Protocol of the Session on February 6, 2002

Dort verkündet Senator Lange, bis zum Ende der Legislaturperiode gebe es Kitas in Hamburg für alle Eltern unentgeltlich.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz – Anja Hajduk GAL: Hat er gesagt!)

Das hat er gesagt und das lässt sich im Protokoll nachlesen.

Vor dem Hintergrund der Aussagen des 11. Kinder- und Jugendberichtes ist eigentlich die Frage, ob er damit nicht den Familien einen Bärendienst erweist, wenn er im KitaBereich auf 50 Millionen Euro verzichtet, anstatt dieses Geld zu nehmen und es in den Ausbau zu stecken. Glauben wir es oder glauben wir es nicht. Aber das wäre die Tatsache, er verzichtet auf 50 Millionen Euro.

(Dr. Willfried Maier GAL: Wo ist denn der Senator?)

Ich weiß nicht, wo der Senator ist. Ich habe ihn nicht zu vertreten.

Das Kinderbetreuungsgesetz, das wir Ihnen jetzt als SPDBürgerschaftsfraktion vorlegen, trägt der Verantwortung der Stadt für ihre Kinder Rechnung. Klar ist – da stimme ich der Kollegin Schnieber-Jastram zu –, dass bei Kindern an erster Stelle die Familie steht. Aber es gilt weiterhin das kleine, aber feine afrikanische Sprichwort:

„Zur Erziehung eines Kindes bedarf man eines ganzen Dorfes.“

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Soviel zum Thema Allein- erziehende!)

Herr Ehlers, ich würde Ihnen empfehlen, einmal mit der Kollegin Pawlowski oder dem Kollegen Harlinghausen zu reden und sich die Bedeutung dieses Sprichwortes erklären zu lassen, das durchaus im Bereich der Pädagogik seinen Sinn und Zweck hat.

Wir kommen auf die Frage und Bedeutung der Alleinerziehenden noch an anderer Stelle, Herr Ehlers. Wenn Sie Platz nehmen, dann werde ich es Ihnen gleich erklären.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Worum geht es in dem Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute vorlegen? Es geht um eine Kinderbetreuung, die die Bildungschancen angleicht; es geht um eine Kinderbetreuung, die die Gesundheit fördert; es geht um eine Kinderbetreuung, die Familien beteiligt und unterstützt und es geht letztendlich auch um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir werden nachher dem Kollegen KarlHeinz Ehlers erklären, welche Bedeutung es auch für Alleinerziehende hat.

Konkret geht es vor allem um sechs Punkte.

Erstens: Wir werden mit der Hamburger Garantie auf Kinderbetreuung durch die Kita-Card diesen gesamten Bereich verbessern.

(Vizepräsident Farid Müller)

Zweitens: Wir wollen eine Stärkung des Bildungsbereiches in Kitas mit Hilfe eines Qualifizierungskuratoriums.

Drittens: Wir wollen eine gesetzlich verankerte Mitbestimmung von Kindern in den Kitas.

Viertens: Wir wollen mehr Mitbestimmung und Beteiligungsrechte der Eltern in den Kitas und wichtiger noch auf Bezirks- und Landesebene.

Fünftens: Wir wollen die Verzahnung von Gesundheitsförderung und Tagesbetreuung.

Sechstens: Wir wollen auch eine realistische Reform der Elternbeiträge.

Zentraler Bestandteil – Herr Ehlers, jetzt kommen wir langsam auf den Bereich der Alleinerziehenden zu sprechen – des von uns vorgelegten Gesetzentwurfes ist die Hamburger Garantie auf Kinderbetreuung, nach der alle Kinder, deren Eltern berufstätig sind oder in Ausbildung stehen, einen Betreuungsplatz in vollem Umfang der Arbeits- und Ausbildungszeit ihrer Eltern erhalten. Das ist der Unterschied: Wir bauen aus und senken nicht irgendwann einfach nur die Elternbeiträge.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen darüber hinaus und sagen, Kinder mit besonderem pädagogischen Bedarf, Kinder aus schwierigen sozialen und familiären Bedürfnissen brauchen darüber hinaus eine besondere Betreuung, und zwar nicht erst ab dem fünften Lebensjahr, sondern schon ab dem achten Monat, zweiten Lebensjahr, dritten Lebensjahr. In einem Punkt stimmen wir überein. Ein Kind, das in Hamburg drei Jahre in einer Kindertagesstätte war, sollte bei der Einschulung deutsch sprechen. Darin sind wir uns einig.

KibeG sieht vor, in dem Bereich den bisher bestehenden bundeseinheitlichen Rechtsanspruch auf eine vierstündige Betreuung bei den Drei- bis Sechsjährigen auf mindestens fünf Stunden zu erhöhen. Damit wollen wir auch den Bildungsanspruch der Kitas stärken.

Der neue Senat ist dem sowohl von SPD/GAL- als auch von CDU-Fraktion angegangenen Umsteuerungsprozess von einer angebots- zu einer nachfrageorientierten Systematik der Kinderbetreuung gefolgt. Das finde ich gut. Das muss man an dieser Stelle deutlich sagen.

Über die Frage Kita-Card und Gutscheinsystem „so what“. Ein Punkt, Herr Lange, wird uns an dieser Stelle bei allen Kooperationsgedanken, die im Bereich der Jugendhilfe notwendig sind, allerdings unterscheiden. Allein der bloße Systemwechsel reicht aus unserer Sicht nicht aus. Dem Zwischenbericht des Senates vom September 1999 liegt auch jene Hamburger Rechtsgarantie bei Berufstätigkeit zugrunde. Sie ist in dem Zusammenhang aber nur mit einem massiven Ausbau zu erreichen und dafür steht Sozialdemokratie.

(Beifall bei der SPD)

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Herr Ehlers, ist nicht nur eine Gleichstellungsfrage. Sie ist auch eine soziale Frage und jetzt kommen wir auf Ihren Einwand zu den Alleinerziehenden.

Wer das Armutsrisiko von Familien nachhaltig senken will – und nicht nur symbolisch –, wer insbesondere Alleinerziehende dazu bringen will, Arbeit anzunehmen, muss ihnen die Frage, wo wird mein Kind betreut, abnehmen. Das wissen wir übrigens auch aus Wisconsin, jenem Modellversuch, den Koch im Augenblick propagiert. In Wisconsin ist der Etat der Kinderbetreuung um 20 Prozent

gestiegen, weil man nämlich die so genannten „Welfare-mothers“ nur dann aktivieren kann, wenn man ihnen diese Frage der Kinderbetreuung abnimmt, und das tun wir mit der Hamburger Rechtsgarantie.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage der Qualifizierung, ein Punkt, den wir immer angesprochen haben. Der Beruf der Erzieherin war schon immer anspruchsvoll. Heute aber sind die Ansprüche an die Bildungsprozesse von Kindern gewachsen, damit wachsen auch die Herausforderungen an Krippen, Kindergärten und Horte und darauf müssen Erzieherinnen besser vorbereitet werden. Deswegen schlagen wir die Installation und Einrichtung eines Qualifizierungskuratoriums vor. Wir wollen an dieser Stelle den Austausch zwischen Praxis und Theorie institutionalisieren. Ein Punkt, den wir ebenfalls im Gesetz vorgesehen haben. Dass Kinder in Kitas beteiligt werden, partizipieren – die Frage hatten wir im Zusammenhang mit anderen Debatten, wie wir Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche schaffen –, ist nicht neu. Aber die Rechte von Kindern in einen Gesetzesrang zu erheben ist neu und den Weg sollten wir gehen. All diejenigen, Frau Pawlowski, die in Kindergärten waren, wissen, dass Eltern mehr Mitwirkungsrechte verlangen. Auch den Weg sollten wir gehen.

(Bettina Pawlowski CDU: Haben wir immer gefor- dert!)

Das haben wir immer gefordert. In diesem Punkt sind wir auch nicht auseinander. Hier im Gesetz ist es auf Bezirksund Landesebene geregelt, um selbsternannten Vertretern von Eltern ein gewisses Maß Einhalt zu gebieten und für Demokratisierungsprozesse zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Gesundheitsförderung ist der fünfte Punkt. Wir brauchen eine noch stärkere Verzahnung zwischen der Gesundheitsförderung auf der einen Seite und Kita und Kindertagesstättenarbeit auf der anderen Seite. Das Vorziehen der Vorsorgeuntersuchung im Zusammenhang mit dem Eintritt des Kindes in eine Kita ist aus meiner Sicht der richtige Weg.

Last, but not least Elternbeiträge. Da haben wir als SPD in der Tat auch einen schmerzhaften Lernprozess mitgemacht. Wir sind nunmehr der Auffassung – das ist der einzige Bereich, in dem wir uns geändert haben –, dass das Kindergeld nicht länger dem Nettoeinkommen bei der Berechnung von Elternbeiträgen hinzugezählt werden soll. Deswegen sieht das Gesetz an dieser Stelle auch vor, das Kindergeld herauszulassen. Aber gestatten Sie mir einen kleinen Hinweis. Im Haushalt 2001 gibt es Mehreinnahmen von 3,4 Millionen Euro aus dem Bereich Elternbeiträge. Wer die Haushaltsplan-Beratungen richtig verfolgt hat, weiß, dass die Frage, was wir eigentlich mit dieser Kohle machen, noch strittig ist. Ich hoffe, Herr Senator Lange, dass es Ihnen gelingt, von Herrn Peiner das gleiche Versprechen abzuringen, das wir seinerzeit Ingrid NümannSeidewinkel abgerungen haben, dass die Mehreinnahmen aus dem Elternbeitragssystem im Kita-System bleiben. Es gehört den Kindern und da gehört es hin.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ein letzter Punkt im Zusammenhang mit den Elternbeiträgen ist die Frage der Patchwork-Familien. An dieser Stelle, was die Frage der unterhaltspflichtigen Eltern angeht, schlagen wir Ihnen eine Regelung in Anleihe an die Kindergeldregelung im Einkommensteuergesetz vor, indem

(Thomas Böwer SPD)

wir so genannte Zählkinder schaffen. Das ist eine behutsame, den Finanzmöglichkeiten der Stadt entsprechende Reform.

Letzter Punkt, was die Überweisungen angeht. Gestatten Sie mir, dass ich das als jemand sage, der der Jugendhilfe verpflichtet ist. Ich finde es gut, dass die Anträge an den Schul- und Jugendausschuss überwiesen werden und wir auch eine entsprechende Debatte führen. Ich habe versucht, möglichst wenig Polemik in den Bereich hineinzubringen, weil das Thema zu ernst ist.

(Rolf Harlinghausen CDU: Das ist Ihnen aber schwer gefallen!)

Das ist mir schwer gefallen, Herr Harlinghausen, aber ich hoffe, ich werde den Ansprüchen gerecht.

Dass aber der Schulausschuss federführend tätig sein soll bei einer Frage, die das Kinder- und Jugendhilfegesetz betrifft, wundert einen schon. Wir könnten das dann auch federführend an den Europaausschuss überweisen.

Wir werden diese Frage, wie wir es bisher getan haben, im Jugendausschuss sehr fachlich und ernsthaft diskutieren. Wir hoffen, dass der Schulausschuss dann seiner Verantwortung gerecht wird. Dennoch beantragt meine Fraktion, den Antrag zur federführenden Beratung an den Jugendausschuss zu überweisen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Pawlowski.