Protocol of the Session on February 6, 2002

dass wir als Politiker die Rahmenbedingungen so falsch gestalten, dass es nicht funktioniert.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Wir können noch so ideenreich sein mit Hamburger Modellen und neuen Kriterien für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, aber so werden wir die Arbeitsmarktprobleme in Hamburg nicht lösen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Es ist notwendig, dass wir zu einer Deregulierung im Arbeitsmarkt generell kommen.

Ich habe im „Spiegel“ dieser Woche – und der „Spiegel“ ist ja nun kein CDU-Hausblättchen – ein uns tatsächlich nachdenklich stimmendes Beispiel von den Firmen Seidensticker und Bertelsmann gelesen; beide sind in Bielefeld ansässig. Die Unternehmen hatten festgestellt, dass das eine Unternehmen Arbeitsspitzen im Sommer und im Winter hatte, das andere Unternehmen hatte Arbeitsspitzen im Frühjahr und im Herbst. Nichts ist einfacher, haben sich die Chefs gesagt, wir gleichen die Kapazitäten dadurch aus, dass wir Arbeitnehmer aus dem einen Unternehmen in der arbeitsschwachen Zeit in dem anderen Unternehmen einsetzen. Das lief wunderbar, es wurden zusätzliche Leute eingestellt und jetzt, nach den neuesten Regelungen heißt es plötzlich: Das dürft ihr nicht mehr. Es ist die groteske Situation eingetreten, dass die neu eingestellten Kräfte wieder entlassen werden mussten. Das, meine Damen und Herren, ist die Regulierung

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Strangulierung!)

unseres Arbeitsmarktes. Solange wir so etwas nicht abschaffen, werden wir in Deutschland nicht zu vernünftigen Beschäftigungsverhältnissen kommen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Deswegen appelliere ich auch an die Sozialdemokraten und an die Grünen: Hören Sie auf, davon zu reden, Sie würden das Überstundenproblem durch eine gesetzliche Regulierung in den Griff nehmen wollen. Mit solchen Äußerungen verschrecken Sie Tausende von kleinen mittelständischen Betrieben, weil sie Angst haben, dass hier eine erneute Regulierung auf sie zukommt, mit der sie nachher nicht fertig werden können. Meine Damen und Herren, die Überstunden gehören in die Flexibilität, die ein Unternehmer haben muss.

(Zuruf von Erhard Pumm SPD)

Wenn der Unternehmer Überstunden anordnet und keine regulären Arbeitsstunden machen lässt, dann ist das doch ein schlechtes Zeichen, weil die Überstunde viel teurer ist als eine normale Stunde. Er wird eine Überstunde nur in Ausnahmefällen anordnen.

(Erhard Pumm SPD: 40 Millionen Überstunden. Es sind immer mehr geworden!)

Wir müssen uns fragen, ob wir diese Ausnahmen, in denen eigentlich eine Überstunde anfallen soll, nicht erweitern können, so dass in mehr Fällen dann lieber reguläre Arbeitskräfte eingestellt werden.

(Wolfgang Franz SPD: Das ist doch ein Wider- spruch!)

Meine Bitte lautet: Trennen Sie sich von dem Gedanken, dass Sie durch eine Mehrregulierung auf dem Arbeitsmarkt unsere Arbeitsmarktprobleme lösen können.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Es gibt eine empirische Untersuchung, wonach es in den europäischen Staaten, in denen die Regulierungsdichte besonders stark ist, eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. In den europäischen Ländern, in denen es eine weitgehende Öffnung des Arbeitsmarktes gibt, findet man eine niedrige Arbeitslosigkeit. Deswegen geht unser Appell auch nach Berlin, damit die Bundesregierung in diesem Sinne falsche Gesetzgebungen wieder aufhebt und insgesamt eine weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes zulässt.

(Senator Gunnar Uldall)

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe bei den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition sehr aufmerksam zugehört, was sie zu den arbeitsmarktpolitischen Überlegungen zu sagen hatten. Neu in dieses Amt gekommen, sage ich mir: Eine gute Politik entsteht dadurch, dass man Ideen entwickelt, darüber diskutiert, neue Gedanken aufnimmt und seine eigenen Ideen wieder korrigiert. In diesem Sinne erwarte ich auch von der Opposition eine konstruktive Kritik und Mitarbeit an den Vorschlägen, die wir unterbreiten. Aber bitte ziehen Sie sich nicht nur auf irgendeine nebulöse Kritikhaltung zurück, sondern sorgen Sie dafür, dass wir gemeinsam, Opposition, Koalition und der Senat, an einer besseren Beschäftigungspolitik hier bei uns in Hamburg arbeiten können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Senator Uldall, natürlich sind wir bereit, mit Ihnen gemeinsam Arbeitsmarktpolitik zu gestalten. Dann verstehe ich allerdings nicht, warum hier vorhin seitens der Koalitionsfraktionen gesagt wurde, man wolle den Antrag der GAL nicht einmal an den Wirtschaftsausschuss überweisen, um dort über die Konzepte zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das passt dann nicht zusammen. Wenn man wirklich ergebnisoffen diskutieren will, muss man auch den Mut haben, diesen Antrag dorthin zu überweisen und die entsprechenden Debatten zu führen.

Zur Arbeitsmarktpolitik insgesamt habe ich erwartet, dass hier heute noch ein bisschen mehr gesagt wird. Wenn wir uns die letzten 100 Tage angucken – darüber ist schon genug geredet worden –, sehen wir, dass Herr Senator Uldall am 29. November 2001 über die Staatliche Pressestelle Folgendes verkünden ließ:

„Änderung des Arbeitsförderungsrechtes nur Kosmetik.“

Im Text heißt es dann wörtlich:

„Die Reform ist bereits im Ansatz verfehlt.“

Diese Reform ist das Job-Aqtiv-Gesetz und die Maßnahmen dieses Gesetzes hat Herr Senator Uldall eben als die Maßnahmen verkauft, die auch der Hamburger Senat in der Hamburger Arbeitsmarktpolitik einführen will. Deswegen verstehe ich so eine Meldung nicht. Aber der Senat ist ja lernfähig, denn am 13. Dezember 2001 wurden genau die Regelungen des Job-Aqtiv-Gesetzes unter der Überschrift: Fördern, fordern, Effizienz – das ist heute wieder gesagt worden – als Leitlinien der neuen Hamburger Arbeitsmarktpolitik verkauft, allerdings ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass das die Politik der rotgrünen Bundesregierung ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir können feststellen, dass der Senat in der Arbeitsmarktpolitik erst einmal 11 Millionen Euro gestrichen hat und ansonsten „Tetje mit de Utsichten“ gespielt wird, indem man sagt, man hoffe, das mit dem Hamburger Modell

1000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dazu sage ich für die SPD ganz ausdrücklich: Wenn das Modell denn 1000 Arbeitsplätze schafft, sind wir an Ihrer Seite, denn wir sind für jede Maßnahme, die Arbeitsplätze schafft. Außerdem sollen noch 1500 Angebote in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geschaffen werden. Auch das begrüßen wir ausdrücklich.

Von Herrn Frühauf wurde außerdem gesagt, dass man Arbeitsplätze im Ersten Arbeitsmarkt schaffen müsse. Wie das aber in dieser Stadt passieren soll, wird nicht gesagt.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Doch! Heute!)

Darüber habe ich auch vom Senator nichts gehört. Es heißt zwar, man würde das alles nicht mit öffentlichen Geldern bezahlen können, das hätte die Vergangenheit gezeigt, denn egal, wer in der Bundesrepublik regiert hat, seien doch die Arbeitslosenzahlen gestiegen. Wie man aber umsteuern will, dazu habe ich auch nicht viel gehört, außer den alten Ladenhütern, man wolle deregulieren und dass Frau Pauly wieder auf das 630-DM-Gesetz verwies.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Euro, Euro!)

Wir stellen fest, dass es trotz dieser Gesetzesänderung, die die rotgrüne Bundesregierung gemacht hat, zunächst eine Million Arbeitslose weniger gab, ganz anders, als Sie es prophezeit haben.

(Barbara Ahrons CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Unter der Regierung Kohl waren es am Ende 4,8 Millionen Arbeitslose und da sind wir, Gott sei Dank, heute immer noch nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren, zum Thema Deregulierung hat Frau Pauly gesagt, sie verstehe die Gewerkschaften nicht. Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob die Lohnforderungen der Gewerkschaften in die gegenwärtige konjunkturelle Lage passen. Andererseits haben die Gewerkschaften jahrelang Lohnzurückhaltung geübt, was die Arbeitgeber nicht mit der Schaffung neuer Arbeitsstellen honoriert haben. Wenn wir feststellen müssen, dass wir allein hier in Hamburg 40 Millionen Überstunden haben, dann stimmt irgendetwas am System und an der Einstellung der Arbeitgeber in diesem Land nicht. Das muss man auch einmal in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Nun wieder mit der alten Mär zu kommen, wenn man alle Schutzmaßnahmen, die es für Arbeitnehmer gibt, abschaffte, würde das dazu führen, dass die Arbeitsplätze automatisch wie Pilze aus dem Boden schießen würden, dazu kann man nur sagen, dass es das in anderen Gesellschaften auch nicht gegeben hat. Wir sehen in den USA, wie dieses in Zeiten der Hochkonjunktur in Ansätzen geschehen ist, die Entwicklung in Zeiten von Krisen aber in die andere Richtung geht und die Leute ohne Schutz dastehen. So etwas wird es mit Sozialdemokraten in diesem Land nicht geben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Porschke.

Zuerst möchte ich mich noch einmal an Herrn Mehlfeldt und seine Aussage wenden, die

(Senator Gunnar Uldall)

Wirtschaftspolitik müsse mittelstandsorientierter werden, denn darin liege das Erfolgsrezept. Sie können nun nicht bestreiten, dass die Bundesregierung bis 1997 die Gelegenheit gehabt hat, diesen Erfolg nachzuweisen. Um nur einmal die Zeit von 1991 bis 1997 zu betrachten, war das Ergebnis eine Steigerung der Arbeitslosigkeit von 2,1 Millionen – Sie haben es eben gehört – auf weit über vier Millionen. Dass ist bei Ihrer Politik herausgekommen.