Protocol of the Session on November 13, 2003

sachgemäßen Gewährung von Sozialhilfeleistungen ist eine solche Möglichkeit.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Das Wort hat Herr Schenk und sonst niemand. Wer das anders sieht, verlässt bitte den Plenarsaal.

Danke schön. Der Bedarfsprüfdienst soll Minderausgaben vornehmen, wo es angebracht ist, und soziale Gerechtigkeit steigern, wo es erforderlich ist. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen – um Missverständnissen vorzubeugen –, es geht uns nicht darum, Hilfeempfänger zu drangsalieren. Es geht uns auch nicht darum, die Sozialhilfe als solche infrage zu stellen. Es geht uns einzig allein darum, den Missbrauch der Sozialhilfe zu bekämpfen.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatli- cher Offensive, der CDU und der FDP)

Ziel ist es nicht, den Menschen etwas wegzunehmen, was ihnen zusteht, sondern Ziel ist es, einigen Menschen das zu verweigern, was ihnen nicht zusteht.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatli- cher Offensive, der CDU und der FDP)

Wir wollen an den Grundfesten unseres Sozialstaates auch in Zukunft nicht rütteln. Sachgemäße Sozialhilfezahlungen haben eine gesellschaftlich stabilisierende Wirkung. Sie sind in einem Sozialstaat unabdingbar und unverzichtbar. Der überwiegende Teil der Hilfeempfänger – das möchte ich hier auch ganz klar sagen – treibt keinen Missbrauch. Es gibt keinen Generalverdacht, keine Verallgemeinerung und keine Kollektivbeschuldigung.

(Uwe Grund SPD: Deshalb müssen auch alle überprüft werden!)

Ein Missbrauch der Sozialhilfe durch schwarze Schafe jedoch, insbesondere was die einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt angeht, ist nicht nur nicht hinnehmbar, sondern hochgradig unsozial. Wer die Sozialhilfe missbraucht, betrügt nicht nur die Allgemeinheit, sondern sorgt auch dafür, dass an anderer Stelle gekürzt werden muss. Die Minderheit, die Missbrauch betreibt, richtet einen gewaltigen Schaden an, und zwar nicht nur in materieller Hinsicht, sondern sie bringt das gesamte System der Sozialhilfe in Verruf.

Bei einem jährlichen Volumen von 420 Millionen Euro an laufenden und einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt hat der Hamburger Staat als Sachverwalter des Steuergeldes nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Kontrolle im Sinne der Solidargemeinschaft auszuüben. Dass eine vernünftige Kontrolle in der Vergangenheit nicht üblich war, bedeutet nicht, dass sie nicht erforderlich wäre.

Ein Bedarfsprüfdienst in anderen deutschen Städten, wie Frankfurt, Köln oder Berlin, ist eine Selbstverständlichkeit. Gerade das Beispiel Berlin zeigt, dass einige Menschen die Sozialhilfe als Selbstbedienungsladen missverstehen. Im Jahre 2002 hat beispielsweise der Bezirk SteglitzZehlendorf rund 615 000 Euro an Missbrauch verhindern können, der Bezirk Reinickendorf 800 000 Euro und der Bezirk Berlin-Mitte sogar 816 000 Euro.

In einer Pressemitteilung der GAL war kürzlich zu lesen, dass der Bedarfsprüfdienst sich angeblich finanziell nicht

selbst tragen würde. Diese Annahme zeigt ganz deutlich, dass die GAL äußerst schlecht informiert ist. Selbst nach Abzug der Personalkosten verbleiben erhebliche Einsparungen, die den Haushalt spürbar entlasten.

Hamburg sollte sich das funktionierende Modell Berlin zum Vorbild nehmen und eine angemessene Anzahl von Prüfern bereitstellen. Dann wären in allen sieben Hamburger Bezirken Minderausgaben in Millionenhöhe geradezu vorprogrammiert.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Aber es geht hier nicht um Einsparungen, sondern auch um ein Stück soziale Gerechtigkeit. Ein Bedarfsprüfdienst ist nämlich auch deshalb erforderlich – das sagt auch schon der Name „Bedarfsprüfdienst“ –, weil er keine Einbahnstraße ist, sondern in verschiedene Richtungen prüft. Er wird im Einzelfall auch den Bedarf derer prüfen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen Leistungen nicht wahrnehmen und unter dem Existenzminimum leben. Er wird auch denen helfen, die beispielsweise aus Unkenntnis Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Das betrifft oft ältere Menschen, die ihre Ansprüche nicht kennen oder sie aus falscher Scham nicht beanspruchen. Diesen Menschen wird der Prüfdienst zu ihren Rechten verhelfen. Der Prüfdienst ist damit auch ein Instrument der staatlichen Fürsorge und der Menschlichkeit. Die Errichtung eines Bedarfsprüfdienstes ist ein Akt der sozialen Solidarität.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch einmal betonen, dass für die Installation eines Prüfdienstes keines der einschlägigen Gesetze geändert werden muss. Die entsprechenden Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes und des Sozialgesetzbuches ermöglichen schon jetzt ein entsprechendes Handeln.

Unser Antrag ist sinnvoll und erforderlich. Er trägt der Haushaltslage Rechnung und ist sozial ausgewogen. Ich würde mir daher eine breite parlamentarische Zustimmung wünschen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Bestmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zielsetzung des Antrages, so jedenfalls für meine Fraktion gesprochen, ist - denke ich - unstrittig. Sozialhilfeleistungen sind entsprechend den Bedürfnissen und Ansprüchen zu gewähren. Das hat Herr Schenk ausgeführt. Wo Geldmittel geleistet werden, muss es natürlich auch eine Kontrolle geben, zum einen hinsichtlich eines Verdachtes auf Missbrauch, aber selbstverständlich auch bei zustehenden Ansprüchen.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat sich die Bürgerschaft hierzu eindeutig positioniert und entsprechende Anträge beschlossen.

Wenn wir uns jedoch den uns vorliegenden Antrag genauer ansehen, ist das Ergebnis dessen, was Sie hier formuliert und begründet haben und durchaus einleuchtend ist, ein wenig enttäuschend. In der Einleitung Ihres Antrags führen Sie sehr viele Aspekte, Probleme und Handlungsmöglichkeiten auf. Bei der Umsetzung hapert es dann allerdings ein wenig. Anstelle politische Vorga

ben und Forderungen zu stellen, ersuchen Sie den Senat, eine Verwaltungsvorschrift zu erlassen. Das ist ein bisschen knapp.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Mich verwundert in diesem Zusammenhang überhaupt, dass die Bürgerschaft dazu herhalten muss, ganz normales Verwaltungshandeln an dieser Stelle einzufordern. Anscheinend ist die Sozialsenatorin entgegen ihren ewigen Ankündigungen – sie hört ja jetzt auch leider nicht zu –

(Frank-Thorsten Schira CDU: Die kann beides!)

auf diesem Gebiet bisher nicht tätig geworden, sonst bedürfte es dieses Antrages hier nicht, sondern wir hätten bereits eine Vorschrift.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Nachträglich erklärt sich für mich auch, warum wir hier im Parlament andauernd Nachträge für den Sozialhilfe-Etat zu beraten haben und die angekündigten Einsparungen aus der Aufdeckung von Missbräuchen einfach nicht offen gelegt werden: Weil es diese nicht gibt und anstelle dessen zwei Jahre nicht gehandelt wurde. Das ist sehr schade.

Ein weiterer Punkt dieses Antrages: Diese Verwaltungsvorschrift soll sich mit zwei Dingen beschäftigen. Aufgabe des Bedarfsprüfdienstes und personelle Ausstattung dieses Prüfdienstes. Das würde ich auch gern genau von Ihnen erfahren, wie Sie sich das vorstellen.

Die Bezirke sind bis jetzt in einem ziemlich hohen Maße bespart worden. Wir haben den Etat 2004 jetzt vorberaten in den Ausschüssen und auch dort hat sich wieder dargestellt, dass die Bezirke einen hohen Anteil an Konsolidierungsbeiträgen im Personalbereich erbringen müssen. Nun soll es so sein, dass die Sozialbehörde mittels einer Verwaltungsvorschrift diese Sparauflagen im Prinzip wieder glatt zu bügeln hat, nämlich dort, wo kein Personal mehr vorhanden ist. Ich werde Ihnen sagen, das wird schief gehen und kann so nicht funktionieren.

Im Übrigen möchte ich nur darauf hinweisen, dass auch der Staatsrat der Sozialbehörde immer im Sozialausschuss darstellt, dass es nicht Aufgabe der Fachbehörde ist, die Personalbedarfsausstattung der Bezirke zu überprüfen, zu kontrollieren oder gar festzulegen. Bisher haben sie sich immer dagegen verwahrt. Ich bin mal gespannt, wie sie hier mit der Forderung der Bürgerschaft in Zukunft umgehen werden.

Fazit für mich ist: Wenn Sie eine Prioritätenfestlegung fordern, die ich in der Sache durchaus teilen kann und über dessen Ziele wir uns einig sind, muss dieses Parlament auch handeln. Dieses Parlament hat die Möglichkeit, es hat ein Budget-Recht und so gesehen auch mittelbar ein Recht, über die Haushaltsstellen zu beschließen. Wir haben Mitte Dezember Haushaltsberatung. Ich bin sehr gespannt, ob Sie hierbei Prioritäten setzen werden. Sie haben die Möglichkeiten. Ich fordere Sie daher auf, diese zu nutzen. Wie gesagt, in der Sache sind wir uns relativ einig, mit dem Antrag aber habe ich gewisse Schwierigkeiten, weil er einfach die vorhandenen Forderungen in seinem Petitum überhaupt nicht umsetzt. Wir würden deshalb diesen Antrag gern im Sozialausschuss beraten, um nochmals eingehend zu erörtern, wie hier ein sinnvolles Vorgehen geschaffen werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Herr Schira hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegin Bestmann. Es hätte seit zwei Jahren all dieser Dinge gar nicht bedurft, wenn Sie entsprechend der Vorschriften, die nur umgesetzt hätten werden müssen, in den letzten Jahren gehandelt hätten.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Sie hatten doch zwei Jahre Zeit!)

Nein, nein, ich habe ja vier Jahre ertragen müssen, auch Oppositionspolitiker in diesem Haus zu sein. Alle Anträge, die wir in diese Richtung gestellt haben, wurden von Ihnen damals kategorisch abgelehnt.

(Tanja Bestmann SPD: Aber Sie haben doch zu- gestimmt!)

Ich denke, einer der Erfolge des Bürgersenates in dieser Legislaturperiode ist das grundsätzliche Umsteuern in der Sozialpolitik. In der Praxis bedeutet das: Hilfe erhalten diejenigen, die sie wirklich benötigen und die Menschen in unserer Stadt, die wirklich in Not sind und nicht für sich selbst sorgen können. Für alle anderen Menschen gilt: Wer dazu fähig ist, auf eigenen Beinen zu stehen, den wollen wir dabei unterstützen, selbst für sich zu sorgen. Sozialhilfe soll wieder die Ausnahme werden. Hilfe in Notlagen und nicht Lebensentwurf.

Ich zitiere hierzu aus dem Bundessozialhilfegesetz:

„Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.“

Die Hilfe soll ihn so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben. Hierbei muss er selbst nach Kräften mitwirken. Soziale Hilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann. Deshalb reicht es unseres Erachtens eben nicht aus, Sozialhilfeempfänger nur finanziell abzusichern. Diese Menschen müssen aktiv bei ihrem Weg in die Eigenständigkeit unterstützt und gefordert werden. Das ist sozial und solidarischer, als sie aus der Gemeinschaft und Gesellschaft auszugrenzen.

So kann beispielsweise die von uns eingeführte gemeinnützige Arbeit für Sozialhilfeempfänger den Menschen das Gefühl vermitteln, wieder gebraucht zu werden und dazuzugehören.

(Dr. Ingrid Stöckl SPD: Von wegen, von Ihnen ein- geführt. Das haben wir selbst gemacht!)

Ein wichtiger Baustein dieser unserer Sozialpolitik ist aber auch gleichzeitig ein konsequentes Vorgehen gegen den Sozialhilfemissbrauch. Der unberechtigte Bezug staatlicher Leistungen ist kein Kavaliersdelikt, sondern Betrug. Konsequent dagegen vorzugehen, ist gerade in Zeiten knapper Kassen mehr als geboten.

Die Einführung des Datenabgleichs zur Feststellung von Sozialhilfemissbrauch war hier von unserer Seite der erste Schritt. Es handelt sich dabei um eine alte Forderung der CDU, die in den vergangenen Legislaturperioden hier in diesem Haus von SPD und GAL aufgrund ihrer überholten Auffassung von den Aufgaben des Sozialstaates immer abgelehnt worden ist. Im Jahre 2002