Herr Dr. Maier, darf ich Sie kurz unterbrechen. Meine Damen und Herren! Hier werden sehr viele Gespräche im Raum geführt. Das ist aber nicht hilfreich für unseren Debattenverlauf. Ich bitte, die Gespräche draußen zu führen, dem Redner zuzuhören und, Herr Dr. Maier, Sie haben jetzt wieder das Wort.
Sie teilen uns mit, dass der um die Ausgliederung bereinigte Stellenbestand in den Jahren von 1997 bis 2001 um 6,5 Prozent zurückgegangen ist. Ihre Planungen für die Jahre 2001 bis 2004 sehen noch einen Rückgang von 1 Prozent vor. 6,5 Prozent Konsolidierung im Personalbestand in der rotgrünen Legislaturperiode, 1 Prozent bei Ihnen. Das heißt, Sie haben praktisch die Konsolidierung im Personalbestand gestoppt. Sie haben einfach zusätzlich Leute eingestellt und verkaufen uns das hier als Sparpolitik. Das ist für mich ein schwer vorstellbarer Vorgang. Ich finde, man muss auch einmal darüber nachdenken. Journalisten reden gerne über investigativen Journalismus. Man darf insbesondere Finanzsenatoren nie glauben, was sie sagen.
Man muss immer nachrechnen, was sie aufgeschrieben haben und was in den Tabellen auch wirklich drin steht. Das würde ich auch den Abgeordneten der Regierung empfehlen, sich wirklich einmal die Zahlen anzuschauen. Dann kommt nämlich heraus, dass weder im Personalbereich weiter gespart worden ist noch dass die Betriebsausgaben gegenüber unseren Planungen zurückgenommen worden sind, sondern sie sind gesteigert worden. Das, finde ich, ist ein ziemlich verrücktes Ergebnis für einen Senat, der angetreten ist, um zu sagen, wir machen hier einen beispiellosen Konsolidierungskurs, bei dem mehr gespart wird als vorher vorgesehen war.
Das Problem, vor dem wir gegenwärtig stehen – und das dramatisiert auch die Frage der Vermögensverkäufe –, ist, dass allein, um den Betriebshaushalt des Jahres 2003 und 2004 nach den Planungen des Senats ausgeglichen gestalten zu können, in der Größenordnung von 800 Millionen Euro noch mal Vermögen verkauft werden muss. Nur für den Betriebshaushalt, nicht für die zusätzlich vorgesehene Senkung der Kreditaufnahme.
Das ist eine Situation, wo jetzt schon klar ist, wie der Finanzierungsbedarf ist, aber noch nichts geklärt ist, was verkauft werden soll. Bei uns war es so, dass wir vorher verkauft hatten, bevor es so evident war. Noch für 2004 muss in der Größenordnung von fast 500 Millionen Euro verkauft werden, damit der Haushalt gedeckt werden kann. Da wünsche ich schöne Verhandlungen mit den Betreibern von LBKs und Wasserwerken und so weiter, die gegenwärtig auf die Stadt zukommen und genau wissen, wie die Situation der Stadt ist, nämlich so klamm, dass sie kaum mehr zahlen kann.
Ich erinnere mich noch an manche Rede des Kollegen Freytag, der die galoppierende Verschuldung der Stadt charakterisiert und gesagt hat, das sei klassisch sozialdemokratisch.
Wenn man die vier Jahre von 1997 bis 2000 nimmt, so ist die jährliche Verschuldung der Stadt nach ausgewiesenem konsolidierten Schuldenstand einschließlich der Wohnungsbaukreditanstalt in diesen vier Jahren durchschnittlich um 608 Millionen Euro per anno gestiegen. In den Jahren von 2001 bis 2004 – Ihre Planungen und faktischen Ergebnisse zusammengenommen – steigt die jährliche Verschuldung um 696 Millionen Euro, das heißt, bei uns im Durchschnitt um 608 Millionen Euro, bei Ihnen, nach den Planungen, die Sie jetzt vorgelegt und den Realitäten, die Sie schon gehabt haben, jährlich um 696 Millionen Euro, fast um ein Sechstel mehr. Und dann stellen Sie sich hier als Konsolidierer, sozusagen als Kreditabbauer hin.
(Manfred Silberbach SPD: Doch! – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Das ist doch genau, wie Sie rechnen!)
Sie wissen genauso gut wie wir, dass wir so gehandelt haben wie Sie, nämlich dass wir nur die Investitionen über Kredite finanziert haben. Den Betriebshaushalt haben wir nicht über Kredite finanziert, sondern wo wir ein Defizit hatten, haben wir es durch Verkäufe finanziert, gerade so, wie Sie es gegenwärtig machen.
Also, Sie verstehen davon wirklich nicht viel. Es ist tatsächlich so, dass Sie sich höher verschuldet haben, und zwar nur für Investitionen – das ist schon richtig –, aber der Schuldenstand ist unter Ihrer Ägide schneller gestiegen als in den vier Jahren davor.
Jetzt sagt der Senator, das liege alles am Bund, weil der Bund die falsche Wirtschaftspolitik mache. Gleichzeitig teilt er mit, dass die Steuerquote historisch so niedrig wie nie zuvor sei. Das heißt, da ist ein Ergebnis eingetreten, das FDP und CDU immer gefordert haben: Sehr niedrige Steuerquote. Dann heißt es jetzt: Aber die Abgaben sind so hoch. Die Abgabenquote liegt im Jahr 2003 bei 39 Prozent. 1997, vor dem Regierungswechsel, lag sie bei 40,4 Prozent. Jetzt liegt sie mit 39 Prozent wieder auf der Größenordnung, wo sie 1990 stand. Da stand sie bei 38,5 Prozent, also bevor die Vereinigungslasten darüber finanziert wurden. Das heißt, wir haben weder eine überdurchschnittlich hohe Abgabenquote im historischen Vergleich – man könnte vielleicht sagen, im internationalen Vergleich, aber nicht im historischen – und wir haben eine unterdurchschnittliche Steuerquote in der Republik.
Wenn jetzt gesagt wird, die Bundesregierung erzeugt aber Unsicherheit, dann muss man sagen, dass die Unsicherheit im Moment ausschließlich von der Opposition kommt. Denn das, was die Bundesregierung vorschlägt, Tarifabsenkungen zu machen, haben alle Steuerpolitiker der Republik immer gefordert, einschließlich der CDU, aber auch gleichzeitig gesagt, dass das nur finanzierbar ist, wenn man Ausnahmeregelungen, wie steuerliche Subventionen, beseitigt, zum Beispiel Eigenheimfinanzierung, Kilometerpauschale und so weiter, was alles Subventionen sind, die beseitigt werden müssen. Aber wer steht dagegen, wenn da nun wirklich rangegangen werden soll? Die CDU und die CSU mit ihrem bayerischen Wahlkampf. Das heißt, die Verunsicherung, die gegenwärtig in der Steuer- und Wirtschaftspolitik besteht, liegt daran, dass die Bundesratsmehrheit, die dazu nötig wäre, nicht steht, obwohl es in der Sache eine Position ist, die sehr weite Parallelen aufweist zwischen allen, die in den letzten Jahren steuerpolitisch vernünftig argumentiert haben. Das ist die Verrücktheit, dass die CDU ihre eigene Propagandapolitik an dieser Stelle nicht mitmacht, sondern sie verhindert sie und bringt dadurch die Bundesregierung rein taktisch in ein Problem, das nicht sein müsste.
Wie soll die Haushaltskrise gelöst werden? Der Senat selber hat darauf hingewiesen, dass er nicht weiß, was er mit dem 300-Millionen-Euro-Risiko der Steuerreform zu tun gedenkt. Der Bund soll gegenfinanzieren, aber was an konkreter Gegenfinanzierung sein soll, will er nicht mitmachen.
Dann sagt der Senat aber heute: Im Jahr 2006 kommen wir mit dem Haushalt zurecht, da gibt es erstmals den bereinigten Betriebshaushalt. Wenn Sie einmal in die Tabellen schauen, dann gibt es Wachstumsraten der Einnahmen, die zwischen 0 Prozent und 1,4 Prozent liegen, für alle Vorjahre bis etwa 2005. Im Jahr 2006 steigt die Einnahmenrate plötzlich um 7,2 Prozent bei den Betriebsausgaben und um 7 Prozent bei den Gesamtausgaben. Das heißt, es ist eine erträumte Einnahmensteigerung, die dann den Ausgleich bringen soll, denn woher plötzlich diese Steigerungsstufe kommen soll, ist schwer vorzustellen. Ich weiß zwar, dass das auf bundesweite Zahlen zurückgeht, aber das sind trotzdem
Zahlen, auf die in diesem Punkt im Ernst kein Verlass ist. Das sind völlig erträumte Größenordnungen.
(Manfred Silberbach Partei Rechtsstaatlicher Of- fensive: Sie glauben der Steuerschätzung auch nicht, oder?)
Ich glaube, dass Steuerschätzungen über solche Zeiträume völlig leere Veranstaltungen sind und dass sich darin später Wunschzahlen niederschlagen. Woher will jemand heute wissen, wie im Jahre 2006 das Steueraufkommen ist? Hätten Sie im Jahr 2000 gewusst, wie das Steueraufkommen in 2003 sein wird? Darüber hat niemand klare Vorstellungen gehabt.
Meine letzte Bemerkung. Schon im letzten Jahr ist verkündet worden, der Schwerpunktbereich des Haushalts sei neben der Inneren Sicherheit und Verkehr die Bildung. Wenn man sich die Steigerungsraten der einzelnen Etats ansieht, stellt man fest, dass der Bildungshaushalt wiederum unterdurchschnittlich steigt. Der Haushalt der BBS steigt niedriger als die Gesamtsteigerung mit 0,6 Prozent, die durch Überrollung und sonstige Ergebnisse entsteht. Sie steigt um ein Fünftel weniger, was bei diesen kleinen Zahlen immerhin etwas ausmacht, nämlich 0,48 Prozent. Der Bildungshaushalt wird gegenüber den anderen Haushalten wiederum ein Stück heruntergefahren. Die Gewinner sind dieses Mal – wie immer – die Innenbehörde, die Justizbehörde und in diesem Fall auch die Wirtschaftsbehörde.
Das heißt, denen, die Sie für Ihr Schwerpunktgebiet erklären, geben Sie weniger Geld. Wenn man sich es genau anschaut, dann kann man sogar in etwa errechnen, wie viel weniger Lehrerstellen Sie finanzieren, als wir 2001 schon gemacht haben. Das bewegt sich dem Volumen nach, wenn man die Gesamtzahlen nimmt, in der Größenordnung von etwa 270 Stellen bei einer wachsenden Kinderzahl von etwa plus 3000 Kindern. Das soll eine Schwerpunktbildung im Haushalt sein? Das ist meiner Wahrnehmung nach Betrug an der Bevölkerung.
(Beifall bei der GAL und der SPD – Wolfgang Drews CDU: Mit dem Wort Betrug sollten Sie vor- sichtig sein im Zusammenhang mit Lehrerstellen!)
Warum soll ich mit dem Wort Betrug vorsichtig sein, wenn Sie sagen, Bildung sei ein Schwerpunkt, und ich erkläre, Sie finanzieren Ihren Schwerpunkt weniger als den Haushalsdurchschnitt?
Es ist ein völlig leeres Gequäle. Um das noch einmal klar zu machen: Im Jahre 2001 wurden laut Finanzbericht – die Zahlen stehen am Ende des Berichts auf den Querschnittsseiten – für Personal an allgemein bildenden und beruflichen Schulen – ohne Versorgungslasten – 843 Millionen Euro ausgegeben. Für das Jahr 2004 sind 841 Millionen Euro geplant, in nominalen Zahlen 2 Millionen Euro weniger. In der Zwischenzeit hat es aber
in der Größenordnung von 5,5 Prozent Gehaltserhöhungen gegeben. Das heißt also, es können entsprechend weniger Lehrer finanziert werden. Selbst wenn Sie die größere Unterrichtsbelastung der Lehrer durch die Arbeitszeitverlängerung dagegenrechnen, kommen Sie darauf, dass Sie mit dem Geld im Durchschnitt etwa 270 Lehrerstellen weniger finanzieren können, als im Jahre 2001 laut Ihren Unterlagen im Haushalt finanziert waren.
Ich kann doch nichts daran ändern, dass Herr Peiner diese Zahlen in seinen Haushalt schreibt. Da können Sie sich doch mir gegenüber nicht erregen.
Das sind keine Zahlen, die ich erfinde. Ich kann nur mit dem Zahlenmaterial umgehen, das ich bekomme. Da sieht es schlicht so aus, dass es im Durchschnitt 270 Lehrerstellen sind. Ob das den Stellen nach so herauskommt – es sind ja nur grobe Ziffern –, weiß ich nicht ganz genau.
Aber in der Größenordnung muss es dem Geld nach bei 3000 mehr Kindern sein. Das ist Ihr Schwerpunkt, die Bildungspolitik, und das ist meiner Meinung nach eher Wählerbetrug.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen in Hamburg war eines der zentralen Anliegen der FDP im Wahlkampf. Dieses Anliegen hat auch seinen Niederschlag im Koalitionsvertrag gefunden.