Protocol of the Session on September 24, 2003

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass die Erfassung des genetischen Materials einen erheblichen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung beinhaltet, der nur bei schweren Straftaten und ungünstiger Sozialprognose gerechtfertigt ist und der nur vom Richter angeordnet werden darf. Genau hierum geht es – das wurde auch mehrfach genannt –, um die Abschaffung des Richtervorbehaltes, die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse.

Meine Damen und Herren! Diese Forderung verstößt in so eindeutiger Weise gegen die Verfassungsrechtssprechung, dass sich die Schill-Partei tatsächlich fragen lassen muss, wie oft sie sich außerhalb des rechtsstaatlichen Konsenses in dieser Republik stellen will und warum die CDU ihr dabei folgen will.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Kruse CDU: Reine Übertreibung!)

Wir Grüne halten die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur DNA-Analyse für ausreichend.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensi- ve: Wie überraschend!)

Das heißt, bei erheblichen Straftaten, insbesondere bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wird bei gleichzeitiger negativer Sozialprognose Genmaterial entnommen und zentral gespeichert. Dabei steht außer Frage, dass zahlreiche Straftaten dadurch aufgeklärt wer

den konnten und auch in Zukunft werden können und dass dies zu begrüßen ist.

Die derzeitige Debatte von der Schill-Partei halten wir jedoch aus mehreren Gründen für verkehrt, abgesehen von der bereits festgestellten Verfassungswidrigkeit der Vorschläge.

Erstens werden aus meiner Sicht überzogene Erwartungen an das Instrument der DNA-Analyse geweckt. Das sagt sogar die Gewerkschaft der Polizei. Sicherlich ist die DNA-Analyse ein nützliches Instrument, wenn man bei schweren Gewalttaten genetisches Material am Tatort feststellt, aber eben keine Wunderwaffe im polizeilichen Alltag. Ich halte es auch für politische Schaumschlägerei, wenn dem neuen Innensenator im Zusammenhang mit Mädchenkriminalität nichts anderes einfällt, als hier die DNA-Analyse zu fordern. Herr Nockemann, die verdächtigten Mädchen waren stadtteilbekannt, sowohl den Opfern als auch allen anderen. Der ganze Stadtteil wusste, wer diese Mädchen waren. Welche zusätzliche Erkenntnis erhoffen Sie sich denn hier von einem DNA-Test?

(Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Kruse CDU: Aber was schadet es?)

Diese Forderung ist sachlich schlicht ungeeignet zur Kriminalprävention und hat ungefähr das Niveau, als würden Sie Hubschraubereinsätze für Anlagebetrüger fordern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ist schlicht populistisch und der Bürgermeister sieht dabei einmal wieder regungslos zu.

Kommen wir zu den Kosten. Anders als beim Fingerabdruck entstehen erhebliche Kosten für die DNA-Analyse. Man muss sich fragen, ob in Zeiten knapper Kassen derartige Kosten tatsächlich im Verhältnis zum fraglichen zusätzlichen Nutzen stehen.

(Manfred Silberbach SPD: An die Opfer denken Sie nicht, oder?)

Es ist nicht nachvollziehbar, dass mehr Daten auch mehr Sicherheit bedeuten, denn die Grundannahme, von der Sie ausgehen, ist alles andere als gesichert, nämlich die Annahme, dass Schwarzfahrer häufiger dazu neigen könnten, in Zukunft schwere Straftaten zu begehen. Das ist statistisch nicht belegt.

Ich komme zum Schluss. Es gilt, alle Bedenken, die ich genannt habe, zu berücksichtigen. Deswegen müssen wir auch auf Bundesebene neue rechtliche Instrumente schaffen, die klarstellen. Es wäre erfreulich, wenn sich dieser Senat einigen könnte und wir in Zukunft auch die Position des Senats hören könnten und nicht nur über Enthaltung reden müssen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Senator Dr. Kusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die zeitnahe und konsequente Erfassung und Weitergabe der genetischen Fingerabdrücke an die zentrale Gen-Datei des Bundeskriminalamtes wird sichergestellt. Das steht in unserer Koalitionsvereinbarung. Der Hintergrund dieser Festlegung der Koalitionsvereinbarung war folgender:

Am 2. November 2001 – ich wundere mich auch, dass es nicht der 1. November ist, aber ich kann Ihnen nur den 2. November bieten – hatte Hamburg 1378 DNA-Personenidentifizierungsmuster an Wiesbaden gemeldet. Zum damaligen Zeitpunkt – nur, damit Sie mal einen Größenvergleich haben – hatte Bayern über 32 000 Identifizierungsmuster gemeldet. Hamburg war unter dem rotgrünen Senat bei dieser Tätigkeit nach absoluten Zahlen auf Platz 14 – bundesweit.

(Dr. Willfried Maier GAL: Wir sind ja auch das drittkleinste Land! – Uwe Grund SPD: Bayern ist auch ein bisschen größer!)

Die Statistik vom 31. August 2003 bedeutet, dass Hamburg 5643 Personenidentifizierungsmuster nach Wiesbaden gemeldet hat und damit mittlerweile auf Platz 8 in der absoluten Bundesstatistik ist. Während sich die insgesamt von allen Bundesländern nach Wiesbaden in den letzten eindreiviertel Jahren gemeldeten Identifizierungsmuster nur verdoppelt haben, haben sich die Hamburger Zahlen in der Zeit dieses Senats vervierfacht. Soviel zu den Erfolgen unseres Senats auf dem Sektor der DNAIdentifizierungsmuster.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wir haben in diesen eindreiviertel Jahren einen unerträglichen, katastrophalen Zustand nicht nur in ein normales, noch nicht einmal Mittelmaß gebracht, sondern überproportional aufgearbeitet und sind mittlerweile, was die absoluten Zahlen angeht, besser als viele andere Bundesländer. Ich verweise auf Berlin. Immerhin mit doppelter Einwohnerzahl hat Berlin nur 5219 Muster gemeldet, das heißt, in absoluten Zahlen weniger als Hamburg. Stichtag 31. August 2003.

Nun gibt es bei dem von der FDP angemeldeten Thema noch eine zweite Komponente, nämlich die rechtspolitische Möglichkeit, bei der Sie an den Wortbeiträgen gemerkt haben, dass innerhalb der drei Parteien, die den Senat tragen, und der drei Fraktionen keine völlige politische Einmütigkeit herrscht.

Meine Damen und Herren! Wir haben zurzeit in den Medien vielfach die Analyse der Halbzeitbilanz des Senats. Ich glaube, es wäre ganz interessant, sich auch einmal eine Halbzeitbilanz der Oppositionsarbeit vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Bernd Reinert CDU: Bloß nicht! – Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Da kann man nichts bilanzieren!)

Die Frage, wie wir mit der DNA-Analyse umgehen, ist in der Tat rechtspolitisch schwierig, auch innerhalb der CDU. Ich glaube, innerhalb aller Parteien gibt es auch schwierige Auseinandersetzungen, weil die Abwägungen nicht leicht zu treffen sind. Bei einem derart schwierigen rechtspolitischen Thema darf der arme rechtspolitische Sprecher der SPD noch nicht einmal das Wort ergreifen und der anerkannte Strafprozessexperte Neumann sagt, es gibt nichts zu sagen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Bei dieser Art der Oppositionsarbeit bleibt es den Regierungsfraktionen gar nicht erspart, dass sie die Meinungsvielfalt selber produzieren. – Vielen Dank.

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(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat jetzt Herr Schrader.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Dr. Kusch, es ist natürlich auch schwierig, wenn eine Partei wie die SPD nach wie vor gerne ihren Wählern vorgaukelt, sich für das Thema Innere Sicherheit seit der Wahl besonders zu interessieren und dann eben doch die internen Spannungen überbrücken muss.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hat sie nicht!)

Dass die nichts zu sagen haben, war mir klar bei diesem Thema, dass es so deutlich würde, hätte ich allerdings nicht gedacht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

In der Tat, meine Damen und Herren, gibt es eine Spannweite der Meinungen zu diesem Thema innerhalb der Koalitionen. Ich finde das weder außergewöhnlich noch versteckenswert. Die FDP hat nichts gegen DNAAnalysen auf der jetzigen gesetzlichen Grundlage. Im Gegenteil. Vollkommen richtig wurde hier schon gesagt, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, die bestehende gesetzliche Regelung endlich konsequent anzuwenden und sie auch umzusetzen. Das ist dem Senat bislang gelungen und das begrüßt die FDP ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)