Protocol of the Session on February 20, 2002

Der Rat plädiert dringend für die Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention als lohnende und notwendige Zukunftsinvestitionen und fordert eine intersektorale, präventive Gesundheitspolitik, die über das Gesundheitswesen hinaus unter anderem auf Bildungsarbeits-, Verkehrs-, Stadtentwicklungs- und Umweltpolitik Einfluss nimmt. Die Entwicklung der Gesundheit sei auch abhängig von Entscheidungen und Planungen in diesen Politikfeldern.

Hamburgs Leistungen bei der Gesundheitsförderung und der Präventionen können sich durchaus sehen lassen.

(Petra Brinkmann SPD: Dank des rotgrünen Se- nats!)

Das ist durchaus auch ein Kompliment an die Vergangenheit;

(Petra Brinkmann SPD: Genau!)

das sage ich ganz offen.

Die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung als Gesundheitskonferenz mit fast 70 Mitgliedsinstitutionen – dazu gehören Ärzte- und Apothekenkammer sowie Gewerkschaften, Behörden, Krankenkassen und so weiter – oder die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen mit den drei regionalen Stützpunkten in Altona, Barmbek und Wandsbek sind Einrichtungen, die bundesweit als vorbildlich und beispielgebend gelten.

Die hamburgische Gesundheitsberichterstattung basiert mit dem im letzten Jahr herausgegebenen Lebensgesundheitsbericht „Stadtdiagnose II“ auf fundierter Grundlage. Eines der zentralen Ergebnisse: Gesundheit ist in Hamburg ungleich verteilt. Wer in benachteiligten Stadtgebieten lebt, ist häufiger krank und stirbt früher als Bürgerinnen und Bürger in so genannten besseren Stadtteilen.

Deshalb wollen wir zusammen mit der Behörde für Bau und Verkehr Aktivitäten anstoßen und verstärken, die Gesundheit in den benachteiligten Gebieten fördern

(Erhard Pumm SPD: Ist das eine Regierungserklä- rung?)

und werden bereits im kommenden Monat die Veranstaltungsreihe „Gesunde soziale Stadt Hamburg“ starten.

(Michael Neumann SPD: Zur Sache! – Petra Brink- mann SPD: Lob haben wir jetzt genug gehabt!)

Lassen Sie mich doch ausreden.

(Michael Neumann SPD: Aber zur Sache! – Glocke)

Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Punkten des Antrages kommen.

Meine Damen und Herren Kollegen! Der Senat hat das verfassungsmäßige Recht, sich jederzeit zu Wort zu melden, ob Ihnen das gefällt oder nicht.

Zur Sache. Die Aidsprävention gehört zu den Erfolgsbeispielen gelungener Vorsorge. In der Fortschreibung des Landesprogramms Aids von 1999/2000 heißt es, dass eine Normalisierung von Aids stattgefunden hat. Die präventiven Maßnahmen, die zu Beginn der Aidskrise eingeleitet wurden – insbesondere die Informationen und die Aufklärung der Öffentlichkeit –, haben eine ruhigere epidemiologische Entwicklung bewirkt.

Im Haushaltsansatz 2002 haben wir über 1,3 Millionen Euro für die sechs von uns geförderten Aidsprojekte veranschlagt. Die beabsichtigte Absenkung von insgesamt 70000 Euro im Rahmen der Einsparverpflichtungen, die heiß diskutiert wird, ist gesundheitspolitisch verantwortbar, weil die Existenz der Angebote nicht gefährdet wird.

(Farid Müller GAL: Das wissen Sie doch noch gar nicht! – Dr. Andrea Hilgers SPD: Da kann man auch anderer Auffassung sein!)

Die zielgerichteten Informationen der Öffentlichkeit insbesondere für Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren werden wir auch in diesem Jahr weiterentwickeln. Hier ist zu nennen: Aidspräventionskampagne im Rahmen Jugendfilmtage im Cinemaxx, Schulaufführung eines themenspezifischen Theaterstückes oder Senatsempfang zum WeltAids-Tag und anderes mehr. Die von mir genannte Einsparung in Höhe von 70000 Euro beträgt knapp 5,3 Prozent des bisherigen Ansatzes.

Zu einem weiteren Punkt Ihres Antrages: Vorsorgeuntersuchungen im Kindergartenalter sind aus fachlicher Sicht grundsätzlich sinnvoll, weil damit Förderbedarfe anerkannt und bearbeitet werden können, bevor das Kind das Schulalter erreicht. Zum anderen werden Vorsorgeuntersuchungen mit zunehmendem Kindesalter selten in Anspruch genommen.

Die Vorsorgeuntersuchungen gehören bekanntermaßen zu den Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen

(Petra Brinkmann SPD: Richtig!)

und werden von den niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen geleistet. Zur Verbesserung der diesbezüglichen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient erscheint es sinnvoll, die Eltern anzuhalten, mit ihrem Kind zur Vorsorgeuntersuchung U 8 zu gehen, wenn es knapp vier Jahre alt ist.

Gesundheitsförderliche Maßnahmen für Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen werden zurzeit in einer Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung „Neue Aufgaben des Schulärztlichen Dienstes“ gemeinsam mit dem Amt für Schule und in den Bezirken entwickelt; darüber wird später zu berichten sein.

Die ärztliche und zahnärztliche Vorsorge der Schülerinnen und Schüler ist ein wesentlicher Bestandteil der Prävention in der Hamburger Gesundheitspolitik. Nahezu 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheits- und Umweltämtern der Bezirke beraten und betreuen im Rahmen der schulärztlichen Aufsicht die Kinder und Jugendlichen. Die Arbeit der Landesgemeinschaft für Zahngesundheit ist derart erfolgreich, dass der Zahnstatus der Hamburger Schulkinder deutlich besser ist als der im Bundesdurchschnitt.

(Senator Peter Rehaag)

(Petra Brinkmann SPD: Ja, unsere Leistung! – Erhard Pumm SPD: Da hat die SPD Schuld!)

Das ist eine Feststellung, die hier durchaus offen getroffen werden kann.

Circa 30 Prozent der Kinder nehmen die Früherkennungsuntersuchung U 9, also wenn das Kind gut fünf Jahre alt ist, nicht wahr. Hier übernimmt der Öffentliche Gesundheitsdienst eine wichtige sozialkompensatorische Aufgabe, da insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien ihren Kinderarzt nicht regelmäßig aufsuchen.

Der Schulärztliche Dienst unterstützt gleichermaßen die schulische Gesundheitsförderung, führt schulärztliche Hospitationen durch, bietet schulärztliche Sprechstunden in den Schulen an und berät Lehrerinnen und Lehrer in gesundheitlichen Fragestellungen. Diese Maßnahmen führen dazu, den Dialog zwischen Lehrern und Schulärzten zu verbessern und die Beteiligten insgesamt intensiver einzubeziehen.

Dem Antrag liegt wohl die Idee zugrunde, die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen zu erhöhen und die Anwesenheit der Schulärzte in den Schulen zu intensivieren. Dies unterstützen wir selbstverständlich grundsätzlich.

(Petra Brinkmann SPD: Das ist ja toll! Wunderbar!)

Eine Intensivierung einzelner Bereiche kann jedoch nur im Gesamtkonzept der Aufgabenwahrnehmungen des Schulärztlichen Dienstes gesehen werden und bedarf einer sorgfältigen Aufgabenplanung. Grundvoraussetzung ist, den Gesundheitszustand der Kinder zu kennen und auch Informationen über die Teilnahme an den Vorsorguntersuchungen zu haben. Auf dieser Grundlage kann eine effektiv und präventiv medizinische Beratung erfolgen. Die Wiedereinführung der Schuleingangsuntersuchung – wie sie im Koalitionsvertrag festgehalten wurde – wird eingeführt und schafft hierfür eine hervorragende Grundlage. Derzeit werden die entsprechenden Vorschläge konzeptionell erarbeitet.

Meine Damen und Herren! Suchtprävention hat aus meiner Sicht ebenfalls einen hohen Stellenwert. Zum einen werden in der Lenkungsgruppe Suchtpräventionen, die aus meinem Hause moderiert wird, und die suchtpräventiven Maßnahmen zwischen Behörden und Einrichtungen entsprechend koordiniert.

Zum anderen entwickelt meine Behörde zurzeit in Kooperation mit der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung, beim Büro für Suchtprävention in der Sozialbehörde angesiedelt, sowie mit dem Suchtpräventionszentrum in der Behörde für Bildung neue Aufklärungsmaterialien wie zum Beispiel den Videofilm zum Thema Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen mit dem Titel „Trinkende Kids“. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auf die Arbeit des Büros für Suchtprävention als zentrale Koordinations- und Fachstelle entsprechend hinzuweisen.

Im Zusammenhang mit den Einsparverpflichtungen zum Haushalt 2002 wurde das Büro für Suchtprävention von Einsparungen ausgenommen und wird auch künftig mit einem Etat von circa 445000 Euro gefördert.

Gesundheitsförderung und -prävention verdienen und benötigen die Unterstützung von der Politik, der Verwaltung, den Verbänden und auch der Wirtschaft. Wir tragen unseren Teil hierzu bei. Ich hoffe, dass Sie entsprechend unter

stützend mitwirken werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP und bei Dr. Mathias Peter- sen, Renate Schade und Dr. Andrea Hilgers, alle SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Petersen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wichtigkeit dieses Antrages wird dadurch unterstrichen, dass der Senat zuerst spricht; das freut uns.

(Beifall bei der SPD, bei Manfred Mahr GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das wichtige Thema Prävention, das wir heute Abend besprechen wollen, möchte ich doch noch einmal grundsätzlich durchleuchten.

Prävention in der Gesundheitspolitik bedeutet, dass wir durch vorbeugende Maßnahmen verhindern, dass Menschen erkranken, kränker werden und persönlich leiden müssen. Das verhindern wir, indem wir – wie zum Beispiel in der Zahnheilkunde – entweder primäre Prävention betreiben oder indem wir sterile Spritzen an Drogenabhängige abgeben und so HIV- und Hepatitis-Infektionen verhindern.

Mit der so genannten Sekundärprävention können wir zum Beispiel bei Drogenabhängigen, die an HIV erkrankt sind, durch helfende Maßnahmen verhindern, dass sich der Zustand von Erkrankten verschlimmert. Indem wir ihnen ein warmes Bett zur Verfügung stellen, damit sie nicht auf der Straße schlafen müssen.

Ein wichtiger Aspekt in der Prävention ist auch der volkswirtschaftliche Nutzen. Die alte Regel, dass 1 Euro, der jetzt für die Prävention eingesetzt wird, später 3 Euro für eine Behandlung erspart, trifft immer noch zu. Gerade weil wir von den kommenden Generationen den Schaden abhalten wollen, müssen wir Prävention ernst nehmen, wir sollten sie sogar ausbauen.

Nicht einmal 4,5 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben werden zurzeit in die Prävention investiert. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass eine verstärkte Prävention in Zukunft bis zu 30 Prozent der heutigen Gesundheitsausgaben einsparen kann. Unabhängig von dem volkswirtschaftlichen Nutzen der Prävention muss doch Einigkeit bei uns bestehen – Herr Senator, ich glaube, es besteht Einigkeit –, dass es die wichtigste Aufgabe des Gesundheitssystems ist, dafür Sorge zu tragen, dass Menschen nicht krank werden.

(Beifall bei der SPD, bei Wolfgang Beuß CDU, Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Of- fensive und Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

Herr Senator Rehaag, Sie haben dies gerade dargestellt. Im Widerspruch dazu steht die Androhung, dass Einsparungen gerade im Bereich der Aidsprävention oder bei der Aidshilfe bei „Hein & Fiete“, dem Magnus-Hirschfeld-Zentrum oder bei dem Angebot für „KIDS“ am Hauptbahnhof vorgenommen werden sollen.

Diese Einsparungen bedeuten, dass wir weniger Prävention betreiben können. Weniger Prävention ist auf keinen Fall gesundheitspolitisch vertretbar.