Protocol of the Session on December 12, 2001

In der Koalitionsvereinbarung der rotgrünen Regierung steht, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit das oberste Ziel der neuen Bundesregierung ist. Noch im Mai versprach dieser Bundeskanzler 3,5 Millionen Arbeitslose und Ende November gestand der Finanzminister vier Millionen Arbeitslose für den Anfang des Jahres 2002 ein.

Rekordverdächtig sind auch die 33 000 Insolvenzen in diesem Jahr. Die Selbstständigenquote liegt nur noch bei 11 Prozent. Damit stehen wir in Europa an drittletzter Stelle. In den alten Bundesländern liegt Hamburg hinsichtlich der Selbstständigenquote auf der viertletzten Stelle und seit 1998 sinkt die Quote auch noch. Der Mittelstand wird im Jahr 2001 und 2002 260 000 Stellen verlieren.

Nun sollte man doch annehmen, dass in der Zeit der New Economy wenigstens die Existenzgründungen gestiegen sind: Fehlanzeige. Von 1998 bis 2000 gingen die Existenzgründungen von 715 000 auf 695 000 zurück. Die Steuerreform nützt dem Mittelstand nicht. Daher ist Mittelstandspolitik in diesem Lande mittelstandsfeindliche Politik.

Wie lautet der Lösungsansatz à la Schröder? Vier Steuern wurden und werden erhöht: die Schwefelsteuer, die Ökosteuer, die Tabaksteuer und die Versicherungsteuer. Meine Damen und Herren, all das lähmt die Konjunkturentwicklung und verhöhnt die sozialdemokratische Sorge um den kleinen Mann auf der Straße. Keine Regierung, nur die in Deutschland, reagiert mit Steuererhöhungen in der Krise.

Wo stehen die Bündnispartner dieser Bundesregierung? Die Schreckensnachrichten häufen sich. In der letzten Woche platzte das Bündnis für Arbeit. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich den Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt:

„Wenn im Bündnis nicht mehr über die Tarifpolitik geredet wird, dann existiert es faktisch nicht mehr.“

(Erhard Pumm SPD: Darüber wurde noch nie ge- sprochen!)

Herr Pumm, was ist aus der Jahrhundertachse mit der SPD und den Gewerkschaften geworden? In der „Welt am Sonntag“ wird IG-Metall-Vizepräsident Jürgen Peters wie folgt zitiert:

„Auf die Gewerkschaften kann der Bundeskanzler nicht mehr bauen. Unsere Mitglieder sind von der Politik der Bundesregierung enttäuscht.“

Herr Pumm, haben Sie darüber auch nie gesprochen?

(Dr. Monika Schaal SPD: Das „Abendblatt“ muss es ja wissen!)

Was bedeutet dies für Hamburg und welche Fehler hat der rotgrüne Senat gemacht? Die schonungslose Abrechnung stand Ende November in der McKinsey-Studie. In den letzten zehn Jahren sind 20 große Firmenzentralen abgewandert. Kein DAX-30-Unternehmen hat seinen Sitz in Hamburg. Bezogen auf die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigem wachsen Frankfurt und München seit 1986 schneller. So ähnlich sieht es auch im Vergleich mit den europäischen Metropolen aus.

An der Studie war das Hamburger Forum „Zukunft“ beteiligt und damit zwei intime Kenner der früheren Senate, nämlich Dr. Klaus von Dohnanyi und Dr. Fritz Vahrenholt; sie werden schon wissen, was sie in der Studie zum Besten gaben.

Die hausinternen Stellschrauben, meine Damen und Herren, werden wir anders stellen. Aufgrund der falschen Weichenstellungen in Berlin müssen wir uns jedoch künftig stärker von Hamburg aus in die Bundeswirtschaftspolitik einmischen. Ich bin sicher, dass dies mit Ole von Beust als Erstem Bürgermeister und dem Wirtschaftssenator Gunnar Uldall gelingen wird, einem Wirtschaftssenator, der anders als seine Vorgänger weit über Hamburgs Grenzen hinaus eine bedeutende Rolle in der Wirtschaftspolitik spielt

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Lachen bei der SPD)

und dessen Rat man weit über unsere Grenzen hinaus schätzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Egloff.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mattner, es war klar, dass Sie auf das Thema Arbeitslosigkeit zu sprechen kommen,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Na klar!)

und ich sage ganz offen: Die Arbeitslosenzahlen, die wir in dieser Republik haben, befriedigen uns auch nicht.

(Rolf Harlinghausen CDU: Ah ja!)

Aber anscheinend haben Sie ein kurzes Gedächtnis, denn wir müssen feststellen, dass wir im Moment 424 000 Arbeitslose weniger haben als zum Ende der Regierung Kohl.

(Beifall bei der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Sie haben Ihre Versprechen trotzdem nicht eingehal- ten!)

Die Arbeitslosenquote ist von 11,1 Prozent auf 9,2 Prozent gesunken. Und noch etwas – das Sie hier wohlweislich nicht gesagt haben, Herr Dr. Mattner – ist zu beachten, dass nämlich im Wahljahr 1998 von der Regierung Kohl noch schnell 530 000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vor allem in den neuen Bundesländern geschaffen worden sind. Wenn wir dieses gemacht hätten, wären wir schon lange unter der Grenze von 3,5 Millionen Arbeitslosen, aber solche kosmetischen Tricks sind von dieser Bundesregierung nicht zu erwarten.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Karl-Heinz Ehlers CDU: Richtig, weil von dieser Regierung gar nichts zu erwarten ist!)

Wenn über Zukunftsbranchen gesprochen wird, muss man sich doch mal ansehen, wie sich diese Branchen selbst darstellen. Der Verband der Unternehmer aus der IT-Branche hat bekannt gegeben, dass im Jahre 2000 75 000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen worden sind, die trotz der Einbrüche, die es dort gegeben hat, im Wesentlichen auch erhalten worden sind. Im Jahre 2001 wurden immerhin noch 16 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Wer sich heute die Zeitungen angeguckt hat, sieht auch, dass die Konjunkturprognosen inzwischen ganz anders aussehen, als es noch vor einer Woche verkündet worden ist.

(Volker Okun CDU: Die sind noch schlechter ge- worden!)

Es ist also davon auszugehen, dass wir im Jahre 2002, spätestens zur Jahresmitte, eine Konjunkturerholung haben werden. Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, aber an dieser Tatsache werden auch Sie nicht vorbeigehen können.

Von der Arbeitgeberseite und auch von der Opposition wird immer behauptet, dass beispielsweise das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge dazu geführt hätten, dass Arbeitsplätze vernichtet wurden. Wer hier immer sagt, dass diese Regierung viele Fehler gemacht hat, nimmt anscheinend nicht zur Kenntnis, was in der Wirtschaft eigentlich abläuft. Inzwischen ist es Fakt, dass jeder fünfte Arbeitnehmer unter 30 Jahren bereits befristet beschäftigt ist. Außerdem bietet dieses Gesetz verschiedene Möglichkeiten, auch über die zweijährige Befristung hinaus zu beschäftigen; bei Achtundfünfzigjährigen ist es beispielsweise möglich, ohne Angabe von Gründen weiter als zwei Jahre zu befristen. Das heißt, die Arbeitgeber in diesem Land benutzen dieses Instrument sehr wohl, nur anders, als ihre Verbandsvertreter es wahrhaben wollen, und anders, als es von der Opposition in Berlin dargestellt wird.

Das Gleiche gilt auch für andere Regelungen, wenn Sie sich beispielsweise ansehen, dass inzwischen in 30 Prozent aller Betriebe mit Betriebsräten von Kündigungen aufgrund von Auftragslagen abgesehen wird. In diesen Zeiten reduziert man dann eben Arbeitszeiten und kann somit sehr flexibel auf diese Situation eingehen.

Herr Dr. Mattner, Sie haben gesagt, dass die Bundesregierung nichts für die Mittelstandsförderung getan habe. Ich möchte nur einmal daran erinnern, dass durch die Steuerreform die mittelständischen Unternehmen bis zum Jahre 2005 um rund 30 Milliarden DM entlastet werden.

(Barbara Ahrons CDU: Wo denn?)

Gewinne von Kapitalgesellschaften werden seit dem 1. Januar 2001 nur noch mit 25 Prozent besteuert. Das ist der niedrigste Steuersatz, den es jemals in dieser Republik dafür gegeben hat. Und da behaupten Sie, es würde nichts für die Wirtschaft in diesem Lande getan. Das geht ganz eindeutig an der Realität vorbei.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Rolf Harling- hausen CDU: Dann haben Sie Wirtschaft falsch verstanden!)

Was hören wir denn von Ihnen im Rahmen der neuen sozialen Marktwirtschaft, wie Sie es nennen? So viel Neues kann ich da nicht erblicken. Es wird beispielsweise eine Forderung aufgestellt, dass alle Löhne bis 2500 DM mit

(Dr. Andreas Mattner CDU)

20 Prozent gefördert werden sollen. Das ist eine Maßnahme, die 20 Milliarden DM bis 24 Milliarden DM kostet, ohne dass Sie sagen, wo es herkommen soll. Sie können Sie auch nicht finanzieren.

Bezüglich der Steuerreform wird gefordert, den zweiten Schritt von 2003 auf 2002 vorzuziehen. Ich möchte einmal wissen, wie Herr Peiner dazu steht.

(Krista Sager GAL: Oh ja!)

Herr Stoiber hat sich dazu sehr deutlich geäußert und gesagt, dass das überhaupt nicht in Frage komme, weil es nicht zu finanzieren sei.

Ein letzter Punkt. Wer behauptet, die Politik der Bundesregierung habe negative Auswirkungen auf Hamburg gehabt, hat nicht realisiert, was in den letzten Jahren in dieser Stadt passiert ist. Die Arbeitslosenzahlen sind nämlich von 100 000 auf 70 000 gesunken und es wurden 44 000 neue Arbeitsplätze geschaffen, davon allein 18 000 in den IT-Bereichen. Das ist ein Erfolg des rotgrünen Senats und von Wirtschaftssenator Mirow gewesen. Deshalb können Sie auch nicht behaupten, dass es Negativentwicklungen gegeben habe, weil das schlicht und ergreifend nicht der Fall ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Frühauf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht heute wohl nicht darum, Zahlen hin- und herzurechnen, Zahlen schönzurechnen,

(Krista Sager GAL: Aber ein paar Fakten wären schon gut!)

sondern darum, zu erkennen, welche Wirtschaftspolitik Rotgrün uns im Bund beschert und welche Auswirkungen dies auf Hamburg hat. Wir haben leider eine Politik der Reglementierung zu verzeichnen, die alles andere bewirkt als die dringend erforderliche Aufbruchstimmung für Hamburg und für den Bund.

Die Hamburger stellen fest, dass Ortwin Runde sein Versprechen, die Arbeitslosen unter 65 000 zu bringen, nicht erfüllt hat.