Protocol of the Session on September 24, 2003

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Um auch dieses kleine Missverständnis aufzuräumen, am Freitag wird dieser Senat für die Freie und Hansestadt Hamburg im Bundesrat die Zustimmung der dortigen Initiative erklären und sich nicht etwa enthalten, denn es geht nicht um eine Ausweitung der gesetzlichen Regelung, sondern nur um ein Anwendungsmerkmal, das erweitert werden soll. Hier wird der Senat zustimmen.

Es ist auch nicht dasselbe – um die andere Seite dieser Diskussion zu beleuchten –, ob wir über Fingerabdrücke oder über eine DNA-Analyse reden. Ein Fingerabdruck hat erheblich weniger Merkmale, die gespeichert werden können. Aus diesem Grund ist es mit zu Recht niedrigen Schwellen versehen, einen Fingerabdruck zu hinterlegen, zu Recht mit hohen Schwellen versehen, DNA-Analysen, die ein Auskunftsprofil in ganzer Bandbreite über einen Menschen geben, zu speichern. Dass hier die gesetzliche Regelung restriktiv ist, ist richtig und nach unserer Meinung soll und wird es auch so bleiben, meine Damen und Herren.

Eine Ausweitung ist schon deswegen nicht sinnvoll, weil jede Ausweitung des Datenbestandes nur wieder dazu führen würde, dass eben keine Bearbeitungsmöglichkeit besteht, dass eben nicht zügig geklärt werden kann, ob eine DNA-Spur mit einer im Archiv hinterlegten übereinstimmt. Hier gibt es gewichtige Stimmen aus der Polizei, der Menschen, die damit arbeiten müssen, die davor warnen, zu breit gefächerte Datenbanken anzulegen, weil dann eben nicht mehr einfach und schnell geklärt werden kann, ob eine Spur bereits einmal aufgetaucht ist oder auch nicht.

Ich begrüße sehr, dass Herr Bauer von der Fraktion Rechtsstaatlicher Offensive hier heute erklärt hat, dass es keine Absicht ist, solche Analysen auf niedrigschwelligere Delikte auszudehnen. Das klang in der Vergangenheit anders. Wenn das die Quintessenz dieser Debatte ist, dann ist es schon ein großer Fortschritt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Meine Damen und Herren! Dieser Senat und die ihn tragenden Parteien werden weiter unter der Prämisse arbeiten, dass das Thema Innere Sicherheit vorderrangig kein Thema für schärfere Gesetze ist, sondern ein Thema, das man durch Arbeit vor Ort in den Polizeirevieren unterstützen muss, ein Thema ist, das man durch mehr Kräfte im Polizeivollzugsdienst unterstützen muss, das man notfalls auch mit geschlossener Unterbringung für jugendliche Straftäter unterstützen muss, im Einzelfall gewiss auch auf bestehender gesetzlicher Grundlage eine DNA-Analyse bei straffälligen Mädchen vornehmen muss. Das ist alles richtig, aber hier werden wir weiterarbeiten. Schärfere Gesetze will die FDP nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Herr Schenk hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine der bedeutendsten kriminalistischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts war die Daktyloskopie, das Fingerabdruckverfahren. Kein Mensch könnte sich heute vorstellen, dass irgendeine Ermittlungsbehörde der Welt bewusst und gewollt auf dieses Instrumentarium verzichten würde.

Eine der bedeutendsten und wichtigsten kriminalistischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts ist die DNA-Analyse, also – kurz gesagt – die Möglichkeit, genetische Spuren des Täters mit genetischen Spuren Verdächtiger zu vergleichen.

Für den repressiven Bereich hat der Gesetzgeber reagiert. DNA-Analysen dürfen nahezu uneingeschränkt bei allen Spuren durchgeführt und sie dürfen mit dem DNAMaterial eines Beschuldigten verglichen werden. Das Vorliegen einer bestimmten Schwere oder eines bestimmten Delikts ist nicht erforderlich. Diese Maßnahme kann vielmehr nach einem Verbrechen genauso durchgeführt werden wie nach einer Sachbeschädigung.

Im präventiven Bereich haben wir diesen Fortschritt noch lange nicht erreicht. Das Einstellen genetischen Materials eines Beschuldigten in die DNA-Datei ist nur zulässig bei Verbrechen und bei bestimmten Vergehen wie beispielsweise Erpressung oder gefährlicher Körperverletzung.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Dann muss Schill das ja abgeben!)

Diesen Luxus werden wir uns nicht mehr lange leisten können. Die Bevölkerung erwartet von der Politik zu Recht, dass sie den Ermittlungsbehörden adäquate Instrumente an die Hand gibt, mit denen sie Straftaten aufklären können. Die Bevölkerung hat – wiederum zu Recht – kein Verständnis dafür, dass erhebliche Hürden für Maßnahmen aufgestellt werden, die vergleichsweise

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geringer Intensität sind, deren Eingriffsintensität nicht über der einer Fotografie liegt.

(Dr. Willfried Maier GAL: Nur nicht so informations- reich!)

Dies gilt umso mehr, als dass bereits eine Reihe erheblicher Taten nur aufgrund des DNA-Materials von Beschuldigten in völlig anderen Verfahren aufgeklärt worden sind. Und dies gilt umso mehr, als dass ein unglaubliches Potenzial an Aufklärungsmöglichkeiten in künftigen Verfahren liegt.

Mit der Maßnahme der präventiven Einstellung in die DNA-Datei ist nichts Definitives verbunden. Sollte sich der Tatverdacht nicht erhärten oder wird jemand wegen eines Delikts freigesprochen, wird das zu präventiven Zwecken gespeicherte DNA-Datenmaterial selbstverständlich wieder gelöscht. So ist es bereits heute bei erkennungsdienstlichem Material – beispielsweise Porträtfotos oder Fingerabdrücken – üblich.

Früher oder später wird die deutsche Politik nicht umhinkommen, die Speichelprobe und damit die DNA-Analyse ähnlich der Abnahme von Fingerabdrücken und der Fertigung von Lichtbildern als Standardmaßnahme zu etablieren.

Voraussetzung für erkennungsdienstliche Maßnahmen, wie die Abnahme von Fingerabdrücken oder das Fertigen von Lichtbildern, ist das Erstellen einer individuellen kriminalistischen Negativprognose durch die Kriminalpolizei. Nichts anderes sollte erforderlich sein, um eine Speichelprobe im Rahmen einer solchen Identitätsbehandlung gleich mit anzuordnen.

Eine DNA-Analyse wäre also auch beim Herabsetzen der Eingriffsschwelle beim einmaligen oder auch mehrfachen Schwarzfahren überhaupt nicht möglich. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grunde eine niedrigschwellige Maßnahme wie eine Speichelprobe einen Richtervorbehalt vorsieht. Die Abnahme eines Porträtfotos weist mindestens eine gleiche Intensität auf und ist, wie geschildert, vernünftigerweise auch ohne Richtervorbehalt zulässig.

Als Landespolitik haben wir in dieser Frage nicht wesentlich mitzuentscheiden. Ich bin mir allerdings sicher, dass die bestehende gesetzliche Regelung innerhalb der nächsten zehn Jahre ausgeweitet werden wird und dass es hierzu überhaupt keine Alternative gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem ersten Thema? – Die sehe ich nicht. Dann rufe ich jetzt das zweite Thema auf. Von der SPD-Fraktion wurde angemeldet

Chronik des Versagens – zwei Jahre Rechtssenat in Hamburg

Wer wünscht das Wort? – Herr Zuckerer, bitte, Sie haben es.

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Genauso kurz wie Herr Neumann, bitte!)

Meine Damen und Herren! Wir freuen uns immer, wenn die Regierungskoalition die Op

positionsarbeit bewertet. Es war aber nicht unser Anliegen, Ihre internen Meinungsverschiedenheiten kennen zu lernen und ein Thema, das die FDP verzweifelt gesucht hat, damit sie überhaupt irgendwo zeigt, dass sie liberal stattfindet, auszuweiten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir haben Ihre kenntnisreichen Vorträge gerne zur Kenntnis genommen. Das eigentliche Thema des heutigen Tages ist aber die Halb- oder Zweijahresbilanz dieses Senats. Irgendwie wollen Sie nicht so recht dazu kommen. Das verwundert uns nun wiederum nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann kommen wir zu Ihrer Halbjahresbilanz und damit zu den Realitäten der Stadt und nicht zu 22 Seiten Papier, die Sie uns vorgelegt haben. Das Leitbild des Senats ist die Metropole Hamburg als wachsende Stadt und die Metropole Hamburg als wachsende Stadt kann an der Realität der Freien und Hansestadt Hamburg überprüft werden. Was ist nun die Realität unserer Stadt? Die Arbeitslosigkeit wächst und in Hamburg wächst sie stärker als im Bundesgebiet. 18 000 Arbeitslose sind hinzugekommen und die Realität ist: Wir liegen auf dem letzten Platz. Die Realität ist außerdem, dass mindestens 3500 Schulabgänger in Hamburg aktuell ohne Lehrstelle sind. Allein im vergangenen Jahr wurden in Hamburg 15 Prozent der Ausbildungsplätze abgebaut. Das bedeutet, wir sind das Schlusslicht in Deutschland.

(Manfred Silberbach Partei Rechtsstaatlicher Of- fensive: Bei der Schulpolitik, die Sie geleistet ha- ben!)

Die Realität ist, dass in Hamburg Kindertagesheimplätze fehlen, mindestens 4000 berufstätige Eltern vor dem Nichts stehen und weitere 10 500 Kinder im Januar ihren Platz verlieren werden. Das bedeutet, Hamburg mag irgendwo wachsen, aber eine wachsende Stadt für Familien ist das ganz sicher nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Realität unseres Bildungssystems ist auch eine andere als die, die Sie immer darstellen. Kaum jemand in dieser Stadt glaubt, dass die Chancen für Kinder und Jugendliche an unseren Schulen jetzt besser sind als vor Ihrem Regierungsantritt.

Die Realität in dieser Stadt ist auch: Hamburg ist schön und international, Hamburg hat eine Hochglanzseite. Die mögen wir alle, aber die Stadtteile driften weit auseinander, die Lebensqualität in unseren Stadtteilen ist nicht gewachsen, sondern eher gesunken.

(Wolfgang Drews CDU: Was sagt Schröder denn dazu?)

Die Realität in dieser Stadt ist auch, dass Sie irgendetwas vergessen. Gab es da nicht einen kleinen Skandal um eine Kriminalitätsstatistik? Was ist nun eigentlich? Bewegen wir uns wieder auf die Hauptstadt des Verbrechens zu oder sind wir im Auf und Ab oder wo sind wir eigentlich? Das ist die Realität, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Mein Fazit. Was in dieser Stadt wächst, sind die Probleme und eine Besserung ist nicht in Sicht. Diese Stadt wächst nicht zusammen, in dieser Stadt wachsen die Gegensätze.