Protocol of the Session on October 29, 2003

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und vereinzelt bei der CDU)

Einen Ermessensspielraum für die Verwaltung sieht das Ausländerrecht hier nicht vor; das gilt für Erwachsene genauso wie für Jugendliche. Das Visumsverfahren hat gerade den Zweck, zu verhindern, dass jemand einreist und somit Fakten schafft und sich einen Aufenthaltstitel erschleicht. Das Verwaltungsgericht Hamburg und das Hanseatische Oberverwaltungsgericht haben der Ausländerbehörde die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung bestätigt. Ein Rechtsbruch mit präjudizierender Wirkung ist in Hamburg nicht erwünscht.

Erst jüngst hat die rotgrüne Bundesregierung verlautbaren lassen – ich zitiere –,

"... dass allein aufgrund der Minderjährigkeit weder ein Anspruch auf Einreise noch auf Aufenthalt besteht."

(Dr. Michael Freytag CDU: Hört, hört!)

Nachzulesen in Anlage 23 des Protokolls über die Sitzung des Deutschen Bundestags vom 2. Juli 2003.

Der Eingabenausschuss hat in seiner vorletzten Sitzung die Eingabe für "nicht abhilfefähig" erklärt, weil sie aus rechtlichen Gründen einfach nicht abhilfefähig ist. Gleichwohl hat er beschlossen, den Senat um Prüfung zu bitten, ob nach der vorgeschriebenen Ausreise der beiden Mädchen nicht doch eine so genannte Vorabzustimmung zur Visumserteilung möglich ist. Ob sich der Senat den Versagungsgründen der deutschen Botschaft in Ghana wird anschließen müssen oder nicht, mag die Prüfung ergeben. Wie auch immer sich der Senat zu entscheiden hat, ich bin mir sicher, dass er alle Aspekte des Falles gewissenhaft abwägen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Jetzt hat Frau Möller das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin doch sehr froh, dass Herr Schenk die Situation in dieser Stadt wieder ins "rechte" Licht gerückt hat.

(Beifall bei Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Nachdem wir Herrn Ploog gehört haben, mag man ja die Beweggründe der CDU verstehen, aber ich möchte ein paar Zahlen nennen, zu dem, was in dieser Stadt seit zwei Jahren passiert. Es gibt eine Zielzahl für Abschiebungen, 500 im Monat sollen es einmal werden. Das wird leider nicht erreicht, weil es gar nicht mehr so viele aus

reisepflichtige Personen in dieser Stadt gibt; irgendwie schade.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Fliegen Sie doch mit!)

Ärztliche Atteste werden ignoriert, Amtsärztinnen werden gar nicht mehr aufgesucht. Man geht zum Alltag über und schickt Diabeteskranke, Epileptikerinnen und Epileptiker, psychisch kranke Personen

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Ja, ja, Geschwafel, Geschwafel!)

mit einer Monatspackung ihrer Medikamente zurück in das Heimatland. Gratis dazu gibt es im Übrigen – das mag Sie vielleicht etwas beruhigen – die Information, dass im Prinzip eine Behandlung im Heimatland schon möglich sein werde.

Rückübernahmeerklärungen, die von der Ausländerbehörde eingeholt werden müssen, legen diese dann für eine Person vor. Sie werden dazu benutzt, um die ganze Familie entweder zu trennen oder doch ganz schnell abzuschieben. Rückübernahmeerklärungen sind ein beliebtes Instrument für die Familientrennung geworden und es interessiert niemanden, und vor allem interessiert es niemanden von der Koalition im Eingabenausschuss, wo diese Familie dann bleibt und was aus ihr wird.

Herr Ploog, ich möchte noch einmal auf Ihre Ausführungen kommen. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sagen, es liege am Bund. Sie wissen genauso gut wie wir alle hier, dass es einen Ermessensspielraum der Ausländerbehörde gibt, und wenn Sie berechenbar und mit Herz und Augenmaß im Eingabenausschuss Politik machen wollen, dann sollten Sie die Behörde genau an diesem Punkt fordern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir rufen mit unseren Entscheidungen niemanden und schon gar nicht den Senat oder die Ausländerbehörde zu verfassungswidrigem Handeln auf. Wir rufen dazu auf und nehmen uns das Recht zu sagen, es gibt einen Ermessensspielraum und den wollen wir definieren und das ist auch unsere Aufgabe. Wenn wir hier darüber reden, dass Menschlichkeit statt Aktenlage gelten soll, dann muss man auch an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen, dass ein Großteil der Abgeordneten im Eingabenausschuss noch nicht einmal die Akten kennt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Zu den Details wollen Sie dann ganz süffisant in diesem Fall doch nichts sagen

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Dürfen!)

und das ist genau das Problem. Man muss sich auf die Einzelfälle einlassen, Herr Müller-Sönksen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ein wenig Re- spekt vor der Privatsphäre! Datenschutz!)

Nehmen wir einmal ein anderes Beispiel. Sie schieben ja nicht nur nach Ghana ab, Sie schieben auch nach Nigeria ab. Und wenn Sie den letzten Bericht des Auswärtigen Amts zur Situation in Nigeria gelesen haben sollten – wir haben ihn im Eingabenausschuss zur Verfügung gestellt bekommen, er ist ungefähr 25 Seiten lang –, dann gibt es einen einzigen Satz zu Jugendlichen und was diese erwartet, wenn sie in ihr Heimatland abgeschoben werden. Es gibt in ganz Nigeria keine Aufnahmemöglichkeiten für

Jugendliche, die aus dem Ausland zurückgeführt werden. Wir haben in der letzten Sitzung mit großer Mehrheit, um das einmal ganz deutlich zu sagen, nur gegen die Stimmen der GAL einen siebzehnjährigen Nigerianer zurückgeschickt. Das verstehen Sie unter Menschlichkeit und Augenmaß und Herz.

(Beifall bei der GAL und bei Luisa Fiedler SPD)

Das ist im Grunde genommen etwas, wo man gar nicht klatschen darf. Aber vielleicht muss man das in dieser Härte noch einmal sagen.

Sie sehen die Ausländerpolitik als ein Instrument, um möglichst starken Druck auf möglichst viele Menschen in dieser Stadt auszuüben. Und wenn man dann noch die Medien nimmt – in der "Bild-Zeitung konnte man lesen, dass es 13 000 Illegale in dieser Stadt gibt –, dann findet man niemanden...

(Jens Pramann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Nicht Illegale, Ausreisepflichtige!)

Illegale war die Überschrift, aber es ist schön, dass Sie den Unterschied kennen, das beruhigt mich sehr. Dann sollten Sie das aber vielleicht auch laut sagen. Sie lassen doch hier eine Stimmung zu, die Geduldete zu Illegalen macht.

(Rolf Gerhard Rutter Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das machen die Gesetze!)

Das ist eine fatale Fahrlässigkeit Ihrer Politik.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Im Fall der ghanaischen Mädchen wäre es im Ermessen der Ausländerbehörde gewesen, eine Vorabzustimmung gegenüber der Botschaft zu formulieren, den Mädchen die Duldung bis zu den Sommerferien zu verlängern und dann in einem geordneten Verfahren den Visaverstoß, der tatsächlich nur durch Ausreise geheilt werden kann, zu heilen, wie es so schön heißt. Dann hätte es kein Auseinanderreißen der Familie gegeben und dann hätten wir nicht diese unsägliche Diskussion

(Horst Zwengel Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Hätte, hätte, hätte!)

an dieser Stelle. – Vielen Dank.

(Beifall der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Schrader, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer hätte gedacht, dass ich einmal Frau Möller wegen ihres Schlusssatzes für die Sachlichkeit gegenüber einem SPD-Kollegen loben muss. In der Tat hat Frau Möller Recht. Es gibt keine Möglichkeit, bei einem Visumsverstoß ohne Ausreise einen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland zu bekommen. Und es wäre verlogen und würde der Familie unberechtigt falsche Hoffnungen machen, hätte der Eingabenausschuss an dieser Stelle den Anschein erweckt, dass es eine solche Möglichkeit gäbe, und dies haben wir im Eingabenausschuss auch nicht mitmachen wollen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Aber eines muss man an dieser Stelle auch ganz klar sagen. Der Eingabenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft hat sich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ganz eindeutig dafür ausgesprochen, den beiden minderjährigen Schwestern, wie Frau Möller es aufgezeigt hat, im Wege der Vorabzustimmung einen dauerhaften Aufenthalt nach entsprechender Ausreise und ganz kurzzeitiger Befristung der Wiedereinreisesperre zu ermöglichen. Das ist Wille der Koalitionsfraktionen und das kann man hier auch nicht durch diese überflüssige Debatte verwässern.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Antje Möller GAL: Dann hätten Sie es doch entscheiden können!)

Wie schon gesagt, die Rechtslage lässt nicht mehr zu.

(Jens Kerstan GAL: Das ist doch überhaupt nicht wahr!)

Es wird den beiden Schwestern nicht erspart bleiben können, an einer deutschen Botschaft im Ausland, die dafür zuständig ist, ein Visum zu beantragen. Wir haben den Senat aufgefordert, dafür zu sorgen, dass im Wege der Vorabzustimmung die Sicherheit besteht, dass baldmöglichst die Wiedereinreise erfolgt. Ich gehe davon aus, dass die Innenbehörde dies im Sinne des Willens des Eingabenausschusses auch so prüfen wird.

Im Übrigen muss auch einmal erwähnt werden, dass es die FDP war, die bereits zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht hat,