der zweite Punkt dieses Beschlusses der Fraktion am Montag, dass wir sagen: Wir wollen den Rahmen haben, aber wir müssen, um auch Gefahren von der Stadt abzuwenden, gerade im Bereich der Finanzierung möglicherweise über eine Verordnung arbeiten.

Ein weiterer Punkt ist, dass, was in der Anhörung auch ganz deutlich geworden ist, man juristisch auch der Auffassung sein kann, dass es überhaupt keine Pflicht gibt, Vereinbarungen zu treffen. Das bestätigt die Frage, wie es die anderen Bundesländer machen. Wir sagen aber ganz deutlich, dass es Vereinbarungen geben sollte

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Dann brauchen Sie die- ses Gesetz nicht!)

und beide Verhandlungspartner sind aufgefordert, dieses sich als Ziel zu setzen, sich auch zusammenzusetzen und zu Ergebnissen zu kommen. Trotzdem, rein rechtlich gesehen – und das ist ja das, worauf Sie abheben – gibt es die klare Äußerung: Das Ziel der Vereinbarung ist keine unbedingte Pflicht. Es ist eine Maßgabe. Sie haben auch richtig gesagt, dass es in Hamburg eine sehr lange Tradition gibt

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Eine gute Tradition!)

und das ist auch das übergeordnete Ziel.

Im Übrigen gibt es ein Missverständnis oder eine falsche Analyse. Was wir rechtlich als Stadt machen müssen, ist, dass wir Betreuungsplätze zur Verfügung stellen müssen. Das steht im Gesetz. Es kann also nicht das Interesse der Stadt oder der Politik in dieser Stadt sein, so zu agieren, dass alles scheitert, den Trägern etwas zu diktieren, was sie gar nicht annehmen können. Das würde in der Konsequenz bedeuten, dass diese Stadt gar nicht die Kindertagesbetreuungsplätze bereitstellen muss.

Das heißt also, dass die Stadt ein hohes Interesse hat, Vereinbarungen mit den Trägern zu finden, und dass die Träger diese Vereinbarungen eingehen. Dann werden sie auch Plätze bereitstellen. Es ist falsch zu denken, ganz oder gar nicht beziehungsweise das Diktat oder gar nicht.

Die Stadt und auch wir als CDU-Fraktion haben ein Interesse, gute Kindertagesbetreuung bereitzustellen.

(Michael Neumann SPD: Das glaube ich nicht!)

Zusammenfassend vier Punkte: Erstens war die Kündigung rechtens, zweitens wird der Rahmen durch das Einführungsgesetz geschaffen, drittens ist die Vereinbarung, die Rechtsverordnung, ein noch offener Prozess für den Notfall und viertens appellieren wir noch einmal deutlich, die Verhandlungen zum Ergebnis kommen zu lassen.

Dass wir heute darüber abstimmen – und wir werden dem Gesetz zustimmen –, ergibt sich aus der Kombination der drei genannten Ziele Quantität, Qualität und Finanzierbarkeit für die Kindertagesbetreuung. Die CDU-Fraktion hat auch am Montag als Ergebnis ihrer Besprechung gesagt, Folgendes ist uns wichtig.

Erstens: Wir wollen nach wie vor, dass beide Seiten über die Verhandlungswege zueinander finden.