Deutschland ist leider gerade im Bildungswesen eine strikte Klassengesellschaft. Wenn Eltern aus unterem sozialen Milieu ihren Kindern erzählen, streng dich an und du wirst deine beruflichen Ziele erreichen, dann gilt dieser Satz gerade in Deutschland nicht. In keinem anderen Land entscheidet die soziale Herkunft derart stark über die künftige Schullaufbahn wie bei uns. Unten bleibt unten und oben bleibt oben. Nach der vierten Klasse wird sortiert, fertig. Nicht nur Kinder resignieren, auch deren Eltern. Dabei bin ich mir sicher, dass mit Fördermaßnahmen und einer teilweisen Aufhebung des Sortierens sowohl bei Eltern wie auch bei Schülern mit mehr Engagement gerechnet werden darf.
Meine Damen und Herren, sicherlich erreicht man nicht alle, aber die PISA-Studie stellt fest, dass 20 Prozent der Fünfzehnjährigen schwach im Verstehen von Texten sind und 24 Prozent nicht über das Rechnen auf Grundschulniveau hinauskommen. Das ist eine gewaltige Zahl von Schülern, die sich am Ende ihrer Schulpflicht eigentlich noch einmal einschulen lassen müsste, um ihr Wissen auf internationales Durchschnittsniveau zu bringen. Alle Beteiligten müssen an der Verbesserung der Schule mitwirken. Es darf beispielsweise nicht sein, dass die Hälfte aller Lehrer von der Frühpensionierung träumen oder daran arbeiten. Diese Fluchtbewegung muss gestoppt werden, zum Beispiel mit mehr Eigenverantwortung und Freiraum in der Unterrichtsgestaltung. Auf der anderen Seite darf es nicht sein, dass vor allem Grund- und Hauptschullehrer neben dem normalen Unterricht noch einem Teil der Klasse die deutsche Sprache beibringen müssen.
Die PISA-Studie macht deutlich, dass mehr als ein frischer Wind durch die Klassenzimmer wehen muss; nicht durch sofortige perfekte Lösungen, sondern durch neue Ideen und Experimentierfreudigkeit. Aber einen Trost haben wir
immerhin: Viel schlechter können wir bei der nächsten Erhebung in drei Jahren nicht abschneiden. Meine Damen und Herren, auch wenn es altmodisch klingen mag und nicht dem Zeitgeist der Spaß- und Fungesellschaft entspricht: Ohne Fleiß kein Preis. Das gilt für Schüler wie für Lehrer. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mir die Diskussion in der Öffentlichkeit angehört und habe sie mir auch heute sehr genau nicht nur ins Herz, sondern auch ins Hirn träufeln lassen. Dabei ist mir deutlich geworden, welch ein Abstand zwischen Erziehungswissenschaftlern und den Praktikern besteht. Ich will es gar nicht schlechtreden, Wissenschaft muss fortschrittlich sein und Neuerungen einbringen und sie muss weiterentwickelt werden. Aber fragen Sie mal die Praktiker, in welchem Maße es auch auf Beständigkeit, Berechenbarkeit, Kontinuität, Wiederholung und auf Übung ankommt.
Wenn ich sehe, wie die Erziehungsgurus jetzt überall ihre Schubladen aufziehen und die nächste Reform, das nächste Konzept herausholen und einen Forderungskatalog an die Politik stellen, dann reicht das nicht. Frau Goetsch, Sie haben eben so schön gesagt, es komme darauf an, dass wir an die Ursachen herangehen. Eine der Ursachen ist, dass wir unsere Lernkultur ändern müssen. Diese Lernkultur lässt sich im Wesentlichen durch drei Punkte ändern. Das Erste ist eine sehr viel stärkere Wertschätzung der schulischen Bildung, wie wir sie heute haben. Es darf nicht nur ein „ich kann“ und „ich darf“ und auch kein ständiges „ich muss lernen und ich will nicht“, sondern es muss auch ein „ich will“ dahinter stehen. Die Lehrenden sollten in der Zukunft eher als Partner des Vertrauens, als Helfer angesehen werden und weniger als Gegner oder als Bremser oder gar als Feinde.
Das Zweite ist, die Erziehung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzusehen. Es kann nicht angehen, dass man meint, man könnte sein Kind mit sechs Jahren am Schultor abliefern und es nach neun, zehn, zwölf oder dreizehn Jahren total gebildet, sozial auf die richtige Richtung gebracht, wieder abholen.
Frau Koop, darf ich Sie ganz kurz unterbrechen; wenn ich klingele, ist das auch zu Ihren Gunsten. Ich bitte doch, dass die Gespräche im Plenarsaal eingestellt werden; auch die, die am Rande stattfinden. Die, die hier Zutrittsrecht haben, können sich hier gern aufhalten und ihre Aufnahmen machen. Die, die Gespräche führen wollen, bitte ich doch, den Plenarsaal zu verlassen. Sie haben das Wort, Frau Koop.
Eltern haben Erziehungsverantwortung. Diese Verantwortung müssen die Eltern auch wahrnehmen. Ich weiß als Mutter selber, dass das nicht immer einfach ist, dass es anstrengend ist und man es vielleicht auch gerne delegiert. Aber die Schule ist nicht der einzige Erziehungsmoment, sondern auch die Gesell
Drittens muss auch dem Lernenden klar werden, dass Lernen genau wie Erziehung anstrengend ist. Das heißt, ich muss mich mühen, einen Nürnberger Trichter gibt es nicht. Und es gibt auch nicht die ultimativ letzte Lösung, dass ich mit großem Buhei in den Klassenraum gehe und irgendwelche Dinge umsetze und es dann mit einem Mal im Gehirn habe. Ich muss mich anstrengen, ich muss arbeiten. Dabei muss natürlich jeder da abgeholt werden, wo er steht, Frau Goetsch, das ist richtig. Aber wenn ich ihn da abhole, dann muss er bitte auch mitlaufen und mitgehen wollen und ich muss ihn nicht immer hinter mir herzerren, ich muss ihn nicht stoßen oder trickreich auf den richtigen Weg bringen wollen. Wenn diese ersten drei Gegebenheiten umgesetzt und auch tatsächlich verinnerlicht sind, dann kann ich mir aus meinem unmittelbaren Umfeld keinen Lehrer und keine Lehrerin vorstellen, die nicht begeistert und begeisternd Sach- und Fachunterricht bringen können.
Dabei muss es natürlich auch möglich sein, dass man auf dem Weg stehen bleiben kann, dass gesagt wird, bis hierhin und nicht weiter. Es ist eine sozialromantische Vorstellung, sich einzubilden, man könnte alle bis zum ultimativen Abitur bringen; das ist weltfremd. Was wir brauchen, sind gute Haupt- und Realschulen, und wenn die Gelder, die in den letzten Jahren verstärkt in die Gesamtschulen geflossen sind, in die Haupt- und Realschulen geflossen wären, dann hätten wir diese Misere nicht.
(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive – Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Lange, Sie baten uns, den Weg gemeinsam zu gehen, und eine kritische Begleitung ist auch ein Stück weit ein gemeinsames Gehen.
Ich möchte auf einen Punkt hier besonders eingehen, den der Deutschkenntnisse. Niemand kann ernsthaft etwas dagegen haben, dass Menschen, die hier leben und, wie wir inzwischen ja wissen, ihr ganzes Leben hier leben, tatsächlich auch gut Deutsch können müssen, damit sie hier leben und arbeiten können und ein wirklicher Teil der Gesellschaft sind. Aber was passiert dann, wenn Sie – das sagen Sie ja in Ihrem Vertrag – die Kinder mit fünf Jahren prüfen wollen und diese die erforderlichen Deutschkenntnisse nicht haben? Da gibt es eine große Lücke und überhaupt kein Konzept, wie das dann tatsächlich aufgehoben werden soll. Man kann Kinder nicht immer wieder prüfen und sie dann irgendwann einfach auf der Straße stehen lassen.
Ich selbst komme aus einem nicht deutschen Elternhaus und kann nur bestätigen, wie frustrierend es ist, wenn man ein Gemeinschaftskunde- oder Geschichtsbuch aufschlägt und jeden Satz dreimal lesen muss, bis man ihn wirklich versteht. Das mag zwar auch so manchem deutschen Kind so gehen, aber den anderen vielleicht etwas mehr.
Dazu noch ein Satz, wenn gesagt wird, die Eltern müssten helfen: Sicherlich ist es schön, wenn Eltern helfen, und
viele von uns haben wahrscheinlich auch davon profitiert. Aber was ist, wenn die Eltern dies nicht können, wenn sie erstens die deutsche Sprache selber nicht können oder zweitens einfach nicht in der Lage sind, das, was in diesen Büchern steht, zu verstehen. Dann muss man ihnen in irgendeiner Form unter die Arme greifen und das ausgleichen, was wir hier fast alle gerade angeprangert haben, dass nämlich bei der PISA-Studie nun herauskommt, dass es sehr stark vom Elternhaus abhängt, wie die einzelnen Schüler im gesamtdeutschen Durchschnitt abschneiden; das muss man hier noch einmal unterstreichen. Ich würde Sie sehr bitten, auf diesen Punkt besonderen Wert zu legen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manch einer, so lehrt das Leben, der als Stern am politischen Himmel aufgegangen ist, entpuppt sich bald als ein Komet, der, in der Umlaufbahn angekommen, unweigerlich verglüht.
Die letzte Woche hat der Hamburger Öffentlichkeit einmal mehr gezeigt, was sich die Stadt mit ihrem Innensenator eingehandelt hat. Bei einem Gehalt von über 10 000 Euro stürzt dieser Mann die Hamburger Polizei von einer Krise in die nächste. Er brüskiert zunächst den ehemaligen Polizeipräsidenten Justus Woydt, indem er ihn auf die „Abschussliste“ setzt, behauptet, die Hamburger Polizei sei gut, nur die vormaligen Innensenatoren seien schlecht gewesen, ist aber nicht in der Lage, aus dem Hamburger Bestand einen Polizeipräsidenten zu präsentieren, lässt bei der Beförderung von höheren Polizeiführern wie Herrn Seeland seine Muskeln spielen, indem er ihnen mit Liebesentzug droht, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzen oder bekannt dafür sind, was sie von diesem Senator halten.
Er holt sich einen neuen Polizeipräsidenten, Herrn Nagel, der, wenn er geahnt hätte, was ihm am Tag der Präsentation der Kriminalstatistik blühte, den Posten wahrscheinlich dankend abgelehnt hätte.
Jetzt muss er gute Miene zum bösen Spiel machen, denn schließlich hat es ja Herr Schill geschafft, dass der Chef des Landeskriminalamts noch vor Ablauf der 100-TageFrist dem Senator sein Amt hingeschmissen hat. Und wie kommentiert Herr Schill das Ganze? Wir sind erfreut, diese außerordentlich wichtige Position neu besetzen zu können. Übersetzt heißt das wohl: Wir sind froh, dass wir Herrn Müller los sind.
Meine Damen und Herren! Wenn der Innensenator so viel mit der Führungsriege der Polizei spricht wie mit dem Innenausschuss und wenn sich diese Gespräche auf dem gleichen Niveau bewegen sollten, dann kann einem wirklich angst und bange um die Hamburger Polizei werden.
Außer grünen Pfeilen, blauen Uniformen und bayerischen Polizisten fällt diesem Innensenator wirklich nichts Gescheites ein,
von einem durchdachten kriminalpolitischen Konzept ganz zu schweigen. Die Hamburger Polizei fragt sich zunehmend, was dieser Senator eigentlich will.
Zuerst hieß es, Herr Schill wolle die Kriminalität innerhalb von 100 Tagen auf die Hälfte reduzieren, dann sollte es die Jugendgewalt sein, jetzt sind es die Verbrechen. Die GAL ist ja großzügig. Wir legen noch einmal 100 Tage drauf und werden dann mit dem Stichtag die Verbrechensrate abfragen und die Regierung kann ihre Zählmaschinen schon anwerfen.
Statt die Chance zu nutzen, seine Konzepte mit der Polizeiführung zu diskutieren, den Mut zu haben, seine Wunschträume auf den Prüfstand erfahrener Fachleute zu stellen, umgibt sich Herr Schill, wie wir wissen, lieber mit Sicherheitsberatern wie Herrn Adolphi, der als übergeleiteter Polizeioberkommissar in Ruhe
natürlich die gesamte Hamburger Polizeiführung in die Tasche steckt. Von wem fühlt sich Herr Schill eigentlich verfolgt? Es war doch sein größter Traum, endlich mit dieser Polizei zusammenzuarbeiten.
Und es ist schon ein ziemlich starkes Stück, was wir jüngst im Innenausschuss erleben konnten. Während Staatsrat Wellinghausen den Haushalt erläuterte, stand plötzlich ein sichtlich gelangweilter Senator auf
und verließ mit einer nichtssagenden Bemerkung um 19 Uhr den Ausschuss und der Ausschussvorsitzende Karl-Heinz Ehlers ließ das kommentarlos geschehen. Das hätte sich kein Senator der rotgrünen Regierung bei Haushaltsberatungen leisten dürfen. Aber wenn Herr Schill wenigstens einen wichtigen Grund gehabt hätte. Die Vermutung einiger überraschter Innenausschussmitglieder, dass der Feierabend-Champagner schon bereitstehe,