Herr Kollege Müller, weil Sie gesagt haben: "kein blinder Aktionismus" und "das ist ein großes Projekt". Was einen verwundert, ist: Wenn das so ein großes Projekt ist und, wie Herr Dr. Schinnenburg immer nicht vergisst zu sagen, bundesweit einmalig – wieso gründen Sie dann jetzt erst überhaupt eine Steuerungsgruppe? Wieso ist diese Steuerungsgruppe eigentlich nicht von Anfang an da?
Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, erst jetzt wird eine Steuerungsgruppe gegründet, die dann ein Ergebnis im Januar feststellt, und ein Controlling wird auch noch eingeführt, nach dem Motto: Ist das eigentlich alles sinnhaft?
Wir können abwarten, ob die Aussage von Senator Lange zutrifft oder ob der "Abendblatt"-Artikel von Montag dieser Woche falsch ist, ob aus dem Kita-Bereich im Sommer 2002 sachfremde Entnahmen stattgefunden haben. Da gehen wir mit Gelassenheit rein. Dafür beantragen wir Akteneinsicht, um derartigen Dingen auf den Grund zu gehen. Darauf freuen wir uns. – Danke.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer möchte den Antrag aus der Drs. 17/3569 annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mehrheitlich angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 52 auf, Drs. 17/3559, Antrag der GAL-Fraktion: Gleiche Rechte für schwule und lesbische Paare: Landesrecht und Bundesrecht anpassen!
[Antrag der Fraktion der GAL: Gleiche Rechte für schwule und lesbische Paare: Landesrecht und Bundesrecht anpassen! – Drs. 17/3559 –]
Meine Damen und Herren, ich hatte nicht zur Völkerwanderung aufgerufen. Wenn Sie den Saal verlassen wollen, dann bitte so ruhig, dass ich hier in der Sitzung fortfahren kann.
[Antrag der Fraktion der SPD: Die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft von Schwulen und Lesben weiter voranbringen – Drs. 17/3638 –]
Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Rechtsausschuss überweisen. Wer meldet sich zu Wort? – Der Abgeordnete Farid Müller wünscht es und hat es.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir müssten heute nicht auf Antrag meiner Fraktion erneut über die Gleichstellung von Lesben und Schwulen debattieren, wenn der Justizsenator das getan hätte, was er noch im Frühjahr lauthals versprochen hat. Damals hat er vollmundig erklärt, dass Hamburg die Landesgesetze an die Lebenspartnerschaft anpassen wolle. Es gab Absichtserklärungen im Bundesrat, endlich die Blockade der Lebenspartnerschaft zu beenden. Es gab sogar, wie wir den Medien entnehmen mussten, eine eigene Bundesratsinitiative.
Davon ist nichts geblieben. Nach dem Rathausskandal wurden all diese Ankündigungen kassiert. Erst kam Ronald Schills Versuch, den Ersten Bürgermeister gefügig zu machen, und dann verschwanden die schwul-lesbischen Vorhaben von der Agenda des Senates. Dafür gab es und dafür gibt es keinerlei sachliche Gründe. Ganz im Gegenteil.
Der Versuch von Schill, Homosexualität zu instrumentalisieren, hat gezeigt, dass wir mehr für die Akzeptanz von Schwulen und Lesben tun müssen. Wir müssen endlich dazu kommen, dass es keine Meldung mehr wert ist, ob jemand schwul, lesbisch oder hetero ist. Dann kann auch niemand mehr glauben, dass andere wegen ihrer Homosexualität erpressbar seien. Dann wäre diese Affäre Hamburg erspart geblieben.
Akzeptanz, das, was der Erste Bürgermeister auch in seiner Regierungsmitteilung im Jahre 2001 gesagt hat, können wir nur mit einer aktiven Politik für Lesben und Schwule erreichen. Deswegen müssen wir nicht weniger tun, sondern wir müssen mehr für die Akzeptanz tun, meine Damen und Herren.
Damit es noch einmal deutlich wird, worum es hier eigentlich geht: Es ist nicht einzusehen, dass Lesben und Schwule beim Erbschaftsteuerrecht gleichgestellt sind, aber dann bei der Erbschaftsteuer das Vierundzwanzigfache von Eheleuten zu bezahlen haben. Es ist nicht einzusehen, dass Hinterbliebenenversorgung bei Eheleuten so funktioniert, wie sie jetzt funktioniert, und schwullesbische Paare leer ausgehen. Es ist nicht einzusehen, dass Hamburger Beamte beim Beihilferecht nicht die gleichen Rechte im Krankenversicherungsrecht haben wie Angestellte hier in dieser Stadt. Diese Aufzählung wäre endlos fortzusetzen.
Ein weiteres Argument für die Gleichstellung ist, dass sie in dieser Gesellschaft auch hier in Hamburg schon Realität ist. Die Regierungsmehrheit liebt es doch, sich sehr wirtschaftsfreundlich zu geben. Aber warum folgen Sie dann der Wirtschaft nicht, die ihre lesbischen und schwulen Angestellten längst Eheleuten gleichgestellt haben? Warum folgen Sie nicht dem Vorbild von Karstadt, der
Volksfürsorge und sogar Beiersdorf, wo auch die Stadt inzwischen Anteile hält? Warum folgen Sie zum Beispiel nicht dem skandinavischen Vorbild, wo wir doch immer die Nähe zum Ostseeraum so betonen? Gegenüber dieser Gleichstellungspolitik, meine Damen und Herren, muss Hamburg sich wirklich verstecken.
Wenn man nun nicht Richtung Ostsee gucken will, warum guckt die CDU-Fraktion, die Chicago besucht hat, nicht zu unserer Partnerstadt? Dort sind schon seit zehn Jahren Angestellte und Beamte der Stadt in schwul-lesbischen Paaren Eheleuten gleichgestellt. Sehen Sie sich nahezu alle größeren US-Firmen an, meine Damen und Herren. Dort sind längst lesbische und schwule Paare mit Eheleuten bei Unternehmensdienstleistungen gleich gestellt.
Und wenn Sie nicht so weit schauen wollen, weil Ihnen das doch alles ein wenig zu weit ist, dann gucken Sie einfach einmal nach Sachsen-Anhalt. Dort hat die Regierung von CDU und FDP ein Gesetz zur Angleichung des Landesrechtes für lesbische und schwule Paare ins Parlament eingebracht.
Eins hat der Rathausskandal uns doch gezeigt hier in Hamburg: Wenn wir hier in diesem Parlament nicht handeln, dann handeln andere für uns. Und so wird es auch bei der Gleichstellung von Lesben und Schwulen kommen, denn derzeit wartet eine EU-Richtlinie, die die Diskriminierung am Arbeitsplatz zum Inhalt hat, auf Umsetzung in diesem Land. Wir haben noch eine Frist bis Ende des Jahres. Danach werden die Bürgerinnen und Bürger auch in Deutschland, auch in dieser Stadt, das Recht haben, Nicht-Diskriminierung einzuklagen. Soweit, meine Damen und Herren, möchte ich es hier in Hamburg nicht kommen lassen. Ich bitte Sie deswegen: Überdenken Sie das Ende Ihrer Politik und stimmen Sie dem Antrag meiner Fraktion zu. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Müller! Die Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Deutschen Bundestag im November 2002 war ein historischer Schritt. Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften werden endlich nicht mehr wie Fremde behandelt, sondern wie Familienangehörige, die für einander einstehen, Pflichten übernehmen, aber endlich auch Rechte haben, wie sie heterosexuellen Paaren immer schon offen standen. Schwule und lesbische Lebenspartnerschaften können einen gemeinsamen Namen annehmen, können jetzt ein kleines Sorgerecht für Kinder beantragen, sodass im Alltäglichen beide mitentscheiden können, sie haben gegenseitige Unterhaltspflichten und ein Zeugnisverweigerungsrecht. Dieser große Schritt wurde von der Mehrheit der Bevölkerung getragen. Den meisten Bürgerinnen und Bürgern ist die sexuelle Orientierung ihrer Nachbarn, ihrer Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz gleichgültig. Aber nicht alle Parteien haben damals diese neue gewachsene Mehrheit mittragen wollen. Die CDU hat im Bundestag das Lebenspartnerschaftsgesetz abgelehnt, auch wenn einige Abgeordnete deutlich gemacht haben, dass sie eine verbindliche Beziehung zwischen Lesben und Schwulen, die auch einen rechtlichen Rahmen hat, sehr wohl mittragen
können. Andere Abgeordnete der CDU jedoch haben den Untergang des christlichen Abendlandes befürchtet und die FDP hat damals einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der nicht so weit reichte wie das damals beschlossene Gesetz, aber immerhin einen Schritt ging. Die unionsregierten Länder Sachsen und Bayern haben hingegen sogar vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, weil sie dieses Gesetz wieder zu Fall bringen wollten. Sie haben aber verloren.
Sie sehen, weder die Verfassung noch die Mehrheit der Bevölkerung stehen gegen die Gleichstellung von Schwulen und Lesben an diesem Punkt. Was dagegen steht, sind Vorurteile, Abneigung, Verdrängung der menschlichen Realitäten bis zu sehr ausgrenzenden Vorstellungen. Der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann, der ja diese Tage von sich reden macht, hat in der Debatte im Deutschen Bundestag von einem Unwerturteil aller monotheistischen Religionen über Homosexualität gesprochen und damit seine Ablehnung begründet. Diese Position gibt es, sie wird aber nicht von einer Mehrheit getragen und sollte auch eine CDU nachdenklich machen.
Machen wir uns klar: Wir sind einen sehr weiten Weg gegangen. Die Verfolgung der Schwulen und Lesben während des Nationalsozialismus ist knapp 60 Jahre her. In der Nachkriegszeit war Homosexualität noch verboten und der unselige Paragraph 175 fiel erst 1990 im Zuge der Wiedervereinigung. Wir sind stolz auf den erreichten Stand der Gleichstellung, aber wir wollten mit dem ursprünglichen Lebenspartnerschaftsgesetz noch Weiteres regeln und das ist an der Unionsmehrheit im deutschen Bundesrat gescheitert. Wir nehmen heute daher mit unserem Antrag einen erneuten Anlauf, diesmal über das Bundesland Hamburg. Justizsenator Kusch, Sie haben angekündigt, alle Gesetzesänderungen auf Landesebene mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz abgleichen zu wollen und eine Übernahme prüfen zu lassen. Sie haben auch angedeutet, dass Hamburg ein Ergänzungsgesetz im Bundestag nicht blockieren würde. Nun ist es so, dass dieses Ergänzungsgesetz in der letzten Legislaturperiode an der unionsregierten Mehrheit gescheitert ist. Es gibt zurzeit keine Mehrheit im Bundesrat, dieses Gesetz wieder aufzugreifen. Da frage ich Sie: Wäre es nicht möglich, dass eine Hamburger Großstadt-CDU zusammen mit einem liberalen Koalitionspartner hier die Initiative ergreift, um einen erneuten Diskussionsprozess anzuschieben?
Viele notwendige Regelungen sind am Bundesrat gescheitert. So gibt es keine steuerliche Erleichterung für schwule und lesbische Partnerschaften. Sie werden steuerlich immer noch wie Singles behandelt. Und es gibt eben auch keine gegenseitige Verantwortung, wenn zum Beispiel einer der Partner Sozialhilfe bezieht. Wie wäre es, wenn Sie hier in Hamburg nicht Vorurteile zur Grundlage der Politik machten, sondern die Anerkennung der Realität? Stellen Sie die Rechte der Menschen auf Gleichstellung in den Vordergrund und nicht parteipolitische Disziplin auf Bundesebene. Das wäre mutig und richtig. Wir hoffen daher auf Unterstützung unseres Zusatzantrages. Bringen Sie Bewegung in den Stillstand der unionsregierten Bundesländer und seien Sie in Hamburg Vorbild für die Gleichstellung.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der GAL, Sie fordern in Ihrem Antrag die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Das ist nicht die Position der Sozialdemokratie. Und es ist für uns auch nicht nachvoll
ziehbar, warum Sie das konservativ geführte Hamburg, das so leichte Sympathien für das Lebenspartnerschaftsgesetz hat erkennen lassen, nun ausgerechnet mit dieser Forderung gewinnen wollen. Daher haben wir einen eigenen Antrag in die Debatte eingebracht. Wir hoffen auf eine ernste Beratung der Möglichkeiten und bitten um breite Unterstützung des Antrages.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Müller, Sie haben hier wirklich einen Brückenschlag zwischen Europa- und Schwulenpolitik geschafft. Dafür beglückwünsche ich Sie sehr. Sie haben den Vorgriff zum Europawahlkampf genommen. Insofern wollen wir Ihnen das Thema nicht allzu lange nehmen. Wir werden es bestimmt noch in den nächsten Monaten häufiger beraten. Das wird Ihr Thema im Europawahlkampf sein, seien Sie gewiss.
Aber manches öffentliche Auftreten, muss ich sagen, ist in dieser Frage nicht sachdienlich. Und, Herr Maaß, das mag zwar Landesrecht sein, aber Herr Müller wird dieses Thema mit Sicherheit im Europawahlkampf im Vordergrund fahren. Da bin ich mir ganz sicher.
Trotzdem ist dieses öffentliche Auftreten nicht immer sachdienlich. Es gibt ein Beispiel: Vor wenigen Tagen ist in der Justizministerkonferenz der Vorschlag unterbreitet worden, den Lebenspartnerschaften die Möglichkeit der Stiefkinderadoption zu schaffen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie man die Akzeptanz für berechtigte Belange von Lebenspartnerschaften gefährden kann. Man muss kein fundamentalistischer Gegner eingetragener Lebenspartnerschaften sein, um diese Forderungen abzulehnen. Im Adoptionsrecht darf es nur um das Wohl der betroffenen Kinder gehen. Kinder dürfen nicht zu Versuchszwecken missbraucht werden. Das ist aber der Fall, wenn ihnen die Elternschaft desjenigen leiblichen Elternteils genommen werden soll, in dessen Haushalt das Kind nicht mehr lebt und an dessen Stelle ein Adoptivelternteil gesetzt wird. Mit jeder Adoption wird eine rechtliche Elternbeziehung geschaffen, die ihrem Wesen nach auf Dauer angelegt ist. Es darf schon bei Eheleuten mit einiger Berechtigung nach der Sinnhaftigkeit von Stiefkinderadoptionen gefragt werden. Dies muss erst recht für eingetragene Lebenspartnerschaften gelten, die erst seit gut zwei Jahren rechtliche Geltung haben. Bevor das Schicksal von Kindern mit ihnen verknüpft ist, ist es erforderlich, nähere Erkenntnisse über Bestand und tatsächliche Erscheinungsform von Lebenspartnerschaften zu erlangen. Entsprechend ist dieser Vorschlag in der Justizministerkonferenz gescheitert.
Ich kann mir aber auch sinnvolle Anpassungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes in folgenden Bereichen denken: Lebenspartnerschaften sollten künftig bundesweit vor Standesbeamten begründet werden. Damit wird die herabwürdigende Verweisung an andere Stellen wie in anderen Bundesländern beseitigt.
Nach geltendem Recht hindert eine bestehende Ehe zwar im Moment eine Begründung einer Lebenspartnerschaft, sie ist ein so genanntes Ehehindernis. Umgekehrt gilt dieses aber nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber mit der Schließung dieser Regelungslücke beauftragt. Künftig soll eine bestehende Lebenspartnerschaft, ebenso wie schon eine bestehende Ehe, die Eingehung einer neuen Ehe ausschließen.
Lebenspartnerschaften sollten auch im Sozialhilferecht anders behandelt werden als zurzeit. Bei Ehegatten kann eine Einkommensanrechnung den Sozialhilfeanspruch kürzen, während dies bei Lebenspartnern zurzeit nicht der Fall ist. Damit verstößt das Sozialhilferecht gegen das Benachteiligungsverbot. Diese ungerechtfertigte Besserstellung der Lebenspartnerschaften muss wiederum auch beseitigt werden. Zudem werden Einsparungen im Sozialhilfeetat erreicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Erb- und Pflichtteilsrecht für Lebenspartnerschaften anerkannt. Deshalb ist bei Lebenspartnerschaften ebenso wie bei Ehen zu erwägen, den erbschaftsteuerlichen Zugriff so zu beschränken, dass die Erbschaft noch Ergebnis der ehelichen beziehungsweise lebenspartnerschaftlichen Erwerbsgemeinschaft bleibt. Gegenwärtig werden erbende Lebenspartner wie völlig fremde Erben besteuert. Diese Diskriminierung sollte durch eine Besserstellung bei den Freibeträgen und Steuersätzen beseitigt werden.