Protocol of the Session on September 3, 2003

Nur, meine Damen und Herren, habe ich irgendwie den Eindruck, dass Sie hier mit viel Akribie und großen Worten, aber nicht so schrecklich vielen Inhalten von dieser Tatsache ablenken wollen, dass es draußen kalt geworden ist, und dass Sie die Leute immer auffordern zu demonstrieren, beginnend vom Hauptbahnhof gen Westen Richtung Rathausmarkt oder Finanzbehörde. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch falsch. Sie müssen die Leute in andere Richtungen schicken, nicht in westliche, sondern in östliche Richtung gen Berlin,

(Bernd Reinert CDU: Sehr richtig!)

mit einem Zwischenstopp in der Kurt-Schumacher-Allee. Dort sitzt nämlich der Hamburger Landesvorsitzende der SPD, Olaf Scholz, der gleichzeitig Generalsekretär Ihrer Partei ist und all diese Steuerdinge seines Kanzlers verkündet.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Also, schickt die Leute bitte nicht gen Westen, sondern gen Osten. Schickt die Leute nicht in die falsche Richtung.

Nur ein kleines Beispiel: Viele Hamburger bekommen in diesen Tagen ihre Stromabrechnung für das letzte Jahr. Ich habe sie gestern Abend auch bekommen und siehe da, was jedem Hamburger deutlich wird, die Stromsteuer ist zum 1. Januar 2003 um circa 20 Prozent erhöht worden. Was wird denn mit dieser Stromsteuer gemacht? Da war in diesen Tagen zu lesen – das hat Herr Clement sogar gesagt –, dass mit dieser Stromsteuer im Wesentlichen Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen subventioniert werden, und zwar bald höher als die Steinkohle, wo jeder Arbeitsplatz mit 60 000 Euro subventioniert wird, das heißt die gleiche Subventionierung haben wir bei den Windkraftanlagen.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Nur, das Problem ist, dass in Nordrhein-Westfalen gar nicht so viel Wind weht. Das heißt, wir subventionieren Windkrafträder an Stellen, wo nachweislich kein Wind ist.

(Jörg Lühmann GAL: Dann muss man mal ein bisschen Wind machen!)

Ich zitiere den Bundeswirtschaftsminister Clement. Das ist nicht meine Erkenntnis.

Meine Damen und Herren! Diese Unsinnigkeiten führen unter anderem mit dazu, dass wir in Europa wirtschaftliches Schlusslicht sind. Dieses führt zu Steuerausfällen. Und, meine Damen und Herren, Sie haben nun noch den lieben Herrn Kohl bemüht, aber die Körperschaftsteuerreform haben doch nicht Herr Kohl oder die FDP gemacht, sondern das war Rotgrün. Wir haben mittlerweile fünf Jahre Rotgrün und seitdem wir fünf Jahre Rotgrün haben, erst in Bonn und dann in Berlin, geht es mit den Steuerausfällen bergauf, aber nicht mit den Steuereinnahmen. Jetzt hier in Hamburg zu sagen, das sei alles eine Sache des Hamburger Senates und der Finanzsenator sei nur Mittelmaß, das ist nicht in Ordnung.

Ich will es Ihnen noch an anderen Zahlen deutlich machen. Mich hat das nämlich geärgert, Herr Dobritz, dass Sie immer sagen, wir hätten... Jeden Tag lese ich in der Zeitung, was Sie alles machen würden. Heute habe ich gerade wieder ein Flugblatt mit Ihrem Zehn-PunkteProgramm gelesen. Wir haben uns mal die Mühe gemacht und haben einmal das Ist des Jahres 2001 genommen – das ist der Haushaltsabschluss des letzten vollen Jahres einer rotgrünen Regierung – und haben dann einmal das, was in den einzelnen Ressorts angesetzt wird, prozentual errechnet und dieses dann ins Verhältnis zu dem gesetzt, was der Haushaltsplan 2004, nämlich der von Herrn Dr. Peiner und dieser Regierung eingebrachte, vorsieht. Da sind wir doch zu ganz erstaunlichen Zahlen gekommen. Wenn man das, was Sie tatsächlich in dieser Stadt bis vor zwei Jahren geleistet haben und nachweisbar ist, auf die neuen Verhältnisse projiziert, dann kann ich Ihnen sagen – und wir können gerne mal über diese Zahlen diskutieren –, dass Sie im Justizbereich 29,8 Millionen Euro weniger ausgegeben hätten. Aber Sie wollen ja etwas für die Sicherheit tun. Im Bereich der Schulen hätten Sie nach diesen Zahlen 64 Millionen Euro weniger ausgegeben.

(Ingo Egloff SPD: Wir haben mehr Lehrer!)

Sie hätten weniger ausgegeben.

(Zuruf von Ingo Egloff SPD)

Nein, nein. Wir können über den Haushaltsabschluss 2001 nicht streiten. Das sind Zahlen, die vorliegen und die Prozentrechnung, meine Damen und Herren, beherrschen wir und auch die Mitarbeiter der Fraktionen. Das ist auch Fakt.

(Ingo Egloff SPD: Das bezweifeln wir!)

Das heißt, wenn man eins und eins zusammenzählt, dann ist es zwei und 50 Prozent von zwei ist eins. Das sind die Grundrechenarten und darüber diskutiere ich mit Ihnen nicht.

(Beifall bei Wolfgang Beuß CDU und Dr. Andrea Hilgers SPD)

Im Bereich der Wissenschaft hätten Sie 63 Millionen Euro weniger ausgegeben. Im Bereich der Kultur hätten Sie 27 Millionen Euro weniger ausgegeben. Im sozialen Bereich hätten Sie fast 100 Millionen Euro weniger ausgegeben, wenn wir das mal so fortschreiben.

(Dr. Willfried Maier GAL: Sie geben die ganze Zeit mehr Geld aus!)

Im Baubereich hätten Sie weniger ausgegeben. Im Bereich des Inneren hätten Sie 133 Millionen Euro weniger ausgegeben.

(Dr. Willfried Maier GAL: Sie sparen durch Geld- ausgeben!)

Lieber Herr Dr. Maier, beim Haushalt muss man nun mal zuhören. Das sind Zahlen und die kann man sich sonst nicht merken. Nun tun Sie mir mal den Gefallen und lassen mich einmal in Ruhe ausreden. Dann können Sie sich das besser merken und wenn Sie sich das besser merken können, sparen wir uns auch Diskussionszeiten. Schon der alte Ruhr-Bischof Hengsbach hat gesagt, das ist eine christliche Sache.

Im Bereich der Wirtschaft, im Bereich des Inneren, meine Damen und Herren, hätten Sie 133 Millionen Euro weniger ausgegeben. Im Bereich der Umwelt hätten Sie auch 23 Millionen Euro weniger ausgegeben. Meine Damen und Herren, wenn man den Jahresabschluss 2001 sieht, hier nun zu sagen, wir hätten aber oder wir wollen jetzt mehr ausgeben, wo wollen Sie das hernehmen?

(Ingo Egloff SPD: Wo wollen Sie denn das Geld hernehmen!)

Das Erstaunliche, meine Damen und Herren, ist, dass Sie bei den Steuerausfällen, die wir gehabt haben – 989 Millionen Euro –, nach Ihrem Finanzplan 249 Millionen Euro weniger eingespart hätten. Das heißt, an diesen Zahlen wird ganz deutlich, dass Sie eine Politik für diese Stadt gemacht hätten, die weit unter der Qualität ist, wie es der heutige Senat macht. Das, meine Damen und Herren, können wir mit Zahlen belegen und daran müssen Sie sich auch messen lassen.

(Ingo Egloff SPD: Das haben noch nicht mal Ihre Leute verstanden! Da klatscht keiner mehr!)

Das macht nichts. Das versteht bei Ihnen sowieso keiner mehr. Wenn Sie jetzt sagen, wir haben schlecht gehandelt mit Vattenfall und Hein Gas, wer hat denn HEW

und Hein Gas verkauft? Das war doch nicht dieser Senat. Das war der Senat, den Sie gerade so gelobt haben. Ich bin Ihnen ja dankbar, Herr Dobritz, dass Sie für den Verkauf von Vattenfall und Hein Gas noch Herrn Kohl verantwortlich gemacht haben. Das, finde ich, ist eine großartige Geste. Aber es war der alte Senat und der hat schlechte Verträge gemacht und deswegen gehen Hamburg Millionen verloren. Das muss man ganz einfach sehen und diese Kritik müssen Sie sich auch gefallen lassen.

Dann komme ich jetzt mal zu einem Masterplan für den öffentlichen Dienst. Gucken wir doch einmal in Bundesländer, die, wie Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein, rotgrün regiert sind. Meine Damen und Herren, nun komme ich auch mal zu Ihrem Kaufkraftverlust. Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland und hat auch die meisten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Dort, meine Damen und Herren, werden ohne Sozialklausel tiefere Einschnitte beim öffentlichen Dienst vorgenommen, das heißt, dort wird mehr Kaufkraft abgeschöpft. Gehen Sie nur ein bisschen nach Norden, nach Schleswig-Holstein. Dort wird auf 50 Prozent eingeschnitten, bei uns sozial gestaffelt bis 60 Prozent. Das heißt, in unseren Nachbarländern wird mehr Kaufkraft weggenommen. Das sind aber, meine Damen und Herren, rotgrüne Landesregierungen.

Wenn Sie sagen, wenn Sie hier an der Regierung wären, würden Sie es anders machen, und gleichzeitig in den rotgrün regierten Ländern – ich denke mal an Berlin –,

(Dr. Verena Lappe GAL: Das ist nicht Rotgrün!)

noch viel tiefer in den öffentlichen Dienst einschneiden, so zeigen Sie dort, wie Sie es machen würden.

Meine Damen und Herren! In einem sind sich, glaube ich, alle Fraktionen einig: Im öffentlichen Dienst arbeitet eine hohe Zahl von qualifizierten Leuten und qualifizierte Leute lassen sich nicht so für dumm verkaufen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch kurz auf den öffentlichen Dienst eingehen. Ich bedauere es an dieser Stelle außerordentlich, dass die äußeren Rahmenbedingungen so sind, dass diese Einschnitte im öffentlichen Dienst vorgenommen werden, weil wir wissen, dass ohne den öffentlichen Dienst vieles nicht gehen würde. Zuletzt hat es die deutsche Einheit gezeigt, dass man dieses ohne den öffentlichen Dienst, ohne die Ministerialbürokratie, die sonst beschimpft worden ist, nicht hinbekommen hätte. Ich habe gerade gestern wieder gesehen, dass es die Hamburger Polizei in einem Fall trotz dessen, dass demonstriert worden ist, geschafft hat, effektive Verbrechensbekämpfung vorzunehmen. Meine Hochachtung vor dem öffentlichen Dienst, der trotz dieser Einschnitte noch diese Leistungen erbringt. Ich bin dem Senat außerordentlich dankbar, dass hier das Signal an den öffentlichen Dienst gesetzt worden ist. Wenn sich die Lage verbessert, dann werden wir auch über Verbesserungen im öffentlichen Dienst reden.

Meine Damen und Herren, ich habe dort kein schlechtes Gedächtnis. Ich halte das für eine kluge und richtige Entscheidung. Ich werde, wenn ich dann in drei Jahren noch an dieser Stelle stehe, den Senat, auch wenn es mein eigener Senat ist, an dieses Versprechen erinnern. Das möchte ich hier dem öffentlichen Dienst sagen. Unsere

Fraktion wird sich dann auch für den öffentlichen Dienst einsetzen, denn es kann nicht sein, dass Mitarbeiter nur demotiviert werden, sie müssen auch irgendwo einen Horizont haben. Dieses Signal ist vom Senat ausgegangen. Hieran werden wir den Senat erinnern. Hierzu steht auch die CDU-Fraktion und wenn ich so in die Koalition gucke, bekomme ich dort Nicken zu sehen.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatli- cher Offensive)

Von daher finde ich das schon fast bigott, wie Sie sich hier hinstellen und dem öffentlichen Dienst nach der Nase reden. Genau diese soziale Komponente, diesen Horizont, eröffnet Rotgrün in den rotgrün oder rot regierten Ländern dem öffentlichen Dienst nicht. Und sich dann hinzustellen und zu sagen, dieser Senat sei gegen den öffentlichen Dienst, das ist schon fast bigott, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Zu den Zuwendungen, meine Damen und Herren! Es kann doch nicht sein – wir waren gerade bei den Einschnitten im öffentlichen Dienst –, dass wir sagen, wir müssen aufgabenkritisch arbeiten, wir müssen bei Weihnachtsgeldern sparen, wir müssen beim Urlaubsgeld bei den Beamten sparen und bei den Zuwendungsempfängern gucken wir nicht. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber den Arbeitnehmern im direkten öffentlichen Dienst, dass wir die gleichen Maßstäbe auch bei Zuwendungsempfängern ansetzen. Nicht mehr als ein Stückchen Gerechtigkeit. Ich hoffe, dass Sie sich der nicht verschließen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ein Letztes: Die Steuerpolitik. Wenn Sie jeden Tag einmal in die Fachliteratur gucken, dann sind Sie wirklich die Einzigen in der ganzen Republik, auch die einzigen Sozialdemokraten, die am Anfang einer solchen Debatte für die Steuerpolitik, wie sie heute gemacht wird, Herrn Kohl verantwortlich machen.

(Ingo Egloff SPD: Wir haben Kohl für das Defizit verantwortlich gemacht!)

Da sind Sie wirklich die Einzigen. Ihre Kollegen in Berlin sind bereit, die Verantwortung zu tragen.

(Zurufe von der SPD)

Ihre Regierung ist doch ganz stolz auf diese Steuerpolitik.